World of X

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If I saw you in heaven

von Netty

Kapitel 17

Mein Blick ruht zufrieden auf dem Bildschirm vor mir, während rund um mich herum unruhiges Treiben herrscht. Ich sehe gerade, wie Baby William mit Hilfe seines Vaters in die offenen Arme seiner Mutter läuft. Wer hätte das erwartet, als ich Mulder das erste Mal begegnet bin?



Drei Wochen sind vergangen, seit ich ihn das letzte mal gesehen habe, nach unserem kleinen Abenteuer. Und ja, er fehlt mir. Ich hätte nicht geglaubt, dass man innerhalb von drei Tagen eine so tiefe Bindung knüpfen kann, aber er hat mich eines Besseren belehrt.



Baby William ist jetzt schon fast zwei Jahre alt und ist absolut der Papa, soviel ist sicher. Es war besser, dass er gegangen ist.



Als er unten aufwachte und Dana ihm offenbarte, wie sehr sie ihn vermisst hat, stand ich ebenfalls hier oben vor dem Bildschirm und habe mir fast die Augen aus dem Kopf geweint. Er hat sie beruhigend in die Arme genommen und gesagt, dass er sie auch sehr vermisst hätte, dann hat er an die Zimmerdecke geschaut, gelächelt und ein leises „Danke“ gehaucht. Das ist das letzte, was er zu mir gesagt hat.



Natürlich, seine Erinnerungen haben mit der Zeit nachgelassen und außer der schemenhaften, verblassenden Art, wie man sich auch an einen Traum erinnert, dürfte davon nichts mehr übrig sein, bis er wieder hier oben ist.



„Ähm“, ertönt ein forderndes Räuspern hinter mir. Mein Blick löst sich vom Monitor und ich sehe Emil, der in der Tür steht. Als er auf mich zugeschritten kommt, setze ich ein kleines Lächeln auf. Er stellt sich ebenfalls lächelnd neben mich und sieht auf den Bildschirm.



„Störst du schon wieder die armen Engel der Stufe 6?“, fragt er leicht neckend.



„Man sollte einem Engel der Stufe 2 eben niemals die Ausnahmegenehmigung erteilen, sich, wann immer sie will, im Sektor 6 aufhalten zu dürfen“, antworte ich, während mein Blick sich wieder Little William zugewandt hat, der lachend auf seiner Mama auf- und abhüpft, so glücklich, wie es nur ein Baby sein kann.



„Du warst heute früh auf“, stellt er fest, nachdem wir beide eine Zeitlang stumm die glückliche, kleine Familie vor uns betrachtet haben.



„Ja, ich konnte nicht mehr schlafen und da ich dich nicht wecken wollten, bin ich erst joggen und dann hierher gegangen, um sie mir ein bisschen anzusehen. Weißt du, dass er mir ganz schön fehlt? Es ist so ungerecht, dass er sich nicht einmal mehr an mich erinnern kann“, gestehe ich leise.



Okay, vielleicht sollte ich das erklären. Ja, Emil und ich sind wieder zusammen. Nachdem ich ihn volle zwei Tage lang erst angeschwiegen und dann angeschrieen habe, hat er mich schließlich dazu gebracht, ihm zuzuhören. Er erklärte mir, dass es niemals seine Absicht gewesen sei, mich zu verletzten oder gar auszunutzen, aber er habe genau gewusst genau, dass er es mir nicht hätte sagen dürfen, ansonsten wäre das Ganze zu schnell aufgeflogen.



Daraufhin habe ich ihn zwei weitere volle Tage erst angeschwiegen, dann angeschrieen. Darauf wiederum hat er mich zum Essen eingeladen und wir haben uns wieder ein bisschen unterhalten. Er erklärte mir, dass es ihm ja alles wahnsinnig leid täte und das er gar nicht wüsste, wie er das wieder gut machen sollte.



Ihr könnt euch sicher denken, was dann passiert ist. Ich sagte, das könne er nicht wieder gut machen, bin gegangen und habe ihn erneut zwei Tage angeschwiegen und angeschrieen. Dann wurde er Engel der Stufe 7, befahl mich zu sich und wir redeten schon wieder. Was soll ich sagen, ich war einfach zu müde, um ihn ein weiteres Mal zwei Tage lang anzuschweigen und anzuschreien, also habe ich ihm letztendlich doch verziehen, was ich zugegebenermaßen bis jetzt noch nicht bereut habe. Wie ich schon sagte, bin ich die Herrscherin des schlechten Gewissens und deshalb trägt er mich buchstäblich auf Händen.



Ihm ist es natürlich auch zu verdanken, dass ich fast täglich herkommen darf und Mulder zusehen darf, wie er überglücklich das Leben lebt, das mir leider verwehrt gewesen ist. Aber natürlich bin ich froh, dass er jemanden wie Dana hat. Er hat das Beste verdient, und das scheint sie zu sein.



„Ich habe eine Überraschung für dich“, beginnt Emil neben mir, was mich bringt vom Bildschirm abzulassen und ihn anzusehen. Er hat ein sexy Lächeln aufgesetzt und meine Neugier beginnt zu wachsen. Allerdings mit ihr auch wieder dieses komische Gefühl in meinem Rücken. Das plagt mich schon seit einigen Tagen, vielleicht habe ich mir was verrenkt oder so...



„Was denn?“, frage ich, während ich mich extrem merkwürdig fühle. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen, ich kann den Schwindel bis in meine Nervenenden spüren und dann dieses verdammte – Entschuldigung – Prickeln, Jucken und Kratzen auf und in meinem Rücken macht mich absolut fertig. Was ist das? Und, die wohl wichtigere Frage ist wohl, warum wird das jetzt immer schlimmer?



„Warte es einfach ab, bald wirst du es sehen“, beruhigt er mich, während meine Haut zu jucken beginnt.



Mir ist keine Krankheit bekannt, die solche Symptome hat, abgesehen davon, dass Engel sowieso nur für Grippe und ähnliche Erkrankungen anfällig sind. Gott, das ist ja grausam und es wird immer stärker.



„Ah!“ Schmerz! Was kann das nur sein, ich fühle mich, als würden mir noch einmal Zähne wachsen, aber an einer völlig falschen Stelle. Ich lasse eine Hand neben meinem Schulterblatt tasten, dann tue ich dasselbe schockiert noch mal auf der anderen Seite. An beiden Seiten, auf gleicher Höhe sind zwei Beulen, ich kann sie unter meinen Händen pulsieren -und was noch viel schlimmer ist - wachsen fühlen. Hilfe!



„Lana, es ist alles in Ordnung“, gibt Emil besorgt neben mir zum Besten. Klar, als würde ich so aussehen. Ich schreie einfach nur gern und winde mich vor Schmerzen, weil es soviel Spaß macht, mir deine altklugen Sprüche anzuhören. Was ist das nur bei Männern, dass sie einen riesigen Aufwand darum machen, wenn sie sich den Finger stoßen, doch sobald sich eine Frau vor Schmerzen nicht mehr halten kann, feststellen, dass alles in bester Ordnung ist?



„Nein ganz und gar nicht. Irgendetwas in mir hat sich in den Kopf gesetzt, durch meinen Rücken wachsen zu müs-“ Plötzlich breche ich zusammen. „Gott aaaaahhhh!“ Dieser unglaubliche Schmerz. Meine Haut ist bis zum Zerreißen gespannt und dann... Oh Gott, Scheiße. In einem verqueren Teil meines Kopfes bekommen ich mit, wie sich verschiedene Engel schockiert über mich beugen und dann wieder ihrer Arbeit nachgehen, als wäre das das Normalste der Welt.



Letztendlich merke ich, wie etwas hinten reißt. Ein absoluter Schock und Panik überkommt mich, als ich bemerke, dass das tatsächlich nicht nur der Stoff meines T-Shirts war, sondern die Haut auf meinem Rücken. In einer abgelegen Region in meinem Gehirn frage ich mich, warum ich kein Blut sickern fühlen kann, aber dieser Gedanke wird von den Schreien aller anderen Regionen unterdrückt. Egal, wer daran Schuld ist, er wird eines grausamen Todes sterben, das verspreche ich. Ich verzichte auf den Engel, wenn man solche Schmerzen hat. Zumal sie einem immer erzählen, das man als Engel praktisch unverwundbar ist. Bitte, das sehe ich aber entsetzlich anders.



„Lana“, er beugt sich zu mir herunter und kniet sich neben mich. „Es ist okay, es ist gleich vorbei“, beruhigt er mich. Gleich vorbei? Hey, ich bekomme hier kein Kind, was vielleicht wieder vorbei geht, etwas, das ich mir wohl nie anschaffen werde, wenn das nur halb so weh tut. Irgendetwas wächst aus meinem Rücken, verdammt, das geht nicht gleich vorbei.



Unerträgliche Qualen durchfahren meinen Körper, was nur mit dem Gefühl zu beschreiben ist, als würde einem ein LKW aus dem Rücken schlüpfen. Tränen laufen in Sturzbächen ungehindert mein Gesicht hinunter. Ab und zu schreie ich, wozu ich aber nicht lange die Kraft habe, und schließlich breche ich weinend, wimmernd und darum betend, dass dieser Schmerz endlich verschwindet, zusammen. Die Kraft weicht aus meinem gesamten Körper und ich fange an zu hoffen, dass ich in Ohnmacht falle, weil mein Körper sich endlich entscheidet, diese Qualen nicht länger ertragen zu können. Aber sogar das wird mir verwehrt.



Wie kann etwas so sehr weh tun? Die Hölle kann unmöglich schlimmer sein. Ich meine, wo liegt der Unterschied, ob man nun immer brav ist und in den Himmel kommt oder ob man sein Leben auf Erden richtig genießt und durchlebt und dafür in der Hölle landet, wenn man sowohl unten als auch oben solche extremen Schmerzen ertragen muss? Das soll mir mal bitte schön jemand erklären, natürlich nur, sofern ich das hier auch überleben sollte.



Dann, ganz plötzlich, allerdings nicht so plötzlich, als dass ich es nicht mitbekomme, ist der Schmerz verschwunden. Einfach weg, nun ja nicht völlig weg. Mein Rücken brennt wie Feuer, aber das ist nichts im Vergleich zu vorher. Ich meine, wenn ich mich entscheiden dürfte zwischen ein Leben lang dieses Brennen oder nur zwanzig Minuten diese Schmerzen, ich würde liebend gern das Brennen vorziehen. Ich sag’s ja, ein Kind werde ich mir mit Sicherheit nicht anschaffen.



Aber irgendwie ist noch etwas anders, ich habe ein völlig neues Gefühl in meinem Rücken und überhaupt. So, als wäre mir gerade ein dritter Arm gewachsen oder sowas in der Art. Ich habe Gefühle im hinteren Teil meines Rückens, die ich nicht beschreiben kann. Ich glaube nicht, dass die auch nur irgendjemand beschreiben könnte, es sei denn, jemandem ist mal bei lebendigem Leibe ein Schwanz gewachsen.



Oh Mann, was ist das denn nun wieder? Erst Schmerzen und dann komische neue Gefühle, was kommt wohl als nächstes? Ganz ohne Zweifel, dieser Tag ist definitiv gelaufen. Schlimmer kann es nämlich nicht mehr werden.



„Hey, Lana. Du hast es geschafft!“ Er lächelt mich an und hilft mir auf die Beine. Nun ja, nicht wirklich. Kaum stehe ich, falle ich erschöpft gegen ihn. Nie wieder. Was habe ich eigentlich geschafft? Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, habe ich mir gerade eine Goldmedaille verdient, die Frage ist nur, in welcher Disziplin?



Okay, also jetzt muss ich aber wissen, was da hinten los ist. Normal kann das unmöglich sein. Ich werfe einen erschöpften Blick über meine Schulter und falle fast in Ohnmacht. Klar als ich eine gebraucht habe, war keine da, aber jetzt klopft sie einladend an meine Tür, wie typisch. Im ersten Moment kann ich gar nicht glauben, was ich hinten an meinem Rücken entdecke. Flügel! Bis zu meiner Hüfte zieren mich wunderschöne, zugegebener Maßen ziemlich mitgenommen aussehende, weiße Flügel.



„Gott, nie wieder!“, schniefe ich lachend und vergrabe mein Gesicht in Emils Schulter. Stufe 3. Flügel, ich habe endlich Flügel. Ich lasse den Tränen freien Lauf, aber dieses Mal sind es Glückstränen. Vielleicht wird mein Leben als Engel doch nicht so schlimm, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Vielleicht war es bis jetzt auch noch gar nicht so schlimm, außer vielleicht die Sache gerade mit den Flügeln, wofür ich immer noch jemanden töten werde, das ist sicher.



Aber an sich ist die Tatsache, dass ich Stufe 3 bin, Emil an meiner Seite habe und mir jederzeit Mulder ansehen kann, doch eigentlich ein gutes Omen für meine weitere Zukunft, findet ihr nicht?



Ach ja, und dann wäre da noch zu erwähnen, dass ich vielleicht, nur vielleicht, eines schönen Tages wieder auf Mulder treffen werde, vielleicht wieder als sein Engel, oder weil er selber einer wird. Dann aber hoffentlich mit Dana, denn noch einmal halte ich diesen Rummel und den ganzen Stress bestimmt nicht durch - und der Himmel mit absoluter Sicherheit auch nicht.



Ende 17/17
Geschafft, ich kann euch gar nicht sagen, was das für ein tolles Gefühl ist. Abgesehen davon, dass ich todmüde bin, da es gerade mal wieder 1.04 ist, geht es mir richtig blendend. Okay, gibt es also wirklich noch Leute, die bis hierhin durchgehalten haben? Wenn ja, dann bedanke ich mich ganz doll bei euch. Diese Story war mal etwas völlig anderes für mich und hat mich auch manchmal an den Rand eines Nervenzusammenbruchs getrieben. Allein das letzte Kapitel, wie beschreibe ich, wie Lana Flügel bekommt? Ich selbst hab sowas noch nicht erlebt, also musste meine Fantasie wieder dran glauben. Oder wie kriege ich Mulder wieder auf die Erde? Und natürlich, wie stelle ich mir Gott vor, auch so eine Schwierigkeit. Im Nachhinein möchte ich mich noch bei allen entschuldigen, die sich den Himmel immer Friede, Freude, Eierkuchen und Gott niemals grausam vorgestellt haben. Ich selbst bin kirchlich erzogen worden und diese Story entstand, als ich mal wieder gründlich die Schnauze voll hatte, deshalb hat Lana diese nette sarkastische Ader, was den Himmel betrifft, von mir bekommen. Seid mir bitte nicht allzu böse, ich hab’s ja im letzten Teil wenigstens halbwegs wieder gut gemacht, oder?

Nun bleibt mir nur noch zu sagen, VERGESST JA DAS FEEDBACK nicht, denn dafür begebe ich mich jedes Mal an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, hm die Herrscherin über das schlechte Gewissen bin wohl doch ich und nicht Lana, bis zum nächsten Mal, Netty.
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