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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 10

Nature’s Best Inc.
Dienstag
0:12 Uhr


Durch das Tor zu gelangen war einfach. Um ihr „Kung Fu“ unter Beweis zu stellen hatten die Schützen den vorherigen Nachmittag und Abend damit verbracht sich in Nature’s Best Computersystem zu hacken. Blaupausen und Schemata von den Gebäuden und dem umliegenden Gelände hatten eine Stelle im Zaun enthüllt die für Drahtzangen verwundbar war. Mulder bog die zackigen Enden auseinander während Scully und Frohike sich hindurch zwängten und folgte, als Frohike ihm auch diesen Gefallen tat.

„Wir sind drin.“, verkündete er leise und rückte sein Headset wieder zurecht, welches von einem scharfkantigen Stück Draht verschoben worden war.

„An unserem Ende stehen die Aktien gut.“, erwiderte Byers, der zusammen mit Langly seinen Standpunkt im Van hatte. Sie hatten es geschafft sich in die Telefonleitung, die Nature’s Best versorgte, einzuklinken. Langly besetzte die Tastatur und Byers war überglücklich die Kommunikation zu übernehmen. Er hatte sich nie wirklich von seinem Ausflug mit Mulder in die Lombard Research Facility erholt.

„Langly sagt ihr müsst die Bäume nördlich umgehen. Ihr werdet zwei Gebäude sehen. Das große, zweistöckige ist die Fabrik. Das kleinere dient der Forschung und Weiterentwicklung. Meldet euch, wenn ihr in Position seid.“

„Verstanden.“, sagte Mulder sicher.

Scully übernahm die Führung als sie vorsichtig einen Bogen nordwärts schlugen, hielt sich im Schatten des dichten Unterholzes von Eichen und Birken, deren Blätter im Mondenlicht glänzten. Von Kopf bis Fuß in schwarzer Kleidung verpackt, ihren roten Schopf unter einer Baseballkappe versteckt, erinnerte Scully Mulder an eine geschmeidige Katze als sie ihnen einen Weg durchs Unterholz bahnte. Mit einem Kopfschütteln zerstreute Mulder diesen seltsamen Gedanken und war sofort an ihrer Seite als sie anhielt.

Mit einem Kopfnicken und einer hochgezogenen Augenbraue deutete Scully wortlos auf das Problem. Hinter einer holprigen Wiese standen zwei in gleißendem Flutlicht gebadete Gebäude. Mulder unterdrückte ein Stöhnen und suchte mit den Augen methodisch die Gegend ab, während er mit einem Finger rhythmisch auf seine gespitzten Lippen klopfte.

„Wir sind in Position.“, flüsterte er schließlich in sein Mikrofon. „Es gibt über 250 Meter keine Deckung bis zu den Gebäuden. Gibt es eine andere Option?“

Ein schwaches Summen gedämpfter Stimmen drang an sein Ohr als Byers und Langly Kriegsrat hielten, bevor sie antworteten. „Keine andere Option.“, sagte Byers. „Er kann das Sicherheitsschloss und die Kameras für die westliche Tür für 45 Sekunden deaktivieren, aber um da hinzukommen seid ihr auf euch allein gestellt.“

Mulder fluchte verhalten. Scully lehnte sich zu ihm und legte ihm eine beruhigende Hand auf den Arm.

„Wir werden einfach drauflosrennen“, sagte sie praktisch denkend, so als ob sie von einer gelinden Unbequemlichkeit und nicht von einem lebensbedrohlichen Risiko reden würde. „Wir laufen alle zusammen und wir werden nicht stehenbleiben bevor wir durch diese Tür sind. Mit etwas Glück ist der Wachmann irgendwo anders oder hält ein Nickerchen.“

Mulder studierte kurz ihr Gesicht und nickte dann. „Bist du bereit dafür, Frohike?“

„Mal im Ernst, Mulder. Du solltest wissen, dass ich der lieblichen Agentin Scully bis ans Ende der Welt folgen würde.“, grinste Frohike.

Mulder verdrehte die Augen und Scully setzte einen Ausdruck auf der irgendwo zwischen Schmerz und Zufriedenheit lag. „Ich zähle bis drei, Byers. Und diese Tür ist verdammt nochmal besser offen, wenn wir da ankommen.“

Als sie das offene Feld überquerten erlebte Mulder mit klopfendem Herzen ein zerhacktes Flashback, freundlicherweise von seinem fotographischen Gedächtnis zur Verfügung gestellt. Er war zehn und Sam sechs als seine Mutter sie ins Ein-Dollar-Kino ausgeführt hatte um Bambi zu gucken. Trotz erbitterter Proteste gegen so einen Kinderkram hatte er entgegen seinem Willen mitkommen müssen. Aber innerhalb von Minuten hatte ihn die Geschichte in ihrem Zauber gefangen. Er war buchstäblich an die Sitzkante gerutscht, während der Szene auf der Wiese als Bambis Mutter die Gegenwart des Jägers spürte und ihm sagte, dass er rennen sollte ohne sich umzugucken...

Die Erinnerung an den Schock, den jener fiktive Schuss durch seinen Körper gejagt hatte, ließ ihn scharf nach links blicken, wo seine Augen sich ohne dass er an Tempo verlor, nach Scully umsahen. Sie war nur wenige Schritte hinter ihm, an ihrer Seite Frohike, ihr Gesicht eine entschlossene Maske durch die Konzentration, da ihre kurzen Beine doppelt so viel arbeiten mussten um mit ihm Schritt zu halten. Die Enge in Mulders Brust löste sich kaum merklich. Er legte noch etwas Tempo zu, die rechte Hand nach vorne gestreckt als die Tür vor ihm auftauchte. In dem Zeitlupenspecial seines Gehirns sah er wie sich seine Finger um den Messingknauf legten und feste drehten kurz bevor seine Schulter das Metall rammte.

Und davon abprallte.

Bevor er die Chance hatte den Misserfolg zu registrieren durchbrach ein markantes Klicken sein verzweifeltes Keuchen und Scullys kleine Hand löste seine eigene ab um die Tür zu öffnen. Sie glitten hinein, zogen die Tür hinter sich zu und duckten sich hinter einer Ecke um die momentan blinde Kamera zu umgehen. Mulder beugte sich hart vornüber, einen eisernen Griff um seine Knie, als er darum kämpfte Sauerstoff in seine komprimierten Lungen zu saugen. Er sah in betäubter Faszination wie Schweiß von seiner Braue wie Regen auf den staubigen Boden tropfte.

Ein leises Kitzeln in seinem Hals ließ ihn panisch werden. Er hob den Arm und vergrub sein Gesicht in seiner Schulter in einem verzweifelten Versuch das Geräusch zu dämpfen. Scullys Finger legten sich augenblicklich um sein Kinn, hoben seinen Kopf an und drehten ihn, so dass er sie ansah. Sein Protest verstummte als sie ihm das Plastikmundstück des Inhalierers zwischen die Lippen schob und ihm etwas zuzischte. „Hol tief Luft!“

Wenn die letzten sechs Jahre ihn etwas gelehrt hatten, dann war es, dass sie sich gegenseitig in heiklen Situationen vertrauen konnten. Obwohl eine tiefe Atmung normalerweise seinen Husten verschlimmerte folgte Mulder Scullys Anweisung. Ein Hauch von etwas feuchtem und leicht abscheulich schmeckendem wurde mitsamt dem Sauerstoff in seine Lunge gesogen, was augenblicklich den Drang zu Husten und den Druck auf seinen Lungen auf ein ertragbares Niveau senkte.

„Bronchodilator“, murmelte Scully und beobachtete ihn genau während sie das kleine Wunderding wieder in ihrer Tasche verschwinden ließ. „Red mal ne Minute nicht, atme nur.“

Mulder war nur zu glücklich dem nachzukommen. Als sein hämmerndes Herz sich beruhigte nahm er endlich seine Umgebung und Frohikes Abwesenheit wahr. In seinen Augen musste sich Sorge widerspiegeln denn Scully drückte seine Hand beruhigend mit ihrer.

„Entspann dich. Er spioniert nur den Flur aus. Langly leitet ihn.“

Wie gerufen öffnete sich die innere Tür und Frohikes Kopf erschien. Er blinzelte Mulder an, eine Sorgenfalte auf seiner Stirn. „Gehts dir gut? Bereit für die Party?“

Mulder nickte und legte seine Hand auf Scullys Rücken um sie durch die Tür zu geleiten. Er beugte sich zu ihr und presste seine Lippen an ihr Ohr was ihr ein unwillkürliches Zittern entlockte. „Danke, Babe. Auch wenn das Zeug wie Pisse schmeckt.“

Sie glitten einen langen Korridor entlang, dessen gedämpftes, fluoreszierendes Licht und die fehlende Betriebsamkeit eine von Wachsamkeit überlagerte Schläfrigkeit ausstrahlte. Auf jeder Seite trugen versetzte Türen elektronische Schlösser und identifizierende Namensschilder – Mikrobiologie, Toxikologie, Elektronenmikroskop. Mulder linste durch eine der Scheiben, die nicht mehr als düster aussehende Laborbänke und Ausrüstung enthüllte, Scullys Fachgebiet.

„Wohin gehen wir, Byers?“, knurrte er und duckte sich mit Scully und Frohike hinter einer Ecke um den Kameras, die in ihre Richtung schwenkten, zu entgehen. „Wir brauchen hier eine Marschrichtung.“

„Langly sagt, dass ganz hinten ein Flügel ist, der auf der Blaupause nicht identifiziert wird. Geht ans Ende des Korridors und biegt links ab, dann sofort wieder rechts. Ihr werdet eine Doppeltür sehen. Er versucht gerade das Schloss zu knacken.“ Byers Worte kamen immer schneller aufgrund seiner steigenden Nervosität. „Da sind viele Kameras in dem Bereich, Mulder. Langly kann sie nicht alle ausschalten. Seid vorsichtig.“

Sie joggten leise den angegebenen Pfad entlang, versteckten sich einmal in einer Tür um einen in seine Akte vertieften Techniker passieren zu lassen. Als sie vorsichtig um die letzte Ecke schauten, zeigte Scully Mulder den erhobenen Daumen, bevor sie durch die Sicherheitstüre, die Byers beschrieben hatte, trat. Mulder hatte kaum einen Fuß erhoben um ihr zu folgen als sie sich rückwärtsgehend gegen ihn warf, so dass er gegen Frohike und zurück in die Schatten stolperte. Auf ihre fragenden Blicke hin deutete Scully nur eine Zigarette an.

Mulders Augen verdunkelten sich und sein Körper zitterte vor unterdrückter Wut. Er riss sich das Headset vom Kopf und legte das Ohr an die rauhe Oberfläche der Wand um zu versuchen etwas zu verstehen.

„... Tropf ist in etwa einer Stunde durchgelaufen, dann werden Sie das gewünschte Ergebnis haben.“ Die Stimme war ein hoher Tenor mit einer nasalen Komponente, eifrig dem Zuhörer zu gefallen.

„Exzellent.“ Cancermans Grabesstimme brach ab und fuhr dann fort, Mulder konnte sich den fehlenden Zug an der Zigarette bildhaft vorstellen. „Wird es Nebenwirkungen geben?“

„Nichts Schlimmeres als Sie bisher gesehen haben. Orientierungslosigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit – vielleicht ein leichtes Fieber. Sie können ihn dennoch transportieren.“

„Das ist gut zu hören. Ich habe noch andere, dringendere Angelegenheiten, die meine Aufmerksamkeit erfordern.“

Gleichmäßige Schritte gingen knapp an ihnen vorbei, als die Männer ohne sich umzudrehen den Korridor entlang gingen und der unvernünftige Wunsch Cancerman am Hals zu packen, erwachte in Mulder und er ballte unbewusst seine Hände zur Faust. Er stellte sich vor seine Finger um diese bleiche Kehle zu legen, ihn gegen die Wand zu drängen und zuzudrücken bis das anzügliche Grinsen aus seinem Gesicht verschwand.

In diesen Bildern versunken hatte er nicht bemerkt, dass Frohike weiter zu den Türen gegangen war bis Scullys Hände seine zitternden Fäuste packten und seine Konzentration wieder auf die bevorstehende Aufgabe lenkten. Mulder fühlte sich verwundbar wie ein Käfer an einer Wand denn er konnte die kalten, elektrischen Augen der Kameras auf sich spüren, die gleichgültig ihr Eindringen aufzeichneten. Das kleine Licht oberhalb der komplizierten Tastatur des Schlosses blinkte in einem unheilvollen Rot.

„Byers, jetzt wäre es an der Zeit“, zischte er, während er sein Headset wieder aufsetzte und an dem nicht nachgebenden Knauf rüttelte.

„Moment, Moment, er hats gleich.“, beruhigte Byers ihn.

Mehr Schritte, unmöglich zu entscheiden woher sie kamen, da das Geräusch von den Fliesen widerhallte. Mulder nahm seine Waffe und entsicherte sie. Er spürte dass Scully es ihm gleich tat während seine Augen sich aufmerksam umsahen. Das gleichmäßige, entschlossene Tappen näherte sich unaufhaltsam.

„Uns läuft die Zeit davon.“, presste er durch seine Zähne. „Da kommt jemand.“

Frohike ruckelte erneut an dem Knauf. „Verdammt, Ringo. Das ist nicht der Weg an meine Videosammlung zu kommen.“, murrte er in sein eigenes Mikrofon.

Ein leises Klicken, das Licht leuchtete grün auf, und sie stolperten durch die erste, dann durch die zweite Tür und glitten um die nächste Ecke. Als ihnen klar wurde, dass der Verursacher der Schritte vorbeigegangen war, richtete Mulder sich auf und drehte den Knauf der ersten Tür, stieß diese leise auf.

Der Raum war dunkel und vollständig leer, es gab weder Möbel noch Ausrüstung abgesehen von zwei Feldbetten, die unter ein vergittertes Fenster ins Mondlicht gestellt worden waren. Mulder ging langsam zum Näheren wobei er seine Waffe wieder in das Holster an seinem Rücken steckte. Auf jedem Feldbett lag jemand, zwei junge Männer, höchstens Anfang zwanzig. Nur die leise Bewegung ihrer Brustkörbe unterschieden sie von Leichen – das und die Tatsache, dass sie am Bettgestell festgebunden waren.

Frohike blickte Mulder über die Schulter, während Scully zur anderen Seite ging. Zögerlich berührte sie einen Arm, legte dann, als der Besitzer sich nicht rührte oder aufwachte, ihre Finger um sein Handgelenk.

„Der Puls ist stark und gleichmäßig.“, sagte sie.

Mulder reichte herüber und drehte den Arm um. „Guck dir das an.“

Nadelspuren verunstaltenen in einem hässlichen Muster die glatte Haut von den Handgelenken zu den Ellbogen. Mulder wiederholte seine Untersuchung am anderen Arm und kam zu demselben Ergebnis. Scully lehnte sich herüber und benutzte ihren Daumen und Zeigefinger um die schlaffen Augenlider zu öffnen, hielt dann die Luft an und zog sich zurück.

„Bist du okay?“, fragte Mulder und legte aufgrund ihrer uncharakteristischen Reaktion die Stirn in Falten.

„Ja. Aber er nicht.“

Sie bedeutete ihm näher zu kommen und zog das Augenlid wieder hoch. Der starre blaue Glaskörper unter ihnen schwamm in einer Pfütze von schwarzer, öliger Flüssigkeit. Mulder prallte zurück und fluchte dann leise als Scully sich umdrehte um den anderen jungen Mann zu untersuchen. Er hatte beinahe Frohikes Anwesenheit vergessen bis dieser seinen Ellbogen in einem stahlharten Griff packte.

„Was zum Teufel ist das?“, verlangte der kleine Mann mit weiten Augen.

Mulder zog eine Grimasse und drehte sich zur Tür hin. „Der ultimative Betrug.“

Sie gingen auf die andere Seite des Ganges zur nächsten Tür und diesmal drehte Scully den Knauf. Der Raum war ähnlich kahl, aber in seichtes Licht getaucht. Eine einsame Figur lag bewegungslos und gefesselt auf einem Feldbett, ein Tropf an einer Hand befestigt, durch den eine bernsteinfarbene Flüssigkeit lief. Mulder stockte der Atem als er das ihm bekannte dunkel gewellte Haar wahrnahm und er stürmte blindlings an Scully vorbei an die Seite des Mannes.

„Grey.“, flüsterte er und klimperte schnell mit den Augen um die heißen Tränen, die sich ankündigten zu unterdrücken.

Ohne sich Frohikes und Scullys besorgter Blicke bewusst zu sein berührte er seinen Bruder mit zitternder Hand, legte seine Finger gegen dessen warme Wange. Grey zuckte noch nicht mal, und sein langsames, tiefes Atmen änderte sich nicht. Sich fest auf die Lippen beißend, hob Mulder seine Finger an Greys linkes Auge und öffnete es sanft. Haselnussbraune Augen mit erweiterten Pupillen, aber kein öliger Film.

Mulder nahm seine Hand schnell zurück und hielt sich am Bettgestell fest, da ihm vor Erleichterung etwas schwindelig war. Scully rieb ihm beruhigend über den Arm und wandte sich dann Grey zu, ihre blaue Augen entschlossen. Schnell und effizient entfernte sie den Tropf und benutze eine Ecke des Lakens um die Blutung zu stoppen.

„Ist es sicher ihn zu transportieren?“, fragte Mulder mit emotionsbeladener Stimme.

„Alles das ihn hier raus bringt ist sicher.“, antwortete Scully grimmig. „Sein Puls ist gut. Los gehts.“

Frohike hatte sich in eine Ecke des Raumes verzogen und sprach leise mit Byers. Als er sah, dass Scully den Tropfständer aus dem Weg schob, half er Mulder Grey halbaufrecht zu setzen. Greys Kopf baumelte hin und her wie bei einem Betrunkenen und Mulder lehnte seinen Oberkörper gegen seine Brust.

„Wir müssen auf dem gleichen Weg raus wie wir reingekommen sind.“, sagte Frohike entschuldigend, und half Mulders Bemühungen Greys Beine über die Seite des Feldbettes hängen zu lassen. „Es gibt keinen Hinterausgang.“

„Wie wirst du ihn tragen?“, fragte Scully und ein Kloß formte sich in ihrem Hals als sie beobachtete wie Mulder seinen Bruder sanft an sich zog. „Er ist wie ein nasser Sack.“

„Genauso wie er mich zurück zum Lager getragen hat während unseres netten Ausfluges in den Wald.“, entgegnete Mulder. „Ich schmeiß ihn mir über die Schultern. Ihr zwei werdet mir Rückendeckung geben müssen, denn ich werde mich nicht verteidigen können.“ Er nahm seine Waffe wieder aus dem Holster und drückte sie einem entsetzten Frohike in die Hand.

„Mulder... Mann... ich hab sowas noch nie benutzt.“, protestierte Frohike und hielt die Waffe als ob sie eine giftige Schlange wäre.

„Komm schon, Melvin.“, lockte Mulder mit einem Grinsen als er den regungslosen Körper seines Bruders über seine Schultern hievte. „Ich habe noch nie an das Sprichwort *was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr* geglaubt.“

Ihm einen angewiderten, finstern Blick zuwerfend verstaute Frohike die Waffe ungeschickt in seinem Hosenbund und führte die Gruppe dann zurück in den Gang.

Innerhalb von zwei Minuten wurde Mulder unangenehm daran erinnert, dass Grey in einem top Zustand gewesen war, als er Mulder durch den Wald geschleppt hatte, und nicht unter einer unbekannten Atemwegserkrankung litt. Schweiß tropfte ihm von der Stirn und ein nerviges Klingeln füllte seine Ohren, was Frohikes geflüsterte Anweisungen übertönte. Er schaltete auf Autopilot, seine Welt verringerte sich zu einem Punkt auf Scullys Kopf und das mechanische Vorwärtssetzen seiner Füße.

Eine kleine Hand die sein Hangelenk umfasste und ihn in einen Türrahmen zog, holte ihn aus seiner Trance heraus. Er lehnte sich schwach gegen die Wand und stützte sich selber mit der freien Schulter ab, Augen geschlossen und keuchend. Rennende Schritte und laute Stimmen verklangen im Korridor und kühle Finger legten sich auf seine Wange.

„Sie sind hinter uns her, Mulder“, murmelte Scully dringlich. „Wirst du es schaffen?“

Die Zähne zusammenbeißend konservierte Mulder seine Energie indem er nur kurz nickte. Ein paar Ecken weiter mussten sie die Wiese in vollem Lauf überqueren. Ein knallendes Geräusch erklang und eine Kugel sauste an seinem linken Ohr vorbei. Mulder duckte sich instinktiv, stolperte und verlor beinahe seinen Griff um Grey. Er hörte Frohike brüllen, wie er Langly und Byers befahl mit dem Van vorzufahren. Scully flog rechts an ihm vorbei, sie lief vor um die Lücke im Zaun aufzuhalten. Sie zwängte sich schnell durch, hielt die Luft an als eine Drahtzacke ihre Wange kratzte und sie wischte ungeduldig das Blut beiseite, während sie die Öffnung bewahrte.

Mulder warf sich auf die Knie und legte Grey nieder, der dumpf auf dem gefrorenen Boden aufprallte. Er krabbelte schnell hindurch, drehte sich dann um um Grey unter den Armen zu packen und ihn in die Freiheit zu zerren, während Frohike von der anderen Seite schob. Mulder, dessen Knochen sich wie Wackelpudding anfühlten, musste hart kämpfen um Grey wieder zu tragen als drei Figuren sich dem Zaun näherten, Waffen im Anschlag.

„SOFORT ANHALTEN!“, bellte einer, zielte ruhig in Mulders Richtung und drückte ab.

Mulder ließ Grey los und bedeckte dessen Körper mit seinem eigenen. Scully tauchte aus ihrem Versteck, einer Mulde, auf und feuerte einige Schüsse auf ihre Verfolger ab bis diese nach Deckung suchten. Grey suchte sich diesen unpassenden Moment aus zu Stöhnen und sich schwach zu wehren als Mulder wieder versuchte ihn hochzuheben.

„Hier!“

Frohike nahm Greys Beine und Mulder sicherte seinen Halt unter den Armen des Mannes, taumelte zur Straße in Richtung des nahenden Scheinwerferlichtes. Die nächsten paar Minuten verschwammen in reinem Empfindungen – das Knirschen von Kies unter den Reifen, ein Schwall warmer Luft aus dem Van, starke Arme die ihm Grey abnahmen, das Vibrieren des Motors als er auf den Boden sank Letztendlich gewann er die Fähigkeit zurück das Geschehen um ihn herum etwas differenzierter wahrzunehmen.

„Das war zu knapp.“, sagte Byers von vorne und Langly grunzte zustimmend über das Lenkrad gebeugt.

Grey lag ausgestreckt auf einem Sitz, Scully im Doktor-Modus neben ihm. „Mulder, er kommt zu sich.“, sagte sie leise.

Mulder bewegte sich, begann zu husten und ergab sich dem Anfall für ein paar Minuten bevor er an die Seite seines Bruders gehen konnte. Greys Augen flatterten auf, er stöhnte und warf seinen Kopf ruhelos hin und her. Mulder legte eine beruhigende Hand auf die Brust seines Bruders.

„Langsam Grey. Du bist in Sicherheit.“, murmelte er beruhigend.

Sein Bruder öffnete langsam die Augen und starrte Mulder an und kniff die Augen zusammen. „Ich... Wie bin ich hierher gekommen? Wo bin ich?“

„Du bist in einem Van, wir haben dich gerade aus dem Gebäude befreit in das Krycek dich verschleppt hatte. Du bist in Sicherheit.“, wiederholte Mulder.

Greys Gesicht verzog sich vor Schmerz. „Tut weh.“, murrte er und fasste sich mit einer wackeligen Hand an den Kopf.

„Wir bringen dich in ein Krankenhaus, damit sie dich durchchecken können.“, versicherte Mulder ihm. „Versuch dich zu entspannen.“

Grey nahm die Worte einen Augenblick in sich auf und biss sich dann auf die Lippe. „Ich hab nur noch eine Frage.“, flüsterte er mit dünner, zitternder Stimme.

Mulder setzte ein Grinsen auf. „Schieß los.“

„Wer sind Sie?“
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