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Rescue me - Time

von SpookyLady

Kapitel 3

J.-E. Hoover Building, Mulders Büro, Washington, D.C.



Mulder saß an seinem Schreibtisch in seinem immer unaufgeräumten Büro im Keller des J.E. Hoover Gebäudes und stütze seinen Kopf in seinen Händen.

Ausdruckslos sah er gegen die gegenüberliegende Wand, wo mehrere Regale mit Akten, Zeitungsberichten und anderen Stapeln von Papier überquillten. Schon seit gestern saß er so da, ohne geschlafen zu haben. Er konnte nur an Scully denken und sich den Kopf zerbrechen, wo sie wohl sein mag. Als er mit den Jägern gesprochen hatte, versprachen sie ihm nur Hilfe, hatten aber keine weiteren Hinweise. Zu viele Fragen waren noch offen. Woher kam dieses unheimliche gefährliche Wesen und was war es? Warum griff es Menschen an und war es wohlmöglich das Einzige? War es wirklich ein fehlgeschlagenes Experiment einer geheimen Regierung? Aber zu welchen Zweck? Und von wem und warum wurde Scully entführt?



Ein plötzliches Klingeln riss Mulder aus seinen Gedanken. Langsam und ohne Eile nahm er den Hörer ab. „Mulder.“, meldete er sich abwesend.

„Mulder! Mulder!“, rief eine ängstliche Frauenstimme, die Mulder gleich erkannte.

„Scully? Wo sind Sie? Was ist passiert?“

„Ich weiß es nicht. Bitte, beeilen Sie sich...“ Die Stimme brach ab und es war nur noch ein Rauschen im Telefon zu hören.

„Scully? Scully!“, schrie Mulder noch einmal in den Hörer, doch zwecklos. Die Verbindung war unterbrochen. Fluchend legte er den Hörer auf und wählte eine Nummer der FBI-Computer- und Telefoneinheit, um den Anruf zurückverfolgen zu lassen. Die andere Stimme meldete, sie würden gleich wieder zurückrufen. Mulder legte auf und wartete ungeduldig. Nach einigen Sekunden klingelte es wieder.

„Der Anruf kam aus Seattle. Leider haben wir keine genaueren Angaben.“

„Danke.“ Mulder ließ den Hörer fallen, riss sich sein Jacket von der Stuhllehne und war schon aus dem Büro verschwunden.



In einem geheimen Institut irgendwo bei Seattle, Washington



Scully befand sich in einem kahlen Raum, dessen Wände weiß gestrichen waren und wo im gleichen Abstand Landschaftsbilder aufgehängt worden waren, um den Raum wenigstens ein bisschen zu verschönern. Es gab keine Fenster und die Tür schien aus Stahl angefertigt zu sein.

Scully saß, immer noch in ihrem Krankenhauskittel gekleidet, zusammengekauert in einer Ecke. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern, außer dass sie vor ein paar Stunden in einem anderen Raum war, wo fünf maskierte Menschen aufpassten, als sie mit Mulder telefonierte. Sie hatten es ihr erlaubt, weil sie glaubten, Mulder könne sie sowieso nicht finden und wenn, dann nicht mehr lebend. Immer noch musste sich Scully an das höhnische Lachen der Männer erinnern, als sie ihr den Hörer aus der Hand rissen. Sie wusste nicht, was sie mit ihr vorhatten, doch das war sicherlich nichts Gutes. Vorsichtig erhob sich Scully aus ihrer Position und ging mit schleppenden Schritten zur Tür. Ihre Wunde, durch das baumartige Wesen im Wald verursacht, schmerzte sie immer noch sehr und die Leute, die sie entführt hatten, schienen sich nicht darum zu kümmern. Jedenfalls war der Verband nicht wieder gewechselt worden und ein roter Fleck darauf, verriet ihr, dass es schon wieder geblutet hatte. An der Tür angekommen, klopfte sie mit all ihrer Kraft dagegen.



„Hallo?... Verdammt! ... Öffnen Sie sofort die Tür!“, befahl sie und hämmerte gegen die Tür, als ihr ein stechender Schmerz durch die verwundete Schulter schoss. Sofort zuckte sie zurück und stützte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Sie stöhnte, riss sich aber dann doch zusammen und schlug mit ihrem gesunden Arm gegen die harte Stahltür. „Öffnen Sie die Tür! Ich bin vom FBI!“ Sie wusste, dass sie ihre höhere Stelle als FBI-Agentin nicht weiterhelfen konnte, aber doch war ihr jedes Mittel recht, sich aufmerksam zu machen. „Bitte. Ich bin verletzt und benötige dringend einen Arzt!“

Scully war sich nicht sicher, ob sie überhaupt jemand hörte und verzweifelt rutschte sie an der Tür auf den Boden. Sie musste an Mulder denken. Wo war er jetzt wohl? Würde er nach ihrem Anruf wissen, wo sie war und sie rechtzeitig retten?



Plötzlich hörte sie Schritte. Sofort rappelte sie sich wieder auf.

„He! Hallo! Hier bin ich! Lassen sie mich sofort raus!“ Und tatsächlich blieb jemand vor der Tür stehen und schon kurz darauf hörte Scully ein Schlüsselbund klappern. Die Tür öffnete sich. Vor ihr stand ein schwarz maskierter Mann, der sie am rechten Arm packte und sie mitzog.

„Lassen Sie mich los!“, schrie sie. „Ich bin Agent Scully vom FBI! Sie haben nicht das Recht mich hier festzuhalten.“



Der Mann sagte nichts, sondern führte sie schweigend weiter einen langen Korridor entlang, an deren Seitenwände unzählige Türen in dahinterliegende Räume führten. Eine Tür merkte sie sich. Die Tür, über der Ausgang stand.

Am Ende des Ganges wurde sie in einen Raum geschickt, der aussah wie ein Labor. An den Wänden standen Glasschränke, in denen sauber sortiert chirurgische Instrumente lagen. In der Mitte des Zimmers stand eine Liege für Patienten und in einer Ecke befand sich ein großer aufgeräumter Schreibtisch, an dem ein älterer Mann in einem weißen Kittel auf seinem großen Sessel saß. Der maskierte Mann ließ Scully los und entfernte sich leise. Scully betrachtete nun den Mann an dem Schreibtisch, der ergrautes Haar trug und ein fein geschnittenes Gesicht mit braunen Augen hatte.



Der Mann, der, wie man an seinem Namensschild am Kittel erkennen konnte, Mr. Brown hieß, lächelte Scully an.



„Setzen Sie sich.“, forderte er höflich auf. Doch Scully war misstrauisch und wusste nicht wie sie sich verhalten sollte. Mr. Brown verstand ihren Gesichtsausdruck und lächelte noch mehr.

„Ah, ich verstehe. Sie sind selbstverständlich misstrauisch. Doch ich versichere Ihnen, dass es dafür keinen Grund gibt.“

„Wo bin ich?“, fragte Scully ohne Umschweife, um sich nicht von dem Mann einwickeln zu lassen. Sie kannte solche Versuche und wusste sich dagegen zu wehren.

„Sie sind hier im Forschungsinstitut in Seattle, das sich mit unerklärlichen, neuen biologischen Arten beschäftigt und versucht ihre Herkunft, ihren Aufbau und ihre Verhaltensweisen zu erkunden. Zufälligerweise haben wir erfahren, dass Sie von so einem neuartigen Wesen angegriffen worden sind.“

„Und deswegen machen Sie solch einen Aufwand und entführen mich aus einem Krankenhaus, wo mir geholfen worden wäre?“ Scully war außer sich vor Wut und wusste nicht, was sie davon halten sollte.

„Wir haben strengste Sicherheitsstufen, die eingehalten werden müssen. Niemand außer unserer Mitarbeiter und ihre Familien wissen von diesem Projekt und so sollte es auch bleiben. Es wäre auch für Ihre Sicherheit, wenn Sie nach ihrer Untersuchung dieses Geheimnis für sich behalten würden. Wir wären bereit harte Maßnahmen durchzuführen, um das zu unterstützen.“ Immer noch lächelte der Mann übertrieben höflich und Scully war jeden Moment dabei aus der Haut zu fahren.

„Was fällt Ihnen ein? Sie haben gar nicht meine Erlaubnis und das Recht dazu Experimente mit mir durchzuführen und sicherlich auch nicht von Ihren anderen Patienten, die Sie sich einfach so schwer verletzt, gewalttätig und geheim aus Krankenhäusern nehmen und ihnen dann noch drohen, Ihr Projekt zu unterstützen, was garantiert nicht gesetzmäßig und moralisch anerkannt ist!“ Scully musste Luft holen und nach diesen Worten fühlte sie sich schon besser. Der Mann grinste immer noch und war wohl nicht klein zu kriegen, was immer auch Scully für Argumente hervorbrachte. Sie starrte ihn bösartig an.

„Scully. Sie heißen doch Scully? Es besteht kein Grund zur Sorge und wir werden Ihnen natürlich auch helfen. Sie haben Recht, unser Projekt ist nicht staatlich anerkannt. Wir haben damals harte Kritik einstecken müssen, als wir den Vorschlag dazu machten. Es wäre unmoralisch mit Tieren, Menschen und anderen Wesen Experimente durchzuführen, was wir natürlich auf einer Seite als Gegenargument für unser Projekt annahmen. Aber ich und mein Assistent Mail haben uns schon immer für unerklärliche Wesen interessiert und wollten diesen auf den Grund gehen. Also haben wir damals mit all unseren Mitteln allein und anonym das erschaffen, was wir heute sind. Es bestand schon immer die Gefahr, dass wir aufgedeckt werden könnten, klar, deswegen aber die Maßnahmen und strengen Vorkehrungen. Sie müssen das verstehen. Aber wer sonst sollte neuen Arten auf die Spur kommen und sie erforschen? Es könnten neue Medikamente gegen bis jetzt unheilbare Krankheiten entwickelt werden und wir könnten mehr über unseren Lebensraum erfahren.“ „Mr. Brown, diese Richtung der Wissenschaft gibt es schon. Sie nennt sich Kryptonzoologie.“, gab Scully trocken zurück und blickte ihren Gegenüber ohne Ausdruck, aber mit vollster Überzeugung an. Bevor Mr. Brown etwas darauf erwidern konnte, fuhr Scully fort.

„Ich denke, ihre Firma wird nicht mehr lange existieren, Mr. Brown. Ich bin FBI-Agentin und arbeite für die Vereinigten Staaten von Amerika, sodass ich so ein Geheimnis nicht verantworten und unterstützten kann.", gab Scully nach einer kurzen Pause von sich.

„Ich verstehe.“ Das erste Mal verschwand das Lächeln auf Mr. Browns Gesicht und er wurde ernst. „Das heißt also, dass ich leider gezwungen bin, eine der Maßnahmen durchzuführen, die genau das verhindern sollen, was Sie nicht unterstützen und geheim halten können.“



Die letzten Worte betonte er sehr und er blickte Scully entschlossen und herablassend an. Mr. Brown griff zu seinem Telefon, dass auf seinem Schreibtisch stand, wählte eine kurze zweistellige Nummer und befahl dem Mann am Ende der anderen Leitung, jemanden zu bringen, der Scully wieder in ihr Zimmer brachte. Scully betrachtete diese Aktion ernst und bevor sie richtig begriff, öffnete sich auch schon die Tür und ein maskierter Mann trat herein, der schnurstracks auf Scully zuging, um sie wieder am Arm zu packen und sie in ihren leeren Raum zu führen. Scully reagierte aber noch früh genug, um zu einem der Glasschränke zu rennen. Sie öffnete einen und nahm sich ein scharfes Skalpell heraus, das sie entschlossen und fest umklammert in ihrer rechten Hand hielt.



„Keine Bewegung! Ich wäre bereit, davon Gebrauch zu machen, wenn Sie mich jetzt nicht gehen lassen!“ Scully zitterte leicht und es bildeten sich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn. Ihre linke Schulter schmerzte sie immer noch. Doch sie war fest davon überzeugt, dass das ihre letzte Chance war zu fliehen. Denn sie glaubte dem Arzt nicht, der meinte, sie sollte das Geheimnis nach ihrer Entlassung weiter für sich geheim halten. Ihrer Meinung nach kam hier nie wieder einer raus, der sich erst mal den Experimenten unterzogen hatte. Der maskierte Mann blieb stehen, als er das Messer in Scullys Hand sah und wendete sich fragend zu seinem Chef. Dieser war aufgestanden, traute sich aber nichts zu unternehmen, sondern deutete mit einem Nicken zu dem Mann, er solle sie sich schnappen. Der Mann nickte zurück und kam langsam auf Scully zu.



„Ich warne sie. Bleiben sie stehen!“, schrie Scully. Doch der Mann schien nicht zu hören. Als er kurz vor Scully war, griff er nach ihren Arm. Doch sie war schneller und stach mit dem Messer in den heranschnellenden Arm. Der Mann schrie auf und zuckte zurück. Blut rann aus seinem rechten Oberarm und er hielt ihn sich mit schmerzverzerrtem Gesicht fest. Diese Chance nutzte Scully und sie rannte an ihm vorbei bis zur Tür. Mr. Brown fluchte laut und drückte einen Knopf unter seinem Schreibtisch, worauf ein lautes Sirenengeheul folgte.



Scully rannte den Gang entlang zu der Tür, die sie sich gemerkt hatte - über der Ausgang stand. Dort angekommen drehte sie am Türknauf, der sich Gott sei Dank öffnete. Sie befand sich nun auf einem Treppengelände, wo sie ohne zu überlegen gleich nach unten rannte. Hinter ihr bemerkte sie, dass sich die Tür wieder öffnete und sich mehrere Männer einander zuriefen.



„Aufteilen! Sie kann nicht entkommen.“ Scully rannte schneller und befand sich kurz darauf in einer Tiefgarage. Ihre Schulter schmerzte und ihr Kopf hämmerte. Schwindelgefühl kam in ihr auf und sie war kurz davor sich zu übergeben. Doch Scully riss sich zusammen und rannte zum Ausgang. Doch von dort sauste ein grüner Geländewagen auf sie zu und Scully musste sich zur Seite werfen, um nicht überfahren zu werden. Sie stürzte auf ihre verletzte Schulter und war dabei das Bewusstsein zu verlieren. Doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass das ihre einzige Möglichkeit war aus dem Institut zu flüchten und sie nahm noch einmal all ihre Kräfte zusammen und erhob sich. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zum Ausgang der Tiefgarage und komischer Weise war sie somit auch gleich außerhalb des Geländes der Firma. Tolle Sicherheitsvorkehrungen, dachte sie und lief direkt in den Wald hinein.



Auf einer Straße irgendwo bei Seattle, Washington



Mulder fuhr mit Höchstgeschwindigkeit die Interstate 44 im Staat Washington entlang ohne auf andere Autos und Lkws zu achten. Er überholte einen großen Lieferwagen und wäre beinah mit einem entgegenfahrenden Auto frontal zusammengestoßen, hätte er nicht in der letzten Sekunde das Steuer herumgerissen, um sich wieder in der richtigen Fahrspur einzuordnen.



Er wusste nicht, wohin er fahren sollte und ohne zu wissen warum, bog er von der belebten Interstate ab, um auf eine leere Landstraße zu stoßen. Keine Autos hinter und vor ihm. Links und rechts undurchdringlicher Wald. Sofort musste er wieder an Scully denken. Er drosselte das Tempo und fuhr nur noch 50 Kilometer pro Stunde. Die Straße war vom letzten Regen noch nass und am Fahrbahnrand standen noch große Pfützen, in denen sich der blaue Himmel, der durch dicke graue Wolken teilweise vollständig bedeckt war, spiegelte. Mulder fuhr ruhig und wachsam weiter, als er am linken Straßenrand etwas bemerkte. Er hatte es nicht richtig erkennen können, doch es sah aus, als wenn dort jemand in weißer Kleidung lag. Sofort bremste er. Die Reifen quietschten und er ließ den Wagen an den rechten Straßenrand ausrollen. Ohne nach hinten zu sehen, öffnete er die Autotür und stieg aus. Er hatte sich nicht getäuscht. Etwa 10 Meter hinter ihm lag eine reglose Gestalt. Mulder lief im Eiltempo darauf zu und er stockte. Was er sah, erschütterte ihn zutiefst.



Dort am Straßenrand lag Scully! In einer bizarren Position lag sie auf dem Bauch, das Gesicht auf dem harten Asphalt der Straße. Ihre linke Schulter war blutgetränkt. Mulder beugte sich über sie und drehte sie so vorsichtig wie möglich auf den Rücken. Ihr Krankenhaushemd war zerrissen und von feuchter Erde und Moos beschmiert. Aus ihrer Nase war Blut gelaufen, das nun verkrustet war und ihr Gesicht war von Schürfwunden und Prellungen übersät. Auch an den Armen und Beinen waren größere und kleinere Schrammen zu sehen. Ihre nackten Füße waren geschwollen und überall auf ihrer nicht bedeckten Haut klebten Dreck und kleine Zweige.



„Scully. He Scully.“ Sie regte sich nicht und Mulder nahm an, dass sie nach einer Verfolgungsjagd durch den Wald hierher gekommen sein musste und dann erschöpft zusammengebrochen war und auf Rettung hoffte, wenn ein Auto vorbeikommen würde. Mulder konnte nicht ausmachen wie lange sie schon hier lag, denn entweder hatte sie noch kein Autofahrer erkannt oder aber diese Straße wurde wirklich so gut wie nie befahren.



Mulder nahm Scully vorsichtig auf und trug sie zum Auto. Dort angekommen, setzte er sie auf den Beifahrersitz. Aus dem Kofferraum holte er eine Decke, die Standardausrüstung war und legte sie über Scully, um sie aufzuwärmen. Dann setzte er sich auf den Fahrersitz und sah Scully besorgt an.

„Scully. Wachen Sie auf.“ Mulder war sich nicht mehr sicher, ob sie überhaupt noch lebte und fasste sie an ihrer linken Hand an. Sie war außergewöhnlich kalt, aber immerhin fühlte er noch einen Puls. Mulder startete den Wagen und hoffte, dass sie auf der Fahrt zu einem Motel aufwachen würde.



Als Mulder nach einer Stunde Fahrzeit endlich auf ein Motel stieß, war Scully immer noch nicht aufgewacht. Er lenkte den Mietwagen auf einen leeren Parkplatz vor einer Reihe von kleinen Bungalows und stieg aus. Schon auf dem Weg zur Rezeption, kam ihm eine Frau entgegen.



„Mr., alles in Ordnung? Ich habe die Frau dort im Wagen gesehen und es scheint ihr nicht gut zu gehen. Soll ich einen Arzt holen?“ Mulder war verwundert, dass die Frau von so einer Entfernung eine verletzte Frau in einem Wagen erkannte und wurde vorsichtig und misstrauisch.

„Nein, Ma’am. Es ist alles in Ordnung. Ihr geht es gut. Könnten Sie mir bitte ein Zimmer zur Verfügung stellen?“

„Aber selbstverständlich. Ich bringe Ihnen gleich einen Schlüssel für den Bungalow 17. Den Papierkram erledigen wir später. Ich bin übrigens Mrs Brown, die Rezeptzionistin. Wenn Sie Hilfe brauchen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Wie ist Ihr Name, Sir?“ Die Frau lächelte Mulder an und er war sich nicht mehr sicher, ob die Frau wirklich Bescheid wusste oder einfach nur sehr scharfe Augen hatte und höflich und zuvorkommend sein wollte. „Danke. Ich bin Fox Mulder. Könnten Sie bitte dafür sorgen, dass uns niemand stört?“ Er deutete auf sich und Scully, die immer noch bewusstlos im Wagen lag. Die Frau lächelte wieder.

„Selbstverständlich. Ich kümmere mich um alles. Ihre Frau schläft wohl doch nur. Und ich dachte, sie hätte wirklich etwas, weil sie so still dalag und außergewöhnlich blass aussieht.“ „Ihr wird vom Autofahren immer übel und sie schläft tief und fest ein. Ich möchte sie nicht wecken.“, spielte Mulder das Spiel weiter, um keinen Verdacht auf die Wahrheit zu erwecken. Aber vermutlich wusste die Frau doch schon Bescheid. Er spürte irgendwie, dass sie von den Leuten, die Scully entführt haben, informiert wurde, wer er war und wohl, sobald sie Mulder und Scully in ein Bungalow eingewiesen hatte, zum Telefon laufen würde, um diese zu benachrichtigen. Wenn das wirklich der Fall war, würden er und Scully in große Gefahr kommen und es wurde Zeit etwas zu unternehmen.



Mrs Brown ging nach einem kurzen Nicken zur Rezeption und kam kurz darauf mit einem Schlüssel wieder.

„Ich werde Ihnen die Tür aufmachen, damit Sie ihre Frau hinein tragen können.“ Mulder bedankte sich und sah zu, wie die Frau die Tür Nummer 17 aufschloss und den Schlüssel dann innen ins Schloss steckte.

„Ich werde Ihnen in ein paar Minuten die Papiere bringen. Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“, rief die Frau zu Mulder, der versuchte so zu tun, als wenn er Scully, seine Frau, gerade aus dem Wagen tragen wollte.

„Nein, danke Mrs Brown. Aber sie könnten uns einen Kaffee machen.“ Mulder hoffte mit diesem Wunsch, dass die Frau nun verschwand, damit sie Scully nicht in ihrem Krankenhausanzug sah und den großen Blutfleck auf ihrer linken Schulter, und tatsächlich entfernte sich Mrs Brown, sodass Mulder erleichtert aufatmete und Scully vorsichtig in seine Arme nahm. Mit dem Fuß schlug er die Wagentür zu und ging dann mit schnellen Schritten zum Bungalow, indem er leise verschwand. Mrs Brown stand am Fenster des Empfangs und hatte die Szene lautlos mit angesehen. In ihrer Hand hielt sie einen Telefonhörer. Mit starrem Blick nach vorn gerichtet, sprach sie wie hypnotisiert in den Hörer.



„Sie ist hier. Ein Mann hat sie mitgenommen, der sich als ihr Mann ausgibt. Sie sind im Bungalow 17.“ Still lauschte sie auf die Worte vom anderen Ende der Leitung und nickte dann unmerklich. „Ja, Darling. Ich kümmere mich darum.“



Am anderen Ende im Institut rieb sich Mr. Brown begeistert die Hände. Endlich würde er Scully wiederbekommen und ihren angeblichen Mann würde er ohne Probleme durch Mrs Brown loswerden, sodass ihm für seine Experimente nichts mehr im Wege stand. Freudig an diesem Gedanken lächelte er zufrieden und widmete sich dann wieder seine Aufgaben.



Bungalow 17 des Motels in Washington



Im Bungalow war es dunkel und nur ein schwacher Lichtschein fiel durch die Vorhänge vor dem Fenster, die Mulder zugezogen hatte. Scully lag auf dem einzigen Zweierbett im Zimmer und schlief. Mulder hatte in der Kochnische Wasser auf den Herd gesetzt, das nun anfing zu kochen. Er nahm es vom Herd und verbrannte sich dabei die Finger.

„Verdammt!“ Er riss die Finger zurück und schüttelte sie, um den Schmerz zu vertreiben. Dann rief er sich ins Gedächtnis, dass es jetzt Wichtigeres zu tun gab, als sich um seine Hand zu kümmern. Er nahm den Topf mit dem Wasser von der Herdplatte und ging damit in das Schlafzimmer. Vorsichtig stellte er den Topf auf den Nachtschrank und setzte sich auf die Bettkante.



„So, Scully. Jetzt werden Se mal eine Heilmethode kennenlernen, von der Se nicht geglaubt hätten, dass es sie gibt.“ Er nahm eine Schere zur Hand, die er aus dem Notarztkoffer nahm, den er im Bad im Bungalow gefunden hatte und schnitt damit den Krankenhausanzug auf, sodass er den blutgetränkten Verband aufdeckte. Er musste sich zusammennehmen um nicht zu würgen, denn was er sah, ließ ihn seinen Magen rumoren. Der Verband war nur noch rot und dreckig. Mulder überwand sich und schnitt nun auch den Verband auf. Er nahm ihn vorsichtig ab und legte ihn auf den Boden. Als er auf die Schulter von Scully sah, hielt er sich endgültig die Hand vor den Mund, um sein aufkommendes Schwindel- und Brechreizgefühl zu verdrängen. Er atmete tief ein und fuhr mit seiner Arbeit fort.



Er nahm einen Lappen und tränkte ihn im schon abgekühlten Wasser. Mit äußerster Vorsicht tupfte er das Blut von der Wunde und reinigte sie. Er stellte erleichtert fest, dass die Verletzung nicht mehr blutete. Nachdem die Wunde gereinigt war, nahm er ein Fläschchen zur Hand, das mit einer unbekannten Flüssigkeit gefüllt war und tröpfelte sie über Scullys Schulter. Bei der Berührung mit diesem Mittel auf eine offene Wunde würden Menschen bei Bewusstsein vor brennendem Schmerz aufschreien, doch Scully lag weiter wie tot mit geschlossenen Augen im Bett. Zu allerletzt holte Mulder die Salbe aus seiner Tasche, mit der er Scully schon im Wald einrieben hatte und wiederholte die Prozedur. Dann nahm er einen neuen Verband aus dem Koffer und legte ihn um die Schulter.



Nachdem er das getan hatte, klopfte es an der Tür. Mulder schreckte auf. Wer war das? Erst nach einem Sekundenbruchteil fiel ihm ein, dass er ja einen Kaffee bestellt hatte. In Windeseile schob er den Koffer und den alten Verband unter das Bett und deckte Scully bis zu ihren Schultern zu. Ein letztes Mal blickte er noch mal ins Zimmer, um sich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hatte und öffnete dann die Tür.



„Mr. Mulder. Ich habe hier ihren Kaffee.“ Mrs Brown lächelte Mulder verschmitzt und fröhlich an. Sie war sehr glücklich, und überdreht wie Mulder feststellte, und noch freundlicher als zu seiner Ankunft mit Scully. Sofort spürte er, dass etwas nicht in Ordnung war und er wachsam sein musste. Verstört kam er zu Wort.

„Oh danke, Mrs Brown.“ Er wollte den Kaffee entgegen nehmen, aber die Frau hielt ihn auf. „Ach kommen sie. Ich mach das schon.“ Und schon war sie im Zimmer. Mulder stand verwundert und überrumpelt in der Tür und sah zu wie Mrs Brown das Tablett mit dem Kaffee auf den Tisch stellte, der an der gegenüberliegenden Wand vom Bett stand.

„Und, kommen Sie gut zurecht? Haben Sie noch irgendwelche Wünsche?“ Die Frau redete sehr laut und überdreht und Mulder fragte sich, ob mit ihr alles normal war.

„Oh nein, Mrs Brown. Wir kommen prächtig zurecht, danke.“ Er hoffte, sie würde nun verschwinden, als sie sich umdrehte und Scully im Bett liegen sah: „Ach du meine Güte. Ihrer Frau geht es wohl doch nicht so gut. Soll ich nicht besser einen Arzt holen?“

Mrs Brown ging auf das Bett zu, aber Mulder war schneller und hielt die Frau an beiden Schultern fest, um sie nach draußen zu steuern.

„Es ist alles okay. Sie braucht jetzt nur Ruhe und es ist besser, wenn sie jetzt nicht aufwacht. Entschuldigen Sie bitte, aber ich möchte, dass Sie uns nun alleine lassen.“ Mulder hoffte, dass das nicht zu verräterisch klang, auch wenn die Frau sowieso schon Bescheid wusste.

„Das tut mir leid. Ich war wohl ein bisschen zu laut. Bestellen Sie ihrer Frau einen schönen Gruß und wenn es ihr wieder besser geht, kommen Sie ruhig mal ins Restaurant, um etwas zu essen oder ein paar Leute kennen zu lernen. Abends geht es hier immer sehr fröhlich und gelassen zu, wenn die Fernfahrer kommen, um sich auszuruhen und zu unterhalten.“

„Ich nehme Ihr Angebot gerne an.“, sagte Mulder noch und schloss dann die Tür von innen. Mrs Brown stand noch einen Moment reglos draußen, bevor ihr ein Grinsen über das Gesicht huschte und sie seelenruhig wieder zum Empfang schlenderte.



Im Bungalow stand Mulder an der Tür gelehnt und verschnaufte. Beinah hätte er geglaubt, dass die aufdringliche Frau hinter seiner Geheimnistuerei kommt. Doch er hatte es in letzter Sekunde doch noch retten können. Erleichtert schloss er die Augen, als er einen Laut vernahm. Blitzartig war er wieder hellwach und sah zu Scully, die wie durch ein Wunder ihre Augen öffnete und verstört im Raum umherblickte.

„Scully!“ Freudig wie ein kleines Kind rannte er zum Bett und kniete sich davor nieder. Er nahm ihre rechte Hand und hielt sie fest. Seine Augen strahlten und leuchteten wie bei einem Kind, dass gerade etwas unvorstellbar Schönes gesehen und erlebt hatte. Noch einmal nannte er Scullys Namen, als sie sich endlich zu Mulder wand.

„He Scully. Schön, dass Sie wieder unter den Lebenden weilen.“ Scully sah in sein grinsendes fröhliches Gesicht und versuchte etwas zu sagen, doch es kam kein Laut über ihre Lippen. In ihrem Kopf drehte es sich und sie wusste nicht, was passiert ist, noch, wo sie war. Mulder lächelte sie an und sprang blitzartig auf. Scully folgte seinen Bewegungen matt und erschöpft.

Er rannte zurück in die Kochnische, setzte erneut Wasser auf und wartete ungeduldig, bis es kochte. Hektisch nahm er eine Tasse aus einem Schrank über dem Herd und einen Teebeutel. Im Bungalow war auch alles vorhanden. Er bereitete den Tee zu und lief dann zurück zum Bett, von wo aus Scully ihn verstört anblickte. Doch Mulder wollte ihr jetzt keine Erklärungen abgeben, sondern nur das Beste. Er stellte die Tasse auf den Nachtschrank und beugte sich dann über Scully.

„Ich muss Ihnen mal kurz unter den Kopf greifen.“, sagte er und hob Scully vorsichtig an. Er legte das Kopfkissen höher und schob auch Scully in eine aufrechte Lage, damit sie ungehindert Tee trinken konnte. Scully ließ alles über sich ergehen. Sie war noch immer zu schwach, um etwas zu sagen oder sich auch nur zu regen. Sie war nur dankbar, dass sich Mulder so lieb um sie kümmerte.
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