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Familienbande III: Ein netter Ausflug in den Wald

von Dawn

Kapitel 4

St. Alexius Hospital

Mittwoch

07:34 Uhr



Grey lehnte sich in seinem Stuhl zurück, beobachtete seinen Bruder beim Schlafen und dachte über die Geheimnisse des Lebens nach. Theoretisch existierte das Universum in einem delikaten Gleichgewicht, einem schwierigen Tanz von Geben und Nehmen. Von Verlust und Gewinn. Von Tod und Leben. Jedes davon diente dazu dem Anderen entgegen zu wirken, damit eine ausgeglichene Harmonie erreicht und erhalten werden konnte.



Er war nie jemand gewesen, der in Selbstmitleid versunken war oder über sein Schicksal geklagt hatte. Aber er konnte nicht umhin das Gefühl zu haben, dass er in letzter Zeit mehr als nur seinen angemessenen Teil vom Geben erfahren hatte. Vom Verlust. Vom Tod. Ja, er hatte einen Bruder gewonnen und während ihr Verhältnis noch wuchs, wuchs auch seine Dankbarkeit für dieses Geschenk. Aber Kates Tod war eine allgegenwärtige Wunde, die nie ganz verheilt war. Und der Verlust von Steve vervielfachte diesen Schmerz.



Jackie die Nachricht von Steves Tod überbringen zu müssen, war eine Erfahrung gewesen, die er nie mehr vergessen würde. Er hatte verzweifelt versucht, den bitteren, grausamen Worten dadurch den Schrecken zu nehmen, dass er sein Mitgefühl und Bedauern ausdrückte. Und sie hatte es akzeptiert – ihm dumpf für seine Hilfe gedankt, dass er die Sache aufgeklärt hatte, wenn es auch kein Happy End gab. Sie hatte ihm versichert, dass sie es schaffen und irgendwann mit ihrem Leben fortfahren würde. Aber wenn er seine Augen schloss, war alles, was Grey sah, zwei kleine Mädchen, die aufwachsen würden ohne jemals ihren Vater kennen zu lernen. Und er war ein Mann gewesen, den es Wert war zu kennen.



Grey wurde aus seinen Träumen gerissen als sein Bruder sich zu bewegen begann und ruhelos vor sich hin murmelte. Er war die ganze Nacht von Albträumen geplagt worden, ein Grund weshalb Dana wie eine Klette an seiner Seite geblieben war. Sie hatte leise mit ihm gesprochen und ihn zurück in den Schlaf gewiegt bevor er ganz aufwachen konnte. Grey sah, dass der Versuch sie zum Gehen zu bewegen ein zum Scheitern verurteiltes Unternehmen war und so hatte er ein Hotelzimmer genommen, geduscht und geschlafen. Im Morgengrauen kehrte er zurück und Dana war kaum mehr in der Lage die Augen offen zu halten. Somit hatte er leichtes Spiel sie dazu zu überreden mit ihm die Plätze zu tauschen.



Er stand auf und legte eine Hand auf den Arm seines Bruders, die andere auf seinen Kopf und imitierte Scullys Verhalten.



„Bleib ruhig, Fox. Es ist alles in Ordnung. Du bist in Sicherheit und es kann dir nichts tun.“, murmelte er wiederholt.



Ob er nur Danas Technik nicht beherrschte oder nur nicht ihre Stimme besaß, Fox‘ Augen öffneten sich diesmal anstatt, dass er in einen tiefen Schlaf zurück fiel und er versuchte, sich aufzusetzen wobei er wild um sich schlug. Grey hielt in fest und fuhr fort ihm zu versichern, dass er in Sicherheit sei. Dann klarten seine Augen auf und er fühlte den Schmerz an seinen ohnehin schon geschundenen Rippen. Er erschlaffte und lehnte sich mit einem leisen Stöhnen zurück in die Kissen.



„Böser Traum?“, beobachtete Grey und setzte sich wieder in den Stuhl wobei er seinen Bruder eingehend betrachtete.



Mulder konzentrierte sich darauf, seinen Atem zu beruhigen und zuckte zusammen, als seine Seite wie von Dolchen gestochen schmerzte. „Bin ich gewohnt“, sagte er heiser. „Ist nur ein neuer für die Sammlung.“ Seine Augen suchten das Krankenhauszimmer ab. „Wo ist Scully?“



Grey grinste leicht. „Schläft im Hotel, hoffe ich. Ich dachte schon ich müsse Dynamit gebrauchen um sie hier raus zu bekommen.“



Mulders Lippen krümmten sich sanft und seine Augen wurden weich. „Ja, darauf könnt ich wetten. Danke.“ Er seufzte. „Kann mich nicht erinnern wie ich hierhin gekommen bin.“



„Als ich mit der Rettungsmannschaft kam, warst du ziemlich weit weg“, stimmte Grey ihm zu. „Der Arzt meint du hättest Glück gehabt. Dir fehlten ein paar Liter, also haben sie dich aufgefüllt. Und dein harter Kopf hat nur eine leichte Gehirnerschütterung erlitten, aber du hast drei gebrochene Rippen.“



Er versuchte sich etwas zu bewegen und zog eine Grimasse. „Ja, das merk ich.“ Er sah auf, die Augenbrauen zusammen gezogen. „Was ist mit der Kreatur?“



Grey lachte und schüttelte den Kopf. „Dana hat Recht, du hörst nie auf zu arbeiten! Sie hat sich darum gekümmert – hat es zur Analyse nach Quantico ins Labor bringen lassen. Sie behält einen kühlen Kopf in Krisensituationen, nicht wahr?“



Mulder lächelte erneut. „Ja, sie ist ein Fels.“



Grey lächelte sehnsüchtig. „Ich freu mich für dich, Fox. Ich bin vielleicht etwas eifersüchtig, aber hauptsächlich freu ich mich.“



Sein Bruder sah verwirrt aus. „Eifersüchtig?“



„Ja. Ich habe nicht vergessen wie es ist da zu sein wo du jetzt bist. Du und Dana, ihr gehört wirklich zusammen. Ihr passt perfekt zueinander. Wenn du Glück hast findest du so jemanden einmal in deinem Leben.“



Mulder saugte an seiner Unterlippe. „Tut mir Leid, Grey.“



Er winkte ab, schüttelte seinen Kopf und lächelte. „Das braucht es nicht. In den fünf Jahren hatte ich mehr als manche ihr ganzes Leben lang haben werden. Ich geb dir nur einen Rat – versuch nicht das zwischen euch geheim zu halten.“



Mulder guckte verdutzt. „Eigentlich *wollten* wir es noch für uns behalten. Warum sollten wir nicht?“



Greys Mundwinkel zuckten. „Versuch dein Bestes, kleiner Bruder. Aber das kriegst du niemals hin.“



Mulder blickte etwas finster drein aufgrund dem offensichtlichem Vergnügen seines Bruders und er entschied sich das Thema zu wechseln. „Das mit Steve tut mir Leid, Ich wünschte wir hätten rechtzeitig dort sein können.“



Greys Lächeln verschwand, er stand auf und ging um aus dem Fenster zu gucken. „Danke. Ich werde ihn vermissen. Ich bin froh, dass wir ihn gefunden haben. Wenigstens habe ich Jackie das bieten können.“ Er drehte sich um und biss auf seine Lippe. „Mir tut auch was Leid, Fox. Es ist meine Schuld, dass du hier liegst. Ich habe die Fassung verloren als ich Steve sah und nicht mehr aufgepasst. Wenn ich meine Aufgabe richtig erledigt hätte wärst du wahrscheinlich nicht verletzt worden.“



Mulder verdrehte die Augen. „Bitte, spiel hier nicht den Schuldigen. Das mach ich selber nur zu gut. Du hattest gerade die Leiche deines besten Freundes gefunden, deine Reaktion war verständlich.“ Er bewegte sich wieder in dem erfolglosen Versuch eine komfortable Position für seine Rippen zu finden.



Grey bemerkte sein Unbehagen und ging zur Tür. „Ich hole ne Schwester. Die haben gesagt dass du was gegen die Schmerzen haben kannst wenn du wach bist.“



Er nickte widerwillig da die Schmerzen zu stark waren um zu widersprechen.



„Warte Grey!“, rief er und stoppte seinen Bruder damit, als er im Begriff war den Schritt durch die Tür zu machen. Grey drehte sich um und zog die Augenbrauen hoch. „Was hast du gemeint als du sagtest, dass ich das niemals hinkriegen würde?“



Grey grinste. „Schau in den Spiegel, kleiner Bruder. Ich bin gleich wieder da.“



Mulder starrte seinen Rücken an bis er verschwand und dachte, dass sein Bruder manchmal einfach keinen Sinn machte.







Büro von A.D. Skinner

Freitag

10:00 Uhr



Mulder kam sich vor wie in einem Déjà-vu als er versuchte nicht rumzuzappeln, dieses Mal aber wegen der andauernden Schmerzen in seinen Rippen. Skinner las den Bericht mit einem gelegentlichen ungläubigen Blick in ihre Richtung. Als er fertig war, betrachtete er Scully suchend.



„Sie haben an der Laboruntersuchung dieser Kreatur teilgenommen?“



Sie nickte und sah die nächste Frage vorher. „Ich habe keine Erklärung dafür, Sir.“



„Die Unbeständigkeiten in der DNA des Tieres könnten nicht daher stammen, dass es einem mutierten Erreger ausgesetzt war?“



Sie spitzte die Lippen und Mulder konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, wusste er doch wie hart es für sie war die Testergebnisse zu akzeptieren, um nicht davon zu sprechen diese gegenüber Skinner zu verteidigen. „Die Unbeständigkeiten sind keine Mutationen, Sir. Sie sind... Elemente der Nukleotide dieser Kreatur die auf nichts passen...“



„Was in dieser Zeit an diesem Ort vorkommt.“, vervollständigte Mulder fast schon schadenfroh.



Sie drehte sich, um ihm den Scully-Todes-Blick zuzuwerfen aber dieser schmolz zu einem kleinen aber liebevollen Lächeln auf ihren Lippen. Skinner beobachtete diesen Austausch mit eindringlichem Interesse. Die plötzliche Erkenntnis schockte ihn etwas und er bemühte sich das Grinsen was sich auf seinem Gesicht breit machen wollte zu unterdrücken.



„Und Sie sind sicher, dass es das Einzige seiner Art war? Es wurden keine Hinweise auf andere gefunden?“, fragte er.



Mulder schüttelte den Kopf. „Die haben die Höhle und die Umgebung gründlich abgesucht und haben nichts gefunden, was auf die Existenz von weiteren hindeutet. Und genauso wenig, was andeutet wo es herkam.“ Er blickte gezielt auf seine Partnerin. „Es ist als ob es einfach... aus dem *Nichts* aufgetaucht wäre.“



Scully verdrehte die Augen und blickte ihn großzügig an. „Wie dem auch sei, ich denke man kann mit Sicherheit sagen, dass die Gefahr für die Wanderer beseitigt ist. Sie arbeiten immer noch daran, einige der Überreste zu identifizieren. Ich werde sie über diesen Vorgang auf dem Laufenden halten.“



„Wie geht es Grey?“, fragte Skinner Mulder. „Seinen Freund auf diese Art zu verlieren kann nicht einfach gewesen sein.“



„Er kommt damit zurecht.“, sagte Mulder leise. „Er ist dankbar herausgefunden zu haben, was mit Steve passiert ist. So hat er wenigstens etwas Gewissheit.“



Scully hörte die unausgesprochenen Worte. Ohne darüber nachzudenken reichte sie mit ihrer Hand rüber und legte sie auf seine, die auf seiner Armlehne ruhte, und drückte sie kurz. Seine Augen suchten die ihren und er setzte ein schiefes Grinsen auf und beruhigte sie lautlos.



Sie fühlte ein weiteres Augenpaar auf den ihren und erinnerte sich abrupt an ihren Boss. Sie zog sowohl ihre Hand als auch ihren Blick von Mulder und wurde rot. Skinner lehnte sich zurück und verschränkte die Hände.



„Sie werden für einige Wochen nur für Schreibtischtätigkeiten fit sein, Mulder. Ich schlage vor Sie nehmen sich etwas Zeit um sich zu erholen.“, sagte er ernst, aber seine Augen leuchteten.



„Ja, Sir.“, stimmte Mulder zu, fühlte sich durch Skinners plötzliche gute Laune aber etwas unwohl.



„Und Sie könnten genau dasselbe tun, Scully“, fuhr er mit ehernem Gesichtsausdruck fort. „Das war ein rauher Fall für Sie beide.“



„Vielen Dank, Sir.“, sagte sie mit hörbarer Erleichterung.



Skinner wartete bis sich beide erhoben hatten und sich zur Tür bewegten.



„Übrigens“, sagte er lässig, „wird es Ihnen beiden eine gute Gelegenheit sein, sich an die neuen Begebenheiten zu gewöhnen.“



Beide erstarrten wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos. „Entschuldigen Sie bitte, Sir.“, sagte Mulder schwach. „Gewöhnen an was?“



Skinner grunzte und erhob sich um vor seinen Schreibtisch zu gehen. „Muss ich das etwa schriftlich formulieren?“ Er lehnte sich gegen den Eichentisch und verschränkte die Arme, wobei seine Augen zwischen ihnen hin und her sprangen. Als sie beide zu stammeln anfingen ließ er sie durch eine Handbewegung verstummen, blieb aber ernst. „Ich möchte nur, dass Sie beide mir eine Frage beantworten.“



Mulder blickte Scully schnell an und schob dann stur sein Kinn vor. „Welche Frage, Sir?“



Skinner grinste. „Warum zur Hölle habt Ihr so lange dafür gebraucht?“



Innerhalb eines Herzschlags hatte Scully in das Lachen ihres Bosses eingestimmt. Mulder hingegen glotzte erstaunt während sein Hirn noch damit beschäftigt war, Skinners Grinsen zu verarbeiten.



„Kommen Sie schon, Mulder, werden Sie mal locker“, forderte ihn sein Boss auf, weiterhin süffisant grinsend. „Haben Sie wirklich geglaubt, das würde niemand herausfinden? Sie und Scully waren seit Jahren schon das Thema von unendlichen Spekulationen.“



Mulder schob seine Lippe vor und zog verärgert die Augenbrauen zusammen. „Das mag ja sein. Aber es wäre nett gewesen wenn *wir* die Neuigkeit hätten verbreiten können.“



Skinner wurde etwas ernster. „Ich werde kein Wort sagen. Aber das brauch ich auch nicht. Es steht Ihnen ins Gesicht geschrieben, Mulder. Und lassen Sie mich den Ersten sein, der das sagt – ich freue mich für Sie beide. Und jetzt gehen Sie und genießen Sie Ihren Urlaub.“



Scully sah, dass ihr Partner sich noch von seinem Schock erholte und lächelte Skinner herzlich an. „Vielen Dank, Sir. Wir sehen Sie in einer Woche.“



Kühn nahm sie Mulders Hand in ihre und führte ihn aus dem Büro. Er folgte ihr widerspruchslos bis zu den Aufzügen, sein Gehirn noch mit anderen Sachen zugange. Erst als sie mit dem Aufzug in den Keller fuhren machten Skinners Worte Sinn und er fluchte grinsend.



„Was? Was ist lost?“, wollte Scully wissen.



„Nur was das Grey mir gesagt hat“, antwortete er trocken. „Ich glaube ich bin ihm ganz schön auf den Leim gegangen.“ Einen Augenblick lang war er still. „Hey Scully“, fragte er plötzlich. „Hast du mal nen Spiegel?“
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