World of X

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Der Teufel

von Petra Weinberger

Kapitel #3

***

Mulder hatte wieder nichts gegessen. Nachdem ihn Scully versorgt hatte, zog sie ihm eine Jacke über und schob ihn nach draußen. Es gelang ihr, ihn auf den Beifahrersitz ihres Mietwagens zu setzen. Sie klappte seinen Rollstuhl zusammen, legte ihn in den Kofferraum und schnallte ihren Partner an.

" Wo wollt ihr denn hin ?" fragte ihre Mutter.

" Seine Mutter besuchen. Vielleicht hilft ihm das," erklärte Scully. " Bis Mittag sind wir wieder zurück."

Sie lenkte ihren Wagen über den Highway und knapp 45 Minuten später auf den Parkplatz des Pflegeheims.

Es war nicht einfach, ihren Partner wieder in den Rollstuhl zu schaffen, zumal er nicht auf die Idee kam, ihr dabei irgendwie zu helfen.

Endlich hatte sie es geschafft und schob ihn in das Hauptgebäude.

Mit dem Fahrstuhl ging es in den dritten Stock, denn dort hatte Mrs. Mulder ihr Zimmer.

Sie war da und erfreut über den Besuch, wenn auch geschockt über den Zustand ihres einzigen Sohnes.

Langsam trat sie auf ihn zu und nahm ihn in die Arme. Tränen schimmerten in ihren Augen, " wie geht es ihm ?" fragte sie langsam und sah kurz zu Scully.

Scully schüttelte nur den Kopf. Sie hatte bereits gestern mit der Frau gesprochen und ihr alles erklärt.

" Fox, was tust du nur ?" fragte die alte Frau und ließ sich vorsichtig auf einem Stuhl nieder. Sie faßte die Hände ihres Sohnes und hielt sie fest, " Dana sagte mir, du hättest vermutlich den Tod eines Mädchens gesehen. Aber sie ist sich nicht sicher."

Scully warf den beiden einen nachdenklichen Blick zu. Es war an der Zeit, sie alleine zu lassen. Diskret zog sie sich zurück und schloß die Tür hinter sich.

" Fox, ich habe bereits ein Kind verloren. Ich habe nur noch dich. Wirf dein Leben nicht so sinnlos weg," hörte sie die Stimme der weißhaarigen Frau durch die Tür. Sie wandte sich ab und stellte sich am Ende des Flures an ein Fenster.

Mrs. Mulder sprach über eine Stunde auf ihren Sohn ein, doch nichts änderte sich. Er hörte ihr überhaupt nicht zu.

Als Scully ihn wieder abholte, schüttelte die Frau den Kopf. Hilflos und verzweifelt sah sie Dana an, " bitte, passen Sie gut auf meinen Jungen auf."

Dana lächelte flüchtig und nickte, " keine Sorge, Mrs. Mulder. Meine Mutter und ich kümmern uns um ihn."

Mrs. Mulder drückte sich schwerfällig in die Höhe und umarmte Scully, " danke. Ich bin froh, daß Sie seine Partnerin sind und sich so gut mit ihm verstehen. Sie sind die Einzige, der er sich wirklich jemals anvertraute. Er hat nicht mal mit mir über alles gesprochen, was ihn bedrückt."

" Ich weiß," sagte Scully nur.

" Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie sich um ihn kümmern und er nicht in einem Sanatorium sein muß, oder einer Klinik. Fox würde darin zugrunde gehen. Bitte, richten Sie auch Ihrer Mutter meinen herzlichsten Dank aus. Ich würde es ihr gerne selbst sagen, aber daß ist mir noch zu anstrengend. Im Augenblick jedenfalls."

" Das ist schon okay. Mir liegt sehr viel daran, daß er wieder der Alte wird. Nicht nur aus beruflichen Gründen. – Aber das wissen Sie ja."

Mrs. Mulder umarmte sie noch einmal und zog dann ihren Sohn an ihre Brust. Zärtlich streichelte sie ihm die Wange und küßte ihn auf die Stirn. " Und wenn du mich das nächste Mal besuchst, wirst du mich gefälligst begrüßen. Soviel Respekt kannst du deiner Mutter ruhig entgegen bringen," tadelte sie ihn sanft.

Als Scully Mulder zum Wagen fuhr, stand seine Mutter am Fenster und sah ihnen nach.

Dana hatte gehofft, daß seine Mutter ihn aufwecken könnte, doch es hatte nicht funktioniert.

Nachdenklich setzte sie ihn auf den Beifahrersitz, schnallte ihn an und verstaute den Rollstuhl. Ihr kam eine neue Idee.

Noch bevor sie den Wagen startete, griff sie zum Handy und rief ihre Mutter an, " Mom, es wird doch etwas später. Ich möchte noch jemanden besuchen."

" Du weißt, daß um 3 Uhr sein Masseur kommt," erinnerte Mrs. Scully.

Dana nickte, " bis dahin sind wir zurück."

Sie warf Mulder einen flüchtigen Blick zu und startete den Motor, " mal sehen, ob dich das auf die Beine bringt," murmelte sie und lenkte den Wagen vom Parkplatz.

***

Ein Stunde später stand sie mit ihrem Partner vor der dicken Sicherheitstür. Sie hörte, wie sich ein Schloß nach dem anderen öffnete, dann wurde die Tür aufgezogen.

Frohike grinste ihr entgegen, " Agent Scully mit Mulder. Welch wunderbare Überraschung."

Scully fuhr den Rollstuhl hinein und nickte.

Frohike schloß hinter ihr wieder die Tür und verriegelte alle zehn Schlösser.

Er gehörte zu den ‘Einsamen Schützen‘, einer paranoiden Gruppe, die es sich zum Ziel gemacht hatte, Regierungskonspirationen aufzudecken und in einer eigenen Zeitschrift anzuprangern. Zu dieser Gruppe gehörten auch der langhaarige Langly, und der steht‘s korrekt gekleidete Byers.

Diese beiden kamen eben aus einem Hinterzimmer. Grinsend sahen sie Scully und Mulder an.

" Ja, Hallo. Ein seltener Besuch," freute sich Langly.

Byers sah Scully fragend an, " wie geht es unserem Freund ? Noch immer nichts ?"

Scully schüttelte den Kopf, " nein. Deshalb bin ich hier. Ich hoffe, daß Sie vielleicht eine Idee haben."

Byers zog sich einen Stuhl heran und musterte den Freund nachdenklich, " eine degenerative Bewußtseinsstörung, durch ein Trauma ausgelöst. Schwer durchschaubar."

" Es sei denn, man kennt den Auslöser des Traumas," fügte Langly hinzu.

" Und selbst dann ist nicht sicher, ob man es neutralisieren kann," stimmte Byers zu. " Sind Sie immer noch davon überzeugt, daß er dieses entführte Mädchen sah ?"

" Ich weiß es nicht, doch ich vermute es."

Lange überlegten sie, wie man Mulder helfen könnte und was der Auslöser für seinen Zustand sein könnte. Auch die drei Freunde zweifelten daran, daß es wirklich nur der Tod dieses Mädchens war. Irgend etwas mußte noch geschehen sein. Etwas das schwer genug war, ihn in diesen Zustand zu stürzen.

Die Freunde versprachen, sich etwas zu überlegen und wollten sich wieder bei Dana Scully melden.

Die drei mochten Mulder ebenso sehr, wie sie. Nur waren Scullys Gefühle zu ihm etwas intensiver und intimer.

Auf dem Weg zu ihrer Mutter, hielt sie noch einmal vor Mulders Apartment. Während sie ihn im Wagen warten ließ, eilte sie hinauf, fütterte schnell seine Goldfische und kramte in seiner Videosammlung herum. Hastig zog sie einige Bänder heraus, packte sie in eine Tasche und eilte zu ihrem Wagen zurück.

Ihr Partner hatte sich nicht gerührt.

Scully stellte die Tüte auf den Rücksitz und warf ihm einen kurzen Blick zu, " ich krieg dich schon munter, mein Freund. Verlaß dich drauf."

Sie war sich sicher, daß sie es irgendwie schaffen würde, ihn aufzuwecken und ihm seine alte Lebensenergie zurück zu geben.

Während mittags der Masseur bei Mulder war, ging Scully einkaufen. Danach machte sie wieder Gymnastik mit ihm.

Gleich nach dem Abendessen zog sie sich mit ihm in sein Zimmer zurück. Sie hatte ihm einen kleinen Fernseher und sein Videogerät dorthin gestellt.

Sie schob ihn zurecht und legte eines der bei ihm gefundenen Videos in den Recorder. Es war eine Debatte über außerirdische Besucher. Scully ließ das Band fast eine Stunde laufen und beobachtete ihren Partner.

Er reagierte nicht darauf. Sein Blick lag irgendwo zwischen Fernsehgerät und Fußboden.

Scully seufzte und legte ein anderes Tape ein. Krieg der Welten, Mulders Lieblingsfilm.

Sein Blick glitt ganz kurz zum Bildschirm. Er seufzte und starrte wieder ins Leere.

Als der Film zu Ende war, schaltete Scully die Geräte ab und suchte ihre Mutter auf. Sie mußte erfahren, daß noch immer kein Pfleger gefunden war und sie ihren Partner wieder selbst baden durfte.

Seufzend machte sie sich an die Arbeit.

Als er dann in der Wanne saß, mußte Scully grinsen, " wenn dir das so gut gefällt, bringt dich das vielleicht wieder zurück," überlegte sie laut und ließ sich diesmal Zeit bei der Wäsche.

Sie beobachtete ihn genau. Und wieder reagierte er unbewußt auf ihre Berührung. Scully lächelte, " naja, es zeigt wenigstens, daß du noch lebst."

Als sie ihm seinen Pyjama angezogen hatte, schob sie ihn wieder vor den Fernseher, schaltete das Gerät ein und legte ein Video aus seiner Sammlung in den Recorder, " so, Partner. Da ich nicht unbedingt auf so etwas stehe – zumindest nicht im Fernsehen, lasse ich dich jetzt alleine. Ist vielleicht besser. Das Band läuft 90 Minuten. Dann komme ich wieder rein und dann werden wir ja sehen, ob du endlich aufgewacht bist oder nicht."

Sie ließ das Band laufen und zog sich zurück. Durch die geschlossene Tür konnte sie das leise, lustvolle Stöhnen der Darsteller hören.

Sie schüttelte den Kopf und verstand nicht, wie sich jemand solche Videos ansehen konnte. Aber da ihr Partner nun mal auf so etwas stand, war es vielleicht gerade das, was ihn aus seiner Starre holen konnte. Ein Versuch war es jedenfalls wert.

Als sie später nachsah, hatte sich nichts getan. Das Video war Zuende und Mulder starrte noch immer ins Leere.

Seufzend brachte sie ihn ins Bett und musterte ihn nachdenklich.

Was hatte er gesehen und erlebt ? Was konnte so schwer auf seiner Seele lasten, daß er sich nur durch diesen Zustand retten konnte ?

Plötzlich kam ihr ein furchtbarer Verdacht. Sie glaubte zu wissen, was die Ursache für seine schwere Depression war.

Es war nicht Mauricia Garrison, die er gesehen hatte. Hätte er gesehen, wie man sie tötet, dann hätte er sich vielleicht Vorwürfe gemacht. Doch er hätte gekämpft und versucht, ihren Tod zu ahnden. Es hätte ihn nicht in diese tiefe Depression gerissen.

" Es war nicht Mauricia," sagte sie leise und ließ ihren Blick über ihn gleiten. " Es war Samantha. Du hast deine Schwester gesehen, habe ich recht ?"

Mulder schloß die Augen und schluckte trocken.

Scully legte ihm die Hand auf die Schulter, " oh, Mulder, was haben diese Bastarde nur getan ?"

Es schien die einzig logische Erklärung. Scully wußte, wie verzweifelt er nach ihr gesucht hatte. An jeden Strohhalm hatte er sich geklammert. Immer auf der Suche nach einer winzigen Spur, die ihn zu Samantha führen würde. Die ihm sagte, was mit ihr geschehen war. Die Suche nach der Wahrheit war sein einziger Lebensinhalt. Wenn man ihm diese Grundlage entzog, gab es nichts mehr, für ihn. Dann hätte er seinen Sinn verloren.

Wieder glitt ihr Blick über ihn. Er hatte noch immer die Augen geschlossen. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig.

Scully seufzte und erhob sich. " Egal, was auch geschehen ist. Ich werde dir helfen, daß du darüber hinweg kommst, Partner."

Leise zog sie sich zurück und ging ebenfalls schlafen.

***

Am nächsten Mittag hatte ihre Mutter einen Arzttermin. Scully hatte Mulder in die Küche gefahren. Nun stand sie vor der Anrichte und knetete einen dicken Teig durch.

" Ich habe schon ewig keinen Kuchen mehr gebacken. Das ist heute mal eine Premiere. Ich habe im Kochbuch ein herrliches Rezept gefunden. Ich wette, der Kuchen würde dir schmecken, wenn du ihn denn tatsächlich versuchen würdest," erklärte sie und zog eine kleine Tüte aus dem Schrank. Grinsend hielt sie ihm den Beutel vor die Nase, " du weißt, was das ist. Geschälte Sonnenblumenkerne, und die kommen jetzt in den Kuchenteig. Ich wette, einen so leckeren Kuchen hast du dein Leben lang noch nicht gegessen. Per Infusion bekommst du so was Gutes nicht. Ich würde mir das jetzt an deiner Stelle mal überlegen."

Grinsend öffnete sie die Tüte und hielt sie ihm unter die Nase. Dann streute sie die Körner über den Teig. Emsig knetete sie die Samen unter.

" Du weißt hoffentlich, daß ich ihn nur für dich backe," fuhr sie fort und stürzte den Teig auf ein Brett.

" Danke."

" Gern geschehen," antwortete sie und deckte den Teig mit einem Küchentuch ab. Dann stutzte sie. Hatte sie es sich nur eingebildet, oder hatte sich da wirklich jemand bei ihr bedankt ?

Sie sah auf und begegnete Mulders Blick. Stumm und ernst sah er sie an.

Scully musterte ihn forschend, " sag mir jetzt bitte, daß ich mich eben nicht verhört habe."

Mulder verzog das Gesicht zu einem schwachen Lächeln und schluckte trocken.

Die Leere war aus seinem Blick verschwunden, " danke, Scully, " sagte er leise.

Scully war so froh, daß sie ihm um den Hals fiel und ihn fest umarmte. Er war tatsächlich wieder da. Sie hatte ihn wieder. Sie hatte es geschafft.

***

Es dauerte lange, bis sich Scully wieder beruhigt hatte, und selbst dann konnte sie es noch immer nicht glauben.

Sie sah ihn an, sah ihm ins Gesicht, in die Augen. Sie hatte sich nicht geirrt. Er war da, er sah sie an, erwiderte ihren Blick und hielt ihm stand.

Langsam faßte er ihre Hände und drückte sie schwach. Da wußte sie es sicher.

" Oh, Mulder," brachte sie endlich heraus. " Wie geht es dir ? Wie fühlst du dich ? Hast du Hunger, Durst ?"

Er lächelte schwach und schüttelte den Kopf, " es ist okay. Ich bin nur etwas benommen."

Scully lächelte und nickte, " das ist normal. – Sag mir nur, warum ? Was ist geschehen ?"

" Ich kann nicht," sagte er leise und ließ den Kopf sinken.

" Du kannst dich nicht mehr daran erinnern ? Du weißt nicht, was in den letzten drei Monaten geschehen ist ?" fragte Scully sanft.

Mulder sah sie an, " ich erinnere mich an jeden Tag davon. An jedes Wort, an jede ...," er unterbrach sich selbst und biß sich auf die Unterlippe. " Ich danke dir für das, was deine Mutter und du für mich getan haben. Ich weiß, daß es nicht leicht für euch war. Und ich weiß auch, was du alles versucht hast."

Scully musterte ihn und lächelte dann flüchtig, " das heißt, du wirst dich in Zukunft wieder selbst baden ?"

Mulder sah ihr in die Augen und grinste dann schwach, " der Service war sehr angenehm. Man könnte ihn beibehalten."

Scully mußte lachen und schüttelte den Kopf, " ich kann dir ja den Rücken waschen. Mit dem Rest warten wir wohl lieber etwas, bis der Herr wieder bei Kräften ist."

" Da muß ich mich jetzt wohl wirklich anstrengen, oder ?"

" Sieht so aus. – War es der Kuchen ?"

Mulder sah zu dem Teig, der unter dem Tuch schon beachtlich angewachsen war, und lächelte, " es war alles. – Aber, ich konnte nicht antworten oder sonst irgendwie reagiert.. Ich fühlte mich so hilflos und eingesperrt. Alles schien so unwirklich. Ich hatte das Gefühl, als sei nichts mehr wichtig. Ich hörte deine Worte, die Worte deiner Mutter, meiner Mutter, die der Ärzte, von Skinner. Ich spürte jede Berührung. Doch ich sah ... ."

" Was ?" Scully zog sich den Küchenhocker herbei und sah ihn fragend an.

Mulder schüttelte den Kopf und schwieg.

" Deine Schwester ? Hast du deine Schwester gesehen ?"

Mulder ließ den Kopf sinken. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete, " laß mir Zeit, bitte. – Ich kann jetzt noch nicht."

Dana Scully musterte ihn. Sie wußte, daß er recht hatte. Er mußte erst selbst damit fertig werden, ehe er darüber sprechen konnte. Sie nickte, " was ist mit deinen Beinen ? Spürst du sie ? Kannst du sie bewegen ?"

" Ich habe es noch nicht versucht. – Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne eine Weile alleine sein."

Scully sah ihn nachdenklich an, dann nickte sie, " ich bringe dich auf die Terrasse. – Rufe mich dann einfach, wenn du etwas brauchst. Okay ?"

Er nickte nur und ließ sich von ihr ins Freie schieben.

Scully stellte die Bremse fest, erkundigte sich, ob sie ihm noch irgend etwas bringen konnte, und ließ ihn dann alleine.

Sie wußte, er brauchte Zeit, um mit sich selbst erst einmal ins Reine zu kommen und alles zu verarbeiten, was er erlebt hatte.

Auch wenn er wieder aufgewacht war, so war er noch keineswegs der Alte. Die Depression war noch immer nicht überwunden. Zwar war sein Lebenswillen wieder erwacht, aber noch immer zu schwach.

Wenn sie ihn jetzt überforderte, erreichte sie nur das Gegenteil. Sie mußte ihn selbst das Tempo bestimmen lassen.

***

Die nächste Woche trainierte Mulder viel, um wieder zu Kräften zu kommen. Er wollte seine Muskeln aufbauen, die in den letzten drei Monaten immer kraftloser geworden waren. Mit Scullys Hilfe kräftigte er seine Stützfunktionen. 

Nach 3 Tagen konnte er bereits wieder auf seinen Beinen stehen, einen Tag später auch schon langsam gehen. Zwar brauchte er dabei noch einen Halt, doch er kam immerhin vorwärts. Scully hatte einen Hometrainer auf die Terrasse gestellt und Mulder verbrachte viel Zeit auf dem Gerät, trat kräftig in die Pedale und legte, wenn auch nur auf der Terrasse, zig Meilen zurück. 

In Scully hatte er seinen schärfsten Trainer. Am Ende der Woche machte er bereits ausgedehnte Spaziergänge. Ging für Mrs. Scully einkaufen, oder mit Dana zum See. Dort mußte er dann Schwimmen.

Seine Therapeuten kamen auch weiterhin. Noch immer bekam er Krankengymnastik und Massagen. Zudem kam auch noch ein Psychologe. Doch Mulder lehnte die Gespräche mit ihm ab. Er weigerte sich, mit dem Mann zusammen zu arbeiten. Auch wenn Scully drängte und darauf beharrte. Denn noch immer sprach er nicht über das, was geschehen war. Wenn er sonst auch über alles mögliche redete und langsam seine Lebensenergie zurück gewann.

Wenn Scully ihn nach dem ‚Warum‘ fragte, antwortete er nur: " ich kann es nicht. Ich habe soviel gesehen und erlebt. – Wir haben soviel erlebt und gesehen. Ich müßte mit ihm auch darüber reden. Was denkst du, wer das glauben würde ?"

Scully schüttelte den Kopf, " ich rede auch mit meiner Psychologin darüber. Es ist wichtig. Und wenn es nur hilft, die eigenen Gedanken zu ordnen. – Mulder, du solltest wirklich mit ihm reden. Er hört dir zu und hilft deinen Gedanken auf die Sprünge. Er fällt kein Urteil über dich."

Mulder grinste schwach und sah sie schief an, " Scully, glaubst du, daß wüßte ich nicht ? Ich habe Psychologie studiert, hast du das vergessen ? Es geht auch nicht darum, ob er ein Urteil über mich fällt, oder nicht. Mir ist nicht wichtig, was er von mir denkt. Deine Meinung ist mir wichtig und wenn ich darüber mit jemandem rede, dann mit dir und nicht mit einem Außenstehenden. Und im Augenblick bin ich noch nicht soweit, darüber zu reden. Okay ?"

Scully musterte ihn nachdenklich und nickte endlich, " okay. – Ich werde ihm sagen, daß er nicht mehr zu kommen braucht."

Mulder nickte dankbar.

Anfang der nächsten Woche teilte er Scully mit, daß er gerne wieder in seine Wohnung gehen würde. Er hätte ihre Hilfe lange genug beansprucht und wäre nun durchaus in der Lage, sich wieder selbst um sich zu kümmern. Zudem brauchte er seinen Freiraum. Ihm ginge es hier zwar sehr gut, aber er fühlte sich doch eingeengt und seiner Freiheit beschnitten.

Mrs. Scully verstand ihn, wenn sie auch bedauerte, daß er sie schon verlassen wollte. Sie hätte sich noch weiter um ihn gekümmert.

Mulder grinste und nickte. Er war ihr wirklich dankbar, für ihre Hilfe. Sie hatte sehr viel für ihn getan und Mulder wußte es sehr zu schätzen.

Als er seine Tasche gepackt hatte, umarmte er sie herzlich und bedankte sich noch einmal bei ihr, " ich werde Ihnen nie vergessen, was Sie für mich getan haben. Danke."

Mrs. Scully lächelte erfreut, " es freut mich, daß ich Ihnen helfen konnte, Fox. Sie sind hier jederzeit willkommen – solange Sie nicht wieder heimlich einen Wagen nehmen und damit in einen Graben fahren."

Mulder lächelte und nickte, " danke. – Für alles."

Kurz darauf saß er auf dem Beifahrersitz und winkte ihr nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.

Scully mußte lachen, " meine Mutter behandelt dich, als würdest du zur Familie gehören."

" Naja, irgendwie scheint das ja auch so zu sein. Ich liebe deine Mom, Scully. Sie ist einfach phantastisch. Wenn ich mir eine Schwiegermutter aussuchen könnte, würde ich sie nehmen."

" Aber doch hoffentlich nur als Schwiegermutter, oder ?"

Mulder warf ihr einen irritierten Blick zu, dann zwinkerte er, " keine Angst, so habe ich es nicht gemeint."

" Da bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, du wirst jetzt mein Stiefvater."

" Nein, höchstens ihr Schwiegersohn."

Scully musterte ihn von der Seite und lächelte, " vielleicht."

Eine Stunde später parkte Scully vor Mulders Haus und half ihm, seine Sachen in die Wohnung zu bringen.

Schnell hatten sie alles verstaut. Scully sah sich noch einmal um, doch es gab nichts mehr zu tun.

Mulder klatschte in die Hände und zog die Augenbrauen hoch, " ich denke, das war alles. – Danke Scully, daß du mir geholfen hast."

Dana musterte ihn nachdenklich und nickte, " schon okay. – Mulder, ich bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich eine gute Idee ist, daß du schon alleine bleibst. Ich meine, deine psychische Verfassung ist einfach noch zu ... ."

Mulder unterbrach sie, " ich weiß. Doch ich komme schon zurecht. Du mußt dir um mich keine Sorgen machen. Ich bin okay. Wirklich. Ich brauche nur meinen Freiraum, um mit allem fertig zu werden und über alles nachzudenken."

Scully nickte seufzend. Sie wußte, daß sie an der Entscheidung ihres Partners nichts mehr ändern konnte.

" Okay. – Wenn irgend etwas sein sollte, ruf mich an. Bitte," antwortete sie.

Mulder grinste und zog sie zu sich heran. Zärtlich umarmte er sie, " sicher. – Wenn du nicht gewesen wärst, dann ... – danke."

Sie grinste, zog seinen Kopf zu sich hinunter und küßte ihn sanft auf die Stirn.

Mulder strahlte sie an, " und wenn ich jemanden brauche, zum Rücken waschen, dann melde ich mich auch bei dir."

Scully mußte ebenfalls lachen, " übertreibe es mal nicht, Partner. – Aber rufe mich trotzdem an." Damit war sie auch schon aus der Tür.

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