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Das Licht und die Dunkelheit

von Martina Bernsdorf

Kapitel 3

Friedhof von Dark Manor
Blackstone, Virginia
30.10.1997 - 4.00 Uhr morgens

Dunkelheit und Tod beherrschte diesen Ort, der Strahl der Taschenlampen schien nach wenigen Metern von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Mulder sah, wie sein Atem kleine Wölkchen in der kühlen Nachtluft schuf, Nebel wallte über den Boden, die Stille wurde nur von dem Geräusch des Windes in den knorrigen, alten Eichen durchbrochen, ein trauriger, unheimlicher Gesang.
Scully leuchtete ihrem Partner, während er sich an dem Öffnungsmechanismus zu schaffen machte, ihr Blick wanderte hektisch über den Friedhof, fast in der Erwartung, irgendwo verhüllte Gestalten mit Kerzen in den Händen ausmachen zu können. Der ganze Ort wirkte unwirklich, surreal, wie aus einem Alptraum, Scully hätte sich nicht gewundert, wenn sie im nächsten Augenblick in ihrem Bett aufgewacht wäre. Aber es war kein Traum, vielleicht wäre alles leichter gewesen, wenn es nur ein Alptraum gewesen wäre, der im Licht der Sonne keinen Bestand hatte und bald vergessen sein würde.
„Ich habe es!“ Mulders Stimme klang gedämpft triumphierend, und das Knirschen der Türe, als sie sich öffnete, unterstrich seine Worte. Dunkelheit gähnte ihnen wie ein schwarzes Loch entgegen. Mulder zögerte und leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Gruft, der Geruch, der ihm entgegenströmte, war widerlich, schwach metallisch süß, faulig und mit seltsamem Kräuterduft vermischt. Niemand konnte ihm sagen, daß dieser Ort seit 1790 nicht mehr betreten worden war.
Der Strahl der Taschenlampe entriß der Dunkelheit nur einen winzigen Ausschnitt, spiegelblanker heller Marmorboden, durchzogen von schwarzer Steinmaserung, fast wie schwarze Adern auf einer weißen Haut. Mulder trat in die Gruft, und nach einem kurzen Zögern folgte Scully ihm, ihr Atem ging schnell, so als sei sie eine lange Strecke gerannt. Der Strahl ihrer Taschenlampe zuckte hektisch über die Wände der Gruft.
„Schauen Sie sich das an, Scully.“ Mulder leuchtete auf den Boden, dort waren einige dunkle Spritzer auf dem Marmor zu erkennen, altes Blut. Der Strahl ihrer Taschenlampen entriß der Dunkelheit hohe, grotesk gebogene Kerzenständer, in denen schwarze Kerzen steckten. In Schalen lagen Kräuter bereit. Scully ging näher an die Schalen heran, berührte mit ihrer behandschuhten Hand ein zermahlenes Pulver und roch dann daran, sie zuckte heftig mit den Kopf zurück. „Puh, ich schätze, das dürfte Meskalin sein.“ Sie leuchtete mit der Taschenlampe in die anderen Schalen. „Ich denke, daß hier mehr Drogen herumliegen, als man auf einer Hippyparty der 70er Jahre hätte finden können.“
Mulder trat an ihre Seite. „Meskalin ist eine bewußtseinserweiternde Droge, nicht?“
Scully nickte im Schein seiner Taschenlampe. „Ja, wenn sie diese Dinge hier alle verbrannt haben, würde es mich nicht wundern, wenn sie den Teufel gesehen haben. Halluzinationen unter solch einen Drogengemisch dürften nicht ungewöhnlich sein, das schließt mich selbst ein, Mulder. Ich kann mich nicht erinnern, was hier geschehen ist, aber selbst wenn ich es könnte, wüßte ich wohl nie, ob es nicht nur eine Halluzination gewesen ist.“
Mulder ließ den Strahl seiner Taschenlampe zu dem Sarkophag wandern. „Das ist auf keinen Fall eine Halluzination!“ Der Strahl wanderte weiter zu dem umgedrehten Kreuz an der Wand dahinter. „Genausowenig wie dies hier.“
Scully trat zögernd näher, ein Schatten auf den Boden erschreckte sie, und sie leuchtete zur Decke, dort wo durch eine Öffnung das Licht des Mondes schien, ein Pentagramm war so eingefügt, daß der Schatten, der auf den Boden geworfen wurde, genau die Form eines Pentagrammes aufwies. Sie konnte sich fast an diesen Schatten erinnern, fast daran, daß er eine besondere Bedeutung gehabt hatte. Scully drängte sich näher zu Mulder und trat ihn versehentlich auf den Schuhabsatz, ihr Partner beklagte sich nicht, sondern schien von dem altarähnlichen Sarkophag vollkommen fasziniert zu sein.
„Was für ein Material ist das?“ Mulders Finger wanderten über den kühlen schwarzen Stein, der bis auf das große Pentragramm ohne Verzierung war.
Scully berührte den Stein nicht. Fetzen von Erinnerungen trieben durch ihren Verstand, wie Eisschollen auf einem arktischen Meer, ebenso kalt. Ein Säugling war auf diesen Stein gelegen, ein Dolch in ihrer Hand, dunkle Augen und die Stimmen, die sie beschworen zuzustechen, zu töten. Die Hand auf ihrer Schulter, der Dolch, der einen Finger abtrennte, das Blut und die kopflose Flucht.
„Ich glaube, wir haben genug gesehen, Mulder, um eine einstweilige Verfügung zu erwirken.“ Scully wollte weg von diesem Ort, der Fluchtimpuls war fast so stark wie vor zwanzig Jahren.
Mulder hätte sich gerne noch weiter umgesehen, aber er hörte die Furcht in der Stimme seiner Partnerin und nickte, er würde später noch Zeit haben, um diese Gruft näher in Augenschein zu nehmen. Er wandte sich zu Scully um, als er das Knurren hörte, seine Nackenhaare stellten sich bei dem Geräusch auf, und er blickte zu seiner Partnerin, die bleich in eine Ecke deutete. Augen glühten in der Dunkelheit, und Mulder fühlte, wie er erstarrte, es kostete ihm Mühe, die Taschenlampe auf das Wesen zu richten, und er wußte nicht, ob er erleichtert war, als er sah, daß es kein Dämon war, sondern ein Hund. Allerdings war das Fell des großen Tieres unbekannter Mischung gesträubt, Schaum klebte um seine Lefzen, es bleckte die Zähne, und Mulder schluckte trocken. Als Kind hatte ihn einmal ein Hund gebissen, es war nur der Zwergpudel seiner Tante Rosie gewesen, aber es hatte ihm einen gesunden Respekt vor Hunden gelehrt.
„Hinter Ihnen ist noch einer.“ Scullys Stimme war gefaßt und kühl, sie zog langsam, jede hektische Bewegung vermeidend, ihre Dienstwaffe, Mulder folgte ihrem Beispiel. Er sah im Dunkeln noch einen Schatten durch die Türe schlüpfen und noch einen weiteren. „Es sind mindestens fünf Hunde, Scully.“ Er fühlte seine Partnerin hinter sich, sie standen nun Rücken an Rücken, von Schatten umlauert, einzig die Augen glühten in der Dunkelheit und leuchteten unheimlich, wenn der Strahl der Taschenlampe Licht auf der Iris reflektierte.
„Heißt es nicht, die Hölle würde von einem dreiköpfigen Hund bewacht?“ Mulders Stimme klang mühsam beherrscht.
„Ich habe nicht gesehen, daß einer der Hunde mehr als einen Kopf hat, Mulder, aber auch das reicht eigentlich schon.“ Scully versuchte einen Schatten zu fixieren, aber die Hunde bewegten sich zu schnell in der Gruft, und ihre Anzahl war inzwischen nicht mehr zu schätzen.
„Aber es gibt Legenden von Höllenhunden, davon daß Hunde in satanistischen Ritualen benutzt wurden, daß sie ihren dämonischen Meister schützen.“ Mulder versuchte einen Schritt in Richtung der Türe zu machen, aber das drohende Knurren ließ ihn wieder zur Bewegungslosigkeit erstarren.
„Ich glaube nicht, daß dies die richtige Umgebung für so eine Diskussion ist, Mulder“, zischte Scully ärgerlich, sie wollte sich nicht Angst machen lassen, es waren wilde, streunende Hunde, keine Schutzgeister eines Dämons, an diesen Gedanken klammerte sie sich fest, aber es war schwer, wenn ihr Partner alles tat, um diese These zu untergraben.
„Wir können kaum hier stehenbleiben, bis der Tag anbricht.“ Mulder hatte das Gefühl, schon eine halbe Ewigkeit Rücken an Rücken mit Scully in der Mitte der Gruft zu stehen, der seltsame Geruch der hier verbrannten Kräuter und Drogen benebelte seinen Verstand, er fühlte sich benommen.
Ein Körper prallte gegen ihn, haarig und stinkend nach nassem Fell und fauligem Atem, Mulder wurde zu Boden geschleudert, seine Dienstwaffe schlitterte über den glatten Marmor, und er bekam gerade noch rechtzeitig den Unterarm vor sein Gesicht, so daß sich die Kiefer des Hundes um seinen Arm schlossen und nicht um seine Kehle oder sein Gesicht.
Der Schuß hallte laut in der Gruft, und der schmerzhafte Druck auf seinen Unterarmknochen löste sich, als der Hund mit einem Jaulen von ihm geschleudert wurde und sich irgendwo in die Finsternis verkroch.
Scully wirbelte herum, sie fühlte den Luftzug in ihrem Rücken, sah einen der Hunde auf dem Sarkophag stehen, sprungbereit, sie wußte, daß sie niemals rechtzeitig die Waffe herumreißen konnte, um ihn zu treffen, ehe er sie ansprang, aber er sprang nicht.
Ihr Blick huschte wild über die versammelten Schatten, warum griffen sie nicht an? Sie sah, wie einer der Hunde in die Richtung drängte, in der Mulder lag, und vertrat ihm den Weg. Der Hund knurrte tief in der Kehle, jaulte dann aber überrascht auf, klemmte den Schwanz zwischen die Hinterbeine und wich zurück. Scully wußte nicht, was hier eigentlich passierte, die Hunde waren so viele, daß sie in einem gemeinsamen Angriff Mulder und sie zerfleischen konnten. Aber ihr Angriff hatte allein ihrem Partner gegolten. Sie wich weiter zurück, bis sie mit ihren Schuh gegen Mulder stieß. Scully wagte es nicht, sich umzudrehen. „Alles in Ordnung, Mulder?“ Ihr Partner stöhnte und kam wieder auf die Beine. „Mehr oder weniger.“
„Bleiben Sie hinter mir, Mulder, ich weiß nicht, warum, aber sie greifen mich nicht an.“
Mulder schielte über Scullys Schulter hinweg zu den Hunden, er hatte seine Taschenlampe verloren und auch seine Waffe. „Wir verlassen jetzt diese Gruft, Mulder, bleiben Sie immer hinter mir und machen Sie keine abrupten Bewegungen.“
„Ich werde wie Kaugummi an Ihnen kleben, Scully.“ Sie fühlte Mulder an ihrem Rücken, und daß er seine Worte so gemeint hatte, er rückte so dicht an sie, daß sie seine Körperwärme durch ihren Mantel fühlen konnte. Langsam, Schritt für Schritt wichen sie zurück, Mulder hinter Scully, und schließlich ließen sie die Türschwelle hinter sich.
„Sie hätten besser auf mich gehört!“ Die Stimme des Dekans ließ Scully ihre Waffe auf ihn richten. Der Mann im Dunkel hob seine Hände, und der Strahl seiner Taschenlampe leuchtete nun in den Himmel.
„Ich habe das Licht der Taschenlampen gesehen, ich werde den Anwalt, der die Angelegenheiten von Dark Manor vertritt, beim FBI eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie anstreben lassen. Zusammen mit dem Vorwurf der vorsätzlichen Beschädigung von Eigentum von Dark Manor, welches zudem unter Denkmalschutz steht.“
Scully steckte ihre Waffe wieder unter ihren Mantel in die Halterung an ihren Gürtel. „Tun Sie sich keinen Zwang an, Dekan Mealas. Sie werden morgen genug zu erklären haben. Auch was diese wilden Hunde auf dem Gelände von Dark Manor zu suchen haben.“
Dekan Mealas lächelte schmal. „Hunde, Agent Scully? Es gibt keine Hunde auf diesen Anwesen.“
Mulder schüttelte seinen Arm im Licht der Taschenlampe, einige Blutspritzer trafen die Schuhe des Dekans. „Und mich hat wohl eine Schlaflaus gebissen, oder wie erklären Sie das?“ Er deutete auf den zerfetzten Ärmel seines Mantels. „Da drin ist ein Haufen der verdammt teuflischsten Hunde, die ich je gesehen habe.“ Mulder deutete anklagend zu der Türe. Der Dekan näherte sich langsam, ein zynisches Lächeln auf den Lippen. „Ich wollte immer einmal wissen, wie es in der Gruft aussieht.“ Er leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein und lachte leise. „Ich kann auf jeden Fall keine Hunde entdecken, Agent Mulder, sind Sie sich sicher, daß Sie sich nicht irgendwo geschnitten haben? Einbruch ist ja immer ein wenig gefährlich.“
Mulder trat an die Seite des Dekans, im Licht seiner Taschenlampe war kein Hund zu sehen, nur seine Taschenlampe und seine Dienstwaffe lagen auf dem Boden. Der Dekan trat in die Gruft, hob die zwei Gegenstände auf und reichte sie Mulder mit einem ironischen Grinsen. „Das scheinen Sie verloren zu haben, Agent.“
Heftig nahm Mulder die zwei Gegenstände an sich.
„Nun, angesichts der Tatsache, daß Sie verletzt sind, Agent Mulder, wäre es vielleicht angebracht, daß Sie beide mit zum Haupthaus kommen. Dort kann Ihre Partnerin Sie verarzten und Sie können über das Telefon Dark Manors verfügen, um die Schritte einzuleiten, die Sie für nötig halten, ich werde derweil meine Schritte einleiten.“

***

Dark Manor Internat
30.10.1997
5.30 Uhr

„Autsch“, Mulder gab einen protestierenden Laut von sich, als Scully großzügig Jod über die tiefen Bißspuren an seinem rechten Unterarm goß.
„Stellen Sie sich nicht so an, Mulder, nicht jeder wird von einem nicht existierenden Hund gebissen.“ Scully lächelte leicht; als sie in den Augen ihres Partners Wut auffunkeln sah. Sie tupfte die Wunde ab und verband sie geübt. „Dekan Mealas kann ja viel erzählen, Mulder, aber das hier ist ein Hundebiß, das kann niemand bestreiten, es muß also auf dem Gelände der Schule wilde Hunde geben, allein das dürfte schon reichen, um sie erstmal zu schließen. Aber wir haben ja noch mehr, jeder, der diese Gruft sieht, wird die Schule ohne weiteres schließen, und Dekan Mealas wird sich sehr vielen unangenehmen Fragen stellen müssen, Anwalt hin oder her.“
Mulder betastete den Verband um seinen Arm und schloß probeweise die Faust. „Hatten Sie Erfolg bei Richter Jordan?“ Scully verzog das Gesicht. „Er war ausgesprochen ärgerlich darüber, um diese Uhrzeit geweckt zu werden. Wir können ab 9.00 Uhr auf dem Amtsgericht von Blackstone die einstweilige Verfügung abholen.“
Mulder nickte zufrieden. „Wir sollten Direktor Skinner Bericht erstatten, ehe er die Klage von Mealas´ Anwalt auf den Tisch liegen hat, damit er weiß, auf was wir hier gestoßen sind.“
Scully nickte müde, etwas, das Mulder keinesfalls entging. „Nun ja, ich kann das ja genausogut allein tun, Sie könnten sich solange ein wenig hinsetzen und ausruhen.“ Er bemerkte Scullys mißtrauischen Blick, der so viel aussagen sollte wie: Behandeln Sie mich nicht, als sei ich ein rohes Ei. Mulder zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Nachdem Sie Ihren Partner vor einer Horde wilder Höllenhunde gerettet haben, steht Ihnen doch eine Ruhepause zu, Scully.“
Sie lächelte leicht und trat mit ihm aus dem Krankenzimmer, das in einem Klassenraum mündete, sie setzte sich an den Lehrertisch in den bequemen Stuhl dahinter und nickte. „Das Telefon steht einen Stock tiefer, dritte Türe von rechts, Mulder.“
Ihr Partner nickte und ging mit einem Winken aus dem Zimmer.
Scully legte die Füße auf den Tisch und lehnte sich in dem Stuhl zurück, sie hatte Kopfschmerzen. Das Adrenalin, das in der Gruft freigesetzt worden war, verließ langsam ihren Körper und hinterließ eine bleierne Müdigkeit.
Das Piepsen eines Computers riß sie aus dem Halbschlaf, in den sie fast gefallen wäre, Scully ließ die Füße wieder auf den Boden plumpsen und sah sich aufmerksam um. Der Klassenraum war leer, jeder Tisch war mit einem Computer bestückt, auch der Schreibtisch des Lehrers, hinter dem sie saß, das Piepsen stammte von diesem Gerät. Vielleicht war sie an die Tastatur gekommen und hatte den Stand-by-Modus des Computers wieder eingeschaltet.
Der grüne Curser auf schwarzem Grund blinkte rhythmisch. Scully gähnte verhalten und fragte sich, ob Skinner in dem Moment Mulder die Hölle heißmachte, sie wußte, daß der stellvertretende Direktor des FBI nicht unbedingt erpicht darauf war, Anklagen gegen seine Agenten auf seinem Schreibtisch zu finden, und daß solche Mitteilungen um 5.00 Uhr morgens nicht gerade gut aufgenommen wurden.
„Ich habe auf dich gewartet, zwanzig Jahre lang, Dana Scully.“
Scully wäre fast aus dem Stuhl gesprungen, als die Worte auf dem Bildschirm erschienen, sie blickte sich, die Hand an ihrer Dienstwaffe, um, doch niemand war im Raum.
Sie starrte den Bildschirm an und zögerte, dann streckte sie die Hand aus und tippte. „Wer bist du?“
„Du kennst meinen Namen. Chvl.“
Die Buchstaben glühten grün auf dem dunklen Grund.
„Was willst du von mir?“
„Was jedes Wesen möchte, ich will leben, Dana Scully, und du bist dazu geschaffen, mir dieses Leben wieder zu ermöglichen. Die Hölle ist ein sehr langweiliger Ort für den Widersacher, ich bin geschaffen für den Kampf, dafür, die Gerechten zu vernichten, dazu, den Glauben an Gott zu vernichten, und eure Welt ist reif dazu. Glaube ist in dieser Zeit ein zerbrechliches Gut, und ich werde es zerstampfen, wir werden es tun.“
Scully fühlte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach, wieder warf sie einen Blick durch den Raum, es war nicht weiter schwer, einen Computer zu manipulieren, vielleicht tippte Dekan Mealas in seinem Zimmer auf seinem Computer diese Botschaften.
„Bist du Mealas?“
„Samael ist mein Werkzeug, ich wählte ihn vor über zweihundert Jahren aus und beschenkte ihn dafür mit der ewigen Jugend. Er hat mir treu gedient und nie versagt, nur ein einziges Mal hat er mich enttäuscht, und mein Zorn hat mein Zeichen in seine Wange gebrannt. Die Zeit war reif für meine Rückkehr, du, das Kind, welches im gleichen Monat, am gleichen Tag, in der gleichen Stunde geboren wurde, wie ich damals vor zweihundert Jahren starb. Im Alter des Kelipot warst du geschaffen dafür, mein Gefäß zu werden, meine Hülle, bereit, von meinem Geist erfüllt zu werden, ich habe damals deine Seele berührt, Dana Scully, und sie für alle Zeiten als meinen Besitz gezeichnet.“
„Das ist nicht wahr.“ Scully berührte unwillkürlich das Kreuz um ihren Hals.
„Du glaubst an Gott und du bist seinen Weg gegangen, hast gekämpft für das, was ihr das Gute nennt, doch was hast du dadurch gewonnen? Deine Schwester ist tot, sie verfault in der Erde. Du selbst wirst bald verfaulend in der Erde liegen, es ist nicht schön zu verfaulen, ich spreche aus Erfahrung. Hilft dir dein Gott, bei deinem Kampf, gegen die Krankheit, die an deinem Leben frißt?“
Scully zitterte. Wenn dies eine Manipulation war, woher wußte derjenige, der diese Botschaften schrieb, von diesen Dingen?
„Auch Luzifer selbst war einst ein Engel, er kannte das Gute, kämpfte für das Gute, und dann erkannte er seinen Irrtum, er wurde der Gegenspieler, und ich bin einer seiner Söhne, der Widersacher. Der Schritt vom Licht in die Dunkelheit ist leicht, Dana Scully. In jedem, der für das Gute kämpft, schlummert der Samen des Bösen, und jeder, der böse ist, hat die Wahl, sich zum Guten zu wenden was allerdings Verschwendung wäre. Das Böse ist wesentlich gerechter, oder ist es gerecht von deinem Gott, daß du stirbst? Hast du das verdient? Hatte deine Schwester das verdient? Ich kann dir mehr bieten, als du dir vorstellen kannst, ich kann diese Krankheit in dir heilen, dich stärker machen als jeden Menschen, der diese Welt je betrat, und ich kann dir Macht, Reichtum und alles verschaffen, was du dir auch nur wünschst.“
Scully fühlte, wie ein Hauch von Hysterie die Ränder ihres Verstandes streifte, sie kam sich vor wie in der Bibel, in einer der Prüfungen, wo der Teufel jemanden versuchte.
„Hast du mich hierhergelockt?“ Der Gedanke war so drängend in Scully entstanden, der ganze Fall um den Tod von LeSalle war eigentlich nebensächlich, der Fall war zu einer Reise in ihre Vergangenheit geworden, in die verlorene Zeit.
„Natürlich.“
Die neun Buchstaben glühten auf dem Bildschirm. Natürlich, alles war eine Falle gewesen, man hatte einen Köder ausgelegt, der sie zielsicher zurück an diesen Ort geführt hatte, dem sie als Kind entkommen war.
„Es war einfach, dich zurückzubringen, Dana Scully, alles findet nach Dark Manor zurück, was einmal hierhergehörte. Es war für Samael leicht herauszufinden, wo du arbeitest, was du arbeitest und daß du und dein Partner seltsamen Phänomenen nachjagt. LeSalle war ein treuer Diener, der sein Leben gab, um dich zurückzuholen. Das Foto war einfach zu fälschen, ein kleiner Anreiz, für deinen Partner, der so sehr an Leben außerhalb dieser Welt glaubt und so wenig an Gott und den Teufel.
LeSalle handelte in meinem Auftrag, als er die Anzeige beim FBI machte, er starb, meinen Namen preisend, für ein höheres Ziel, der Lohn der Hölle ist ihm sicher, ob ihm das gefällt, ist allerdings fraglich.“

Scully fühlte das Lachen dieses Wesens, das seine Worte begleitete, auch wenn es über das Medium Computer nicht übertragbar war.
„Was ging damals schief, warum habt ihr mich entkommen lassen?“
„Es gibt für alle Dinge eine Zeit, Dana Scully, und du hast mit deiner Flucht die einzige Möglichkeit im Jahres verstreichen lassen. Wir hätten dich nur töten können oder dich ziehen lassen. Samael löschte deine Erinnerungen und leckte seine von mir beigebrachte Wunde, ich war etwas zornig auf meinen Diener. Die Macht des Kelipot, des elften Lebensalters, ist nicht mehr gegeben, aber auch nicht mehr notwendig, mein Zeichen wurde damals in deine Seele gebrannt, mit all den Ritualen, all den Dingen, die mein Diener Samael mit dir tat, ehe das Ritual für meine Wiederkehr stattfand. Du hast nur den letzten Schritt noch nicht getan, Dana, und diesmal wirst du ihn tun.“
„Niemals“, Scully hackte die Buchstaben in den Computer ein und drückte auf die Wiederholungstaste, bis sich der ganze Bildschirm mit diesem einen Wort füllte.
„Es ist ein großes Wort, dieses Niemals“, die Stimme von Dekan Mealas oder Sameal ließ Scully ihre Waffe ziehen. Der Dekan lächelte und trat näher. „Es hat keinen Sinn, Agent Scully, es gibt kein Entkommen, es gab eine Weile ein Weglaufen, zwanzig Jahre weglaufen, aber am Ende führt der Weg hierher zurück, zu Ihrem Schicksal.“ Er legte seine Hände auf den Tisch, und Scully bemerkte den fehlenden Zeigefinger der rechten Hand. Mealas folgte ihrem Blick und lächelte. „Ihr Werk, Scully, aber ich bin nicht nachtragend.“
„Ich werde Sie töten, wenn Sie nur einen Schritt näher kommen!“ Scully stand langsam auf, keine Sekunde Mealas aus den Augen lassend. Sie fragte sich verzweifelt, wo Mulder steckte.
„Falls Sie auf Ihren Partner warten, Dana, er ist leider verhindert, sozusagen.“ Mealas hob leicht die Hand, an der etwas Blut zu entdecken war. Scully hob die Waffe ein wenig höher, so daß sie eine Linie mit Mealas´ Kopf bildete. „Was haben Sie mit meinem Partner gemacht? Und beten Sie lieber zu ihrem schwarzen Meister, daß er noch lebt!“
Mealas lächelte schmal. „Natürlich lebt er noch, Dana. Wir brauchen doch ein würdiges Opfer, jemanden, dessen Blut Sie auf dem Altar verströmen werden, um das Tor zu öffnen, um den Geist und den Willen von Chvl in sich fließen zu lassen.“
Scully schüttelte den Kopf. „Bringen Sie mich sofort zu Mulder.“
Mealas zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht, daß dies der passende Ort wäre, es ist ein wenig unbequem dort, wohin ich ihn gebracht habe. „Domine Satanas, Rex Inferus, Imperati Omnipotenz“, die Stimme von Mealas ließ Scully erstarren, sie fühlte sich weit weg von ihrem Körper, von diesem Ort, in einen Winkel ihrer selbst zurückgedrängt, in dem sie keine Kontrolle über ihre Hand hatte, über ihren Körper, sie sah, wie der lächelnde Dekan näherkam, beschwor all ihren Willen, um den Zeigefinger zu krümmen, um den Mann zu töten, aber sie konnte sich nicht bewegen.
„Sie hätten daran denken sollen, Dana, daß ich es war, der ihren Geist vor zwanzig Jahren beeinflußte, ich habe ihre Erinnerungen gelöscht und den posthypnostischen Befehl in Ihnen verankert. Es wäre ein wenig unvorsichtig von mir gewesen, hätte ich keine Schlüsselworte in Ihrem Verstand verankert. Natürlich war noch ein wenig Meskalin und eine Prise Opium notwendig, es war an der Computertastatur. Natürlich wirkt es nicht so übermäßig, wenn es nur über Hautkontakt und eine Spur davon über die Atemwege gelangt, aber genug, um sie etwas anfälliger für die hypnotischen Schlüsselworte zu machen.“
Die Hand von Mealas berührte ihre Dienstwaffe, entwand sie ihr, ohne daß sie Widerstand leistete, und legte die Waffe auf den Tisch. Seine Fingerspitzen wanderten über ihre bleiches Gesicht, zärtlich fast, aber kalt und ekelerregend.
„Es ist schade, daß wir nicht mehr Zeit haben, Dana, als elfjähriges Kind hattest du noch nicht so viel Reiz für mich zu bieten, nun würdest du die Rituale sicher mehr zu schätzen wissen. Nun, vielleicht belohnt mich Chvl damit, daß ich mich mit ihm vereinigen darf, in deinem Körper natürlich.“ Scully kämpfte verzweifelt darum, die Kontrolle zurückzubekommen, ihre Fingerspitzen zuckten, und sie sah Mealas´ grausames Lächeln. „So kämpferisch, nun ja, morgen ist ein anstrengender Tag, es ist besser, du schläfst ein wenig. Schlaf!“
Scully konnte nicht verhindern, daß ihre Augenlider sich senkten und ihr Bewußtsein in Träume flüchtete.
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