World of X

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If I saw you in heaven

von Netty

Kapitel 16

Die Lage ist, na ja, ich würde sie wahrscheinlich angespannt nennen. Okay, machen wir keine Untertreibung daraus, hier knistert es heißer als in der Hölle. Meine überladenen Nerven schreien, mein Hals rächt sich für meine Schreiattacke und in meinem Kopf laufen die Gedanken Amok.



„Was passiert nun also mit mir?“, fragt Mulder nach einiger Zeit. Ich stehe noch immer vor ihm, den Rücken zu Emil und Gott gewandt. Ich kann jetzt nicht in ihre Gesichter sehen, sonst geht das Ganze gleich noch mal von vorne los - das kann ich euch versprechen. Aber es ist klar, dass Mulders Frage nicht an mich gerichtet war, auch wenn er mich dabei angesehen hat.



„Du wirst natürlich wieder zurück auf die Erde geschickt“, erklärt Emil schnell, und in einem gewissen Teil meines Körper hüpft jetzt gerade etwas im Dreieck vor Freude. Ein kleines Lächeln, so klein, dass wirklich nur Mulder es sehen kann, stiehlt sich auf meine Lippen. Letztendlich hat dieser schreckliche Abend - oder ist es inzwischen schon morgen? - doch noch etwas Gutes. Vielleicht war das alles gut so, wie es gelaufen ist. So furchtbar das auch für mich gewesen sein mag, wendet sich für ihn schließlich doch noch alles zum Besseren. Naja und als Engel soll man doch immer das Wohlergehen seines Schützlings vor sein eigenes stellen, aber das habe ich sicherlich schon öfter erwähnt.



„Wie?“ Diese Frage ist nun wirklich an mich gerichtet.



„Hör mal, du kennst dich doch bestens mit diesen Serien aus“, necke ich ihn ein bisschen. „Da müsstest du auch wissen, wie das abläuft“, grinse ich ihm schelmisch entgegen. Es gibt schließlich keinen Grund, sauer auf ihn zu sein.



„Werde ich mich auflösen?“, fragt er völlig ungläubig.



„Nein, du wirst auf einem Regenbogen herunterrutschen“, entgegne ich sarkastisch. „Natürlich wirst du dich auflösen. Du zerteilst dich in deine einzelnen Atome, die dann runter zur Erde fliegen und sich dort wieder zu deinem Körper vereinen“, erkläre ich willig.



„Aber was passiert, wenn ein Atom verloren geht?“ Er klingt auf einmal ziemlich unsicher. Aus mir prustet ein schallendes Lachen heraus. Es ist mir egal, ob Emil das sieht oder nicht, denn das ist so ziemlich das Süßeste, was ich je gehört habe. Manchmal können Männer wirklich wie Kinder sein. Na ja, obwohl, so lächerlich die Frage auch klingt, wichtig ist sie schon, zumindest für einen unwissenden Menschen.



„Mulder“, lache ich leicht. „Wo sollte es denn hin? Keine Angst, ich kann dir versichern, dass das noch nie passiert ist. Und das wird es mit Sicherheit auch nicht, vertrau mir.“ Sein Gesichtsausdruck wird plötzlich ernst.



„Was ist?“ Ich bin ziemlich überrascht, ihn so ernst zu sehen.



„Ich kann es einfach nicht fassen, dass ich sie tatsächlich wiedersehen werde und mein Baby auch. Mein Baby, wie das klingt. Schon das Neuste gehört, ich werde Vater!“ Sein Gesicht beginnt zu strahlen.



„Ja, und irgendwann auch Opa, aber wir sollten uns jetzt langsam beeilen, immerhin hast du schon fast drei Monate verloren und ich bin mir ziemlich sicher, dass Dana dich so schnell wie möglich wieder haben will.“ Ich lächle leicht, während sich langsam Traurigkeit in mir ausbreitet. Obwohl ich weiß, dass es sein Wunsch ist und dass es besser für ihn ist, will ich nicht, dass er geht. Mit ihm geht alles, was ich noch habe. Auf meinen verkorksten Job kann ich pfeifen und die Sache mit Emil, dem zukünftigen Gott, hat sich auch erledigt. Mein ganzes Leben ist schrottreif.



Nun hör’ aber mal auf, okay. Reiß dich gefälligst zusammen, immerhin musst du es ihm nicht gleich auf die Nase binden. Zeig dich nachher bei seinem Abschied ein wenig traurig, aber mache ihm keine Schuldgefühle. Hilfe, ich klinge schon wie meine eigene Mutter. Hoffentlich kann ich mich an die Anweisungen auch halten, sonst bin ich noch sauer auf mich selbst.



Gemeinsam verlassen wir vier den Raum. Emil und Gott laufen vor uns und ich kann sie leise tuscheln hören, während ich und Mulder ihnen folgen. Die Handlanger haben sich inzwischen in ihre warmen Bettchen verdrückt und um ehrlich zu sein, kann ich die Last des Tages auch schon schwer auf meinen Schultern spüren. Nun ja, ich werde Mulder, so gut es geht, verabschieden, mich in mein einsames Zuhause begeben und nie wieder herauskommen.



Nachdem wir uns erneut in den Sektor 6 begeben haben, betreten wir einen neuen Raum, in dem es ein bisschen wie in Raumschiff Enterprise aussieht. Kennt ihr zufällig den Raum, wo die sich immer zu allen möglichen Orten beamen lassen? So ähnlich kann man sich das hier vorstellen. Allerdings gibt es keine Plattform mit Kreisen drauf, stattdessen gibt es drei kleine Kabinen, die aussehen wie die Duschkabinen an Badestränden. Jedoch sind darüber keine Duschköpfe angebracht. Hm, jetzt weiß ich, woran mich das erinnert. Das sieht aus wie ein Toaster. An den Wänden der einzelnen Kabinen sind nämlich Stangen befestigt.



„Wollen die mich grillen?“, flüstert mir Mulder zu und ich komme nicht umhin, zu bemerken, wie ähnlich wir beide uns sind. Selbst, was unsere Gedanken angeht. Obwohl darauf mit Sicherheit jeder zuerst gekommen wäre.



„Ich hoffe doch nicht“, flüstere ich im selben Ton zurück.



„Das ist unsere Intermolekularfleenauflöse-Vorrichtung“, erklärt Emil, nicht ohne Stolz. Auf Deutsch: Unsere Sie-zerteilt-dich-in-deine-Atome-und-schickt-dich-zur-Erde-Vorrichtung, aber warum denn einfach, wenn’s auch kompliziert geht?



„Fox, wenn du dich nun bitte in die linke äußere Kabine stellen würdest, dann bist du sofort wieder unten auf der Erde“, meint Gott und deutet auf eine der Kabinen, während Emil sich hinter eine Art Kontrollpult begibt. Sieht wirklich aus wie in einer dieser Fernsehserien, ihm fehlen nur noch die bunten Anzüge und die spitzen Ohren... Obwohl, die hat er schon fast.



„Moment noch“, wimmelt Mulder ab und dreht sich dann mit einem extrem süßen, scheuen Lächeln in meine Richtung.



„So, jetzt heißt es wohl Abschied nehmen“, meine ich, meine Traurigkeit überspielend. Warum muss er denn jetzt schon gehen? Er könnte doch sicher noch für ein paar Tage länger bleiben. Nein, du hast doch versprochen, dich zu benehmen, also halte dich auch daran.



„Ja, ich will nur, dass du weißt, dass ich dir sehr dankbar bin, dass du das Risiko auf dich genommen hast“, sagt er langsam. Auch ihm scheint das etwas schwer zu fallen, das ist wohl einfach normal.



„Na ja, so groß war es gar nicht, wenn man bedenkt, dass sie uns die Tür fast offen stehen lassen haben“, gebe ich leicht schüchtern und etwas sarkastisch zurück. Emil, der unübersehbar zuhört, egal, wie beschäftigt er auch wirken möchte, indem er auf sämtlichen Knöpfen am Pult herumdrückt, soll ruhig merken, wie tief er mich damit getroffen hat.



„Nun ich denke da auch eher, an die Sache mit deiner Schulter ...“ Oh, meine Schulter, die hatte ich inzwischen schon fast vergessen.



„Fox, ich bin ein vielbeschäftigter Mann“, beginnt Gott und Mulder nickt sofort zustimmend. Dann, ohne Vorwarnung, nimmt er mich kraftvoll in seine Arme. Auch meine schlingen sich fast wie von selbst um ihn und drücken ihn fest an mich. Ich wünschte, er müsste nicht gehen. Mit ihm hat mein tristes Dasein doch glatt mal einen Sinn gehabt.



Viel zu schnell endet unsere Umarmung, als sich Gott erneut neben uns mit einem Räuspern bemerkbar macht. Mulder lächelt mir noch ein letztes Mal zu, bevor er sich mit einem gemischten Gesichtsausdruck in die Kabine stellt und Emil wieder an allerhand Knöpfen herumdrückt. Ein kurzes Licht erscheint, und kurz darauf fliegen lauter kleine leuchtende Funken, die wie Glühwürmchen aussehen, ziellos durch den Raum, bevor sie sich zu einer Kugel zusammenschließen und durch den Boden davonbrausen. Ein beeindruckendes Schauspiel.



Ja, jetzt ist er weg.



Ende 16/17
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