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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 12

GUMC
Dienstag
11:45 Uhr


„Ich weiß, dass du nicht wirklich Lust auf dieses Konzert hattest, aber meinst du nicht, dass das ein etwas extremer Weg war es zu umgehen?“

Grey führte Kristens Hand an seine Lippen und drückte ihr einen entschuldigenden Kuss auf den Handrücken. „Ich glaube das nennt man *höhere Gewalt*“, sagte er reumütig. „Ich verspreche dir, dass ich es wieder gut machen werde, wenn ich hier raus bin.“

Kristen rutschte etwas kräftiger auf den Rand der Matratze. „Und das wird wann sein…?“

Grey verzog den Mund. „Nicht früh genug. Eigentlich ist es möglich, dass sie mich heute Abend entlassen werden, wenn ich mein Abendessen bei mir behalten kann.“ Er verdrehte die Augen. „Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt was die zum Mittagessen serviert haben.“

„Ich würde mich gerne als Chauffeur zur Verfügung stellen.“, bot Kristen ihm an und ihr scheues Lächeln entblößte Lachgrübchen auf ihren Wangen. „Im Interesse deiner vollständigen Genesung selbstverständlich.“

Grey grinste zurück. „Natürlich. Ich werde darauf zurückkommen. Fox plant sicherlich mich mit nach Hause zu nehmen, da ich ja bei ihm wohne.“

Kristen schüttelte den Kopf und runzelte verwirrt die Stirn. „Fox? Aber das kann er nicht, er ist…“ Sie hielt abrupt inne und kaute auf ihrer Unterlippe während sie ihren Blick aus dem Fenster schweifen ließ.

„Was? Er ist was?“, forderte Grey, durch ihr Unbehagen alarmiert. „Kristen, was ist hier los?“

„Ich dachte du wüsstest es. Du schienst nicht überrascht zu sein, dass er nicht wieder hier war um dich zu sehen.“, sagte sie leise und knetete ihre Hände in ihrem Schoß.

Grey saß auf und beruhigte diese in den seinen. „Sag es mir.“

„Er ist sehr krank, Grey. Der A.D. sagte mir, dass sie ihn stationär dabehalten und einige Tests machen: Sie glauben es ist eine Lungenentzündung.“

Greys Ausdruck wurde von Qual zu Ärger. „Warum hat mir das keiner gesagt? Glauben die ich will das nicht wissen?“

„Ich glaube sie wollten dich nicht aufregen, da du selber krank warst. Der A.D. sagte… Grey!“

Grey ignorierte Kristens warnenden Ausruf als er sich grimmig die Tropfnadel aus dem Arm zog und die Decke zurückschlug. Er schwang seine Beine über die Bettkante und verharrte dort einen Moment, Beine baumelnd, bevor er ihr ein verkniffenens Lächeln zuwarf.

„Ich schlage vor du drehst dich rum, Süße, sonst werden wir uns sehr viel besser kennenlernen. Dieses Gewand ist nicht dafür gemacht um spazieren zu gehen.“

Sie errötete heftig und drehte sich um, wobei sie ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte. Sie hörte, wie seine nackten Füße auf den Boden klatschten, das Klicken des Lichtschalters und dann fließendes Wasser.

„Kristen?“

Sie drehte sich vorsichtig herum und sah wie Grey seinen Kopf aus der Badezimmertür streckte. „Könntest du Walt finden und ihn herschicken? Und sag ihm er soll mir was zum Anziehen mitbringen. Meine Klamotten sind verschwunden.“

„Du solltest das nicht tun, Grey“, sagte sie und verfluchte sich selbst, weil sie ihm diese Information, von der Dana und A.D. Skinner offensichtlich glaubten, dass er besser nicht erführe, enthüllt hatte. „Du hast Schreckliches durchgemacht, du solltest dich ausruhen.“

Greys intensiver Blick wurde weicher. „Komm her.“

Sie gehorchte aber uncharakteristisch für sie mit vor Sorge und Schuld zusammen gezogenen Augen. Grey strich ihr mit seinen Fingern über die Wange und nahm dann zärtlich ihr Gesicht in seine Hände.

„Mir geht es schon viel besser. Er ist mein Bruder, und ich muss bei ihm sein. Er ist zu oft in seinem Leben allein gelassen worden.“

Kristen legte ihre Hände über seine und nickte. „Das verstehe ich. Aber bitte versuche dich zurück zu halten, okay?“

Grey drückte ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen und lächelte. „Abgemacht. Und jetzt hol bitte Walt und ein paar Hosen. Ich verspreche dir ich rufe dich später an.“

Grey kletterte in die Dusche und seufzte wohlig als das heiße Wasser den Schweiß und Schmutz der letzten drei Tage fortwusch, der drei Tage von… Was? Seine Erinnerung war eine Collage von entgleisten Bildern gemischt mit Teilen vollständiger Dunkelheit. Dana hatte gesagt, dass sie glauben, dass Fox das eigentliche Ziel der Entführung gewesen sei. Warum erfüllte ihn dies mit einem prickelnden Gefühl der Sorge?

Er stieg aus der Dusche und sah eine Jogginghose und ein Tshirt auf dem Haken an der Tür hängen. Er trocknete sich schnell ab und ruhte sich kurz auf der Toilette aus, als ihm etwas schwindelig wurde. Skinner saß steif auf dem verwaisten Bett, ein missbilligendes Stirnrunzeln verdunkelte seine Miene.

„Danke.“, sagte Grey und deutete auf die Kleidung. „Wie bist du denn daran gekommen?“

„Ich hatte noch Mulders Sporttasche in meinem Kofferraum. Man hat sie mir gegeben als sein Auto als Beweisstück beschlagnahmt wurde und mir ist es bis jetzt durch die Lappen gegangen sie zurück zu geben. Diese unsäglichen Laufschuhe von ihm sind auch hier, und ein Paar Socken. Ich war nicht sicher ob sie dir passen würden.“

„Passt schon“, sagt Grey und sank auf den Stuhl um eine Socke über seinen linken Fuß zu ziehen.

„Du bist noch nicht bereit dafür.“, knurrte Skinner und sah zu wie er die Senkel band.

Der Ärger, der während der Dusche und dem Ankleidung unterschwellig weitergeköchelt hatte, flammte wieder auf.

„Ich denke dass *ich* derjenige bin, der dazu qualifiziert ist das zu entscheiden.“, fauchte er. „Du hattest kein Recht mir das vorzuenthalten, Walt. Und es ist völlig egal wie edel deine Absichten waren.“

„Grey, vor zwölf Stunden hast du deinen Bruder noch nicht einmal erkannt. Von dem was Scully mir erzählt hat, hast du den Vormittag damit verbracht dir die Seele aus dem Leib zu kotzen und warst obendrein noch durcheinander.“, erwiderte Skinner in ruhigem Ton, aber seine Kieferbewegungen bewiesen, dass es ihn einige Mühe kostete. „Wir hätten dir das nicht ewig vorenthalten, nur bis wir ein besseres Bild davon haben was los ist.“

„Er ist mein Bruder, verdammt nochmal! Er hat gerade für mich sein Leben aufs Spiel gesetzt. Ich muss einfach für ihn da sein.“ Grey erhob sich langsam und kontrolliert und rieb sich über die Bartstummel an seinem Kinn.

„Er wird es im Moment gar nicht merken, Grey.“; entgegnete Skinner trocken. „Er ist sehr krank.“

Skinners Worte hallten in Greys Kopf wider und lösten ein Bild aus, das sowohl steif als auch erschreckend in seiner Klarheit war. Als ob er sich plötzlich von seinem Körper lösen konnte sah er wie sich die Szene entfaltete.

*Stechende dunkle Augen durchsuchten sein Gesicht. „Wie krank ist er?“*

*Die Gefühle von Angst, Wut und Hilflosigkeit vermischten sich. Der Gestank von Zigarettenrauch und das Schmerzen von missbrauchten Muskeln und Knochen. „Gehen Sie zur Hölle!“*

*Das faltige Gesicht, das sowohl Sorge als auch Ärger widerspiegelte. „Spielen Sie keine Spiele mit mir, es geht um das Leben Ihres Bruders! WIE KRANK IST ER?“*

Skinner schnellte vorwärts und packte Grey am Ellbogen als der Mann schwankte und sich an den Kopf fasste. Er führte Grey ohne Widerstand zurück zum Stuhl, drehte sich dann um und schüttete ihm ein Glas Wasser ein.

„Ja, du kannst vortrefflich entscheiden wofür du bereit bist“, sagte er sarkastisch und gab Grey das Glas in die zittrige Hand.

Grey nahm einen Schluck der kühlen Flüssigkeit und atmete tief durch bevor er antwortete. „Es ist nicht was du glaubst. Ich hab nur… ich glaube ich habe mich an etwas erinnert.“

„Etwas aus den drei Tagen? Was?“ Skinner erkannte dass er sich über Grey gebeugt hatte und zog sich bewusst zurück indem er sich auf das Bett setzte.

Grey drehte das Glas langsam in seiner Hand und starrte in seine Tiefen als ob es die Antwort, die er haben wollte, enthüllen könnte. „Es macht nicht viel Sinn. Ich habe mich daran erinnert, dass ein Mann mir Fragen über Fox gestellt hat, über seine Krankheit. Er schien… besorgt, und er sagte mir dass Fox’ Leben davon abhinge dass ich ihm erzähle was ich wisse.“

„Sonst noch irgendwas?“

Grey war einen Moment still und nickte dann bedrückt. „Ja, ich habe Zigarettenrauch gerochen.“

Jeder Muskel in Skinners Körper spannte sich an und er murmelte einige farbenfrohe Worte in seinen Bart. „Ich sollte nicht überrascht sein“, sagte er düster, „Wann auch immer Krycek auftaucht, ist dieser Hurensohn nicht weit.“

„Krycek? Meinst du den Typ den Fox den ‚einarmigen rattigen Bastard’ nennt?“

Skinner gluckste. „Er ist sehr wortkreativ. Ganz recht, den meine ich. Wir haben seinen Daumenabdruck in Mulders Auto gefunden. Er muss derjenige sein, der dich entführt hat.“

Grey starrte ins Leere, die Hände um die Armlehne seines Stuhls gekrallt. Nach einer Minute ließ er die Schultern hängen und er massierte seine Schläfen. „Nichts. Dieser Teil ist immer noch nicht da.“

„Nimm dir Zeit.“, antwortete Skinner milde. „Du kannst die Erinnerung nicht erzwingen.“ Er seufzte resigniert. „Wenn du soweit bist bringe ich dich hoch in Mulders Zimmer. Ich habe deine Geisteskrankheit oben bei den Schwestern schon angekündigt, aber du musst trotzdem da vorbei und dich entgegen ärztlichen Rat auschecken.“

Er erhob sich und streckte Grey eine Hand hin. „Weißt du was, du und dein Bruder, ihr seid wahrscheinlich die zwei stursten Männer, die ich kenne.“, sagte er reumütig.

Grey erlaubte ihm ihn hochzuziehen und grinste. „Oh danke sehr, Walt. Ich freue mich immer, wenn ich die Oberhand behalte.“


Intensivstation
Dienstag
13:00 Uhr


Scully wrang das Wasser aus dem weichen Frotteetuch und wusch Mulders glühende Wangen sanft damit bevor sie es auf seiner Stirn ablegte. Trotz der Kühldecke war seine Temperatur gefährlich hoch geblieben, obwohl er die letzten Stunden ohne Fieberkrampf geblieben war. Scully streckte ihre rechte Hand durch das Seitengitter um seine schlaffe Hand zu halten, seine Haut heiß und trocken, während ihre andere Hand ihm beruhigend durchs Haar strich.

„Was geschieht hier, Mulder?“, flüsterte sie. „Du jagst mir Angst ein.“

Als sie Mulder in die Notaufnahme gebracht hatten musste Scully erschrocken erfahren, dass sein Fieber auf über 40°C gestiegen war, wodurch der Anfall im Aufenthaltsraum und ein weiterer, länger andauernder in der Notaufnahme ausgelöst worden war. Beide Lungenflügel waren mit Flüssigkeit vollgelaufen und er hatte durch seine Hustenanfälle eine Ader in der Luftröhre gerissen – eine Tatsache die sie später ihrem Boss als Erklärung für die Blutspuren auf dem Taschentuch geben konnte.

Obwohl sie sich bitter beklagte, hatte das Notaufnahme-Team Scully resolut aus dem Traumaraum verbannt und sie in den Wartesaal geschickt und Mulder wurde zur Königin des Bienenstocks. Ihm wurde Blut abgenommen, Auswurf kultiviert, ein CT gemacht um einen Hirnschaden durch die Anfälle auszuschließen. Ein arterieller Zugang wurde gelegt, genauso wie ein Tropf und ein Katheder, ein Clip an seinem Finger um den Sauerstoffgehalt des Blutes zu messen, ein Herzmonitor und zu guter letzt eine Sauerstoffmaske. Letztendlich brachten sie ihn auf die Intensivstation wo sie ihr erlaubten sich zu ihm zu setzen, während sie auf die Ergebnisse warteten.

Sie hatte gerade das schon wieder warme Tuch entfernt und tunkte es in den Behälter mit Wasser als Skinner und Grey die Kabine betraten. Scullys Augen wurden weit, dann zog sie sie verärgert zusammen.

„Du solltest unten sein und dich ausruhen“, sagte sie zu Grey. „Wissen die überhaupt dass du hier bist?“

„Ich bin nicht länger deren Problem. Ich habe mich selbst entlassen.“, antwortete Grey abgelenkt und ging um sie herum näher zu seinem Bruder. Er streckte seine Hand aus und strich zögerlich über Mulders Stirn und zuckte leicht zusammen als er die Hitze spürte. „Was ist los mit ihm, Dana?“

Mit einem Mal wurde aus all den Ereignissen der letzten Tage, Greys Verschwinden, der Müdigkeit von zu vielen schlaflosen Nächten und der Sorge wegen Mulders Krankheit, ein Druck auf ihre Brust ausgeübt und sie kämpfte um ihre Fassung. „Bakterielle Lungenentzündung“, sagte sie und verkniff sich ein paar Tränen. „Wir wissen aber noch nicht welcher Bakterienstamm bis die Ergebnisse zurück sind – frühestens morgen. Bis dahin bekommt er ein Breitbandantibiotikum und Atemtherapie um seine Lungen frei zu bekommen.“

„Er fühlt sich so heiß an.“, murmelte Grey. „Seine Haut scheint zu verglühen.“

„Eigentlich ist seine Temperatur ca ein Grad gesunken seit sie die Kühldecke aufgelegt haben.“, sagte Scully. „Nicht viel, aber wenigstens haben die Fieberkrämpfe aufgehört.“

„Wie ist er denn so schnell so krank geworden? Ich weiß, dass er nicht ganz auf dem Damm war, aber...“

Scully zuckte mit den Achseln und streichelte unbewusst sanft die zarte Haut um den Zugang herum mit ihrem Daumen. „Sorge, Erschöpfung, schlechte Ernährung... ich vermute all das zusammen hat den Prozess beschleunigt. Es ist schwer eine Krankheit zu bekämpfen, wenn du deinen Körper missbrauchst.“

„Weil er nach mir gesucht hat.“, sagte Grey sich schuldig fühlend. „Das musst du nicht sagen.“, warf er schnell hinterher als Scully ihn gequält ansah. „Ich kenn ihn gut genug um zu wissen, was für ein Bild er abgegeben haben muss.“

„Dr. Scully?“

Die Schwester der Intensivstation, die für Mulder zuständig war betrat die Kabine mit einem Wagen voller medizinischer Geräte. Elena Alvarado war eine junge Frau und trug ihr langes, schwarzes Haar zu einem Zopf gebunden, der ihr weit auf den Rücken ihrer roséfarbenen Uniform hinab hing.

„Dr. Brewer erwartet Sie im Aufenthaltsraum um mit Ihnen zu sprechen. Ich werde mich um Mulders Therapie kümmern solange Sie fort sind.“, sagte sie und nickte Skinner und Grey zu.

Scully lächelte warm, glücklich darüber, dass Elena sich daran erinnerte, dass sie ihr geraten hatte Mulder nicht bei seinem Vornamen zu nennen. „Danke, Elena. Kommen Sie allein mit ihm zurecht? Ich helfe gerne, wenn ich mein Gespräch mit Dr. Brewer beendet habe.“

„Ich schaffe das schon, danke. Joey wird kommen und mir helfen, also sollten wir das schnell schaffen. Mit etwas Glück werden all die Unannehmlichkeiten vorrüber sein wenn Sie zurück sind.“ Als sie sah, dass Scully zusammenzuckte klopfte sie ihr auf die Schulter. „Versuchen Sie sich nicht zu sorgen. Wir werden ihn hier durch bringen und er wird wieder böse Jungs jagen bevor Sie sich versehen.“

Scully lehnte sich vor um einen Kuss auf Mulders Wange zu platzieren und ihm etwas ins Ohr zu murmeln, was offensichtlich nur für ihn bestimmt war. Mit einem schwachen Lächeln für Elena und einem letzten abschiednehmendem Blick in Mulders Richtung erlaubte sie Skinner sie am Ellbogen zu fassen und aus der Kabine zu leiten.

Grey ließ sich etwas zurück hängen und beobachtete, wie die Schwester ein kleines Gerät aufbaute und steril verpackte Schläuche auspackte. Als sie sanft die Sauerstoffmaske von seines Bruders Gesicht entfernte, drehte er sich um und trottete hinterher um zu Skinner und Scully aufzuschließen.

„Dana, woraus genau besteht diese Therapie?“, fragte er und beugte sich etwas nieder um ihr ins Gesicht zu sehen.

Scullys Antwort war etwas bedrückt und sie vermied Augenkontakt. „Es ist extrem wichtig, dass der Schleim aus seinen Lungen entfernt wird, Grey. Und Mulder ist zu schwach – er kann es im Moment nicht selber tun.“

Grey stellte sich den Schlauch vor und schluckte hart. „Wird es... wird es ihm weh tun?“

Scully befeuchtete ihre Lippen. „Es ist nicht wirklich angenehm. Auf der anderen Seite ist Mulder im Moment nicht wirklich bei Bewusstsein.“ Sie klimperte mit den Augen um die Tränen, die ihren Blick verschwimmen ließen, loszuwerden. „Das letzte Mal ist er nicht wach genug geworden um mitzubekommen was vor sich ging.“

Dr. Nicholas Brewer sah aus wie eine Mischung aus einem jungen, erfolgreichen Städter und einem kalifornischen Surfer. Er stand in der Mitte des Aufenthaltsraumes, studierte eine Akte und sah aus wie der ultimative Experte – glatter, weißer Kittel, ernste blaue Augen, die von einem Drahtgestell umrahmt waren und ein Stethoskop, welches um seinen Hals geschlungen war. Aber hier und da entkamen seiner Person die Anzeichen eines unterschwelligen Rebellen gegen den Status Quo. Das blonde Haar war einen Tick zu lang und störrisch, an seinen Füßen steckten Doc Martens anstelle von feinen Schuhen und die Krawatte... Abgelenkt und fast außer sich vor Sorge, als Mulder zum zweiten Mal gekrampft hatte, hatte Scully einen Blick auf den unmöglichen Tumult an Farben, der um des Doktors Hals geknotet war geworfen und sich augenblicklich beruhigt gefühlt. Mulder würde diese Krawatte lieben – der Mann war offensichtlich ein Seelenverwandter.

Brewer blickte auf als sie sich ihm näherten und warf ihnen ein willkommen heißendes Lächeln zu, aber Scullys Magen verkrampfte sich bei dem Anblick. Sie selber hatte zu viele dieser Gesichtsausdrücke aufgesetzt, als sie Angehörigen eines Opfers niederschmetternde Nachrichten überbringen musste, um es nicht zu erkennen, wenn sie selber einem dieser Ausdrücke gegenüber stand. Was auch immer in dieser Akte stand, es waren keine erfreulichen Nachrichten.

„Dr. Scully.“, sagte er und warf einen fragenden Blick auf Skinner und Grey. „Die Ergebnisse des CT’s und der Blutuntersuchung sind zurück gekommen. Ich würde sie gerne mit Ihnen angucken.“

„Dies hier ist Assistant Director Skinner, unser Vorgesetzter beim FBI.“, sagte Scully mit einem Nicken in die jeweilige Richtung. „Und das ist Grey McKenzie, Mulders Bruder. Ich möchte gerne, dass sie die Ergebnisse auch zu hören bekommen.“

Brewer schüttelte ihre Hände und tauschte ein paar Freundlichkeiten mit Skinner und Grey aus und richtete dann seine Augen nüchtern auf Scully.

„Sie spielen offensichtlich keine Karten, Dr. Brewer“, sagte Scully mit einer Leichtigkeit die sie nicht empfand. „Ihr Ausdruck sagt mir, dass mich diese Ergebnisse nicht beruhigen werden.“

Brewers Lippen zuckten. „Also deshalb wollten die immer, dass ich mit denen Poker spiele.“, sagte er trocken. Er klemmte die Akte unter seinen Arm und verschränkte die Hände. „Wir haben eine beunruhigende Entdeckung auf Mr. Mulders CT gemacht. Ich weiß, dass Sie es selber anschauen wollen werden, und ich habe keine Einwände. Ich hab denen schon gesagt, dass Sie vorbei kommen werden.“

Es war schwer, Worte durch eine trockene Kehle zu würgen. „Was für eine Entdeckung ist das?“

Brewer rieb sich mit der Hand über sein leicht stoppeliges Kinn, seine Augen zeigten deutlich seine Verwirrung. „Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll. Ich habe mit Sicherheit so etwas noch nie gesehen, genauso wenig wie der zuständige Onkologe.“

Scully schwankte leicht, aber Greys Griff an ihrem Ellbogen hielt sie aufrecht. „Onkologe?“

Brewers blaue Augen waren freundlich, die Fältchen um seinen Mund eine Bestätigung seines Bedauerns. „Es gibt leider keine Weg, dies einfach zu machen, Dr. Scully, darum werde ich nicht um den heißen Brei reden.Um Mr. Mulders Epiphyse hat sich eine Art Masse angesammelt, aber vollständig anders als jeder andere Tumor den ich je gesehen habe. Ich weiß, es kling verrrückt, aber es sieht aus wie... wie...“

„Würmer“, flüsterte Scully und fühlte sich als ob ihr etwas Lebenswichtiges aus dem Körper gesaugt würde. „Schwarze Würmer.“

Sie nahm Brewers erstaunte Bestätigung aufgrund des Klingelns in ihren Ohren kaum wahr. „Ja. Das genau ist es. Aber woher wissen Sie das?“
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