World of X

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Merry Christmas, Mom!

von Talli W

Kapitel 4

Als Mulder aus Scullys Krankenzimmer kam, begegneten ihm Mrs Faber und ihr Sohn Edward auf dem Gang. Edward Faber war ein bereits etwas ergrauter Mann Anfang Fünfzig in einem teuren Businessanzug. 'Wahrscheinlich Börsenmakler." schätzte Mulder.
Mulder bedankte sich bei ihnen, dass sie so schnell Hilfe geschickt hatten. Dann bat er Elisa Faber zu einem persönlichen Gespräch.
"Geh du schon mal zu deinem Vater, Edward." forderte sie ihren Sohn auf.
"Mrs Faber, was war um Himmels Willen denn in ihrem Kräutertee?" fragte er, als Edward Faber außer Hörweite war. "Scully hat sich ganz seltsam benommen. Sie war total verändert. Und jetzt hat man Narkotika in ihrem Blut festgestellt."
Elisa Faber lächelte verschmitzt. "Aber es hat doch geholfen, nicht wahr? Ist das nicht die Hauptsache?"
"Na ja." murmelte Mulder. "Aber ich möchte es trotzdem gern wissen."
"Gut! Also da waren Minze, Eukalyptus, Ehrenpreis, Tollkirsche, Bilsenkraut..."
"Moment mal! Tollkirsche, Bilsenkraut? Sind das nicht Giftpflanzen?"
Elisa schüttelte ihren Kopf. "Nicht direkt. In geringen Mengen wirken sie entspannend. Es beruhigt den Kranken und sorgt für angenehme Träume."
"Sie meinen, es sind Drogen?" Langsam dämmerte es Mulder, warum seine Partnerin sich so seltsam aufgeführt hatte. Es war nicht das Fieber, das Scully am Vortag sich so benehmen ließ. Sie war high. Scully war high gewesen. Wenn er so im nach hinein darüber nachdachte, war es schon komisch. Auch wenn er zu jenem Zeitpunkt anderer Meinung war.
Mulder grinste: "Foxy", so hatte nun wirklich noch nie jemand seinen kleinen Freund genannt.
'Bloß gut, dass sich Scully nicht mehr daran erinnern kann. Ich werde die Geschichte jedenfalls nicht erwähnen. Nicht auszudenken, wie sie darauf reagieren würde.' dachte er.
"Mrs Faber, was hat es nun mit Nikolaus auf sich, diesem Geist? Sie wussten doch, dass er da draußen ist. Warum haben Sie das so vehement verleugnet?" fragte Mulder nun.
Elisa Faber seufzte auf und begann zu erzählen:
"Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben. Er ist zu einem Freund geworden. Ich wollte nicht, dass Fremde hier herumschnüffeln und Jagd auf ihn machen. Oder als Touristenattraktion vermarkten. Sagen Sie mir jetzt nicht, das würde nicht geschehen. Ich kenne die Menschen. Selbst mein eigener Sohn würde das tun, solange es nur Geld einbringt."
"Wie haben Sie ihn denn kennengelernt? Dadurch, dass sie sich auch verirrt haben?"
Elisa lächelte. "Ja genau! Damals war ich noch ein kleines Mädchen, nicht älter als acht. Ich war sehr zornig auf meinen großen Bruder, der mich nicht mit seinem Holzauto spielen lassen wollte. "Das ist nichts für Mädchen!" war seine Ausrede und meine Eltern haben ihm recht gegeben.
Voller Wut auf meine Familie bin ich abends aus dem Haus geschlichen und weggerannt. Damals wohnten wir noch auf der Kessler-Farm. Ich wollte zu den Fabers, zu meinem Spielfreund Benedict, habe mich dann aber im Wald verirrt. Ziellos rannte ich hin und her und plötzlich war er da. Er stand einfach da und beobachtete mich. Natürlich hatte ich die Geschichten über ihn gehört. Schließlich sollte er ja ein direkter Vorfahre von mir sein. Erst habe ich mich etwas gefürchtet. Aber er hat mich so nett angelächelt, dass ich meine Angst völlig vergessen habe. Ich wusste irgendwie, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich habe ihm erzählt, dass ich weggelaufen bin und weshalb, habe mir meinen ganzen Frust von der Seele geredet. Er hat einfach nur zugehört. Die ganze Zeit liefen wir vorwärts und plötzlich konnte ich unser Haus sehen und er war verschwunden. Ab da bin ich immer in den Wald gegangen, wenn ich Probleme hatte. Musste ich anfangs noch so tun, als ob ich mich wieder verirrt habe, kam er später schon, wenn ich nach ihm rief. Er ist über die Jahre zu meinem besten Freund geworden. Nikolaus war auch der Erste, dem ich erzählte, dass Benedict um meine Hand angehalten hat und er freute sich mit mir. Deshalb kann ich es auch nicht verstehen, warum Nikolaus ihn diesmal angegriffen hat. Er ist meinem Mann sonst immer aus dem Weg gegangen. Bitte lassen Sie Nikolaus in Ruhe. Er hat schon genug gelitten, denken sie nicht?"
"Gut, Mrs Faber und danke noch mal für alles." sagte Mulder.
"Schon gut, Jungchen. So, jetzt muss ich aber erst einmal zu meinem Mann. Bestellen Sie schöne Grüße an Ihre FBI-Frau." Elisa Faber zwinkerte ihm zu und verschwand dann in einem der Krankenzimmer.
Dafür kam ihr Sohn Edward heraus und steuerte direkt auf Mulder zu.
"Mr. Mulder, könnte ich mit Ihnen sprechen."
Mulder zuckte die Achseln. "Ja natürlich. Geht es um den Angriff auf Ihren Vater?"
"Ähm, nicht hier. Ich würde einen ruhigeren Ort vorziehen. Ich wohne nicht weit von hier. Wenn Sie eine halbe Stunde Zeit hätten. Meine Mutter ist jetzt sowieso erst mal beschäftigt. Wir könnten in meinem Haus in Ruhe über alles reden." bat er.
Mulder überlegte kurz. "Wenn Sie sich einen Moment gedulden. Meine Partnerin wird gleich entlassen. Und ich hätte sie gern dabei. Und wenn Sie so freundlich wären, könnten Sie uns nach dem Gespräch gleich vor einem Hotel absetzen."
"Einverstanden." erklärte Edward Faber.
Eine halbe Stunde später saßen Dana Scully und Mulder in dem großen luxuriösen Einfamilienhaus Edward Fabers. Sein Sohn Joshua hatte sie freudig begrüßt, als sie eintrafen und der Bernhardiner Barry war neugierig um ihre Beine geschlichen.
Als Joshua mit seinem Hund hinausgerannt war, begann Edward Faber: "Tja, es geht um meine Eltern. Sie haben ja erlebt, was dort draußen alles passieren kann. Und Sie sind jung und kräftig und doch wäre Ihnen diese Einöde beinahe zum Verhängnis geworden. Sind Sie da nicht auch meiner Meinung, dass zwei so alte Leute wie meine Eltern besser hier in der Stadt aufgehoben wären als dort draußen auf der Farm, weitab von jeglicher Zivilisation?" fragte er.
Mulder und Scully sahen einander irritiert an.
"Also soweit ist doch Silverstone auch nicht entfernt." widersprach Mulder.
"Na, das würde ich nicht gerade als Zivilisation bezeichnen." entgegnete Mr. Faber.
"Tja, wie auch immer. Meine Eltern sind in dieser Gegend aufgewachsen und ich befürchte aufgrund ihres Alters sehen sie die ganze Sache nicht mehr ganz objektiv. Besonders meine Mutter weigert sich schon seit Jahren von dort wegzuziehen. Was wollen sie noch dort? Schließlich sind sie gar nicht mehr in der Lage die Farm zu bewirtschaften. Und das, was die Farm heutzutage einbringt, deckt gerade die Kosten für die Feldarbeiter und den Eigenbedarf.
Ich denke, jemand sollte die Verantwortung für meine Eltern übernehmen und entscheiden, was das Beste für sie ist."
Jetzt hatte Scully begriffen, worauf Edward Faber hinauswollte. "Sie wollen Ihre Eltern entmündigen lassen und sie zwingen ihre Zuhause zu verlassen?" fragte sie zornig.
"Ich will doch nur das Beste für sie. Es wäre ja auch nur vorübergehend, bis sie selbst eingesehen haben, dass sie zu alt für ein Leben auf der Farm sind. Glauben Sie etwa, dass geht mir nicht nahe. Es sind immerhin meine Eltern." verteidigte sich nun Mr. Faber.
"Ich denke, wir können Ihnen da nicht helfen. Ich bin der Meinung, Ihre Mutter kann sehr gut auf sich selbst aufpassen. Falls sie sich erinnern können, war es Ihre Mutter, die meiner Partnerin das Leben gerettet hat. Wenn Ihre Eltern Ihnen wirklich etwas bedeuten, dann lassen Sie sie ihre letzten Jahre dort verbringen, wo sie ein Leben lang glücklich waren." meldete sich nun Mulder zu Wort.
Mr. Faber rieb sich frustriert die Schläfen. "Na gut. Sollen sie doch dort versauern. Ich wollte wirklich nur das Beste für sie. Vielen Dank, dass sie sich die Zeit genommen haben." sagte Edward Faber.
"Ach übrigens, Sie waren doch auf der Kessler-Farm. Wie hat Ihnen denn diese Bruchbude gefallen?
Nicht gerade der Ort, wo man leben möchte, oder?" Er lachte kurz auf. "Stellen Sie sich vor, meine Mutter wollte, dass ich die Farm übernehme, nachdem die Familie meines Cousins damals verunglückt war. Sehe ich etwa wie ein Farmer aus?"
Den beiden Agenten fühlten sich jetzt total unwohl. Sie wollten nur noch so schnell wie möglich weg aus diesem unpersönlichem Haus.
Dana Scully aber fühlte sich genötigt etwas zur Verteidigung des Hauses zu sagen. "Das Haus ist doch in einem ausgezeichneten Zustand." bemerkte sie.
"Ach Unsinn. Das Ding steht seit 14 Jahren leer. Ich bin seit Ewigkeiten nicht mehr dort gewesen.
Aber wenn es Ihnen so gefällt, können sie es gerne kaufen. 180.000 Dollar und die ganze Farm gehört Ihnen."
"Nein danke. Das ist wohl doch nicht die richtige Gegend für uns." lehnte Mulder ab.
"Wir müssen jetzt wirklich gehen. Also, dann schönen Tag noch."
"Aber ich wollte Sie doch noch vor einem Hotel absetzen." warf Edward Faber ein
"Ich denke, wir rufen uns lieber ein Taxi. Auf Wiedersehen und grüßen Sie Ihre Eltern von mir." sagte nun Scully.
Fluchtartig verließen sie das Haus und winkten nach einem Taxi. Erleichtert sanken die beiden Agenten wenige Minuten später in die Polster einer Taxirückbank und ließen sich zum nächsten Hotel bringen.
"Hoffentlich begegnen wir dem nie wieder." seufzte Mulder.
"Wie kann eine wundervolle Frau wie Elisa Faber nur so einen Sohn haben?" meinte Scully dazu.

Nachdem Mulder und Scully am nächsten Tag in Washington eingetroffen waren, nahm Scully sich sofort frei, während Mulder sich frustriert den Dienstberichten zuwandte, so wie er es versprochen hatte.
Als er abends nach Hause kam, war er viel zu müde, um die hübschen Fotodekorationen zu bemerken, die Magarete und Charles Scully wenige Tage zuvor in seiner Wohnung verteilt hatten.
Erschöpft warf er sich auf sein Bett und war bald eingeschlafen.
Margaret Scully hingegen fand überhaupt keinen Schlaf. "Nun ist es schon vier Tage her, dass wir die Fotos bei ihm versteckt haben. Mittlerweile muss er sie alle gefunden haben. Fox Mulder scheint ein noch schwierigerer Fall zu sein als ich dachte. Es wird also Zeit für Plan B: Zeige ihm die Vorzüge des Familienlebens und mach ihm klar, dass er in unserer Familie herzlich willkommen ist."
Am nächsten Morgen rief sie sofort ihre Tochter an und schlug vor Fox Mulder zum Abendessen mitzubringen.
Dana war überrascht: "Nanu, ich denke, das soll ein Familientreffen sein? Nur du, die Jungs und ich."
"Bill und Charles sind sowieso mit ihren Ehefrauen und den Kindern hier. Da würdest du dich nur langweilen, wenn du so alleine mit am Tisch sitzt."
"Ach, dass macht mir nichts aus. Außerdem sitzt du ja auch ohne Tischnachbarn da."
Magarete Scully überlegte fieberhaft, wie sie ihre Tochter überzeugen konnte. Und ihr kam eine Idee: "Das ist so nicht richtig, Dana. Ich werde diesmal nicht alleine sitzen. Ich habe mir erlaubt Mr. Skinner einzuladen." sagte sie.
Scully fiel bald der Hörer aus der Hand. 'Ich muss mich verhört haben. Mom hat bestimmt nicht Direktor Skinner gemeint.'
Doch Ihre Mutter sprach weiter: "Ich bin ihm jetzt schon mehrmals begegnet. Meistens, wenn du wieder einmal im Krankenhaus gelegen hast." fügte sie etwas vorwurfsvoll hinzu. "Er scheint ein netter Mensch zu sein. Ich dachte, es wird langsam Zeit deinen Vorgesetzten einmal kennenzulernen. Und wäre es da nicht schön, wenn Mulder auch da wäre?"
Scully seufzte resigniert. Ihre Mutter hatte es wieder geschafft, ihr Schuldgefühle einzuimpfen, um zu erreichen, was sie wollte.
Sie würde Mulder einladen, aber bezweifelte, dass er wirklich kommen würde, um unter dem prüfenden Blicken von Bill Scully und Direktor Skinner zu Abend zu essen.

Mulder war erstaunt als Dana Scully am Samstagmittag bei ihm hereinschneite und ihn zum Abendessen bei ihrer Mutter einlud.
"Nun sagen Sie schon zu, Mulder. Meine Mutter wäre sonst sehr enttäuscht. Außerdem bringen meine Geschwister beide ihre Ehepartner und Kinder mit und da möchte ich Sie eben auch gern dabei haben. Ich sitze sonst wieder ganz ohne Begleitung da."
An Mulders verschmitztem Lächeln merkte sie, wie das eben geklungen haben musste.
"Ich wusste nicht, dass Sie mich als potenziellen Ehemann betrachten, Scully. Jetzt bin ich aber wirklich überrascht." zog er sie auf.
"So war das nicht gemeint, Mulder!"
Mulder grinste sie offen an. "Man darf ja wohl noch träumen, oder?"
Scully schüttelte entnervt den Kopf.
"Ich garantiere Ihnen das Essen meiner Mutter wird Sie für alle Unannehmlichkeiten entschädigen. Es gibt Lammbraten und wenn Sie sich artig verhalten, dürfen Sie sogar schon von den ersten Weihnachtsplätzchen naschen. Und gerade für diese Plätzchen ist meine Mutter berühmt." versuchte sie ihn zu überzeugen.
"Das mit den Unannehmlichkeiten ist wohl auf Ihre Brüder bezogen?" murmelte er.
Scully wurde etwas rot. "Eigentlich nicht. Charlie brennt darauf meinen Partner endlich kennenzulernen."
"Darauf möchte ich wetten. Aber für einen guten Lammbraten nehme ich sogar das in Kauf. Also wann treffen wir uns?"
Scully konnte es kaum fassen wie leicht Mulder sich von ihr überreden ließ.
Mulder war glücklich, dass sie ihn eingeladen hatte. Nicht nur, dass ihm Mrs Scully sehr sympathisch war, nein, so konnte er wieder einmal eine sehr private Seite von Scully sehen. Eine private Seite, die sie gewöhnlich hinter ihrer kühlen beruflichen Maske verbarg. In Silverstone hatte er die kleine Dana kennengelernt. Nun war er neugierig auf die erwachsene Dana Scully.
"Das Abendessen beginnt um 19:00 Uhr. Ich denke, es ist besser, wenn Sie direkt dorthin kommen. Sagen wir halb 7."
"Einverstanden. Also bis dann. Und vielen Dank für die Einladung." sagte Mulder, als er bemerkte, dass Scully bereits wieder gehen wollte.
An der Tür drehte sie sich noch einmal um. "Haben Sie übrigens schon die Berichte für Skinner fertig. Sie wissen, die müssen bis Montag fertig sein. Und ich möchte Sie auf keinen Fall von Ihrer Arbeit abhalten."
"Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Das ist alles bereits erledigt. Skinner wird zufrieden sein.
Bei der Erwähnung von Direktor Skinner wurde sie blass. "Wenn das mal gut geht." dachte sie und verließ Mulders Apartment.
Als Mulder pünktlich 18:30 Uhr bei den Scullys eintraf, war Dana noch nicht da. "Sie holt nur schnell Father McClure ab. Ich habe in der ganzen Hektik völlig vergessen ihn einzuladen." erklärte Mrs Scully und begrüßte ihn herzlich.
"Na großartig. Jetzt ist auch noch ein Priester eingeladen. Ich bin gespannt, welche Überraschungen dieser Abend noch zu bieten hat."
Er trat ins Wohnzimmer ein und blieb unschlüssig an der Tür stehen. Bill Scully war noch nicht da, aber dafür musterte ihn ein kräftiger rothaariger Bursche ungeniert von der Couch. 'Das muss dann wohl Scullys jüngerer Bruder sein.' dachte Mulder.
'Das also ist Danas Mulder. Mmh. Kräftiges Kinn, intelligente Augen, leidlich gutaussehend. Muskulöse Schultern, aber kein Gramm Fett am Körper. Und unten herum scheint er auch ganz gut gebaut zu sein.' dachte Charles und ließ seinen Blick über Mulders Unterkörper schweifen. 'Wenn er jetzt noch seine verrückten Ideen ablegen würde, ergäbe er einen ganz passablen Ehemann für Dana.'
Mulder wurde langsam unwohl unter dem prüfenden Blick des Mannes. Er sagte ein lautes "Guten Abend" und Charles Scully sprang wie aus einer Trance erwacht auf.
"Oh Entschuldigung, wo habe ich nur meine Gedanken?"
Darüber wollte Mulder lieber nicht nachdenken.
"Ich bin Charles Scully, Danas Bruder." stellte der Rotschopf sich vor und reichte Mulder die Hand.
"Erfreut Sie kennenzulernen. Ich bin Fox Mulder, Scullys Partner beim FBI." sagte Mulder etwas steif.
"Die Freude ist ganz meinerseits. Ich wollte Sie endlich mal kennenlernen. Meine Schwester hat schon so viel von Ihnen erzählt."
'Und Bill sicher auch.' dachte Mulder. Er musterte unauffällig das sympathische Äußere des Mannes. Er hatte die gleichen feinen Züge wie Scully. Mulder war sich nur nicht sicher, was er von ihm halten sollte. Hatte er nun gerade einen Verbündeten oder einen neuen Gegner gewonnen?
Die Eingangstür klapperte. "Father McClure kann leider heute nicht kommen. Er muss sich noch für die morgige Messe vorbereiten." hörte er auch schon Scullys Stimme im Flur.
'Na wenigstens ist der Priester nicht dabei.' dachte Mulder erleichtert, und eilte aus dem Wohnzimmer, um Scully zu begrüßen. Er knallte dabei bald mit Bill Scully zusammen, der ihn wütend ansah und ohne einen Gruß an ihm vorbei schritt. Als er im Flur dann auch noch Direktor Skinner begegnete, der ihn durch seine Brillengläser anfunkelte, war Mulder vollkommen bedient und wäre am liebsten wieder gegangen. 'Davon hat Scully natürlich nichts erwähnt.' dachte er verärgert. 'Was sucht Skinner überhaupt hier? Ich habe angenommen, dass es etwas Besonderes ist, hier zum Essen eingeladen zu werden. Aber offenbar hat Mrs Scully das halbe FBI eingeladen. Ich frage mich, wer noch alles kommen wird, Agent Colton oder der ganze Stab von der Pathologie?'
Aber da kam bereits Mrs Scully herein marschiert und bat alle zu Tisch ins große Esszimmer.
Als Mulder sich dann dem Essen widmete, musste er zugeben, dass Scully nicht übertrieben hatte. Der Braten schmeckte großartig. Wenn er nur nicht das Gefühl gehabt hätte alle Blicke würden sich auf Scully und ihn richten. Sogar Skinner schien sie zu beobachten.
Besonders Charles Scully, der ihm fast gegenüber saß, schien jede seiner Bewegungen zu verfolgen. Das bemerkte auch Scully. Um ihren Bruder klar zu machen, dass er damit aufhören sollte, trat sie ihm unter dem Tisch gegen seine Wade und blitzte ihn wütend an, als er daraufhin zu ihr blickte.
Charles lächelte breit und wollte sich für den Tritt revanchieren, so wie er es schon als Kind gehandhabt hatte. Er holte Schwung und trat in ihre Richtung. Allerdings hatte er nicht mit Mulders langen Beinen gerechnet, die weit unter dem Tisch ausgestreckt waren und traf ihn kräftig am Schienbein.
Mulder zuckte schmerzhaft zusammen und verschluckte sich mit seinem Essen. Scully klopfte ihm sofort hilfsbereit auf den Rücken, als ihn ein Hustenanfall schüttelte. Dabei warf sie ihrem jüngsten Bruder giftige Blicke zu. Betreten senkte Charles seinen Kopf über seinen Teller. So tief, dass seine Mutter innerlich empört die Nase über seine Tischmanieren rümpfte.
Bill Scully hatte mitbekommen, was geschehen war und feixte zufrieden, bis ihm seine Frau einen Rippenstoß verpasste. Und Skinner, der sich fragte, was da gerade zwischen Mulder, Charles und Dana Scully abgelaufen war, rieb sich nervös über die Nase.
Nachdem die Hauptmahlzeit beendet war, begann Charles eine Anekdote von seinem ältesten Sohn zu erzählen, um die Stimmung wieder aufzulockern. "Und er hat doch tatsächlich auf den Wunschzettel geschrieben, er möchte so ein Heft mit ganz vielen Frauen drin und das Spiel Tomb Raider 4."
"Komische Weihnachtswünsche haben deine Kinder." lachte Bill. "Also wir haben uns damals andere Hefte angesehen. Meistens Comics."
"Ach und was war dann dieses Playboy-Heft in dem Schubfach, das du immer abgeschlossen hast? Ich bin bis heute nicht dahinter gekommen, wo du das her hattest." konterte Charles.
"Ich war eben schon etwas zu alt für Superman und .... Moment mal, wie hießen doch gleich diese zwei kleinen schlauen Typen, die Dana so geliebt hat?"
"Fix und Foxy!" antworteten Charles und Dana lachend zusammen.
Mulder blieb fast das Herz stehen, als er das hörte. 'Daher also hatte sie das.'
"Ja genau! Fix und Foxy! Ich weiß noch, du hast besonders diesen klugen Fix gemocht." fügte Bill hinzu.
"Ist doch gar nicht wahr, Bill. Ich habe Foxy genauso geliebt." widersprach Scully ihm. Dann wurde sie auf einmal blass und sah schockiert zu Mulder.
Der versuchte sich indessen hinter dem Tisch zu verstecken, was sich durch seine Größe als unmöglich erwies. 'Sie erinnert sich!' dachte er verschreckt.
"Dana, was ist denn? Ist dir plötzlich nicht gut?" fragte ihre Mutter besorgt.
"Nein, Mutter. Ich habe nur gerade an etwas gedacht." erklärte sie. "Ich glaube, Mulder mochte Foxy auch sehr. Habe ich nicht recht, Mulder?" sagte sie wutblitzend in Mulders Richtung.
Mulder nickte nur zaghaft. Dann entschuldigte er sich und stürzte förmlich aus dem Esszimmer.
"Entschuldige mich kurz, Mom. Ich bin gleich wieder da." Sagte nun auch Dana und folgte Mulder eilig. Alle am Tisch sahen sich verdutzt an. Jeder hatte gespürt, dass Scully von einer Sekunde zur anderen unglaublich zornig geworden war, konnten sich den Grund aber nicht erklären. Aber offensichtlich hatte es irgendetwas mit Mulder und dieser Comicfigur zu tun. "Ich möchte jetzt nicht in seiner Haut stecken." dachte Charles mitfühlend.
Mulder stand vor dem Haus und wartete. Er wusste, Scully würde ihm folgen.
"Warum haben Sie mir nichts gesagt?" wollte sie wissen, als sie an ihn herantrat.
Er hatte diese Frage erwartet. Kurz lachte er auf. "Was hätte ich Ihnen denn sagen sollen? Sie hatten Fieber und waren total high durch einen Kräutertee, den Ihnen die alte Elisa Faber zusammen gemixt hat. Und in diesem Zustand führten Sie sich wie ein Kind auf und schlossen Bekanntschaft mit meinem kleinen Freund, dem sie sogar auf den Namen Foxy tauften. Das hätte ich Ihnen erzählen sollen? Ist das Ihr Ernst?"
Scully antwortete nichts darauf. Verlegen sah sie zu Boden. "Was ist sonst noch passiert?"
"Wir waren beide erschöpft und haben geschlafen." erklärte Mulder.
Scully schluckte. "Zusammen?"
Mulder sah sie ärgerlich an. "Für was für einen Typen halten sie mich eigentlich? Glauben sie, ich hätte mich Ihnen aufgedrängt." Seine Stimme wurde lauter. "Verdammt noch mal, Sie waren wie ein kleines Kind. Wie können Sie da annehmen, dass ich Ihren Zustand ausgenutzt habe. Nein, Sie haben alleine geschlafen."
"Aha!" sagte Scully nur, wagte aber nicht ihn anzublicken.
Der ganze Ärger, der sich in den letzten Stunden über das seltsame Benehmen der Scully-Familie ihm gegenüber aufgebaut hatte, kam plötzlich zum Ausbruch. "Sie können ganz beruhigt sein. Ich habe Sie nicht angerührt. Ihr "Eiserne Jungfrau"-Ruf ist noch voll intakt." brüllte Mulder los und rannte zu seinem Wagen. Schockiert stand Scully da. Noch nie hatte sie ihn so reden hören, jedenfalls nicht zu ihr. Unfähig sich zu bewegen, sah sie wie Mulder in seinem Auto davon rauschte.
"Was war denn hier eben los?" fragte Bill, als er auf die Veranda trat. "Dana, hast du was mit dem Kerl?"
Scully drehte sich langsam um und sah ihrem Bruder entschlossen in die Augen. "Und wenn ich eine Affäre mit ihm hätte, so geht dich das nicht das Geringste an, Bill." antwortete sie kalt und ging an ihm vorbei.
"So nicht!" rief Bill und hielt sie am Arm fest. "Du bist meine einzige noch verbliebene Schwester. Und wenn du die Absicht hast dir mit diesem Saukerl das Leben zu ruinieren, geht mich das verdammt viel an. Ich werde jetzt..."
"...endlich deinen Mund halten." beendete Margaret Scully den Satz. "Und jetzt geh wieder rein und lass Dana in Ruhe." befahl seine Mutter.
Entrüstet sah Bill seine Mutter an und wollte etwas sagen. Als er jedoch den ärgerlichen Blick seiner Mutter bemerkte, stakste er stumm ins Haus zurück.
"Danke, Mom." murmelte Scully.
"Nun fahr schon los. Ich denke, du hast jetzt Wichtigeres zu tun, als hier mit deiner Mutter herumzustehen. Ich komme schon ohne dich klar." forderte Margaret Scully ihre Tochter auf.
Erleichtert rannte Scully zu ihrem Wagen, rief ihrer Mutter schnell noch ein "Auf Wiedersehen, ich ruf' dich morgen an." zu und startete ihr Auto, um Mulder hinterher zu fahren.
Kaum war Mulder zu Hause angekommen, zog er sich schnell um, schlüpfte in ein paar Joggingschuhe und rannte in den nahe gelegenen Park. Er brauchte jetzt einen klaren Kopf.
So kam es, dass Scully niemanden antraf, als sie bei seiner Wohnung eintraf. Frustriert fuhr sie zu ihrem Apartment, legte sich auf ihre Couch und wartete auf Mulders Anruf.
Doch kein Telefonklingeln weckte sie aus ihrem unruhigen Schlaf, in den sie Stunden später gefallen war.
Auch am Sonntag hörte sie nichts von ihm. Er war weder unter seinem Telefon noch unter seinem Handy zu erreichen.
Mulder war kurz entschlossen zu Mrs Mulder gefahren, um von allem Abstand zu gewinnen. Doch ihre unpersönliche Art ließ ihn diese unüberlegte Handlung schnell bereuen. Trotz all' der unvergnüglichen Ereignisse im Scully-Haus hatte er dort mehr Wärme und Herzlichkeit zu spüren bekommen als von seiner eigenen Mutter.

Mulder:
'Ich frage mich, ob sie immer noch wütend ist. Wütend auf mich. Gut, sie hat ihren Grund dazu. Aber was hat sie denn erwartet? Sie beschuldigte mich, am Samstag praktisch sie sexuell ausgenutzt zu haben. Dabei ist in Silverstone überhaupt nichts passiert. Ich war der perfekte Gentleman. Auch wenn ich nichts lieber wollte als wieder zurück unter ihre Decke zu kriechen. Ich glaube nicht, dass sie es mir in ihrem damaligen Zustand allzu schwer gemacht hätte, wenn ich versucht hätte sie mit "Foxy" näher bekannt zu machen. Aber als "eiserne Jungfrau" hätte ich sie wohl besser nicht bezeichnen sollen. Als hätte sie nicht schon genug mit dem Klatsch der Kollegen zu kämpfen, die bei ihr abgeblitzt sind und sie nun als frigide bezeichnen. Und nun habe ich mich in die Reihe dieser Trottel eingereiht, indem ich ihr fast das Gleiche vorgeworfen habe. Großartig! Fox Mulder, du bist echt ein Idiot!
Da habe ich nun den ganzen Montag versucht mich bei ihr zu entschuldigen, aber sie hat es vorgezogen, mich zu ignorieren. Heute Morgen ist sie gar nicht erst erschienen, sondern hat nur kurz eine Mail gesendet, dass sie einen wichtigen Termin hat und erst später kommt. Sie hat es mir noch nicht mal persönlich am Telefon gesagt, sondern eine verdammte Mail geschickt.
Gestern habe ich diese Fotos in meiner Wohnung gefunden. Sie musste sie dort hinterlassen haben als ich am Sonntag bei meiner Mutter war.
Dana Scully in einem sexy Bikini! Mir ist fast das Herz stehen geblieben. Für einen Moment habe ich gehofft, dass die Fotos ein Signal sind. Ein Signal von ihr, dass sie bereit ist unsere Beziehung einen Schritt weiter zu führen. Bis mir klar wurde, dass sie damit nur beweisen wollte, dass sie keine eiserne Jungfrau ist, sondern eine wundervolle junge Frau mit einem sexy Körper. Einen Körper, den ich nicht haben kann. Aber halt, vielleicht doch. Sie hat mir in Silverstone schließlich genug verraten. Und Betrunkene sagen immer die Wahrheit. Gut, sie war zwar nicht wirklich betrunken, aber ich glaube unter Rausch Stehende fallen in dieselbe Kategorie. Ich bin "ihr Mulder". Vielleicht wird es Zeit Dana Scully daran zu erinnern!

Da saß ich nun den ganzen Vormittag allein in meinem Kellerbüro und habe mich furchtbar ohne sie gelangweilt. Doch dann kam Diana wie ein rettender Engel. Mit einem Fall von mysteriösen Ufo-Sichtungen. Und ich hatte diese glorreiche Idee Scully mit Diana eifersüchtig zu machen. Ich habe schon häufiger bemerkt, dass Scully recht angespannt auf jedes weibliche Wesen reagiert, mit dem ich beruflich zu tun habe. Aber Diana war sprichwörtlich wie das rote Tuch für einen Stier. Jedes Mal, wenn wir Diana Fowley begegneten, kochte Scully förmlich. So schrieb ich eine Nachricht, auf dem ich ihr einige Infos über den Fall mitteilte und natürlich habe ich erwähnt, dass mich Diana begleitet.
Nun kann ich nur hoffen, dass Scully mir tatsächlich folgen wird und ihr ganzer Zorn in der Zwischenzeit verraucht ist. Und deshalb sitze ich nun eingezwängt in diesem Flugzeug nach Las Vegas.
Ich finde, es ist ein guter Plan. Jedenfalls war ich bis vor ein paar Minuten dieser Meinung. Bevor Diana ihre Sitzposition verändert hat. Sie hat es sich in ihrem Sitz bequem zum Schlafen gemacht. Dabei hat sie ganz zufällig ihren Kopf an meine Schulter gelehnt und im nächsten Monat lag plötzlich ihre Hand auf meinem Oberschenkel. Ich wollte sie erst abschütteln, aber da Diana offenbar schon eingenickt war, habe ich es bleiben lassen. Doch nun hat ihre Hand begonnen zu wandern. Ganz langsam streicht sie über die Innenseite meines Schenkels, immer auf und ab und kommt einer bestimmten Stelle gefährlich nahe. Verdammt noch mal, was denkt sich Diana denn dabei. Glaubt sie etwa, ich bin mit ihr losgezogen, um alte Zeiten wieder aufleben zu lassen? Habe ich ihr denn nicht bereits deutlich klar gemacht, dass Scully jetzt die Frau in meinem Leben ist?! Wenn ich es genau überlege, habe ich das wohl nicht. Ich habe ihr Wort über Scullys gestellt in diesem Gibson Praise - Fall und nun habe ich Scully zurückgelassen und fliege mit ihr zu einem Fall. Kein Wunder, dass sie da falsche Schlüsse zieht. Hoffentlich sieht es Scully nicht genauso.
Oh Gott, langsam wird es mir hier ziemlich unbequem. Als ob dies engen Sitzplätze nicht schon genug Unbequemlichkeit bieten. Warum dauert denn dieser Flug auch so lange? Wir fliegen schließlich nur nach Las Vegas und nicht ans Ende der Welt. Wenn sie jetzt nicht bald aufhört, stehe ich auf und verschwinde auf die Toilette und komme erst wieder heraus, wenn wir in Vegas sind...
Endlich! Wir sollen uns anschnallen. Der Landeanflug beginnt. Diana nimmt ihre Hand von meinem Schenkel und schließt ihren Gurt. Dabei lächelt sie mich schelmisch an.
Tut mir leid, Diana. Aber du kämpfst hier auf verlorenem Posten. Mein Herz gehört einer anderen. Es wird Zeit, dass ich dir das klar mache. Gleich nachher im Hotel.'
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