World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

The X-Files: Virtual Season 11

von meiko

Kapitel 4: Agnus et Aquila

The X-Files: Virtual Season 11

11.04 - Agnus et Aquila

Written by meiko
Artwork by GabiS



Arktis,
Nördlicher Polarkreis...

< Jeder Forscher hat früher oder später den Traum, etwas wirklich Wichtiges zu entdecken. Einen wirklich wichtigen Beitrag in der Entwicklung der Menschen zu leisten... und vielleicht auch, seinen Namen in den Annalen der Wissenschaft verewigt zu sehen. Darwin, Eddington, Curie, Einstein... All diese Namen ziehen in solchen Momenten am geistigen Auge vorbei und in manchen Nächten scheint es nur ein ganz kleiner Schritt zu sein, der uns von großen Namen der Geschichte trennt. Nur eine hauchdünne Membran trennt uns davon, mehr als eine unbedeutende Fußnote im Lauf der Menschheit zu sein.
Und am nächsten Morgen stellen wir ernüchtert fest, dass die Membran, die uns die Träume vorgegaukelt haben, in Wirklichkeit eine hohe und unübersteigbare Mauer ist. In solchen Momenten sehen wir das, was hätte sein können, wie eine Seifenblase zerplatzen. Vergebens stellen wir uns die Frage, was wir noch hätten leisten können, wenn das Schicksal anders entschieden hätte.
Und wieder sind wir das, was wir zuvor waren: Nur eine Fußnote im ewigen Kreis des Lebens. >

Fox Mulder und Dana Scully kauerten am Rande des Eisfeldes, das einmal die zweite Heimat der Forscher der Polarstation gebildet hatte. Trümmer und zersplitternde Eisschollen trieben auf der dampfenden Oberfläche des neu entstandenen Polarsees. Polternd und krachend lösten sich hin und wieder gewaltige Brocken von den Eisschollen und rutschten mit Getöse in das wütend aufzischende Wasser.

Simon Gideon ließ sich schwer atmend auf einem Fass nieder. Sein Blick wanderte über die Reste der Station, die nach und nach am zerbröckelnden Ufer im Wasser versanken. Er schüttelte fassungslos den Kopf. „Nun ist alles verloren“, murmelte er und sah müde zu den FBI-Agenten hinüber.

Für einen kurzen Moment streiften sich die Blicke von Dana Scully und dem Leiter der Forschungsstation – und in diesem Augenblick wusste er, dass sie ihn verstand.
Doch ihm blieb keine Zeit mehr, über sein Geschick nachzudenken, denn in dieser Sekunde erhob sich ein Tosen über ihren Köpfen. Flapp – Flapp – Flapp...

Ein unmarkierter schwarzer Militärhelikopter kreuzte auf und ließ sich am Rande des provisorischen Lagers auf den Schnee sinken. Zehn Männer in dicken, schwarzen Armeemänteln sprangen aus dem Hubschrauber und sicherten die Umgebung, bevor sie den Weg für ihren Begleiter freigaben. Gemächlich kletterte er aus der Einstiegsluke.

Mulder stieß einen halblauten Fluch aus. „Strughold! Der hat uns gerade noch gefehlt!“



[Opening Credits]




Arktis,
Nördlicher Polarkreis...

Strughold baute sich vor Mulder und Scully auf. „Sie!“, knurrte er und funkelte die beiden düster an. „Das war mir klar, dass wir uns irgendwann wieder begegnen würden! Raus mit der Sprache: Wo ist es?”
Mulder machte eine Bewegung, als wollte er sich auf seinen Widersacher stürzen, doch Scully hielt ihn am Ärmel zurück.
„Recht so, Miss Scully. Es ist besser, Sie bewahren ihren Partner davor, von meinen Leuten auf der Stelle erschossen zu werden!“, höhnte Strughold.
„Was zum Teufel machen Sie denn hier?“, fauchte Scully zurück.
„Ich bin offenbar aus dem gleichen Grunde hier, wie Sie!“
Mulder sah Scully an und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Da muss ich Sie enttäuschen! Es ist weg! Fort, verschwunden! Eigentlich hätten Sie es vom Helikopter aus sehen müssen. Schade, dass Sie das verpasst haben, es war ein beeindruckendes Schauspiel.“
Als Strughold erkannte, dass die beiden die Wahrheit sagten, sackte sein Körper ein Stück zusammen. Abrupt drehte er sich um und stapfte zu den Soldaten zurück. „Packt die Ausrüstung aus!“, schrie er. „Ich will, dass hier binnen zwei Stunden alles vermessen und erfasst ist. Und übrigens...“ Er drehte sich zu der Stelle um, wo vor einer Minute noch die FBI-Agenten gestanden hatten, doch er blickte ins Leere.

„Sir“, rief einer seiner Männer. „Da oben laufen Sie!“
Strughold folgte der Armbewegung des Soldaten und sah gerade noch, wie zwei dunkle Punkte über dem Kamm des Hügels verschwanden. Dann waren sie auf dem Eisfeld verschwunden.

Strughold lächelte mitleidig. „Lasst sie laufen! Weit können sie ohnehin nicht kommen. Wir kümmern uns später darum. Das hier hat jetzt erst mal Vorrang!“



Gefangenenlager Maine
1:19 a.m.

„Wie sieht es draußen aus?“, flüsterte Agent Reyes, als John Doggett wieder in die Baracke schlich.
„Ich glaube, die Luft ist rein“, flüsterte er zurück und nahm ihre Hand. „Monica“, begann er zögernd. „Ich weiß leider keine bessere Gelegenheit, dir etwas Wichtiges zu sagen. Aber ich muss es sagen, denn vielleicht wird einer von uns gleich getötet, und dann würde es so viel zwischen uns geben, was wir nie ausgesprochen haben...“
Sie lächelte und legte eine Hand auf seine Wange. „Sag, was du sagen willst“, murmelte sie geduldig.
John holte Luft. „Ich habe einen verdammten Fehler gemacht. Jetzt, wo uns vielleicht keine Zeit mehr für eine gemeinsame Zukunft bleibt, sehe ich das endlich. Es vergeht keine Minute, ohne dass ich daran denken muss. Wie...“ – er fuhr sich hilflos durchs Haar – „wie konnte ich nur so dumm sein zu glauben, alles würde besser werden, wenn ich dich von mir wegstoße? Dabei ist mir spätestens in den letzten Tagen klar geworden, was du mir wirklich bedeutest und was ich verlieren würde, wenn du von mir gehst! Verstehst du mich?“
Monica starrte ihn nur stumm an und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Und die ganze Zeit über“, fuhr John fort, „warst du es, die mir gezeigt hat, welchen Weg ich gehen muss. Du warst in Wahrheit die Stärkere von uns beiden! Kannst du mir verzeihen? Kannst... kannst du dir vorstellen, dass wir mehr als nur die Dienstzeit miteinander verbringen könnten?“
Ungläubig blickte sie ihn an. Als sie endlich begriff, was er ihr da sagen wollte, wischte die sich über die Augen und lächelte ihn wehmütig an. „Du hast viel kaputt gemacht, John“, sagte sie.
„Können wir es nicht ungeschehen machen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht ungeschehen! Wir können nur versuchen, es zu vergessen. Und ich glaube ganz fest, dass uns das gelingen wird – wir haben ja ein ganzes Leben Zeit dafür!“ Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich. Dann küsste sie ihn auf den Mund, erst vorsichtig und zögernd, dann aber mit all der Leidenschaft der gemeinsamen Verzweiflung. Schließlich schob sie ihn sanft zurück und sah ihm in die Augen. „Ich weiß, dass du mir noch etwas ganz besonderes sagen willst, John. Aber ich weiß, dass wir jetzt nicht sterben werden, deshalb will ich, dass du damit noch wartest. In Ordnung?“
Doggett sah sie grübelnd an. Schließlich lächelte er. „Es ist gut, dass du das sagst“, meinte er. „Und du hast Recht – wir werden es schaffen!“

Leise schlichen sie zur Tür, öffneten sie und horchten in die Nacht hinaus.
„Ich weiß nicht, ich finde das seltsam, dass sie die Wachposten abgezogen haben!“, raunte er ihr zu. „Aber vielleicht ist das auch ein gutes Zeichen für unsere Flucht! Also los!“
Gemeinsam umrundeten sie den Barackentrakt und verschwanden in der Dunkelheit.



In der Eiswüste
Eine Stunde später...

„Warte, ich kann nicht mehr!“, rief Scully und ließ sich keuchend auf einer Eisscholle nieder.
Mulder drehte sich um und setzte sich neben sie. „Ist gut“, sagte er. „Machen wir eine Pause.“
Scully zog ihre Kapuze tiefer um sich vor dem beißenden Wind zu schützen, doch vergeblich. Die Kälte kroch durch das Fell und setzte sich in ihren Knochen fest. Erneut fragte sich Scully, wie die Tiere in dieser Region das Klima aushalten konnten.
„Hm“, machte Mulder und verzog das Gesicht.
“Was hast du?”, fragte Dana und rückte näher an ihn heran.
Ihr Partner druckste herum und stocherte mit den Absätzen im Schnee herum.
„Weißt du, wo wir sind?”, fragte Scully. Irgendwie schwante ihr nichts Gutes.
Mulder bückte sich nach einem Eisklumpen und schleuderte ihn über die grauen Schneemassen.
„Was hast du denn?“, bohrte Scully weiter.
„Du wirst mich hassen“, unkte Mulder und versuchte zu grinsen. „Ich habe nicht an den Kompass gedacht!“
„Du hast... Sag, dass das nicht wahr ist“, stöhnte Scully.
„Es ist aber wahr. Wir haben uns verirrt!“
„Wie soll es überhaupt weitergehen? Kein Kompass, kein Funkgerät... und wenn wir richtiges Pech haben, erwischen uns noch Strugholds Leute. Obwohl – vielleicht ist das in unserer Lage sogar noch das Beste, was uns passieren kann!“
Mulder zog die Thermoskanne aus seinem Rucksack und bot sie Dana an. Sie nahm einen Schluck und runzelte die Stirn. „Der Kaffee ist schon kalt geworden. Das halten wir nicht lange durch, Mulder!“
„Komm“, sagte er und zog sie hoch. „Wir müssen in Bewegung bleiben – das ist unsere einzige Chance!“



Gefangenenlager Maine
1:31 a.m.

Neumond. Die Nacht war stockfinster, doch John Doggett und Monica Reyes waren dankbar.
„Bestens“, flüsterte John und kauerte sich mit Monica hinter einen Strauch. „Ich kann nicht fassen, was für Glück wir bis hierher hatten! Ich hätte auf dem Weg hierher mit mindestens fünf Posten gerechnet.“
„Mir gefällt das nicht“, brummte Monica und lugte hinter dem Busch hervor. Sie waren bereits an der äußeren Grenze des Lagers angekommen. Jenseits der Baracken erstreckte sich dichter Wald bis zu den Ausläufern der Appalachen, deren schimmernde Gipfel gerade noch zu erkennen waren.

„Viel mehr plagen mich im Moment zwei andere Dinge“, gab John zurück. „Das wäre zum einen die Frage, wo wir uns verstecken sollen, wenn wir das Lager verlassen haben. Und zum zweiten: was wird mit all den anderen Gefangenen?“
Sie nickte still und überlegte. „Ein Versteck wird sich irgendwo finden. Und die andern Gefangenen... ich hoffe, dass wir eines Tages hierher zurückkehren können, aber nicht allein. Und dann wird abgerechnet!“
Er hob erstaunt den Kopf und versuchte ihr Gesicht zu erkennen. Ihre Stimme hatte bei den letzten Worten eine Schärfe angenommen, die er noch nie bei ihr erlebt hatte! „OK, Verschnaufpause beendet“, sagte er leise.

Nach wenigen Minuten hatten sie den Waldrand erreicht. Sie sahen sich vorsichtig um, doch niemand schien sich um sie zu kümmern.
„Seltsam“, knurrte Doggett und schritt voran.
Sssssstttt - - -
Ein Funkenregen ergoss sich über ihn. Als hätte er einen Football in den Bauch bekommen, entwich die Luft zischend aus seinen Lungen. Eine unsichtbare Hand schien ihn gepackt zu haben und schleuderte ihn drei Meter durch die Luft, bevor er auf den weichen Sandboden prallte und ächzend liegen blieb.
„John“, rief Monica. Der Schock saß tief, und so war es ihr auch egal, ob jemand sie vielleicht hören konnte. Panisch stürzte sie zu ihm und untersuchte seinen zerschundenen Körper.

„Nein... Nicht schon wieder“, stöhnte John verzweifelt.
„Aber... du meinst...“ stotterte sie.
Er nickte, zuckte bei dieser Bewegung jedoch zusammen. „Jetzt weißt du auch, warum wir keine Posten gesehen haben! Es ist überhaupt nicht nötig, denn hier kann sowieso niemand fliehen! Die haben das Lager mit der Barriere gesichert!“

Dann hörten sie das Heulen der Sirenen und wussten beide, was das zu bedeuten hatte.
„Die haben das bemerkt! Verdammt, die überwachen die Barriere elektronisch!“, fluchte John und versuchte aufzustehen. Mühsam kam er mit Monicas Hilfe auf die Füße, doch als er die ersten Schritte machen wollte, knickten seine Beine unter ihm weg und er rutschte zu Boden.

Hundegebell erklang und kam bedrohlich näher.
„Sie suchen nach uns“, flüsterte Monica.
„Geh“, rief John. “Verschwinde von hier. Vielleicht kannst wenigstens du dich retten!“
Trotzig blieb sie stehen und dachte nach. Schließlich setzte sie sich demonstrativ mit verschränkten Armen neben ihn.
„Was ist denn nun?“, drängte ihr Partner, doch sie sah ihn an und schüttelte nur den Kopf.
Als das Hundegebell schon ganz nahe war, nahm sie seine Hand und sagte: „Weißt du noch? Was auch passiert... Wir bleiben beisammen!“



In der Eiswüste
Drei Stunden später...

„Mir ist so kalt, Mulder“, flüsterte Dana mit schwacher Stimme und schloss die Augen.
„Nein, Liebes, nicht einschlafen! Der Schlaf bringt den Tod!“ Mulder sah hilflos auf den zusammengerollten Körper seiner Gefährtin herab. Stundenlang waren sie auf der Flucht vor Strugholds Supersoldaten durch die Eishölle geirrt und am Ende war ihnen nur diese ewige, nie vergehende Kälte geblieben, die sich heimlich in die Knochen schlich. Die einen gepackt hielt um einen nie wieder los zu lassen.
Die Truppen waren ihnen auf den Fersen und in jeder verstreichenden Minute schmolz der Abstand zwischen ihnen mehr und mehr zusammen. Endlich hatten sie diese Höhle gefunden – nichts weiter als ein kleines Felsloch, das jedoch Schutz bot vor dem Schneesturm da draußen und vor den stoischen Truppen der Schattenregierung. Sicher, es war nur eine Frage der Zeit, bis diese wieder umkehren und ihr Versteck entdecken würden, doch bis dahin konnten sie sich wenigstens etwas ausruhen.

Mulder hockte sich hin und richtete Scullys Oberkörper auf, so dass sie sitzen konnte. „Pass auf“, redete er hektisch vor sich hin und registrierte erleichtert, dass sie die Augen aufschlug. „Ja, das ist gut so, bleib wach! Pass auf“, wiederholte er. „Du kannst mich jetzt richtig rannehmen! Überleg dir knifflige Fragen, bring mich ins Schwitzen und lock mich aus der Reserve! Stell mein Weltbild in Frage, bestreite die Existenz von Außerirdischen...“
„Was?“ lächelte Scully müde. „Ich würde ja gern, aber dazu müssten wir dieses Gespräch acht Jahre in die Vergangenheit verlegen!“
„Nun komm schon“, murrte Mulder erleichtert. „Dir wird schon was einfallen.“
Scully dachte nach und genoss Mulders Nähe. Einmal mehr wünschte sie sich, sie wäre mit ihm an einem ganz anderen Ort! „Oh Mulder“, flüsterte sie. „Wo hast du uns bloß wieder hingeschickt.“
„Ich“, fragte er erstaunt? „Das war nicht ich, sondern Kersh!“ Er runzelte die Stirn. „Der übrigens auf meiner Beliebtheitsskala schlagartig um sechs Plätze nach unten gerutscht ist!“
Er sah sie an und beide mussten lachen.
„Nein, im Ernst Scully. – Ich bin ja insgeheim sogar ein bisschen zufrieden mit uns. Endlich haben wir einen Fingerzeig und eine richtig heiße Spur, obwohl die Umstände natürlich... naja...“ Er verzog den Mund.
„Und was haben wir nun herausgefunden?“, bohrte Scully weiter.
Mulder setzte eine wichtige Miene auf und dozierte: „Ich war mir am Anfang nicht ganz sicher, aber als ich den eigenwilligen Geruch des Wassers bemerkte, war mir alles klar. Du hast es ja auch gerochen – und nicht nur einmal! Denk an die Elfenbeinküste, an Oregon – an alle Orte, an denen wir Kontakt hatten! Scully, ahnst du immer noch nicht, was dieses Ding unter dem Eis in Wirklichkeit war?“
Sie hob unschuldig die Hände. „Klär mich auf!“
„Das war ein sogenannter Siebenschläfer! In Ufo-Kreisen kursiert dieser Begriff seit langem, jedoch ist es eines der wenigen Schlagworte, das die Boulevardpresse bisher noch nicht ausgeschlachtet hat. Unter Siebenschläfern versteht man in diesem Kontext Alienschiffe, die inaktiv und verborgen im Schoß der Erde ruhen, bis ein Signal ihres Mutterschiffs sie wieder erweckt und zurückruft!“
Scully dachte eine Weile über diesen schwer verdaulichen Brocken nach. „Aber... nur mal angenommen, wir hätten es hier tatsächlich mit einem solchen Siebenschläfer zu tun gehabt... müsste sich das Mutterschiff, das dieses Wecksignal aussendet, dann nicht bereits in unserem Sonnensystem befinden?“
Mulder sah sie lange an. Dann beugte er sich vor und küsste sie auf die Stirn. Alle Anspannung und Nervosität schien in diesem Augenblick von ihm abzufallen. „Das ist es, was ich schon seit langem befürchte“, sagte er ruhig.



Gefangenenlager Maine
7:12 a.m.

Bosman wartete, bis die anderen Gefangenen die Unterkunft verlassen hatten. Dann trat er ein und erfasste mit raschem Blick die karge Ausstattung: nackte Bretterwände, Doppelstockbetten, die in Zehnerreihen an beiden Seitenwänden aufgestellt waren und Fensterscheiben, die - nahezu erblindet - noch aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen schienen.
Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich zu John und Monica und wartete. Als keiner von ihnen Lust verspürte, ein Gespräch zu beginnen, seufzte er. „Es tut mir aufrichtig leid für euch“, sagte er. „Aber so wie die Dinge stehen, kann ich die Geschichte unmöglich durchgehen lassen. Nicht als Lagerkommandant. Wie würde ich dann dastehen?“ Er schüttelte ärgerlich den Kopf. „Nein, ich muss euch bestrafen. Vermutlich werdet ihr mir zustimmen, dass es sinnlos wäre, euch zu töten. Ich brauche eure Arbeitskraft, denn die ist das einzig wertvolle an euch.“ Er hielt inne und dachte einige Sekunden nach. „Nun gut“, knurrte er. „Ich setze euch fürs erste auf halbe Rationen. Das muss reichen! In einer Stunde sehe ich euch beide draußen an der Arbeit!“
Er stand abrupt auf und der Stuhl schabte kreischend über den kahlen Boden. Ohne sich noch einmal umzudrehen verließ er die Baracke.

„John?“, flüsterte Monica Reyes fast unhörbar.
„Ja“, antwortete er ebenso leise.
„Als wir noch nicht sicher waren, ob wir diese Nacht überleben, wolltest du mir eine Frage stellen...“
John Doggett schwieg. Monica wartete, und als sie schon fast sicher war, dass John eingeschlafen war, robbte sie an den Rand der oberen Liege und spähte hinunter. John lag mit geöffneten Augen auf dem Rücken und starrte in die Luft.
„Hast du gehört, was ich gesagt habe?“, fragte sie.
Er nickte und lächelte. „Ja, natürlich. Ich habe mir diese Frage eben selber noch mal gestellt... Und ich weiß jetzt auch die Antwort!“ Er stand auf, stellte sich etwas unbeholfen vor das Bett und fing ihren Blick auf.
„Monica, möchtest du dein Leben an meiner Seite verbringen?“
Er hielt den Atem an und schloss die Augen. Er hatte lange auf diesen Moment gewartet und hatte sich auf ihr ungläubiges Lachen, auf ihr entschlossenes ‚Nein’ gut vorbereitet. Selbst eine Ohrfeige hielt er nicht für unmöglich – eigentlich hatte er sie mehr als verdient.

Mit dem, was dann kam, hatte er nicht gerechnet: Monica beugte sich vor und umarmte ihn heftig. Tränen liefen über ihr Gesicht und sie flüsterte – halb lachend, halb weinend: „Du Scheusal, wie konntest du mir das antun? Weißt du, wie lange ich auf diese Frage gewartet habe? – Ja, ich will mein Leben an deiner Seite verbringen!“



In der Eiswüste
Später...

Dann war es soweit. „Man kann es nicht verhindern“, dachte Mulder und versuchte noch einmal die Augen zu öffnen. „Es geht nicht“, murmelte er und wunderte sich, wie dünn und hohl seine Stimme klang. Er nahm alle Kraft zusammen und öffnete die Lider einen Spalt weit. Als er Scully neben sich liegen sah, stiegen ihm Tränen in die Augen und gefroren sofort zu kleinen Eistropfen. Sie lag so friedlich da und ihr Gesicht sah so glücklich aus, wie er es selten in den letzten Monaten erlebt hatte.
‚So ist es also, bevor man stirbt’, dachte er. ‚Es stimmt nicht, was die Leute einem immer sagen. Es tut gar nicht weh und es ist gar nicht schrecklich. Ich lege mich einfach hin und warte, bis der Schlaf kommt und mich in seinen Mantel hüllt. Und dann? Nur noch Schweigen. Ich wollte nur, Dana würde jetzt nicht neben mir liegen. Warum habe ich sie nicht zuhause gelassen, wie schon so oft? Vielleicht ist das meine ganz persönliche Hölle, dass ich nie wissen werde, ob ich das richtige getan habe.’

Er ließ die Augen in der kleinen Eishöhle umherwandern. Nur noch ein letzter Blick, dachte er. Der zerstampfte Schnee, der den Boden bedeckt, die glitzernden Wände, das Mädchen am Eingang.

Das Mädchen am Eingang? Sie steht nur da in ihrem kurzen, roten Kleid und blickt ihm ernst in die Augen. Dann dreht sie sich um, winkt den Leuten, die ihr folgen und ruft etwas, das er nicht verstehen kann.

Mulder lässt erschöpft den Kopf sinken. ‚Es ist soweit’, denkt er. ‚Ich halluziniere.’

Nun ist das Mädchen verschwunden und zwei Männer betreten die Eishöhle, schütteln sich den Schnee aus den Haaren und tasten nach dem Puls der Agenten.

„Skinner?“, flüsterte Mulder heiser. „Und Krycek? Bin ich wirklich schon in der Hölle?“
Skinner und Krycek sahen sich an und lachten erleichtert. Dann trugen sie die beiden hinaus in die arktische Dämmerung, wo bereits ein Hubschrauber auf sie wartete.

Krycek gab dem Piloten ein Zeichen, worauf der Helikopter zitternd in die Luft stieg und rasch die Geschwindigkeit steigerte.
Walter Skinner blickte auf die Schneelandschaft zurück. Als er die dunklen Punkte bemerkte, die über den Felskamm dort unten gekrochen kamen, stieß er Alex mit dem Ellbogen an. Krycek sah hinab und grinste boshaft.
„Sie kommen zu spät!“, rief er.
„Wohin jetzt?“, fragte der Pilot über die Schulter.
Skinner blickte gedankenverloren auf Strugholds Truppen zurück, die sich immer mehr im Schneegestöber verloren.
„Nach Süden!“, rief er.



Ende.



Disclaimer:

The X-Files © FOX

The X-Files (Akte X) is the intellectual property of Fox, Chris Carter and 1013. The characters, terminology, and existing episodes are all property of their respective creators/writers/producers. We are making no profit on this site and are simply using these items for the entertainment of the fans (and ourselves). No copyright infringement is intended.
Rezensionen