World of X

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Familienbande III: Ein netter Ausflug in den Wald

von Dawn

Kapitel 2

Nantahala National Forest

Sonntag

17:00 Uhr



„Was macht die Hand?“



Mulder schob seinen Rucksack etwas zur Seite und sah sie reumütig an. „Es pocht nur ein bisschen. Halb so wild, Scully.“



Sie wusste dass es ihm peinlich war, aber sie ließ nicht locker. „Mulder, wenn wir anderswo wären würde ich dafür sorgen, dass Sie genäht werden. Wenn wir nachher unser Camp aufgeschlagen haben, will ich mir die Wunden noch einmal angucken und neu verbinden. Ich möchte nicht, dass sie sich entzündet.“



„Ja, Mom.“, murrte er und zupfte an dem weißen Verbandsmaterial herum, dass zwischen seinem Daumen und den Finger seine Hand umgab.



„Und lassen Sie meinen Verband in Ruhe, sonst kommt Dreck in die Wunde.“ Scully konnte nicht widerstehen das hinzuzufügen.



Grey, der ein paar Meter vor ihnen herlief, blieb stehen und drehte sich mit einem Grinsen auf dem Gesicht um. „Stell dich nicht so an, Fox. Alle harten Männer verletzen sich hin und wieder. Das ist die Gefahr in diesem Job. Das Ding könnte immerhin eine tödliche Waffe sein.“



„In Mulders Händen auf jeden Fall.“, sagte Scully und ihre Lippen zuckten amüsiert.



„Ha, ha, ha. Ich bin froh dass ihr zwei der Sache so viel abgewinnen könnt.“, brummte Mulder. „Es ist nicht meine Schuld, dass die Schraubenmutter so festgeklemmt war. Das nächste Mal kann Scully dir helfen, den Reifen zu wechseln. Sie ist eine gleichberechtigte Frau.“



„Ich hoffe nur das Auto ist okay da wo es jetzt steht.“, sagte Grey leicht besorgt. „Ich lass es nicht gerne an der Straße zurück.“



„Es war entweder das oder warten bis morgen“, brachte Scully, wie immer die Stimme der Vernunft, es auf den Punkt.



„Sie hat Recht. Es wäre zu dunkel gewesen bevor wir mit der Reparatur fertig geworden wären“, stimmte Mulder ihr zu. „Und ich weiß du wolltest nicht noch einen Tag warten.“



Scully überflog das Gelände mit ihren Augen und erlabte sich an den Farben, Geräuschen und Gerüchen. Die Frühsommerluft war warm genug um eine Jacke überflüssig zu machen, aber zu kühl um sich im T-Shirt zu bewegen. Das dichte, grüne Laub wurde nur von gelegentlichen Tupfern in gelb, lila, rot und blau, von Frühlingsblumen unterbrochen. Hier und da erhaschte sie einen Blick auf den dichten, niedrig liegenden Nebel, der mit für den Namen der Smoky Mountains verantwortlich war.



Grey nahm seine Baseballkappe ab und fuhr sich mit den Fingern durch die von der Luftfeuchtigkeit gelockten Haare. Er fluchte leise und setzte die Kappe wieder rückwärts auf. „Verflixte Haare. Bei so einem Wetter locken die sich immer so blöd.“



Mulder schaute auf die dunklen Locken im Nacken seines Bruders und seine Züge wurden weich. „Du hast Haar wie sie.“, sagte er leise.



Grey sah ihn fragend an weil er etwas sehr wichtiges unter diesen Worten heraus hörte. „Was?“



„Samantha. Sie hatte Haar wie deines. Im Sommer, wenn wir draußen gespielt hatten und wir erhitzt und verschwitzt waren, wurden ihre Haare auch so lockig. Sie hat es gehasst.“

Grey zögerte einen Moment, da er die unterschwellige Traurigkeit in seines Bruders Stimme hörte, bevor er nachforschte. „Wie war sie so?“



Ein sehnsüchtiges aber herzliches Lächeln huschte über Mulders Gesicht. „Hartnäckig. Stur. Ein richtiger Wildfang. Sie war entschlossen alles zu tun was ich auch tat und versuchte nach Möglichkeit besser als ich zu sein. Da ich aber vier Jahre älter war endete das meistens in Frust. Sie konnte einem königlich auf den Zeiger gehen.“ Er gluckste leicht. „Aber sie war immer für mich da. Wenn Dad...“, er unterbrach sich und seine Augen lösten sich aus ihrem gemeinsamen mitfühlenden Blickaustausch. „Dad war immer strenger mit mir. Samantha ist für mich eingetreten, hat mich verteidigt, wenn Dad wütend wurde. Das hat normalerweise funktioniert. Sie konnte jeden um den kleinen Finger wickeln.“



„Sie war ein Puffer für sein Temperament“, murmelte Grey. „Kein Wunder dass es so schlimm wurde, nachdem sie verschwand.“



Mulder versteifte sich und seine offene Miene wurde verschlossen. „Ich hab’s dir doch gesagt, Grey. Er hat mich nur zwei Mal geschlagen und beide Male war er fürchterlich besoffen. Hör auf mit dem Scheiß von wegen misshandeltes Kind.“



Grey sah aus als ob er etwas einwenden wollte, zuckte dann aber nur mit den Achseln und ging wieder schneller, bis er erneut ein Stück vor ihnen ging. Verblüfft nahm Mulder eine Berührung an seiner Hand wahr und sah, dass Scully die ihre in die seinige gelegt hatte. Als er seinen Blick anhob und sie ansah bemerkte er nichts von dem Mitleid welches er befürchtet hatte, sonder nur Mitgefühl und Verständnis.



„Sie müssen es niemand anderem gegenüber zugeben, Mulder“, sage sie in einer Lautstärke, die nur seinen Ohren zugänglich war. „Aber Sie sollten es sich selber eingestehen. Sie haben zu viele Jahre damit zugebracht, die Taten Ihres Vaters zu entschuldigen. Sie verdienen so viel mehr.“



Tränen quollen in seinen Augen und zwangen ihn woanders hin zu blicken, aber er umschloss ihre Hand fester. Hundert verschiedene Antworten, die darauf warteten gehört zu werden, lagen ihm auf der Zunge, aber schließlich ging er schweigend weiter. Das eine Zugeständnis, welches er machte, war, dass er ihre Hand nicht los ließ.



„Es gibt eine Sache, die ich nicht verstehe.“, sagte Grey nachdem sie eine Weile schweigend gewandert waren und warf ihnen einen schnellen Block über seine Schultern zu. Wenn er bemerkte, dass sie Händchen hielten, verkniff er sich jeden Kommentar.



„Nur eine?“, fragte Scully sarkastisch. „Du bist ziemlich gut für einen Neuling, Grey. Als ich meine erste X-Akte hatte, hat mich so ziemlich alles verblüfft.“



Mulder grinste sie an und ließ ihre Hand los, als sie über einen großen Baum kletterten, der über den Pfad gefallen war. „Verblüfft, Scully? So wie *ich* das in Erinnerung habe, hatten Sie alle Antworten.“



Sie warf ihm den Scully-Todesblick zu, blieb aber still als Grey fortfuhr.



„Naja, eine große Sache auf jeden Fall“, spezifizierte er und grinste über ihre Neckerei. „Wo kommt dieses Ding her? Ich habe das gründlich untersucht, und diese Gegend ist die einzige in der die Leute in dramatischem Umfang verschwinden. Ich habe keine Anzeichen dafür gefunden, dass es von irgendwo hierher gewandert ist. Und wenn es schon immer hier war, warum haben sich die Vermisstenzahlen erst jetzt drastisch erhöht?“



„Das wovon du sprichst ist ein Geheimnis, welches alle Kreaturen in der Sagenwelt umgibt – Bigfoot, Nessie, der Yeti... um nur ein paar zu nennen. Kreaturen, die den Menschen über Jahrhunderte hinweg getrotzt haben und ihn mieden um zu überleben.“, sagte Mulder und schaltete in – wie Scully es nannte – seinen Vortragsmodus. „Das erscheint auf den ersten Blick logisch, aber es würde bedeuten, dass es mehr als nur ein Exemplar gegeben haben muss, damit die Spezies so lange überleben konnte. Das Problem ist, dass all diese Kreaturen immer nur allein gesichtet wurden, niemals in einer Gruppe – zumindest in den meisten Sagen. Und wo waren ihre Nester oder Höhlen? Es gab so viele Forscher, die nach ihnen gesucht haben, dass wir eigentlich mehr Beweismaterial für ihre Existenz haben müssten. Aber es gibt da eine Theorie.“



Mulder löste sich von seinen Ausführungen und sah, dass Grey auf sie gewartet hatte und ihm gebannt lauschte. Scully hatte, wie immer wenn er über die Existenz solcher Wesen sprach, ihr *Kommen Sie Mulder, es gibt mit Sicherheit eine wissenschaftliche Erklärung für den Unsinn*-Gesicht aufgelegt. Das provozierte eine seltsame Zweigeteiltheit in ihm. Ein Teil von ihm begrüßte es, erkannte es als verantwortlich dafür, dass er auf dem Boden blieb, den Fokus nicht verlor. Und da war der Teil der von ihrer ständiger Skepsis, die sie sogar aufrecht erhielt wenn ihr die Wahrheit buchstäblich vor der Nase herumtanzte, müde war. Dieser Teil von ihm war stinksauer. Man konnte den Status ihrer Partnerschaft daran messen, welcher Teil gerade die Überhand gewann. Heute honorierte er ihren Unglauben mit einem kleinen Lächeln.



„Weiter“, drängte Grey ungeduldig. „Ich bin ganz Ohr. Wie lautet die Theorie?“



„Dass sie irgendwie durch einen Riss in der Dimension treten, schwimmen oder gezogen werden – ein Zeitportal.“



Grey blieb abrupt stehen und starrte seinen Bruder ungläubig an wobei er die Hände auf die Hüften gestemmt hatte und von ihrer Kletterei leicht keuchte. „Sag das nochmal.“



„Du hast mich gehört“, sagte Mulder ruhig. „Und rollen Sie die Augen nicht, Scully. So etwas ist schon im Zusammenhang mit Leuten, echten Menschen, passiert, die plötzlich ohne zu wissen wie sie dahin gekommen waren mitten in ihnen fremden Städten waren, vollständig außerhalb ihrer Zeit und ihres Elements.“



„Und was wollen Sie damit sagen, Mulder? Glauben Sie das Ding ist aus einer anderen Zeit hierher gereist?“, fragte Scully. Als er nickte schüttelte sie langsam den Kopf. „Und wie genau öffnet sich dieses Portal?“



Mulder zuckte mit den Achseln. „Ich habe nicht gesagt dass ich alle Antworten habe, Scully. Es gibt Leute die meinen es könnte eine Kraft im Geiste sein, die man sogar bei niederen Tieren findet, die es möglich macht. Was auch immer die Ursache ist, es erklärt immerhin die drastisch gestiegenen Vermisstenzahlen.“



„Also wäre diese Kreatur durch die Zeit gereist und hat bemerkt, dass es hier nicht seine gewöhnliche Nahrung findet“, überlegte Grey. Er stöhnte und schlug die Hände über dem Kopf zusammen als er Mulders Entzücken sah. „Was red ich da? Als nächstes werden wir noch nach kleinen grünen Männchen suchen.“



„Grau“, korrigierten Mulder und Scully gleichzeitig.



Er hob die Hände und blickte gen Himmel, als ob er fragen wolle, warum er das alles erdulden musste. Dann drehte er sich rum und folgte weiter dem Pfad. „Wir müssen bald unser Lager aufschlagen. Also schwingt die Hufe wenn ihr nicht gerade mit einem zeitreisenden, blutsaugenden was-auch-immer-es-ist, das auf der Pirsch ist, zusammen treffen wollt.“



Mulder rückte seinen Rucksack zurecht und stiefelte hinter seinem Bruder her. „Klugscheißer“, knurrte er verhalten. Scully versteckte ihr Grinsen und folgte den beiden.





Nantahala National Forest

Sonntag

22:15 Uhr



„Erzähl mir von deiner Familie, Grey“, sagte Scully als sie vorsichtig den Verband von Mulders verletzter Hand löste. „Ich weiß dass du zwei Schwestern hast aber nicht viel mehr. Wie heißen sie?“



Grey lehnte sich auf seine Ellbogen zurück und studierte das Feuer einen Augenblick bevor er antwortete. „Shannon und Kira. Shannon ist gerade mal ein Jahr jünger als ich und Kira ist so alt wie Fox.“



„Was machen sie? Haben sie Familie? Tut mir Leid, Mulder, ich bin so sanft wie’s nur geht.“, warf sie ein als ihr Partner vor Schmerz scharf Luft einzog.



Der Schmiss in Mulders Hand hatte auch trotz der Bandage weiter geblutet und klebte nun hartnäckig an der Wunde. Als sie sie endlich los hatte, begann die Wunde wieder zu bluten. Mulder, der sich an seinen Rucksack gelehnt hatte, guckte absichtlich nicht auf die Hand, die ihn ihrem Schoß lag.



„Shannon ist Mikrobiologin für eine Pharmazeutische Firma. Kira ist Lehrerin – Grundschule.“


„Au, Scully! Was machen Sie da? Fühlt sich an als ob Sie noch eine Hautschicht abpellen.“, jaulte Mulder und entriss ihr seine Hand.



„Hören Sie auf sich wie ein Baby anzustellen und geben Sie mir die Hand wieder, Mulder, sonst tu ich Ihnen wirklich weh.“, drohte Scully.



Mulder schmollte und setzte seinen Hundeblick auf, streckte ihr aber hastig die Hand entgegen. „Ich mach das nur mit weil Sie bewaffnet sind.“, grummelte er.



„Und gefährlich. Aber das wissen Sie ja schon.“ Scully wandte sich wieder der Wunde zu, aber erst nachdem Mulder das Glitzern in ihren Augen gesehen hatte.



Grey schaute amüsiert drein. „Warum wittere ich hier eine Story?“



Mulder blickte Scully an und legte einen verwegenen Gesichtsausdruck auf, als sie nicht antwortete. „Unterschätze Scully niemals, Grey. Ich hab’s auf die harte Tour gelernt. Sie hat mich angeschossen – in die Schulter. Ich hab noch die Narbe.“



„MULDER!“



Sie ließ seine Hand fallen und blitzte ihn an, wobei Entrüstung und Belustigung in ihrem Antlitz kämpften. „Das erklären Sie besser, sonst kriegen Sie eine passende Narbe auf der anderen Seite dazu.“



Grey lachte jetzt und seine Augen sprangen zwischen den beiden hin und her um ja nichts zu verpassen. „Komm schon, Fox. Spuck’s aus. Ich kann mir Dana so gar nicht als entgleisten Schützen vorstellen.“



„Jemand war auf jeden Fall entgleist, aber nicht ich.“, brummte sie und nahm Mulders Hand und verteilte antibiotische Salbe über der Wunde. „Sagen Sie’s ihm, Mulder. Und stellen Sie sicher, dass es auch stimmt.“



Er zuckte leicht zusammen als sie seine Hand wieder verband und hielt die andere kapitulierend hoch. Das Lachen in seinen Augen verschwand. „Es war eigentlich direkt nachdem Dad ermordet wurde. Die Leute, die für seinen Tod verantwortlich waren, hatten auch mein Trinkwasser mit Halluzinogenen verseucht. Ich vermute der Plan war es so aussehen zu lassen als ob ich ihn getötet hätte. Das wäre kein allzu großer Spagat gewesen – die Tatsache, dass wir uns nicht gut verstanden war Allgemeinwissen.“



„Wie dem auch sei, ich hatte den wirklichen Mörder mit seiner eigenen Waffe gestellt und wollte ihn umbringen. Scully hat versucht mich davon abzubringen, wollte mich daran erinnern, dass, wenn ich Krycek mit dieser Waffe tötete, es mich nur im Fall meines Vaters belasten würde. Aber ich war nicht ich selber und konnte nicht geradeaus denken. Also hat sie auf mich geschossen.“



Scully ließ seine Hand los und schaute auf. Schuldgefühle spiegelten sich in ihren blauen Augen wider. „Es war das Schwerste, was ich jemals habe tun müssen, Mulder. Es verfolgt mich manchmal immer noch – Ihr Gesichtsausdruck kurz bevor Sie bewusstlos wurden, so sicher dass ich sie verraten hätte.“



Mulder lehnte sich zu ihr und stupste sie mit seiner Schulter an. „Sie haben mich gerettet, Scully. Und Sie haben mir ein bleibendes Andenken an unsere Partnerschaft verpasst. Es ist definitiv männlicher als ein Tattoo.“



Grey schüttelte erstaunt seinen Kopf. „Sie hat dich angeschossen. Und du lässt sie trotzdem sitzen? Ich hab mich entschieden, Fox. Das ist kein Mut sondern Dummheit!“



Scully gluckste leise und gähnte dann. „Ich bin k.o. Wir sollten entscheiden, wer die erste Wache übernimmt damit die anderen etwas Schlaf sammeln können.“



„Ich werde zuerst wachen“, sagte Mulder schnell. „Ich kann so früh eh nicht schlafen. Ruht ihr euch mal aus.“



„Ich löse dich um eins ab“, bot Grey an. „Dann kann Dana um vier übernehmen.“



Innerhalb einer halben Stunde schliefen Grey und Scully fest und überließen Mulder dem prasselnden Feuer zu lauschen und seinen eigenen Gedanken nachzugehen. Nachdem die Erinnerungen an Melissas und seines Vaters Tod geweckt waren, konnte er sie nur schwer wieder ablegen. Er träumte immer noch von den letzten Momenten in seines Vaters Leben, die sich in dem Haus im Vinyard abgespielt hatten. Der angenehme Schock seiner Umarmung – Bill Mulder war jemand der Hände schüttelte, aber keiner der jemanden umarmte – die Worte des Lobes und nicht die der Enttäuschung oder Wut, das war alles neu. Es war ironisch und grausam zugleich dass er dieses Geschenk erhalten hatte nur um gleich darauf der Hoffnung auf mehr beraubt zu werden.



Und Scully – er schätzte ihren Verlust doppelt so hoch wie seinen. Ihr Verhältnis zu Melissa war warm und liebevoll gewesen, etwas was er von sich und seinem Vater nicht behaupten konnte. Jetzt hatte er einen Bruder dazu gewonnen, und was war mit Scully? Sie hatte teuer für seine Suche bezahlt aber nichts im Gegenzug erhalten. Grey konnte ihn so sehr dazu drängen wie er wollte Scully seine Gefühle einzugestehen, aber er wusste, dass er es niemals tun würde. Sie hatte nichts durch eine Beziehung zu ihm zu gewinnen, aber alles zu verlieren.



Ein Zweig knackte irgendwo tief im Unterholz und riss Mulder aus seinen Gedanken. Er setzte sich auf und richtete seine Sinne auf die Umgebung. Das erste, was ihm auffiel war das Fehlen der typischen nächtlichen Geräusche im Wald. Keine Grille zirpte, kein Rascheln von Kleintieren auf der Suche nach Futter. Und sogar die Zikaden hatten aufgehört zu singen. Der Wald war unheimlich leise.



Er lauschte, jeder Muskel in seinem Körper bereit in Aktion zu treten. Als einige Minuten verstrichen waren ohne dass es einen weiteren Zwischenfall gab, entspannte er sich, aber er hielt dennoch nach dem Ausschau, das aus dem Rahmen fiel. Er hatte gerade entschieden, dass die Stille ein Zufall war und war im Begriff sich zurück zu lehnen als ein leises Knurren die Stille unterbrach. Mulder lehnte sich schnell vor und streckte eine Hand aus um Greys Schulter zu schütteln, die aus seinem Schlafsack hervorlugte. Zehn Zentimeter vor seinem Ziel erstarrte er.



Das Knurren hatte sich verändert, war zu etwas geworden, was kaum Ähnlichkeit mit den Lauten eines wilden Tiers hatte. Es war ein melodisches Summen das schmeichelnd und verlockend an- und abschwoll. Sein Blick richtete sich unwillkürlich auf die Richtung wo es herkam und sein Mund öffnete sich überrascht, als er zwei rot leuchtende Kugeln erblickte, die die Dunkelheit durchbohrten.



Seine Hand zuckte noch einmal unfähig und fiel dann an seine Seite. Sein Gesicht wurde seltsam schlaff als alle Lebhaftigkeit aus ihm wich. Das sanfte Summen erfüllte seine Ohren und vertrieb jegliche Angst. Diese Augen waren wahrscheinlich das Schönste, was er jemals gesehen hatte und überschwemmten ihn mit zeitloser Weisheit die ihn tiefer und tiefer zog bis er sich in ihren Untiefen verloren hatte. Sie sagten ihm genau was er zu tun hatte und er war nur zu bereitwillig es zu tun.



Leise stand er auf, verließ den goldenen Lichtkreis des Feuers und ging in die Dunkelheit. Ohne etwas davon zu wissen, schliefen Scully und Grey weiter.





Nantahala National Forest

Montag

00:02 Uhr



Sie konnte nicht genau sagen was sie geweckt hatte. Später, als die Ereignisse hinter ihr lagen und sie Zeit hatte darüber nachzudenken, versuchte Scully herauszufinden, was sie wie eine Ohrfeige aus dem Tiefschlaf gerissen und sie vollkommen wach zurückgelassen hatte. Ihr wissenschaftliches Hirn konnte ihr keine logische Erklärung liefern. Das ließ dann nur eine etwas herbeigezogene, definitiv peinliche aber wahrscheinlich korrekte Antwort übrig. Irgendetwas hatte ihren Mulder-Panik-Knopf betätigt – die kleine, hartnäckige Stimme in ihrem Kopf, die jedes Mal warnte, wenn er in Gefahr war.



Scully erwachte und saß kerzengerade in ihrem Schlafsack. Ihre Augen überflogen ihr Lager und ihre Hand bewegte sich unfehlbar zu ihrer Waffe. Sie spürte keinen der typischen Seiteneffekte vom plötzlichen Aufwachen – ihre Gedanken waren klar und ihre scharfen Sinne suchten nach Anzeichen für Gefahr. Grey schlief tief ein paar Schritte neben ihr, die Nacht war ruhig abgesehen vom Prasseln des Feuers. Ihr Blick wanderte von den Flammen weg und sie erstarrte, nicht geneigt den leeren Platz neben Mulders Rucksack zu akzeptieren. Von ihrem Partner fehlte jede Spur.



„Grey, aufwachen! Wir haben ein Problem!“, zischte sie. Sie war aufgestanden und bei Mulders Rucksack bevor sie zuende gesprochen hatte.


Grey war nur Sekunden später an ihrer Seite, die Waffe bereit. „Wo ist Fox?“



„Weg. Ich weiß nicht seit wann oder wohin.“ Scully war kurz angebunden, nicht nur um Worte zu sparen sondern auch um das Zittern, welches unter ihrer Oberfläche lauerte, zu verstecken.



„Warte einen Moment.“ Er ging schnell zu seinem eigenen Rucksack und kehrte mit einer großen Halogentaschenlampe zurück, mit der er methodisch den Boden absuchte.



Scully schaute ihm einen Augenblick lang zu, kniete dann nieder und legte ihre linke Hand auf das rutschige Nylon von Mulders Schlafsack. „Ist noch warm. Lang kann er noch nicht weg sein.“



Grey fluchte verhalten. „Ich sehe keine Spuren – außer unseren eigenen wenigstens. Wie kann das sein?“



Scully zog die Stirn kraus. „Bring deine Lampe hierher und guck ob du Mulders Spuren finden kannst. Der Boden ist ziemlich weich und vielleicht können wir ihm folgen.“



Grey kam ihrer Aufforderung nach, aber seine Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen. „Warum sollte er..:“ Er unterbrach sich plötzlich und blickte Scully fragend an.



„Was?“



Die Hand mit der Taschenlampe fiel nutzlos an seine Seite und er schaute sie entsetzt an. „Wie konnten wir nur so *doof* sein? Wir haben einfach angenommen, dass das Ding in Patels Lager kam und ihn holte. Was, wenn es das nicht brauchte? Fox hat gesagt, Patel war irgendeiner Art Hypnose ausgesetzt gewesen. Was, wenn diese Kreatur nicht im klassischen Sinne jagt? Was, wenn sie eine Art Gedankenkontrolle nutzt um das Opfer zu *rufen*?“



Scully starrte ihn kurz an, dann wurde ihr Mund schmal und entschlossen. „Dann haben wir nicht viel Zeit. Finde Mulders Spuren. JETZT!“



Nach ein paar frustrierenden Versuchen hatte Grey die richtige Spur gefunden und folgte ihr bis sie in den Bäumen verschwand. Er hielt so abrupt an, dass Scully, die ihm auf den Fersen folgte, fast mit ihm kollidiert wäre.



„Warum hältst du an?“



„Ich will nur dass du dir im Klaren darüber bist, dass es riskant ist, vom Pfad abzuweichen. Davon abgesehen dass wir keine Ahnung haben, wo das Ding jetzt gerade ist. Wenn wir nicht vorsichtig sind könnten wir in der Dunkelheit einen Abgrund hinab stürzen“, wandte er ein.



Scully sah, dass diese Ausführungen zu ihrem eigenen Wohl waren. Greys Körper zuckte förmlich vor Verlangen weiter zu gehen. Der Mulder-Alarm in ihrem Kopf schwoll von einem Murmeln zu einem Kreischen an und sie schob stur ihr Kinn vor.



„Wenn du es riskieren kannst, dann kann ich es auch. Also lass den Scheiß von wegen Kavalier und hör auf Zeit zu verschwenden“, knurrte sie.



Greys Kinnlade fiel aber er erholte sich schnell und drückte ihr einen Kompass in die Hand. „Pass auf in welche Richtung wir gehen, sonst irren wir noch hier rum lange nachdem Fox’s kleine grüne Männchen gekommen und wieder gegangen sind.“ Er ging langsam zwischen die Bäume und ließ die Taschenklampe vorsichtig den Boden absuchen. Scully griff ihre Waffe etwas fester und folgte ihm wie ein Schatten.



Ob durch göttliche Fügung oder durch pures Glück, das Gelände erwies sich als eben und der Boden war von verschiedenen Pflanzen bewachsen, die sich nach Mulders Schritten noch nicht wieder aufgerichtet hatten. Die Dunkelheit verschluckte schnell den anfeuernden Schein des Feuers und auch Scullys aufgesetzte Tapferkeit. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass unsichtbare Augen jede ihrer Bewegungen kategorisierten, und jedes Rascheln eines Blattes oder Knacken eines Zweiges zerrte mehr und mehr an ihren Nerven.



Grey bewegte sich schnell und leise, folgte der dürftigen Spur mit verblüffender Präzision. Scully wurde zum ersten Mal klar, dass er gut darin war – gut genug um anzunehmen, dass er mal ein Überlebenstraining mitgemacht hatte. Sie nahm sich vor ihn später danach zu fragen und folgte dankbar seiner Leitung.



Dieses Mal sah sie, dass er stehen blieb. Er richtete den Lichtkegel auf eine große Fläche niedergetrampelten Grüns und kniete nieder um es genauer zu betrachten. Als Scully sich neben ihn hockte fiel ihr ein Blatt mit verschiedenen dunklen Flecken auf. Sie biss sich auf die Lippe und stricht mit ihrem Zeigefinger darüber. Grey bemerkte ihre Bewegung aus den Augenwinkeln und richtete das Licht auf sie. Die plötzliche Erleuchtung veränderte die Substanz an ihren Fingern von schwarz in blutrot.



„Was auch immer es war, es hat ihn hier angegriffen“, sagte Grey leise. „An den Spuren kann man deutlich sehen, dass es ihn ab hier hinter sich her gezerrt hat.“



Scully öffnete den Mund um zu antworten aber ein leises Stöhnen unterbrach sie. Sie und Grey sprangen auf die Füße als das Geräusch von etwas, das sich im Unterholz bewegte, zu ihrer Linken erklang. Alle bisherige Vorsicht in den Wind schießend rannten sie beide in die Richtung aus der das Geräusch kam. Zweige verfingen sich in Scullys Haar und Wurzeln um ihre Füße, aber sie lief weiter. Greys längere Beine schluckten doppelt so viel Raum wie ihre aber er kontrollierte sein Tempo damit sie nicht im Dunkeln stolperte.



Sie konzentrierte sich so sehr darauf nicht zu stolpern, dass der Schuss ihr Herz fast dazu brachte aus ihrer Brust zu springen. Das unmenschliche Heulen was daraufhin ertönte, verursachte bei ihr Gänsehaut am ganzen Körper und es lief ihr kalt den Rücken runter. Grey schoss ein zweites Mal und sprintete los, und diesmal blieb Scully allein in der Dunkelheit zurück. Bevor sie jedoch protestieren konnte sah sie den Lichtkegel stoppen.



„Dana, hierher!“, rief Grey und bewegte die Taschenlampe hin und her um seine Position zu markieren. Fast wäre Scully über einen Ast gestolpert, aber sie fing sich, fluchte leise und bewegte sich so schnell es ging vorwärts. Als sie endlich nah genug war, sah sie, dass Grey Mulders schlaffen Körper in seinen Armen hielt und sie ließ den Atem entweichen von dem sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie ihn angehalten hatte.



„Er ist bewusstlos“, sagte Grey besorgt, als sie sich hinkniete. „Und seine Haut ist irgendwie kühl.“



„Er steht unter Schock. Keine Ahnung wie viel Blut er verloren hat.“, murmelte Scully und bewegte Mulders Kopf sanft zur Seite um seinen Hals zu entblößen.



Grey zuckte leicht zusammen als er die zwei klaffenden Wunden sah, die noch leicht bluteten. Er beobachtete wie Scully zwei Finger an seinen Hals legte um den Puls zu fühlen, dann die Lampe auf Mulders Gesicht richtete und ein Augenlid hochzog. Sogar Grey konnte sehen, dass Mulders Pupillen unnormal geweitet waren.



„Er steht unter Drogen – und zwar ziemlich heftig“, stellte Scully fest. Sie warf einen unruhigen Blick über ihre Schulter und stand auf. „Sein Puls ist etwas schwach aber ich denke wir sollten ihn besser zurück zum Lager bringen, bevor ich ihn weiter untersuche. Hier sind wir zu verwundbar und wir wissen nicht ob es wiederkommt.“



„Ich glaube ich hab es getroffen.“, sagte Grey und schluckte schwer. „Dana, ich... ich habe es gesehen bevor es weggerannt ist. Es sah ein bisschen wie ein Wolf aus, definitiv hundeähnlich. Aber es war riesig – locker die Größe eines kleinen Ponys.“



„Noch ein Grund um hier zu verschwinden.“, entgegnete Scully und versuchte die Furcht zu verdrängen die seine Worte hervorrief. „Ein verwundetes Tier ist doppelt so gefährlich. Kannst du ihn tragen?“



„Wenn ich ihn über die Schultern schmeiße. Wird ihm das weh tun?“



Scully zuckte die Achseln. „Wir haben keine große Wahl. Wenigstens wird er es nicht spüren.“



Langsam suchten sie den Weg zurück zum Lager, diesmal ging Scully voran und Grey folgte ihr, seinen Bruder wie eine nasse Puppe über die Schultern hängend. Sie hörte ihn keuchen und knurren, dass Mulder wesentlich schwerer war als er aussah. Der Weg zurück schien viel länger zu sein und obwohl sie ständig den Kompass benutzt hatte, schluchzte sie fast vor Erleichterung als das dumpfe Licht ihres Feuers endlich durch die Bäume drang.



Grey legte Mulder auf seinen Schlafsack und legte ihm ein zusammengerolltes Handtuch unter den Kopf während Scully ihren Rucksack durchkramte. Sie fand eine kleine Reißverschlusstasche aus welcher sie ein Stethoskop und eine Stablampe entnahm. Greys Mund öffnete sich und seine Augenbrauen schossen in die Höhe.


„Hast du das immer dabei wenn du campen gehst? Den meisten reichen ein paar Pflaster und etwas Jod.“



Scully verdrehte die Augen und stopfte sich die Stöpsel in die Ohren. „Nicht wenn ich mit meiner Familie unterwegs bin. Aber wir reden hier von Mulder. Er ist nicht wirklich in der Natur zu Hause. Und er neigt dazu sich zu verletzen.“



„Nach allem was du mir über eure bisherigen ‚Abenteuer‘ erzählt hast würde ich sage, das stimmt.“, gab Grey zu und sah ihr zu wie sie Mulder Jacke öffnete und ihn abhorchte. „Was *stimmt* mit ihm eigentlich nicht? Nach dem bisschen was ich von euren Fällen gehört habe zu urteilen verletzt er sich ständig.“



Scully antwortete nicht während sie das Stethoskop an verschiedene Stellen auf Mulders Körper legte und konzentriert die Stirn runzelte. „Hilf mir ihn aufzusetzen, ich muss an seinen Rücken kommen.“



Grey zog gehorsam den Körper seines Bruders in seine Arme und lehnte ihn gegen seine Schulter und Scully wiederholte die Prozedur. Sie nahm die Stöpsel aus den Ohren, hängte das sich das Stethoskop um den Hals und nickte Grey zu, dass er Mulder wieder ablegen konnte. Als er wieder lag checkte sie nochmals seine Pupillen und tastete seinen Körper von Kopf bis Fuß ab um gebrochene Knochen oder andere Verletzungen festzustellen.



„Er hat ne schöne Beule am Kopf, wahrscheinlich, weil er durch den Wald gezogen wurde. Ich bin mir sicher, dass er auch Prellungen hat, aber ich denke es ist wichtiger, dass wir ihn warm halten, als dass ich mir die Prellungen angucke. Ich bezweifle, dass der Schlag auf den Kopf heftig genug war um eine Gehirnerschütterung hervorzurufen, aber seine Augen sind so geweitet durch das Betäubungsmittel, dass ich das nicht sicher sagen kann. Ich werde mehr sagen können, wenn er wacht wird.“ Diese teilnahmslose ärztliche Stellungnahme verriet ihre Gefühle nur durch ihre Augen, wenn sie auf ihren Partner hinab sah.



„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“, erinnerte Grey sie, als sie damit begann die Bisswunden zu desinfizieren und zu verbinden.



Scully seufzte tief und sah, wie er sie intensiv anstarrte. Dieser Blick hatte es in sich und erinnerte sie an den, den Mulder aufsetzte, wenn er der Wahrheit auf der Spur war. „Nein. Das habe ich nicht. Was hast du mich *wirklich* gefragt, Grey?“



Greys Blick wanderte zu seinem Bruder und sprang dann zurück zu Scully. „Ich denke, ich möchte wissen ob er lebensmüde ist. Ob es einen anderen Grund, abgesehen von der Art eurer Fälle, gibt weshalb er so oft im Krankenhaus endet. Falls es ein Problem gibt von dem ich wissen sollte.“



Scully befestigte das letzte Pflaster und strich Mulder das Haar aus dem blassen Gesicht. „Es ist die Art unserer Fälle, Grey. Was wir erlebt haben, nun...“, sie gluckste leise und ihre Hand machte eine Geste, die den Wald um sie herum einschloss. Grey hatte verstanden und grinste reumütig.



Scullys angedeutetes Lächeln verschwand. „Aber du hast Recht, es ist mehr als nur das. Mulder hat eine Leidenschaft dafür, die Wahrheit, die Antworten zu finden. Manchmal existiert außer dieser Leidenschaft gar nichts mehr. Ich kann ohne Zweifel sagen, dass er niemals mich oder jemand anderen in Gefahr bringen würde. Unglücklicherweise schließt das ihn selber nicht ein. Du und ich, wir wissen beide, dass euer Vater Mulder nur einen geringen Selbstwert gelassen hat.“



Greys Gesicht verdunkelte sich. „Er war nicht *mein* Vater, Dana. Ich wünschte nur, Fox hätte auch so ein Glück gehabt.“



Wie aufs Stichwort machte Mulder ein leises Geräusch in seinem Hals und bewegte den Kopf. Seine Augenlider zuckten einige Momente bevor sie sich endlich öffneten. Als er Scully erblickte glitt ein großes, dümmliches Lächeln über sein Gesicht. „Hey Scully, sind Sie auch tot?“



Das war das Letzte, was sie erwartet hatte und Scully konnte das breite Grinsen nicht unterdrücken, welches sich auf ihrem Gesicht sehen ließ. Neben ihr musste Grey unwillkürlich kichern.



„Sie sind nicht tot, Mulder. Sie sind jetzt in Sicherheit.“, versicherte sie ihm.



Mulder versuchte sich aufzusetzen, aber seine Bewegungen waren unbeholfen und ohne jede Koordination. „Nee. Können mich nich verarschen“, lallte er. „Ich hab das Ding geseh’n was mich gebissen hat. Groooooße scharfe Zähne. Ich würde mich niemals so gut fühlen wie jetzt es sei denn ich bin tot.“



Scully legte ihm ihre Hand auf die Brust und drückte ihn sanft wieder runter, und grinste ihn trotz ihrer Bemühungen ein ernstes Gesicht aufzusetzen, weiterhin an. „Legen Sie sich hin, Mulder. Sie fühlen sich nur so gut weil Sie total high sind. Vertrauen Sie mir, wenn das vorüber geht wünschen Sie sich sie *wären* tot.“



Mulder leckte sich über die Lippen. „Hab Durst. Gibt’s hier was Wasser? Meine Scully holt mir immer Wasser wenn ich aufwache.“



Scully warf Grey einen leidenden Blick zu, aber ihre Lippen bebten vom unterdrückten Lachen. Sie hat Mulder so sehr mit Schmerzmitteln zugedröhnt gesehen, dass er kaum Sinn machte, aber noch niemals so high wie jetzt. Sie musste zugeben, dass er zum Knutschen war. „Pass auf ihn auf. Ich hol ihm was zu trinken.“



Sie stand auf und ging hinüber um die Flasche und eine Tasse zu holen. Mulders Augen folgten ihren Bewegungen nur einen Augenblick und erkundeten dann das Lager bis sie auf Grey landeten. Er lächelte entzückt. „Hey Grey! Du bist auch hier?“



Grey zwang sich dazu ernst zu bleiben. „Sieht ganz so aus.“



„Gut. Dann kannst du mir vielleicht sagen wer das gerade war, der mir was zu trinken holt“, sagte Mulder, eine Hand vor den Mund haltend um seine Worte zu dämpfen. Es fiel ihm nicht auf dass er normal gesprochen hatte und Scully ihn ohne große Probleme verstehen konnte.



Grey sah verblüfft aus. „Das ist Scully, Fox. Du weißt schon, deine Partnerin und beste Freundin?“



Zu seinem Vergnügen schüttelte Mulder heftig den Kopf, legte einen Finger auf seine Lippen und winkte ihm wild sich näher zu ihm zu beugen. „Das ist nicht *meine* Scully. Scully lächelt niemals so breit. Scully lächelt klitzeklein oder sie rollt ihre Augen und beißt sich so auf die Lippen (er demonstrierte dies in einer übertriebenen Weise, so dass Grey vor Lachen fast nicht mehr konnte), damit ich nicht sehe, dass sie lächelt. Scully hat nur einmal so breit gelächelt, als ich in Alaska fast gestorben wäre. Deshalb weiß ich dass ich tot sein muss, sonst würde sie nicht so gucken. Es ist ein Spiel das wir spielen, weißte? Ich sag Dinge die sie zum Lachen bringen und sie tut so als ob es nicht lustig wäre. Wenn sie das klitzekleine Lächeln lächelt hab ich gewonnen.“



„Nun, wenn das nicht Scully ist, wer ist es dann?“, fragte Grey, sein Spiel mitspielend.



Scully kehrte mit dem Wasser zurück und legte eine Hand als Stütze unter Mulders Kopf, mit der anderen hielt sie die Tasse. „Hör auf“, wies sie Grey streng zurecht, aber ihre Augen glitzerten.



Mulder trank, ließ seinen Kopf wieder sinken und sah zu ihr auf. „Weiß nicht. Sie ist aber genau so schön wie meine Scully. Und das will was heißen.“ Sein Kopf rollte zur Seite so dass er Grey ansehen konnte. „Ist dir mal aufgefallen wie schön meine Scully ist? Muss so sein. Ich hab gesehen wie du sie anlächelst. Macht mich verrückt.“



Die Hand mit der Tasse erstarrte mitten in der Luft und Scully wurde rot. Grey dachte dass diese Gelegenheit zu gut war um sie einfach vergehen zu lassen und setzte ein unschuldiges Gesicht auf.



„Klar hab ich das bemerkt. Aber mir war nicht klar, dass *du* es auch bemerkt hast.“



„Grey!“, Das Glitzern aus Scullys Augen war verschwunden und sie sahen nun so aus als ob sie Stahl schmelzen könnten.



„Oh, klar hab ich das bemerkt“, quasselte Mulder dessen ungeachtet weiter. „Wie hätte ich das nach sechs Jahren gemeinsamer Arbeit nicht bemerken können? Ich wusste, dass sie wunderschön war laaaang bevor ich wusste, dass ich sie liebte.“ Er hielt abrupt inne und hielt sich die Hand vor den Mund wobei seine Augen nervös hin und her guckten bevor er wieder Grey anschaute. „Ups. Gut dass sie nicht hier ist. *Das* kann ich meine Scully niemals wissen lassen.“



Scully war nach seinen Worten sehr still geworden, ihre Augen leuchteten und jede Spur des Ärgers war verflogen. Sie stellte langsam die Tasse auf den Boden, drückte die Knöchel einer Hand an ihre Lippen und starrte in sein Gesicht. Mulder lächelte dämlich zurück. Zu Greys Verwunderung ermutigte Scully diesmal Mulders Quasselei.



„Warum nicht, Mulder? Warum können Sie Scully das nicht sagen?“, fragte sie.



Mulders Ausdruck wurde traurig. Die schnelle und drastische Änderung seiner Gefühle wäre unter anderen Umständen komisch gewesen. In diesem Falle jedoch ging seine Traurigkeit Scully sehr zu Herzen. Normalerweise hütete Mulder seine Gefühle sehr, und erlaubte der Öffentlichkeit nur das zu sehen, was er sie sehen lassen wollte. Als seine beste Freundin hatte sie einige seltene Einblicke in seine komplizierte Psyche erhalten, aber er war noch nie so bloßgestellt und verwundbar gewesen wie jetzt.



„Hab versucht es ihr zu sagen – zweimal. Das erste Mal kam diese verdammte Biene in die Quere und beim zweiten Mal hat sie nur die Augen verdreht weil sie dachte, dass ich hallu... hallzin... high war.“ Er rubbelte sich mit den Handballen über die Augen. „‘S ist wohl am Besten so. Selbst wenn sie mich auch lieben würde – un‘ ich weiß nich‘ warum sie das sollte – verdient sie was Besseres als mich. Alle schlimmen Dinge in ihrem Leben sind wegen mir passiert. Ihr Bruder hatte Recht – bin ein trauriges Arschloch.“



Scully riss ihre Augen von Mulders weg und starrte in die samtene Schwärze hinter dem Feuer, wobei sie schnell mit den Augen klimpern musste. Mulder gähnte ausladend und seine Augen verloren den Fokus, als seine Lider sich senkten. Grey lehnte sich näher an ihn, wollte ihn nicht so vom Haken lassen, und strich seinem Bruder mit den Fingern über die Wange. Seine Geste hatte den erwünschten Effekt und Mulder öffnete die Augen wieder, aber sie blieben glasig.



„Was *würdest* du Scully sagen, wenn du könntest, Fox?“, lockte er.



Scully blickte Grey schnell an und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, aber sie sagte nichts. Mulders Stimmung erfuhr einen weiteren 180 Grad Umschwung in atemberaubender Zeit und das dämliche Grinsen war wieder da.



„Dass sie meine Seele ist“, murmelte er. „Dass ich wegen ihr eine bessere Person bin. So manchen Morgen ist das einzige, was mich aus dem Bett bringt, die Aussicht darauf ihr Gesicht zu sehen und sie zum Lächeln zu bringen ist die einzige Wahrheit die ich brauche. Ich weiß nicht wo sie anfängt und ich aufhöre und ich will es auch gar nicht wissen. Sie bedeutet mir *alles*.“



Eine Träne lief über Scullys Wange aber sie lächelte und lehnte sich vor um ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Schlaf jetzt, Mulder“, flüsterte sie. „Deine Scully wird da sein wenn du aufwachst.“



Seine Augen, schon auf Halbmast, schlossen sich. Scully betrachtete ihn einen Moment und versuchte etwas Ordnung in das Chaos ihrer Gedanken zu bringen. Grey stopfte den Schlafsack etwas fester um die Schultern seines Bruders und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.



„Ich fühle mich als ob wir ihn gerade ausgenutzt haben.“, sagte sie und in ihrer Stimme schwang zu gleichen Teilen Ärger, Schuld und Zärtlichkeit mit. „Er hätte das niemals gesagt wenn er bei Verstand gewesen wäre.“



Grey nickte langsam. „Da hast du Recht. Aber ich bin froh, dass er es getan hat. Dana, ich hab noch nie zwei Menschen gesehen, die mehr füreinander bestimmt waren und doch so entschlossen waren getrennt zu bleiben. Ich hatte Kate nur fünf Jahre, aber es waren die besten fünf Jahre meines Lebens. Ich habe es Fox gesagt und nun sage ich es dir. Verschwendet keine Minute. Das Leben ist zu wertvoll und zu zerbrechlich.“



Er stand auf und streckte sich und stöhnte zufrieden als sein Rücken knackte. „So, ich denke ich schlüpf in meine Sardinenbüchse und versuche zu schlafen – es sei denn du hättest es gerne wenn ich die nächste Wache nehme? Ich glaube wirklich nicht, dass das Ding heute Nacht wiederkommt und wenn wir nicht schlafen, werden wir morgen nicht zu gebrauchen sein.“



Scully schüttelte den Kopf, ihre Lippen gekrümmt. „Ich könnte jetzt noch nicht schlafen. Ich will eine Weile ein Auge auf Mulder werfen. Außerdem habe ich eine Menge zum Nachdenken bekommen.“



Grey grinste. „Wird ja auch langsam Zeit, Süße“, sagte er mit betontem Akzent. „Wird ja auch Zeit.“
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