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Familienbande V: Vermächtnisse

von Dawn

Kapitel 17

Zimmer 326
Mittwoch
16:25 Uhr


Das Antibiotikum wirkte nicht. Mulders Temperatur schwankte um 41°C, stieg nicht, fiel aber genau so wenig. Er nahm kaum wahr als Elena am Nachmittag seine Therapie durchführte, stöhnte nur schwach als es sehr unangenehm wurde, und trotz ihrer Bemühungen war sein Atmen schlechter geworden und rasselte gewaltig. Brewer versuchte nicht seine Besorgnis zu verstecken, ordnete einen Wechsel des Antibiotikums an und tauschte die Nasenkanüle gegen eine richtige Sauerstoffmaske.

Scully hielt seine Hand und beruhigte ihn mit sanften Worten und Berührungen, wenn er unruhig wurde und fantasierte. Sie schaffte es äußerlich ruhig zu erscheinen obwohl sie spürte, dass sie innerlich zerbrach. Es war ein Wechselbad der Gefühle, einen Augenblick fürchtete sie sich vor dem Anruf des Rauchers und im nächsten erwartete sie ihn ungeduldig. Als Mulders Zustand kontinuierlich schlechter wurde war nur noch das Letzere der Fall und sie konnte es sich kaum verkneifen ungeduldig auf und ab zu tigern.

Grey lungerte an der Schwelle zu Mulders Zimmer herum, ließ Scully den Vortritt wenn Mulder in seinem Schlaf anfing um sich zu schlagen, betrachtete das Ganze mit gehetzten Augen. Sein Problem mit Mulders Krankheit umzugehen berührte sie und machte sie gleichzeitig zornig. Es tat ihr Leid für ihn, aufgrund der unvermeidbaren Erinnerungen an seine sterbende Frau. Aber seine Passivität vergrößerte ihre Belastung nur und sie machte sich Gedanken darüber ob Grey fähig war in ihre Fußstapfen zu treten wenn sie fort war.

Elena öffnete Mulders Zimmertür einen Spalt um den Kopf herein zu stecken. „Dana? Sie haben einen Anruf. Sie können ihn auf der Schwesternstation entgegen nehmen.“

Sie wusste, dass er es war. Dieses Wissen rauschte durch ihren ganzen Körper und sie spürte wie sich jedes einzelne Härchen aufstellte. Plötzlich verschränkte sie ihre Finger mit Mulders und schien nicht wieder loslassen zu können. Langsam erhob sie sich und nach kurzem Zögern warf sie alle Vorschriften aus dem Fenster und zog ihre Maske herunter. Die Hitze von seiner Stirn versengte ihre Lippen aber es war das süße Gefühl seine Haut gegen ihre zu spüren das ihr die Tränen in die Augen trieb.

„Halt durch, Liebling.“, murmelte sie und drückte ihm einen zweiten Kuss auf die Wange. „Ich werde stinksauer sein, wenn ich meinen Hals umsonst riskiere.“

Scully löste sich von ihm – eine einfache Bewegung von Knochen und Muskeln, aber tief in ihr verspürte sie einen stechenden Schmerz, als ob etwas heraus gerissen würde. Eine Hand an die Tür gelegt, hielt sie inne und nahm Blickkontakt mit Grey auf, dann ging sie durch die Tür ohne sich umzublicken.

Ihre Hände zitterten als sie sich von Kittel, Maske und Handschuhen befreite und dann schnell zu dem genannten Telefon ging.

„Scully.“

„Agent Scully. Haben Sie sich dazu entschlossen mein Angebot anzunehmen?“

Scully verzog die Lippen. „Ich denke Sie kennen die Antwort auf diese Frage bereits.“, echote sie sarkastisch.

Düstere Belustigung in den Atemzügen – Antithese eines Lachens. „Gut. Nehmen Sie den Aufzug hinunter bis aufs Parkdeck. Jemand wird Sie dort treffen.“

Die Leitung war unterbrochen bevor sie eine Antwort formulieren konnte. Scully legte den Hörer auf und drehte sich um. Der große Schatten, der hinter ihr lauerte entlockte ihr einen Laut bevor sie Grey erkannte.

„*Tu* das nie wieder! Wegen dir krieg ich noch nen Herzinfarkt!“, fauchte sie und zog verärgert ihre Augenbrauen hoch.

Grey trat einen Schritt zurück und hielt die Hände entschuldigend hoch. „Sorry. Ich dachte du hättest gehört, dass ich dir gefolgt bin. Darf ich annehmen, dass er das war?“

Scully nickte und wollte gerade zur Erklärung ansetzten, besann sich aber eines besseren. „Ich muss gehen.“, sagte sie und quetschte sich an ihm vorbei auf dem Weg zum Aufzug.

Grey fasste ihren Arm und unterbrach so ihre Bewegung. „Dana, warte. Nur... nur einen Augenblick.“

Ihre eigene Nervosität in Kombination mit Greys Einmischung und der Tatsache, dass er sie festhielt, fachte ihren Ärger an und sie riss sich etwas heftiger los als nötig gewesen wäre.

„Warum? Aus welchem Grund? Wir haben alles gesagt, was gesagt werden musste, Grey. Ich habe mich entschieden und ich muss jetzt gehen. Du hast mir dein Wort gegeben.“

Grey drehte kleine Kreise vor ihr und wrang seine Hände. „Das war bevor ich gesehen habe wie du dich von meinem Bruder verabschiedet hast als ob du ihn nie mehr wieder sehen würdest.“

Scully wand ihre Augen ab, unfähig diese Beobachtung zu widerlegen. „Ich werde ihn *nicht* ohne einen Kampf gehen lassen. Bitte mach das hier nicht noch schwerer als es ohnehin schon ist.“

„Das will ich nicht... ich will nur...“ Grey fluchte leise und packte sie erneut, diesmal um sie fest zu umarmen.

Scully genoss es einen Augenblick lang, seine Wärme zu spüren und das Gefühl der Sicherheit um das eisige Vakuum, welches Spenders Stimme geschaffen hatte, loszuwerden. Viel zu früh wand sie sich aus seinen Armen und klimperte mit den Augen.

„Pass auf ihn auf. Er muss wissen, dass du bei ihm bist und dich nicht irgendwo im Zimmer versteckst. Du musst dafür sorgen, dass er weiter kämpft bis ich wieder da bin.“

„Das werd ich.“ Seine Stimme war fest, aber voller Emotionen.

Scully ging zu den Aufzügen und drückte auf den Knopf. Sie spürte, dass Grey sie beobachtete, seine einsame Gestalt in ihrem peripheren Blickfeld eingebrannt, aber sie starrte resolut nach vorne bis die Türen sich öffneten und sie eintreten konnte. Steif stand sie ganz hinten in der Kabine und vermied Blickkontakt mit dem älteren Paar, das sich gut gelaunt unterhielt, und mit dem Angestellten, der an seinem Pager herumfummelte. Als der Aufzug im Keller ankam war sie der alleinige Passagier und ihre Schritte hallten hohl wider als sie ausstieg.

„Mitfahrgelegenheit gefällig?“

Sie erstarrte, nicht wirklich überrascht die Stimme zu kennen. Sich langsam herumdrehend erblockte sie eine in Leder gekleidete Gestalt, die im Schatten eines kaputten Lichtes an einen Betonpfeiler gelehtn war. Wie immer war Scully von der Gegensätzlichkeit des Mannes beeindruckt – ein unschuldiges Gesicht, dass die Seele seines Killers verbarg. Sie näherte sich und erlaubte der Dunkelheit auch sie zu verschlucken.

„Ich schätze das beantwortet die Frage wer Sie im moment an der Leine hat, huh, Krycek?“

Wenn ihr Stachel traf zeigte Krycek es nicht. „Ja nun, Sie wissen ja was man über den Anschein sagt“, antwortete er windig. Er richtete sich auf und drang in ihren persönlichen Raum ein. „Sind Sie bewaffnet?“

„Nein. Ich wusste, dass ich das nicht behalten dürfen würde und eine verlorene Waffe bedeutet eine Menge Papierkram. Abgesehen davon verliert Mulder genug Waffen für uns beide.“

Krycek grinste aber seine Augen blieben kalt. „Ihnen ist klar, dass ich das überprüfen muss.“

Scully biss die Zähne zusammen, streckte ihre Arme aus und starrte einen Riss im Beton an, der aussah wie eine Möwe, während Krycek sie filzte. Zu seiner Ehrenrettung und ihrer Erleichterung blieb er dabei professionell. Als er zufrieden war nickte er zum Südende des Parkhauses.

„Da lang.“

Scully ging erhobenen Kopfes in die angezeigte Richtung, ihr Mund so trocken wie altes Brot. Sie fühlte sich verletzlich, ausgeliefert und ihre Nackenhaare waren samt ihren Sinnen hyperaufmerksam. Der ätzende Geruch von Abgasen. Das entfernte Quietschen von Gummi auf Beton. Die kühle, feuchte Luft die an ihr klebte wie eine zweite Haut. Und Krycek, der katzenartig auf Attentäterfüßen hinter ihr her schlich.

„Genau hier.“

Scully stoppte neben einem pechschwarzen Liefervan und wartete bis Krycek die Schiebetür entriegelt hatte und sie hereinwinkte. Das Blut pochte in ihren Ohren als sie in das düstere Innere krabbelte und zur Seite rutschte als Krycek ihr folgte. Als sie sich eng gegen die kühle, stählerene Wand presste, schloss Krycek die Tür und schaltete das Licht ein. Das Innere verwandelte sich in das unheimliche grell und dunkel eines Spukhauses, sein Gesicht wie die Maske eines Phantoms. Er fummelte in seiner Jackentasche und holte eine kleine, verschlossene Spritze mit einer klaren Flüssigkeit hervor. Scullys Magen sank ihr bis zu den Zehen.

„Was ist das?“ Sie hasste den Klang ihrer Stimme, schrill vor Panik.

„Ich dachte, Sie wären Ärztin.“, erwiderte Krycek schnippig. „Was glauben Sie denn? Sie haben doch sicher nicht erwartet, dass ich Sie chauffiere während Sie sich die Gegend angucken, oder?“

„Keine Drogen. Fesseln Sie mich, verbinden Sie mir die Augen – ist mir egal.“

Krycek schien tatsächlich mit ihr zu fühlen, sein Pokerface löste sich etwas. „Scully, darüber kann ich nicht verhandeln. Er hat es klar gemacht, dass ich kein Risiko eingehen soll und was mich erwartet, wenn ich das hier vermassel. Selbst wenn ich Sie fesseln würde, könnten Sie schätzen wie weit wir gefahren sind. Ich muss Sie betäuben, sonst gilt der Handel nicht.“

Scully knabberte an ihrer Lippe. „Okay, aber ich brauch noch ne Minute.“

Sie schloss die Augen, beruhigte ihre Atmung und sammelte sich. Sie rief sich Bilder von Mulder vors innere Auge – rot und verschwitzt nach einem langen Lauf, das Gesicht animiert und die Hände wild gestikulierend über einen neuen Fall, die Augen dunkel und die Lider schwer vor Verlangen. Bevor die Wärme in ihrer Brust abkühlen konnte rief sie sich auch Bilder von vor zehn Minuten brutal ins Gedächtnis – aschfahl, dünn und fiebrig. Sie öffnete ihre Augen, sah Krycek ruhig an und streckte ihre Hand aus.

„Hier, lassen Sie mich das tun, dann gibts wenigstens keine blauen Flecken.“


Zimmer 326
Mittwoch
18:33 Uhr


Als Grey Skinner bemerkte, der vor dem Fenster herum schwirrte, schaffte er Blickkontakt und hielt einen Finger hoch. Fox, der zwischen Delirium und Halbschlaf hin und her schwankte, war im Moment im letzteren Zustand. Grey war sich nicht sicher, was schlimmer war – der mitleiderregende Anblick seines Brudes, wenn er Albträume durchlebte oder wenn er so tief schlief, dass nur sein schnaufendes nach Luft schnappen bewies, dass er lebte. Er zog seine Hand aus der seines Bruders und steckte diese unter die Decke, stand dann auf und streckte beide Hände hoch über den Kopf hinaus um seine steifen Muskeln zu lockern.

Skinner hielt ihm die Tür auf als er heraustrat und beobachtete ernst wie er die sterile Kleidung ablegte bevor er zum Sprung ansetzte.

„Was geht hier ab? Wo ist Scully?“

Grey fuhr sich mangels Kamm mit den Fingern durch das von Schweiß feuchte und lockige Haar. „Auch dir ein Hallo, Walt.“ Da Skinner ungerührt blieb, seufzte er. „Wie kommst du darauf, dass etwas nicht stimmt?“

„Sie ist nicht in ihrer Wohnung, Mulders, oder im Büro und obwohl ihr Auto hier geparkt ist, scheint es niemanden zu geben der weiß wo sie ist.“, knurrte er. „Nun könnte es eine vernünftige Erklärung dafür geben, aber sie geht auch nicht an ihr Handy – eine Tatsache die ich höchst beunruhigend finde, besonders in Bezug auf Mulders Zustand. Hast du sie gesehen?“

Innerlich verfluchte Grey Dana Scully, weil sei ihn so im Wind hatte hängen lassen. „Ich hab sie vor ein paar Stunden gesehen. Sie sagte sie müsse sich um etwas kümmern.“

„Hat sie sich nicht präziser ausgedrückt?“

Grey wand sich. „Sie sagte, es sei etwas um das sie sich alleine kümmern müsse.“

Seine Halbwahrheit schaffte es nicht Skinners Sorgenfalten zu glätten. „Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Scully würde sich nie so von aller Welt abschneiden, besonders nicht jetzt.“ Er griff nach seinem Handy und ließ es nach einem ermahnenden Blick einer Schwester wieder in seine Tasche gleiten. „Ich muss ein Telefon finden.“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Grey. „Vielleicht wissen die drei Clowns wo sie ist.“

„Walt. Warte.“

Greys leiser Befehl ließ Skinner erstarren. Grey verschränkte seine Arme und studierte seinen linken Schuh, wobei er sich darüber im Klaren war, dass er eine defensive Haltung eingenommen hatte, war aber nicht fähig das zu unterdrücken.

„Ich weiß wo sie ist.“

Skinner zog die Augenbrauen zusammen und schaute finster drein. „Und warum zur Hölle lässt du mich hier stehen und erzählen wie besorgt ich bin?“

Grey sah auf und absorbierte resolut die Wut in Skinners Blick. „Weil du es nicht mögen wirst.“

„Rede!“

„Der Raucher –Spender – wie auch immer du diese schleimige niedermenschliche Lebensform nennen willst, hat ihr einen Deal angeboten.“

Skinner lachte, ein bitteres, freudloses, verzweifeltes Geräusch. Bei all den unterschiedlichen Reaktionen auf die er sich vorbereit hatte war ein Lachen noch nicht einmal auf der Liste gewesen. Greys Kinnlade fiel.

Skinner schüttelte langsam den Kopf. „Hast du schon jemals das Gefühl gehabt, das unser aller Leben nur eine Serie von Ereignissen ist die sich endlos wiederholt? Das wir uns in einer Art kosmischen Kreis bewegen und dazu verdammt sind immer wieder da aufzutauchen wo wir angefangen haben?“

Verblüfft und extrem besorgt von Skinner uncharakteristischem Verhalten suchte Grey nach einer Antwort. „Walt, ich...“

Skinner fiel ihm ins Wort. „Geh ich richtig in der Annahme, dass dieser *Deal* ein Heilmittel für Mulder beinhaltet?“

„Er sagte ihr er könne ein Serum mit den Antikörpern in ihrem Blut machen.“

„Und sie *glaubt* ihm das?“

Grey zuckte hilflos mit den Achseln. „Hat Dana dir gesagt woran ich mich heute morgen erinnert habe?“

Skinner nickte ungeduldig, eine ruckhafte Bewegung seines Kopfes.

„Er hat ihr gesagt, dass die Chemo Fox umbringen würde. Sagte, dass ihr Abenteuer mit dem Riesenpilz vor ein paar Monaten seine genetisch fabrizierte Immunität beschädigt hätte und dass ein weiterer Kontakt mit einer giftigen Chemikalie ihm den Rest geben könnte. Dana sagte, dass es passen würde, dass es alles Sinn mache. Und ohne die Chemo... Es ist seine einzige Chance, Walt.“

Skinners Augen zogen sich zusammen. „Du hast das *zugelassen*? Hast du auch nur eine Ahnung was sie mit ihr während dieser goldenen Möglichkeit anfangen, die ihnen auf dem Silbertablett serviert wurde?“

„JA! Und sie wusste es auch! Meinst du nicht, dass das etwas in den Hintergrund gerät wenn Fox auf der anderen Seite dieser Tür im Sterben liegt? Glaubst du wirklich, dass ich sie hätte stoppen können? Ich hätte es selber gemacht, wenn sie mir die Chance gegeben hätten.“

Grey holte aus und schwang seine Faust Richtung Wand, brach diese Bewegung erst im letzten Moment ab. Stattdessen streichelte er über die Wand und er lehnte seine Stirn gegen das glatte Fenster und schloss die Augen. In sein Elend versunken nahm er kaum die Hand, die sich auf seine Schultern legte, wahr.

„Das war unangebracht von mir.“

Nicht zögernd oder zerknirscht – ein einfaches Tatsachenstatement.

Grey nahm die Entschuldigung an indem er ein Auge öffnete. „Sie will nicht, dass er es erfährt, Walt. Ich musste ihr versprechen ihm nichts zu sagen.“

Skinner schnaubte. „Viel Glück. Wenn er bemerkt, dass sie nicht da ist...“

Das Auge schloss sich wieder. „Im Moment kann ich seine Hand halten und er weiß noch nichtmal, dass ich da bin.“

Skinner blickte durch das Glas auf Mulders schlaffes Gesicht. „Es tut mir Leid, Grey. Kann ich irgendetwas tun?“

„Bete.“, sagte Grey tonlos. „Der Rest liegt in Danas Hand.“
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