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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 3

Alexandria
Freitag
23:03 Uhr


Scully war ein Gewohnheitstier. Mulder lag im Bett, widerstand dem Locken des Schlafes und beobachtete die abendliche Routine mit schweren Augenlidern. Jeden Schritt vollführte sie in einer strengen Reihenfolge – erst wurde im Bad alles erledigt, dann wurde der Schlafanzug angezogen, dann wurde das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt. Mulder bemerkte fasziniert, dass die Zähne niemals vor dem Gesicht, der Schlafanzug niemals vor dem Bad drankam. So verrückt sich das auch anhörte, beruhigte ihn diese kleine Stabilität im Fluss seines Lebens.

Scully schlug die Decke zurück und ließ einen kurzen Schwall von kalter Luft rein bevor sie darunter kletterte und sich an seinen warmen Körper kuschelte. Nicht zu warm, stellte sie fest – das Paracetamol welches sie ihm vorher aufgezwungen hatte, schien Wirkung zu zeigen. Mulders rechter Arm legte sich um ihre Schulter während seine andere Hand wie in Trance durch ihr seidiges Haar glitt. Die Enge in ihrer Brust löste sich etwas und sie seufzte zufrieden.

„’s Grey versorgt?“, fragte Mulder, wobei seine Stimme so müde klang wie seine Augen aussahen.

„Mmhm. Er tut mir aber etwas Leid auf der Couch. Wenn Du etwas mehr Platz hättest könntest du das Ding gegen eine Schlafcouch tauschen – er besucht uns ja oft genug.“

Diese Bemerkung war unschuldig gemeint und doch spürte sie wie sich die Muskeln in seinem Arm daraufhin anspannten. „Mehr Platz, Scully? Soll heißen eine andrere Wohnung?“

Scully drehte ihren Kopf und legte ihr Kinn auf seine Brust um ihn verärgert anzustarren. „Ich habe dir gesagt du sollst dir alle Zeit nehmen, die du brauchst, Mulder.Es war nur eine Feststellung, kein geheimer Plan.“

Mulder blickte sie forschend an und entspannte dann wobei Reue seine Misstrauen ersetze. „Okay, ich schätze mal das weiß ich“, gab er leise zu. Da er sich unwohl fühlte fügte er hinzu: „Ich würde mich nicht um Grey sorgen, die Couch ist sehr bequem. Ich habe da immer drauf geschlafen.“

Immer noch verärgert antwortete Scully nicht und die Stille dehtnte sich aus. Ohne das ständige Spiel seiner Finger in ihren Haaren hätte sie fast geglaubt er wäre eingeschlafen. Als er endlich sprach war seine Stimme monoton und maskierte seine tiefen Gefühle.

„Nachdem Sam entführt worden war wünschten meine Eltern sich, glaube ich, dass ich einfach verschwinden würde. Vielleicht weil sie mich dafür verantwortlich machten, dass ich es hatte geschehen lassen, vielleicht weil der Anblick meines Gesichtes sie den Verlust deutlicher spüren ließ – zur Hölle, vielleicht weil ich sie mit meinem Versuch, was ich für meine Schuld gehalten habe, wieder gut zu machen, in den Wahnsinn getrieben habe.“ Mulders Brust schaukelte in einem humorlosen Lachen. „Was auch immer der Grund war, ich glaube, der Lieblingssatz meines Vaters war: Geh mir verdammt nochmal aus den Augen, Fox.“

Scully kniff ihre Augen zusammen um ihre Tränen zurück zu halten und presste die Lippen aufeinander. Tröstende Worte wollten aus ihr heraussprudeln aber sie wusste, dass dies Mulder nur verstummen lassen würde. Stattdessen nahm sie seine Hand von ihrer Schulter und verschränkte ihre Finger mit den seinen.

„Ich denke ich war emotional sehr verwundbar als ich Phoebe kennen lernte und sie zögerte nicht das zu ihrem Vorteil zu nutzen. Alles was ich wusste war, dass mich seit langer Zeit jemand wahrnahm, wenn ich das Zimmer betrat. Ich war Feuer und Flamme und als sie vorschlug eine gemeinsame Wohnung zu nehmen konnte ich mein Glück nicht fassen. Unglücklicherweise für mich hatte Phoebe eine unglaublich kurze Aufmerksamkeitsspanne was Männer betraf. Sechs Monate später stand ich da mit einer Miete die ich nicht bezahlen konnte und Phoebe hatte ihre Langeweile mit Ian Thorne, ihrem Politikprofessor, beendet.“

Mulder seufzte und betrachtete amüsiert wie Scullys Daumen Hieroglyphen auf seinen Handrücken zeichnete. „Diana...“

Er unterbrach sich abrupt als Scullys weicher Körper sich in seinen Armen versteifte. Scully verfluchte ihre unwillkürliche Reaktion auf diesen Namen und sie zwang sich zu entspannen.

„Erzähl weiter.“, bat sie ihn, ihre Worte waren so weich wie eine Kinderdecke.

„Als ich Diana traf war ich noch durch den Wind durch meine Zeit bei VICAP. Ich war nicht in den Abgrund gestürzt, aber zu der Zeit als ich ging hingen meine Zehen so weit über die Kante, dass ich kaum die Balance halten konnte. Diana war die erste Person neben Reggie Perdue die mich nicht so ansah als ob ich jeden Augenblick anfangen würde vor dem Mund zu schäumen und wilde Orakel kundzugeben. Sie war an meiner Seite als ich die X-Akten öffnete und sie glaubte an diese Arbeit.“

*Und an dich*, dachte Scully.

„Es war nicht der wilde Ritt den ich mit Phoebe erlebt hatte, sondern in vieler Hinsicht besser.“, fuhr Mulder fort. „Diana gab mir eine Stabilität im Leben, die ich verzweifelt brauchte. Ich glaube keiner von uns hätte unser Verhältnis als Liebe klassifiziert, aber ich hätte nie erwartet, dass sie so ging wie sie ging. Den einen Tag teilten wir ein Büro und ein Bett und am nächsten schloss sie sich der Anti-Terror-Einheit an und packte ihre Koffer für Europa.“

„Hat sie dir gesagt warum?“, fragte Scully und unterdrückte nur schwer die Wut, die seine Worte in ihr aufkochen ließen.

Mulder zuckte mit den Achseln und sein Gesicht zeigte nur mangelndes Selbstwertgefühl. „Sie sagte sie könne nicht so weitermachen wie bisher, dass sie eine Änderung brauche.“ Er schnaubte verächtlich. „Es war ihre Art mir zu sagen, dass sie die Nase voll von meinem Scheiß hatte.“

„Mulder...“

„Erkennst du das Muster, Scully? Muss ich dir wirklich ein Bild aufmalen?“, unterbrach er sie scharf. „Ich habe in jedem bedeutenden Verhältnis meines Lebens kläglich versagt. Ich will das hier nicht auch vermasseln!“

Scully betrachtete ihn nachdenklich, reichte mit ihrer freien Hand hoch um ihm eine Haarlocke aus den vor Elend grauen Augen zu streichen. „Das wirst du nicht.“

Mulders Augen, die er bei ihrer Berührung geschlossen hatte, öffneten sich und starrten sie wild an. „Ich danke dir für deine Zuversicht, Scully, aber das *weißt* du nicht.“

Obwohl ihr Herz noch durch seine Enthülltung schmerzte, brachte Scully ein echtes Lächeln zustande. Der volle Effekt wurder nur geringfügig abgeschwächt weil ihre Unterlippe zitterte. „Aber ich weiß es, Mulder. Du bist seit sechs Jahren die treibende Kraft in meinem Leben. Wir haben zusammen gearbeitet, gespielt, gelacht, geweint, Familienmitglieder verloren und gewonnen, dem Tod öfter ins Auge geblickt als mir lieb ist. Ich hab deinen Scheiß gesehen, Mulder.“ Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Und was vielleicht noch wichtiger ist, du hast meinen gesehen. Ich werde nirgendwo hingehen, Liebling. Ich bin genau da, wo ich sein will.“

In einer flüssigen Bewegung rollte Mulder sie unter seinen Körper und bedeckte ihre Lippen mit den seinen in einem leidenschaftlichen Kuss. Kichernd, dann stöhnend schlang sie ihre Arme um seinen Hals und ihre Finger in sein Haar. Mulder küsste sie langsam und gründlich und arbeitete sich an ihrem Kiefer entlang bis zu dem Punkt hinter ihrem Ohr vor, der sie verrückt machte, dann nach oben, wo er seine Lippen zärtlich auf ihre Stirn drückte, bevor er seine eigene gegen ihre lehnte.

„Ich liebe dich so sehr, Scully.“, flüsterte er und seine Stimme klang ehrfürchtig. „Ich habe noch nie so etwas für jemanden empfunden. Das ist alles was ich je gewollt habe. Bitte, lass es mich nicht ruinieren.“

Scully schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter und zog ihn in einen weiteren Kuss bevor sie seinen Kopf unter ihr Kinn klemmte. „Keine Chance, Mulder.“, sagte sie rau und strich weiter mit ihren Fingern durch sein Haar. „Ich bin ziemich stur, wenn ich mich mal entschieden habe.“

Er unterdrückte lauteloses Gelächter was in ein Gähnen überging. „Ja, hab ich gemerkt, babe... autsch!“

Scully grinste teuflisch und ließ den Haarbüschel an dem sei gerade gezogen hatte, wieder los und fuhr mit dem sanften Streicheln fort. Mulders Finger bewegten sich unter ihren Pyjama um auf der weichen Haut ihres Bauches zu verweilen.

„Eine eigene Wohnung wäre schön.“, murmelte er.

Das war das, was einem Zugeständnis seinerseits am nächsten kam. Scully drückte ihm einen Kuss auf den Scheitel, sagte aber nichts. Schließlich erschlafften seine Finger und sein Körper lehnte schwerer gegen ihren, als er einschlief. Scully schloss ihre Augen und folgte seinem Beispiel.


Alexandria
Samstag
08:30 Uhr


Grey lauschte den scharfen, abgehackten Hustenstößen in Kombination mit dem Rauschen der Dusche ein paar Minuten lang, bevor er die Zeitung niederlegte und in die Küche ging. Als er endlich eine Tasse Kaffee vorbereitet hatte, war Fox, gekleidet in einer verwaschenen Jeans und einem heidegrauen T-shirt, aus dem Badezimmer gekommen. Als er ihm die Tasse reichte, fiel Grey auf, dass die Farbe des T-shirts die Blässe seines Bruders Haut nur akzentuierte.

„Danke. Wo ist Scully?“, fragte Fox, sank auf die Couch und schnappte sich ein Comic vom Stapel.

„Sie musste kurz in ihr Apartment. Sagte, sie kommt gleich mit ein paar Bagels wieder.“ Grey kaute einen Augenblick lang auf seiner Lippe und warf, als Mulder ohne Erfolg versuchte seinen Husten zu unterdrücken, ein. „Das hört sich nicht gute an, Fox.“

Fox blickte nicht von dem Peanutscomic auf, den er verschlang. „Morgens früh ist es immer schlimm. Das legt sich.“

„Ein Monat ist eine lange Zeit noch nicht über den Berg zu sein, kleiner Bruder. Warum gehtst du nicht mal zum Arzt und lässt dich durchchecken?“

Fox blickte mit zusammengezogenen Augen auf und studierte Greys Gesichts, dann stöhtne er. „Bitte nein. Nicht du auch noch! Scully hat dich angestiftet, oder? Sie hat dich auf die dunkle Seite gezogen.“

„Das ist nicht lustig, Fox, sie macht sich Sorgen um dich.“, wies Grey ihn zurecht aber seine Lippen zuckten amüsiert.

„Weiß ich, ist aber nicht notwendig. Ich hatte ne fiese Erkältung und ich brauche halt etwas, um sie abzuschütteln. Punkt. Es ist nur ein bisschen Husten. Scully macht zu viel daraus.“

„Fox du bist gestern Abend um sieben auf dem Bett eingeschlafen und wir hatten Probleme dich zum Essen zu wecken! Und trotz alledem warst du heute Morgen, als Dana ging, noch immer am Schlafen! Du musst zugeben, dass das nicht wirklich dein Stil ist.“

„Ich bin halt nicht topfit! Ich glaube mich erinnern zu können, dass du mich genervt hast weil ich zu wenig schlafe. Jetzt schlafe ich zu viel!“ Fox knallte die Tasse auf den Tisch, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme defensiv vor seiner Brust.

Grey schluckte seinen eigenen Frust runter und versuchte eine andere Taktik. „Ich versteh nicht warum das so ein Riesending ist. Dana ist besorgt. Ist es zu viel verlangt einen Arzt zu sehen, um sie zu beruhigen?“, fragte er, an die Vernunft appellierend.

Sein Bruder stieß einen leidenden Seufzer aus und lehnte sich nach vorne, Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Nach einem Augenblick sah er auf und Grey bemerkte erleichtert, dass der störrische Ausdruck in seinen Augen fehlte.

„Nein, ist es nicht. Ich will nur nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen.“, erwiderte Fox. Er holte tief Luft und stieß diese dann aus. „Schau mal, ich bin es nicht gewohnt, mich mit der Meinung anderer Leute auseinanderzusetzen, wenn es darum geht wie ich mein Leben führe. Mom und Dad haben sich nach Samanthas Entführung bei allen Entscheidungen enthalten und seitdem bin ich auf mich gestellt.“

Grey nickte langsam und dachte über seine Worte nach. „Fox, wie hast du dich gefühlt, als Dana krank war? Wolltest du nicht an ihren Entscheidungen beteiligt werden?“

Er hatte offensichtlich eine alte Wunde getroffen. Die Finger seines Bruders wurden zu Fäusten und er knurrte. „Wurde ich aber nicht. Scully hat sich geweigert zuzugeben, wenn sie müde war oder Schmerzen hatte. Alles, was sie von sich gab war, dass es ihr *gut* ging.“

Mehr als nur eine vorhergegangene seltsame Konversation sprang in den Fokus und Grey konzentrierte sich auf seine momentare Mission. „Und nun? Lässt du sie ihre eigene Medizin probieren? Geht es darum?“

„Nein!“, protestierte Fox aber Grey sah, dass ihn der Gedanke erschreckte. „Nein, ich liebe sie, ich würde niemals absichtlich...“

„Vielleicht ist es nicht absichtlich, Fox, vielleicht bist du dir gar nicht im Klaren darüber, dass du es tust. Aber es wäre verständlich. Es ist nicht einfach jemand anderem die Schlüssel zu übergeben – glaub mir, ich weiß das! Aber manchmal gehört es dazu sie zu lieben.“

Fox blickte forschend. „Kate?“

Grey leckte sich über die Lippen. „Ja. In meinem Fall war es aber das Umgekehrte von dem was dir bevorsteht. Das ist alles relativ, Geben und Nehmen. Du musst deinen Preis dagegen abwägen, was der Vorteil für den ist, den du liebst. Ich habe letztendlich erkannt, dass Kates Wünsche zu respektieren das Richtige war. Es kostete micht im Gegensatz zu ihrem Gewinn nur wenig.“

Fox schloss seine Augen und seine Finger trommelten nervös über seine Lippen. Grey wusste, dass er an Dana dachte und an die vielen Male, die sie ihn trotz ihrer eigenen Zweifel utnerstützt hatte. Nach einem Moment öffnete er sie und zog eine Augenbraue hoch.

„Du hättest Anwalt werden sollen.“, grummelte er. „Du weißt jedenfalls, wie man einen Fall aufbaut.“

*Hab dich!* Grey jubelte innerlich, aber er reckte sich nur und betrachtete seinen Bruder schwermütig. „Nah. Ich mag es nicht unterbrochen zu werden wenn ich ins Rollen gekomment bin.“

„Sehr witzig. Ich denke ich sollte einen Termin für nächste Woche ausmachen.“, brummte Fox. „Bist du jetzt glücklich?“

Grey grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd. „Es geht nicht darum wie *ich* mich fühle, kleiner Bruder. Es geht darum, dass *Dana* glücklich sein wird.“ Er wackelte mit den Augenbrauen.

Fox verdrehte die Augen und widmete sich wieder seinem Comic, versuchte Greys Stichelei zu ignorieren, aber das leichte Zucken seiner Mundwinkel verriet ihn.
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