World of X

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Die Stalkerfliege

von danafuchs

Kapitel 4

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Fassungslos starrte Mulder auf das Foto. Die Frau hatte wirklich kaum Ähnlichkeit mit der Valerie auf dem Foto.

Das Foto zeigte eine dicke Frau, keine durchtrainierte, schlanke Athletin. Die Frau trug einen weißen Laborkittel und hielt ein Reagenzglas in der Hand.

Mulder erinnerte sich an sie.



Er hörte Schritte.

*Sie ist in Eile.* stellte er fest. Wenn sie hektisch wurde, konnte das bedeuten, dass sie einen Teil ihrer Kontrolle verlor.

Das machte sie unberechenbarer und damit gefährlicher als sie schon war.

Anderseits erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Fehler beging.



Die Tür öffnete sich und Valerie stürmte herein.

"Wir müssen uns beeilen, Fox.", wisperte sie während sie die Handschelle von dem Rohr löste.

"Wohin gehen wir?", fragte er.

"Das kann ich dir nicht sagen. Noch nicht." Sie strich im zärtlich über die Wange und ließ die Handschelle um ihr Handgelenk schließen.



"Wo ist sie?", fragte er weiter. Er war sich darüber im Klaren, dass es Scullys Sicherheit gefährdend konnte, wenn er zuviel Interesse für sie zeigte, doch die Ungewissheit fing an ihn verrückt zu machen.

Sie hatte doch gesagt, dass er alles fragen könne?



"Schon im Wagen." antwortete sie und stieß ihn vor sich in den Flur. Bevor sie den Raum verließ, griff sie nach dem Elektroschocker.

Mulder fluchte innerlich. Er hatte gehofft sie würde ihn vergessen.



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Zögernd stand Valerie vor dem Wagen.

Durch die vielen Polizeistreifen war es zu riskant Fox auf den Beifahrersitz zu setzen.

Und auf der Ladefläche war sie.

*Verdammt!*



Sie hatte kaum eine andere Wahl - sie musste Fox auch auf die Ladefläche sperren.

Sie war das kleinere Problem. Ein Problem dessen Lösung ohnehin schon beschlossen war.



Sie entfernte die Handschelle von ihrem Handgelenk und stieß Mulder zu Scully in die Dunkelheit.



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Mulder stöhnte auf als er auf dem Boden aufschlug.

"Mulder?", flüsterte Scully unsicher.

"Scully?!", war seine überraschte Antwort.

*Sie macht tatsächlich Fehler!* dachte er während sich seine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten.



Langsam kroch er auf die Gestalt zu, die am anderen Ende der Ladefläche lag.

"Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Scully?", fragte er besorgt, obwohl seine Frage überflüssig war.



Scully lag zusammengekauert da. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie war nackt und sie schien zu bluten, obwohl Mulder nicht erkennen konnte wo sich die Wunde befand.

"Oh, Scully.", flüsterte er. Seine Schuldgefühle überrannten ihn wieder.

Schnell zog er sein T-Shirt über den Kopf und reichte es ihr.



"Mulder.", schluchzte sie und zog sich das Shirt über den Kopf.

Vorsichtig zog er sie in seine Arme. Sanft strich er über das Haar und den Rücken.

Sie weinte leise.



"Mulder?" fragte sie nachdem sie sich beruhigt hatte.

Er nickte stumm.

"Wer ist diese Frau? Sie kennen Sie, nicht war?"

"Ja, aber ich hätte sie nie erkannt, wenn sie mir nicht ein altes Foto gezeigt hätte."

Er atmete tief durch.

"Ihr Name ist Valerie Hoffmann. Sie war früher Wissenschaftlerin. Sie hat mit einem Arzt zusammengearbeitet, der geheime Experimente an Menschen durchgeführt hat.

Ich bin auf den Fall aufmerksam geworden nachdem in einem kleinen Dorf fast alle Menschen vergessen hatten wer sie sind."

"Amnesie?"

"Ja, sie war auf die Substanzen zurückzuführen mit denen der Arzt experimentierte. Mir ist sie bei der Festnahme zum ersten Mal begegnet. Allerdings habe ich sie nicht vernommen."

"Sie hat eine Art Labor im Keller. Vielleicht experimentiert sie weiter. Dort stehen unbeschriftete Flaschen herum."



"Hat sie Ihnen etwas davon gespritzt?", fragte Mulder ängstlich.

"Nein! Oder vielleicht doch? Sie hat mir Beruhigungs- und Betäubungsmittel gespritzt."

Sie stockte.

"Was hat sie noch getan, Scully?", fragte er.

"Sie... sie..." Scully begann zu schluchzen. "Sie hat mir Symbole auf den Bauch geritzt.

Aber sie hat nur die obersten Hautschichten verletzt... Sie..."

"Shhhhhh. Ist ja gut.", flüsterte Mulder sanft und zog sie dichter an sich.



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Mulder wusste dass er sich auf die Fahrtgeräusche konzentrieren sollte, falls er eine Chance haben wollte seinen späteren Aufenthaltsort zu bestimmen.

Trotzdem schenkte er seine ganze Aufmerksamkeit der Frau, die nun ihr Gesicht in seine Brust vergrub und schluchzte.



"Mulder? Warum tut sie das?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Schuldgefühle übermannten ihn und er spürte wie Tränen in ihm aufstiegen. *Du musst stark sein. Für sie.*

"Es tut mir so leid, Scully.", flüsterte er zurück, während er sie fest umschlungen hielt und ihr einen Kuss auf die Haare hauchte.



Langsam rollten die ersten Tränen sein Gesicht herunter.

"Das alles geschieht nur wegen mir."

Sie schüttelte leicht den Kopf, während die ersten seiner Tränen in ihre Haare tropften.

"Das alles passiert nur wegen mir. Nur weil ich dich liebe."



*Habe ich das grade wirklich gesagt?* fragte er sich, während er spürte wie sich der kleine Körper in seinen Armen versteifte.

"Scully, ich..." begann er ohne wirklich zu wissen, was er sagen sollte.



Sie brachte ihn zum schweigen indem sie ihm ihren rechten Zeigefinger auf die Lippen legte und den linken Arm um seinen Hals schlang.

Er hätte alles dafür gegeben trotz der Dunkelheit, die sie umgab, in ihre tiefblauen Augen sehen zu können, während er zärtlich begann die Tränen von ihrem Gesicht zu küssen.



Es war anders als in seinen Träumen. Er hatte sich diesen Moment in vielen verschieden Varianten vorgestellt.

In manchen Träumen hatte er sie einfach gegen die Wand gedrückt und sie geküsst bis er keine Luft mehr bekam. Im Büro, in ihrer Wohnung, in seiner Wohnung.

In anderen Träumen hatte er sie zum Essen eingeladen. Oder es war in einem der Motels passiert in denen sie während ihrer Fälle untergebracht waren.



Trotz der widrigen Umstände war es besser als alles, was er sich erträumt hatte. Es war perfekt. Es war wunderbar.

Während ihre Zunge sanft über seine glitt - oder war es andersrum? - spürte er wie sämtliche Zweifel aus seinem Körper wichen.



Ja, es würde ihre Freundschaft zerstören, aber diese Freundschaft würde durch etwas ersetzt werden, das noch stärker, größer und intensiver war.

Etwas, nachdem er sein ganzes Leben lang gesucht hatte.



Liebe.



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Viel zu schnell beendete sie den Kuss und kuschelte sich erneut an ihn.

Nicht mehr ängstlich, sondern zufrieden.

"Ich liebe dich, Dana.", flüsterte er leise in ihr Ohr. "Und ich werde nicht zulassen, dass sie dir weiter weh tut."

Er atmete tief ein und sog ihren Geruch in sich auf.



"Ich glaube, dass ich sie vielleicht überreden kann dich gehen zu lassen.", fuhr er zögernd fort. "Du musst mir vertrauen, Dana."

Sie nickte stumm.

"Und egal was passiert, egal was ich tue oder sage, du darfst niemals vergessen, dass ich dich liebe, Dana."

Er wusste er, dass er ihr wehtun musste um sie zu retten. Und er wusste, dass es auch ihm wehtun würde.



Eine Weile saßen sie still da.

"Sie darf uns nicht so sehen.", erklärte Scully als sie sich aus seiner Umarmung löste, während der Wagen langsam zum Stehen kam.



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Scully hatte sich wieder in die hintere Ecke der Ladefläche zurückgezogen. Sie zitterte wieder. Teils wegen der Angst, die in ihr aufstieg während sie darauf wartete, dass sich die Tür des Wagens öffnet, aber hauptsächlich vermisste sie die Wärme, die der Mann ausstrahlte in dessen Armen sie gelegen hatte.



*Ich liebe dich, Dana.* Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte, dass er es ernst meinte.

*Du darfst niemals vergessen, dass ich die liebe, Dana.* Wie konnte sie das jemals vergessen. Nach diesem Kuss.

Sie widerstand mit Mühe der Versuchung sich erneut in seine Arme zu werfen und konzentrierte sich stattdessen auf die Tür, die nun geöffnet wurde.



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Valerie öffnete die Tür und stellte zufrieden fest, dass die Agenten sich an den entgegengesetzten Enden der Ladefläche befanden.

Dann bemerkte sie, dass Mulder sein T-Shirt nicht mehr selbst trug.

So sehr sie den Anblick seines nackten Oberkörpers genoss, so sehr hasste sie es zu sehen, dass sie sein Shirt anhatte.



*Beruhige dich. Sie hat nur das Shirt. Du hast ihn!* erinnerte sie eine inner Stimme.

"Fox.", sagte sie. Er blickte auf. "Es tut mir sehr leid, aber du musst noch ein wenig warten. Zuerst werde ich Agent Scully ihr neues Quartier zeigen."



Sie gab Scully mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie zu ihr kommen sollte.

Vorsichtig kroch Scully über den Boden auf die Tür zu.

Mulder rührte sich nicht, aber sie konnte ihm ansehen, dass er sich schuldig fühlte.

*Er hat einen Plan.*, sagte sie sich immer und immer wieder, während Valerie nach ihrem Handgelenk griff und sie aus dem Wagen zog.



Nach dem Valerie die Tür wieder fest verschlossen hatte, zerrte sie Scully durch die Dunkelheit auf ein Haus zu.

Scully konnte nirgends ein anderes Gebäude erkennen und die Erkenntnis das niemand sie hier draußen suchen geschweige denn finden würde, traf sie wie ein Blitzschlag.



Immer noch wollten ihre Beine ihr nicht vollständig gehorchen und so stolperte sie hinter Valerie her, die sie weiter unbarmherzig über den harten Boden, der teilweise mit spitzen Steinen bedeckt war hinter sich herzog.



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Mulder konnte es nicht fassen.

Sie hatte ihn tatsächlich geküsst. Er sollte der glücklichste Mensch auf diesem Planeten sein.

Aber er war es nicht.



Er wusste, dass er ihr wehtun musste um sie zu retten. Er wollte ihr nicht wehtun.

Was wenn er sie dadurch verlieren würde? Was wenn sein Plan nicht funktionieren würde? Was wenn er sie nicht retten konnte?



Was wenn sie ihm nicht glaubte, dass er sie liebte? Was wenn sie ihm nicht verzeihen würde? Was wenn sie ihn hassen würde? Was wenn sie sterben würde bevor er die Chance hatte sich zu entschuldigen und alles zu erklären?



Dieser Gedanke brachte ihn um den Verstand. Er zwang sich so ruhig zu bleiben wie er konnte. Er musste darüber nachdenken, wie er mit Valerie umgehen sollte. Ihm war klar, dass er ruhig mit ihr reden musste.

*Sie muss denken, dass sie die Kontrolle hat*



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Das Haus war dunkel und Scully konnte nicht erkennen in welchem Zustand es sich befand.

Aber es roch moderig und der Flur war sehr zugig, was darauf schließen ließ, dass das Haus schon länger verlassen war.



Dieses Mal wurde Scully nicht in den Keller gebracht, sondern eine Treppe hinauf gestoßen.

Valerie schwieg die ganze Zeit. Sie hatte kein einziges Wort zu ihr gesagt seit sie das erste Versteck verlassen hatten.



"Die erste Tür.", befahl Valerie schließlich.

Scully öffnete die Tür zögernd und blickte in den Raum. Ein wenig Mondlicht schien durch das Fenster und beleuchtete was früher vermutlich einmal ein Schlafzimmer gewesen war.

Die Möbel waren mit einer Schicht aus Staub und Spinnenweben bedeckt.



"Unter dem Fenster ist nichts, das Ihren Aufprall abfangen würde. Versuchen Sie es erst gar nicht.", sagte Valerie und schloss die Tür.

Scully hörte wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde.



Ein Blick aus dem Fenster bestätigte Valeries Aussage.

Selbst wenn sie den Aufprall überstehen würde, würde ihr das nichts nützen.

Schließlich hatte sie nicht die geringste Ahnung in welche Richtung sie gehen sollte.

*Du musst mir vertrauen, Dana.* hallte seine Stimme in ihrem Kopf nach.

Er war ihre letzte Hoffnung.



Seufzend ging Scully auf das Himmelbett zu, das den meisten Platz in dem Zimmer beanspruchte, und zog die Tagesdecke herunter.

Erschöpft ließ sich Scully auf die Laken fallen, die unter der Decke gelegen hatten und relativ sauber waren.



Ihr ging so viel im Kopf herum, das sie nicht mal wusste, wo sie anfangen sollte den Knoten ihrer Gefühle zu entwirren.



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Mulder starrte auf das Haus auf das er zuging.

Obwohl er in der Dunkelheit nicht alles erkennen konnte, kam es ihm auf eine seltsame Art und Weise bekannt vor.

Er hatte es schon einmal irgendwo gesehen - da war er sich sicher. Genauso sicher war er sich allerdings, dass er noch nie zuvor dort gewesen ist.



"Das Haus meiner Großeltern.", klärte Valerie ihn auf. "Es ist in ziemlich schlechtem Zustand. Ich wollte es für uns herrichten, aber zuerst müssen wir das hier überstehen."

Valerie nahm seine Hand und führte ihn weiter auf das Haus zu.



Plötzlich blieb Mulder stehen und blickte Valerie tief in die Augen als sie sich erstaunt umdrehte.

"Zusammen schaffen wir das schon."

Sie blinzelte. *Zusammen? Hat er gerade wirklich "zusammen" gesagt?*

Wie zur Bestätigung nickte er leicht.

Valerie lächelte, griff nach seiner Hand und lief weiter.



Mulder atmete erleichtert auf.

Sein Plan schien zu funktionieren. Er hatte es tatsächlich geschafft Valerie ein wenig zu verunsichern - trotz der Dunkelheit hatte er es klar und deutlich in ihren Augen gesehen.



Es war ganz einfach. Er musste sie verwirren und gleichzeitig ihr Vertrauen gewinnen, um sie von ihrem ursprünglichen Plan abzubringen.

*Ich werde Scully retten!*



*Und wie wirst du dich retten, wenn sie frei ist?*

Er konnte sich diese Frage nicht beantworten. Es hing von ihr ab. Wenn sie ihn hasste, würde er nicht auf sie zählen können.

Dann wäre er auf sich allein gestellt.

Er schluckte und zwang sich zu einem Lächeln während Valerie die Tür öffnete und sie die Diele des Hauses betraten.



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Walter Skinner nahm die Brille ab und rieb sich den Nasenrücken.

Nachdem er die Brille wieder aufgesetzt hatte, streckte er sich ausgiebig.

Er saß nun schon seit Stunden allein in seinem Büro.



Seine Sekretärin hatte er schon nach Hause geschickt. Er hatte versprochen selbst auch bald zu fahren und sich zu Hause auszuruhen.

Da er wusste, dass er nicht schlafen können würde, hatte er sich entschlossen das Versprechen zu brechen.



Wieder und wieder war er die Botschaft des Mörders durchgegangen. Immer noch wusste niemand etwas damit anzufangen.

Die verschmierten Abdrücke auf dem Wagen stammten wie erwartet von Handschuhen, sie waren unbrauchbar.



Die Daten aus Mulders Handy hatten sie in ein Wohngebiet geführt. Bis jetzt hatte niemand etwas gesehen oder gehört. Noch waren die Befragungen nicht abgeschlossen.

Weitere Spuren gab es nicht.

Skinners Hoffnung schwand.



Er fragte sich wie Mulder und Scully es schafften sich ständig gegenseitig aus solchen Situationen zu retten.

Mulder und Scully waren schon immer ein Rätsel für ihn gewesen.

Er hatte nie verstanden, wie zwei so unterschiedliche Menschen so gut zusammen arbeiteten.



Er hatte auch nie verstanden warum ein Pärchen wie die beiden nur zusammen arbeiteten - aber das ging ihn nichts an.



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Scully wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie Schritte auf der Treppe hörte.

Ihr Herz begann zu rasen.

Sie war sich nicht sicher ob das an der Nähe zu ihrer potenziellen Mörderin oder an der Nähe zu ihm lag.



Sie hatte ihm nicht gesagt, was sie für ihn empfand.

Ihr war klar, dass er es wusste. Aber sie musste es sagen.

Bald.

Wahrscheinlich würde sie nicht mehr lange die Gelegenheit dazu haben.

Vielleicht würde sie nie die Gelegenheit haben.



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Mulder konnte spüren, dass Scully sich in dem ersten Raum befand. Er wusste nicht ob er tatsächlich ihre Nähe spürte oder ob es daran lag das Valerie unbewusst das Tempo erhöht hatte während sie an der Tür vorbei gingen.



"Hier ist dein Zimmer." Valerie öffnete eine weitere Tür. "Ich muss leider wieder zurück in die Stadt fahren. Heute Abend bin ich zurück. Versprochen."

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand.



Mulder ging zum Fenster und blickte in die Nacht.

Nach einigen Minuten sah er die Lichter des Lieferwagens in der Ferne verschwinden.

"SCULLY!", rief er.



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"MULDER!"

Scully war aufgesprungen und stand nun an der Wand, hinter der er sich befand.

"Alles in Ordnung bei dir?", fragte er nun leiser, da er wusste, dass sie ihn hörte.



"Es geht mir gut.", antwortete sie wie immer. "Sie hat mich nicht wieder gefesselt oder mir irgendwas gespritzt, aber ich bin eingeschlossen und durch das Fenster fliehen ist auch unmöglich."



Mulder nickte, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte.

"Sie ist weggefahren. Vor heute Abend wird sie nicht zurück sein. Vermutlich wird sie wie gewohnt zur Arbeit gehen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken."



"Wir sollten nach Fluchtwegen suchen. Das Haus scheint alt zu sein und es wirkt nicht so als sei unser Aufenthalt hier von langer Hand geplant gewesen.", sagte Scully.



"Ja.", stimmte Mulder zu, obwohl er eigentlich darauf hinaus gewollt hatte, dass ihnen Valeries Abwesenheit Zeit geben würde, über das, was auf der Fahrt hierher passiert war, zu reden.



Er konnte hören, dass Scully in ihrem Zimmer hin und her lief. Sie hatte die Suche nach dem Ausweg schon begonnen und er beschloss es ihr gleich zu tun.

*Vielleicht muss ich ihr doch nicht wehtun!*



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Valerie saß im Büro ohne wirklich zu wissen was sie tat.

Sie war zwar pünktlich gewesen, aber da sie sehr nervös und noch dazu übermüdet war, hatte ihr Boss bald wissen wollen, was los sei.



*Gott sei Dank hat er geglaubt, dass ich nur schlecht geschlafen habe.* dachte sie erleichtert.

Er war sogar sehr verständnisvoll gewesen.

Er hatte gemeint, dass er wohl auch nicht gut geschlafen hätte, wenn in seiner Wohngegend nach dem Entführer zweier FBI Agenten gefahndet werden würde.



Valerie hatte unwillkürlich schlucken müssen.

Seit dem war sie noch nervöser als vorher.



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Assistant Director Skinner lief unruhig in seinem Büro hin und her.

Vor einer Viertel Stunde hatte er einen Termin mit den Agenten gehabt, die die Befragungen der Anwohner koordinierten. Sie waren nicht aufgetaucht.



Nun klingelte sein Telefon.

Es fiel ihm ein Stein vom Herzen als seine Sekretärin ihm berichtete, dass die Agenten soeben eingetroffen waren.



Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und begrüßte die Agenten, die zur Tür herein gekommen waren.

"Wie ist der Stand der Befragungen?", wollte er ohne Umschweife wissen.



"Niemandem ist Agent Mulders Wagen aufgefallen. Einige Leute sagen, ihnen wären Fahrzeuge aufgefallen, die sie sonst nicht in der Gegend gesehen hätten."



"Wir sind dem nachgegangen. Es handelte sich meist um Besucher der Nachbarn oder um Handwerker und Vertreter."



"Keine neue Spur?"



Die Agenten verneinten.



"Die meisten der Anwohner, die wir nicht angetroffen haben, sind laut Angaben der Nachbarn verreist.

Die übringen 50 werden von uns gerade auf Vorstrafen überprüft."



Skinner nickte.



"Agent Mulder könnte auch persönlich in den Fall verwickelt sein. Überprüfen Sie auch, ob einer der Namen vielleicht in den X-Akten auftaucht.", schlug Skinner vor.



Er war sich auch nicht sicher wohin das führen sollte.



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Irgendwie war an die Öffentlichkeit geraten, dass die vermissten Agenten einen Termin mit dem Professor gehabt hatten.

Als die Belagerung durch die Journalisten und das ständige Klingeln des Telefons unerträglich wurden, beschloss der Professor das Büro zu schließen bis sich die Aufregung gelegt hatte.



*Gut, dann muss ich mir keine Sorgen mehr darum machen, wie ich meine Abwesenheit erkläre.* dachte Valerie und schlich sich aus der Hintertür um dem Trubel zu entgehen.



Als Valerie zu Hause aus ihrem Wagen stieg, kam sofort eine ihrer Nachbarinnen auf sie zu.

"Miss Hoffmann, das FBI hat mich gebeten Ihnen eine Nachricht zu überbringen.", rief sie.



Valerie blieb abrupt stehen. *FBI?* War sie etwa doch entdeckt worden? Hatte sie einen Fehler begangen? Sie schüttelte kurz den Kopf und konzentrierte sich auf das, was die Nachbarin zu sagen hatte.



Diese zog eine Visitenkarte aus der Tasche und reichte sie ihr.

"Alle Anwohner werden befragt. Sie wollen nur wissen, ob Ihnen etwas aufgefallen ist.

Aber ich habe denen schon gesagt, dass hier nichts Ungewöhnliches vorgefallen ist."

Valerie nickte und nahm die Karte.



"Wo waren Sie denn gestern Abend?", fragte die Nachbarin als Valerie das Haus schon fast erreicht hatte.

*Neugierige Schlampe!*



Lächelnd drehte sie sich um.

"Ich war bei Freunden. Wir haben in den Nachrichten gesehen, dass diese Gegend durchsucht wurde und da ich Angst hatte diesen Verrückten auf dem Weg nach Hause zu begegnen, hab ich dort übernachtet.", log sie.

Die Nachbarin schien mit ihrer Antwort zufrieden zu sein, denn sie nickte verständnisvoll und machte sich auf den Heimweg.

*Hoffentlich glaubt das FBI die Story auch.* dachte Valerie. Sie hatte keine Freunde, bei denen sie hätte übernachten können.



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Valerie saß zitternd auf dem Sofa. Ihre gepackte Tasche stand neben ihr.

Sie konnte immer noch nicht recht glauben, dass man ihre Geschichte tatsächlich geglaubt hatte.

Sie hatte erzählt, dass sie sich zu Hause nicht sicher fühle, dass sie auch jetzt nur hier war um ein paar Sachen zu packen und zu verreisen. Wohin? Keine Ahnung, nur weg.

Sie wurde auf den Job angesprochen. Sie hatte erklärt, dass sie weder Agent Mulder noch seine Partnerin jemals gesehen hätte. Aber sie hatte mit Mulder gesprochen, deswegen würde ihr der Fall so nahe gehen.



Zu ihrer Überraschung hatte der Agent Verständnis gezeigt, sie gebeten sich zu melden, sollte ihr noch irgendetwas einfallen - auch wenn es ihr unwichtig erschien - und ihr dann ein paar erholsame Tage gewünscht.



*Fox hätte dich sofort durchschaut* dachte sie als sie sich auf den Weg machte.



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Es war ihnen relativ schnell klar geworden, dass es keine Fluchtmöglichkeit gab.

Seitdem saßen sie schweigend in ihren Zimmern.

Er hatte reden wollen, aber ihm fiel nichts ein, dass er hätte sagen können.

Außerdem wollte er ihr in die Augen sehen können, wenn sie über ihre Gefühle sprachen.

Er wollte sie wieder in seinen Armen halten. Er würde sie nie wieder loslassen.



Scully hatte ebenfalls geschwiegen.

Sie hatte zwar erst vor wenigen Stunden beschlossen, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte, aber das konnte und wollte sie nicht tun, wenn sie durch eine Wand getrennt waren.



Es hatte schon zu viele Mauern zwischen ihnen gegeben. *Die meisten davon hast du selbst errichtet.*, schalt sie sich.



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Ein Licht fiel durch das Fenster und blendete Mulder kurzzeitig.

*Valerie.*

Er schluckte. *Jetzt oder nie.*



"Mulder?"

Auch Scully hatte ihre Ankunft bemerkt.

"Sie ist zurück.", bestätigte er.



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Valerie hatte auf dem Weg alle möglichen Enden, die diese Geschichte haben könnte, im Kopf durchgespielt und erleichtert festgestellt, dass es meist auf ein Happy End hinauslief - zumindest für sie und Fox.

Nachdem sie ihr Gepäck und die Lebensmittel, die sie auf dem Weg besorgt hatte, ins Haus gebracht hatte, machte sie sich auf den Weg zu ihm.

Sie wollte zumindest für einen Moment vergessen, dass sie noch eine Aufgabe zu erledigen hatte.



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"Da bist du ja, Valerie."

Mulder saß auf dem Bett und blickte ihr direkt ins Gesicht.

"Ja, ich bin zurück. Wie versprochen. Und diesmal kann ich länger bleiben."

Er schüttelte den Kopf.

"Du sagtest das sei das Haus deiner Großeltern? Wir sind hier nicht sicher. Sie werden uns hier finden."



"Nein! Sie wissen nicht, dass ich es war!", rief sie aufgeregt.

Mulder stand auf und ging auf sie zu. Er atmete tief durch. *Du kannst es schaffen. Du musst!*

"Ich weiß.", flüsterte er und legte seine Hände auf ihre Schultern, "aber Sie werden es herausfinden. Vertrau mir. Es ist unmöglich alle Spuren zu verwischen."

Sie schüttelte den Kopf, wollte ihm nicht glauben.



Hoffnung keimte in ihm auf. *Du kannst es schaffen!*

"Valerie, wir können es schaffen. Du und ich."

Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit, ihr Vertrauen.

"Vertrau mir, ich weiß wie man untertaucht. Ich weiß wie das FBI arbeitet. Und ich weiß wie man das FBI austricksen kann."



Valerie machte sich von ihm los.

"Willst du das wirklich?", fragte sie überrascht. Im Nebenzimmer stellte sich Scully, die das Gespräch gespannt mit anhörte, genau dieselbe Frage.

Die Antwort brachte sie beinahe um den Verstand.

"Natürlich.", sagte Mulder. "Wieso sollte ich das nicht wollen?"

Damit hatte er sie endgültig aus dem Konzept gebracht.

Schweigend ging sie an ihm vorbei und ließ sich auf das Bett fallen.



"Es gibt nur ein Problem.", fuhr er fort. "Es ist schwer genug zu zweit unterzutauchen.

Wir können Scully auf keinen Fall mitnehmen."



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Scully biss sich auf die Zunge um den Schrei, der ihr bereits in der Kehle steckte, zu unterdrücken.

*Wie können Scully auf keinen Fall mitnehmen.* War das sein Ernst? Wollte er sie zurücklassen? Wollte er - sie schluckte - wollte er sie tatsächlich loswerden? Für immer?



"Ich hatte nie vor sie mitzunehmen.", erklärte Valerie gerade. Scully schluckte schwer.

"Ich weiß.", sagte Mulder. Scully hielt die Luft an. "Aber du darfst sie nicht töten, Valerie."



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Mulder sah die Verwirrung in Valeries Augen.

*Bitte, lass es funktionieren!*

"Wir brauchen sie.", erklärte er. Valeries Verwirrung wuchs. "Als Ablenkung."

Er atmete tief durch. Es war wichtig, dass sie seine Gründe verstand. Noch wichtiger war, dass sie sein wahres Motiv nicht durchschaute.



"Bis jetzt kann man diese Entführung noch nicht eindeutig mit dem Mordfall in Verbindung bringen. Wenn du sie leben lässt, kann man dir keinen Mord nachweisen."

Er stellte erleichtert fest, dass Valerie zögernd nickte.

"Außerdem werden sich die Ermittlungen um den Ort an dem man sie findet konzentrieren."



Jetzt nickte sie. *Sie glaubt mir!* jubelte Mulder innerlich.

"Ich weiß worauf du hinaus willst.", sagte sie, stand auf und ging auf ihn zu, "aber wir wissen beide, dass es nicht so einfach ist."

*Verdammt!* Er schluckte. *Denk nach! Zu irgendwas muss dein Psychologiestudium doch gut sein!*



Er setzte ein Lächeln auf.

"Valerie, glaubst du tatsächlich, dass ich auch nur die geringsten Gefühle für sie habe?"

Selbst Mulder war erschrocken darüber wie glaubwürdig seine Worte klangen.

*Schließlich ist es genau das, was du dir selbst jahrelang vorgemacht hast.*

Valerie sah in verwundert an, blickte dann auf den Boden.



Mulder bemühte sich ruhig weiterzuatmen, während er auf eine Antwort wartete.

Als Valerie wieder auf blickte, war die Verwirrung in ihren Augen dem Ärger gewichen.

*Verdammt! Verdammt!*



"Fox.", sagte sie ruhig, "mir ist klar, dass ihr Gefühle für einander habt - auch wenn ihr das nicht zu wissen scheint."

Mulder schüttelte den Kopf. Er war so kurz vor dem Ziel gewesen.



"Nein?", fragte sie - pure Boshaftigkeit in ihrer Stimme.



"Beweis es!"



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Scully hörte Schritte im Flur. Es waren auf keinen Fall Mulders Schritte.

*Valerie!* Sofort sprang sie auf. Sie war nicht gefesselt.

Vielleicht konnte sie Valerie überwältigen und fliehen wenn sie sie überraschte. *War das dein Plan, Mulder?*



Schnell machte Scully sich kampfbereit. Sie wusste, dass sie schnell sein musste und dass sie nur eine Chance hatte. Valerie war nicht nur größer, sondern auch noch sehr viel stärker als sie.



Mit einem eiskalten Lächeln auf den Lippen öffnete Valerie die Tür.

In der linken Hand hielt sie zwei Paar Handschellen, die sie den Agenten abgenommen hatte.



Es war der kleine schwarze Gegenstand in ihrer rechten Hand, der Scullys Fluchtpläne zu Nichte machte.

Der Elektroschocker.

Noch allzu gut erinnerte sie sich daran, was dieses Gerät anrichten konnte.



"Aufs Bett mit dir!", befahl Valerie.

Widerwillig ließ sich Scully auf das Bett zurücksinken. *Das war bestimmt nicht Mulders Plan.*

Valerie warf ihr die Handschellen zu.

"Sie wissen ja wie man damit umgeht... Ein Paar links, ein Paar rechts." sagte sie

während sie mit dem rechten Zeigefinger den Knopf betätigte, der ein bedrohliches Funken des Elektroschockers auslöste.



*Ich muss sie dazu bringen das Ding wegzulegen!* dachte Scully, während sie die Handschellen so locker wie möglich um ihre Handgelenke schloss.



Valerie trat nun näher an das Bett heran.

"Sie wissen, dass ich sie auch ohne dieses Ding fertig machen kann, nicht wahr, Agent Scully?", fragte Valerie und deutete auf den Elektroschocker.



Scully nickte schwach. Trotzdem drückte Valerie sie auf das Bett und versuchte Scullys letzten Widerstand zu brechen, in dem sie eine ihrer starken, tödlichen Hände um ihren Hals legte, bevor sie den Elektroschocker ablegte.



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Mulder wusste nicht was er tun sollte. Beinahe hätte sein Plan funktioniert.

*Er kann immer noch funktionieren, du musst nur beweisen, dass dir Scully nichts bedeutet.*

Wie er das machen sollte, wusste er nicht.



Aber was ihn wirklich wahnsinnig machte, war nicht zu wissen, was in dem Zimmer nebenan ablief.

Er war sich sicher, dass Valerie zu ihr gegangen war.



Er hatte gefürchtet, dass sie Scully so lange foltern würde, bis er ihren Schrei nicht mehr ertragen könnte und sie bat aufzuhören.

Doch alles war still.



*Noch schlimmer wäre es, wenn sie dich dazu zwingen würde Scully wehzutun.*

Nein, daran wollte er gar nicht erst denken!



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Valerie beugte sich über Scully und befestigte deren linke Hand am hinteren Teil des Bettes.

Scully wusste, dass ihre letzte Chance gekommen war.



So schnell sie konnte zog sie die Beine an und rammte ihre Knie mit voller Kraft in Valeries Bauch.

Stöhnend wich Valerie ein Stück zurück und krümmte sich.



Als sie wieder aufblickte, schüttelte sie den Kopf.

"Das war eine dumme Idee, Dana.", erklärte sie.

Scully rechnete damit, dass sie nach dem Elektroschocker greifen würde.



Valerie holte stattdessen mit der rechten Faust aus und ließ sie mitten in Scullys Gesicht niedersausen.

Mit einem dumpfen Knall schlug Scullys Kopf am Kopfstück des Bettes auf.



Dann wurde es dunkel.



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Sie hatte nach ihm gerufen!

Gleichzeitig hatte er etwas gehört, dass sich wie Valerie anhörte.

Valerie unter Schmerzen?

*Dana, was hast du getan?*



Was ihm wirklich Angst gemacht hatte, waren die Geräusche die darauf folgten. Es klang so als sei ein Körper gegen etwas Hartes geknallt.

Die Frage war nur wessen Körper?



Nun saß er da in der Stille und wartete.

Warten und Stille.

Beides machte ihn verrückt.



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Sie hatte nach ihm gerufen.

Er hatte nicht reagiert.

*Wäre das der Test gewesen, hätte er bestanden.* dachte Valerie. *Aber ich muss es genauer wissen.*



Zufrieden betrachte sie ihr Werk.

Anfangs war sie sich nicht sicher gewesen, ob die Fesseln an den Füßen halten würden.

Immerhin müssten sie ein recht großes Stück zwischen dem Ende des Bettes und Scullys Füßen überbrücken. Doch da die Agentin sie seit ihrer kleinen Rangelei nicht mehr bewegt hatte, war auch das kein Problem mehr.



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Die Tür ging auf.

Valerie trat ein.

Allein.

Er schwieg.

Sie streckte die Hand nach ihm aus.

Lächelnd.



"Komm mit, Fox."

Er stand auf.



Sie führte ihn zu Scullys Zimmer.

Er wusste nicht, was er zu erwartet hatte, aber was er sah, verschlug ihm die Sprache.



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Er hatte alles erwartet aber nicht das.

Vor ihm lag Dana Katherine Scully, seine Partnerin, seine beste Freundin, seine engste Vertraute - kurz: die Frau die er über alles liebte - gefesselt in einem Bett.



Ihre Hände waren mit Handschellen an dem Bett befestigt.

Das T-Shirt, das er ihr gegeben hatte, war von Valerie zweckentfremdet worden und fixierte nun Scullys Füße am unteren Ende des Bettes.



Ihre Brust hob und senkte sich sanft, aber Mulder hatte keine Augen für ihren Körper, der nackt vor ihm lag. Er starrte fasziniert ihr Gesicht an.

Scullys Augen waren geschlossen. Ihr Kopf war leicht zur Seite gedreht. Es sah aus als ob sie friedlich schliefe.

*Ein schlafender Engel* schoss es ihm durch den Kopf - doch dann wurde ihm schmerzlich bewusst, das sie nicht schlief, sondern bewusstlos war.



"Sie ist wunderschön nicht war?" säuselte Valerie neben ihm.

Er schloss kurz die Augen.

"Das kannst du ruhig zugeben, Fox."



Valerie ging auf das Bett zu.

Mulder blieb wie angewurzelt an der Tür stehen.

"Ich weiß, dass du sie attraktiv findest. Sehr sogar."

Er reagierte nicht.



"Ich weiß auch, dass du gerne wissen würdest, wie sich das hier anfühlt.* flüsterte sie und strich Scully sanft eine Haarsträhne hinter das Ohr zurück.

Mulder schluckte und zwang sich den Kopf zu schütteln.



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Skinner nahm noch einen Schluck Kaffee. Den Gedanken an Schlaf hatte er schon lange aufgegeben.

Die Journalisten, die sein Büro mit Anrufen bombardierten, machten ihn wahnsinnig.

Seine Hoffnung schwand.



Die Gegend in der Mulders Handy das letzte Mal geortet wurde, war gründlich durchsucht worden - erfolglos.

Den Anwohnern war ebenfalls nichts aufgefallen. Aber die steigende Anspannung sorgte dafür, dass ehemals nette Nachbarn zu vermeintlichen Verbrechern wurden.

Mittlerweile äußerten einige der Anwohner die unglaublichsten Beschuldigungen ihren Nachbarn gegenüber - natürlich bei der Presse und nicht bei der Polizei.



All das führte zu einem Berg von Extraarbeit und zusätzlichen Befragungen, die aber im Endeffekt nur Zeitverschwendung waren.



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Mulder konnte kaum glauben, dass er immer noch ruhig an der gleichen Stelle stand.

Er konnte kaum glauben, dass er es tatsächlich schaffte seinen Blick nicht abzuwenden.

So sehr er sich auch um die immer noch bewusstlose Scully sorgte, er war doch froh, dass sie nicht mitbekam was mit ihr geschah.

Sie würde ihm nie wieder in die Augen sehen können, wenn sie wüsste was er sah.



Würde er ihr in die Augen sehen können?

*Nur wenn du durchhältst und dein Plan funktioniert.* erinnerte ihn eine innere Stimme.

Immer noch regungslos beobachtete er wie Valerie ihre Hände über Scullys Körper gleiten ließ - so wie er es immer hatte tun wollen.



Er schloss für einen kurzen Moment die Augen als Valeries Hände langsam über Scullys Bauch strichen.

Er musste dem ganzen ein Ende setzen. Jetzt.



"Valerie." flüsterte er. "Valerie, hör auf, bitte."

Die Hände stoppten ihre Bewegung. Valerie blickte auf.

"Das ist Zeitverschwendung.", erklärte Mulder schnell.



Valerie ging auf ihn zu und sah ihm direkt in die Augen.

"Wir müssen gehen, so schnell wir können." Seine Stimme war unglaublich ruhig.

"Ich weiß, dass du noch an deinen Experimenten arbeitest, Valerie. Sie wird sich an nichts erinnern oder?"



"Wenn sie sich an nichts erinnert, verzögert das die Ermittlungen, gibt uns mehr Zeit.

Valerie, wir können es schaffen. Aber dazu musst du mir glauben!"



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Es war unglaublich kalt draußen. Es regnete.

So gut es ging versuchter er den kleinen, kalten Körper, der regungslos in seinen Armen lag zu wärmen.

Es half nichts.



Widerwillig ließ er sie auf die Ladefläche des Lieferwagens sinken. Danach setzte er sich auf den Beifahrersitz.

Valerie lenkte den Wagen um die Stadt herum.



Er hasste es sie zurücklassen zu müssen, aber zumindest konnte er halbwegs sicher sein, dass sie schnell gefunden wurde - von den richtigen Leuten.

Es war ihre einzige Chance.



*Jetzt musst du nur noch dich selbst retten.*
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