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The X-Files: Virtual Season 11

von meiko

Kapitel 2: Desperdicio

The X-Files: Virtual Season 11

11.02 - Desperdicio

Written by meiko
Artwork by GabiS



Gefangenenlager Maine
2:01 a.m.

John Doggett lag auf seiner Pritsche und starrte durch das Loch in der Decke zum Sternenhimmel hinauf. Er hatte es aufgegeben, sich auf seiner Schlafstätte hin- und her zu wälzen, was angesichts der Beschaffenheit – nichts als ein rostiges Eisengitter – nur zu verständlich war.

John wünschte sich erneut, die Größe eines Eichhörnchens zu haben, dann könnte er mühelos an der kahlen Wand hinaufklettern und durch das Loch in die Freiheit verschwinden. Oder doch zumindest an die frische Luft. Er seufzte. Aussichtslos. Die hatten Wachtposten über das gesamte Lager verteilt, Wachtposten mit geladenen Maschinenpistolen.

Vorsichtig drehte er den Kopf und versuchte Monicas Gesichtszüge neben sich zu erkennen. Er lächelte bewundernd. Wie brachte sie das fertig, hier zu schlafen? Sicher, es war ihre erste Nacht im Lager und irgendwann würde der Schlaf auch ihn einholen, doch jetzt... Ihm wurde übel. Die nächtlichen Ausdünstungen zu vieler Körper auf zu engem Raum waren kaum zu ertragen.

Wieder wanderten seine Blicke zum Sternenhimmel hinauf.

< Wie sich die Dinge verändern! Früher glaubte ich nur an das, was ich mit eigenen Augen sehen konnte. Dann kam sie und allmählich begann ich zu glauben, die Geschicke unserer Zukunft würden in den Sternen verborgen liegen. Doch nichts hat Bestand... Denn nun liegen wir hier und ich frage mich, ob die Zukunft vielleicht nur von einigen Wenigen geschrieben wird? Und wenn das so ist, wo wird die Zukunft entschieden? Und von wem? >



[Opening Credits]



Washington D.C.
FBI Headquarters
10:23 a.m.

Deputy Director Alvin Kersh legte die Unterschriftenmappe auf die Aktenablage und schob gedankenverloren die Verschlusskappe auf seinen Füllfederhalter. Es fiel ihm schwer sich zu konzentrieren; immer wieder schweiften seine Gedanken in die Ferne und er musste sich zwingen seine Augen vom Fenster abzuwenden.

Der schöne Tag – viel zu warm für diese Jahreszeit – wollte einfach nicht so recht zu seinen Gedanken passen. Unwillkürlich kamen ihm immer wieder die Ereignisse der letzten Wochen in den Sinn. Ereignisse, die schließlich zu Tod und Verderben geführt hatten. Und doch... Hatten sie nicht auch einen Sieg errungen?

„Einen Sieg? Ja, aber zu welchem Preis, Sir!“, erklang eine Stimme.
Kersh fuhr erschrocken zusammen. Hatte er, ohne es zu bemerken, laut gedacht? Gefährlich, verdammt gefährlich! Erst dann registrierte sein Gehirn die Vertrautheit der soeben gehörten Stimme und er wirbelte herum. Ein älteres, etwas angegrautes Pärchen stand Hand in Hand vor ihm. Sie war in einen unauffälligen auberginefarbenen Anzug gekleidet, während er den klassischen zweiteiligen Langweiler „Marke Mausgrau“ zu bevorzugen schien. Ein Besucherausweis baumelte an beiden herab.
„Haben Sie einen Termin vereinb...“, stieß Kersh unwillig hervor, doch dann rastete etwas in ihm ein und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. „Sind Sie wahnsinnig? Was machen Sie hier?“

Mulder lachte leise und rückte seine Perücke zurecht. „Wie sicher ist das Büro?“, fragte er.

Kersh legte den Finger auf die Lippen und schien für einen Augenblick zu überlegen, ob er seine Dienstwaffe ziehen und sich seinen angestauten Frust von der Seele schießen sollte. Als der Anfall vorüber war, packte er Mulder und Scully und schob sie vor sich her. Sie verließen das Gebäude durch einen wenig benutzten Hintereingang und standen drei Minuten später an der frischen Luft. Ein milder Wind fuhr ihnen ins Gesicht und Kersh atmete tief durch. „Es gibt Momente, da wünsche ich mich ganz weit weg von all dem“, murmelte er und schaute an seinen Gefährten vorbei in die Ferne. Dann sammelte er sich und sah Mulder ins Gesicht. „War das Ihre verrückte Idee? Das hätte auch schief gehen können! Sie sind noch immer ‚Persona non grata’, das sollte Ihnen doch klar sein!“
„Skinner schien anderer Meinung zu sein“, konfrontierte ihn Scully mit der Wahrheit. „Seit wann wissen Sie, dass er lebt?“
Kershs Gesicht entspannte sich. „Gut. Kommen wir gleich zur Sache. Er hat mich schon kontaktiert und mir von den Ereignissen an der Weather Branch berichtet!“
„Wie reagiert die Regierung auf die Vorgänge in North Carolina?“, fragte Scully.
„Die Regierung?“, lachte Kersh humorlos. „Junge Frau, die Leute, die diese kranken Ideen ausgebrütet haben, stammen aus den innersten Kreisen der Regierung! Wie sollen die schon reagieren? Man wartet ab und serviert der Öffentlichkeit die üblichen Lügen – in sehr kleinen Portionen!“
Mulder zupfte an seinem juckenden Schnurrbart herum. „Wir wissen mal wieder weniger als zuvor. Was haben Sie mit Skinner ausgemacht?“
Kersh schmunzelte. „Wir haben die einzige logische Entscheidung getroffen, die uns übrig blieb!“
Mulder wechselte einen raschen Blick mit Scully. Sie war genauso gespannt wie er, das sah er sofort.

Kersh räusperte sich und fuhr fort: „Wir haben jetzt zwei Primärziele. Erstens: Wie stoppen wir den wahnsinnigen Plan der Verschwörer? Und zweitens: Wie befreien wir Agent Reyes und Agent Doggett aus dem Gefangenenlager? Und wo befinden sie sich überhaupt? – Wir bauen deshalb eine neue Widerstandszentrale auf und Sie...“ - er machte eine Kunstpause – „Und Sie werden diese Widerstandszentrale leiten! Neue Identität, neue Ausweise – Sie kennen das ja. Noch heute, und zwar mit dem 1:03 p.m. Flieger, machen Sie sich auf den Weg dorthin. Die Mappe mit den genauen Anweisungen erhalten Sie vom Personal des Zielflughafens. Herzlichen Glückwunsch“, sagte er ernst, doch Stolz und Überzeugung spiegelten sich in seinen Augen. „Ab heute stehen Sie wieder auf der Gehaltsliste des FBI!“



Gefangenenlager Maine
6:01 a.m.

„Aufstehen!“ Die Schläge der Gewehrkolben hämmerten erbarmungslos gegen die Tür der Holzbaracken und weckten die Schläfer aus ihrem unruhigen Schlummer.
Monica war sofort hellwach und rüttelte John sachte am Arm. „Steh auf“, rief sie halblaut. „Ich glaube nicht, dass die Spaß verstehen, wenn wir nicht pünktlich zum Appell antreten!“
John Doggett fluchte leise und stemmte sich hoch. „Wie geht es dir?“, fragte er.
Monica zuckte mit den Schultern. „Frag lieber nicht“, meinte sie. „Ich spüre jeden einzelnen Knochen im Leibe.“
„Hm“, brummte John. „Hotelbetten können wir hier wohl nicht erwarten.“

Drei Minuten später standen sie angekleidet auf dem zentralen Lagerplatz und zitterten vor Kälte. Der Morgen begann gerade erst, eine erste Andeutung des beginnenden Tages über die Ausläufer der Appalachen zu schicken, doch keiner der elenden, zerlumpten Menschen in der Menge hatte ein Auge dafür. In ihren Herzen herrschte Finsternis und tiefe Nacht, die – soviel wussten die meisten hier bereits - auch mit der Morgendämmerung nicht von ihnen weichen würde.

Aufseher schritten die Reihen der Gefangenen ab und zählten die Anwesenden. Dann sammelten sie sich an einer kleinen Tribüne und machten Meldung. Eine Stimme schallte über den Platz und obwohl es noch dunkel war, brauchten John und Monica nicht lange zu raten, um zu wissen, wem sie gehörte.
„Strughold“, zischte Monica ihrem Partner zu, die Augen starr nach vorn gerichtet. „Ich hätte gedacht, er verdrückt sich sofort nach der Ankunft!“
„Das wird er auch, warte es ab. Dem ist es hier viel zu schmutzig!“

„Guten Morgen!“, höhnte Strugholds Stimme über den Platz. „Ab heute beginnt Ihr Arbeitsdienst in diesem Lager. Sie werden in den nächsten Monaten das Lager erweitern, denn es soll künftig doppelt so viele Insassen beherbergen. Natürlich werde ich nicht die ganze Zeit bei Ihnen sein können, deshalb übergebe ich ab heute die Lagerleitung an meinen Stellvertreter, Mr. Bosman.“

Bosman ergriff das Wort. „Ich will, dass Sie sich über eine Sache im klaren sind: Hier zählt nicht mehr, wer Sie einmal waren oder was Sie bisher getan haben. Ab jetzt zählt nur noch Ihre Arbeitskraft. Wer sein Pensum nicht erfüllt, sei es aus Alter oder Krankheit, wird von uns ausgesondert. Ich denke, sie wissen, was das bedeutet.“
Monicas und Johns Blicke trafen sich für einen flüchtigen Moment. Und auch in den Gesichtern all der Leute war das Entsetzen über die soeben vernommenen Worte deutlich zu erkennen.
„Beenden wir also diesen Morgenappell mit einer einfachen Übung“, fuhr Bosman fort. „Ich möchte, dass jeder einzelne von Ihnen laut und deutlich die Worte ‚Ich bin Abfall’ spricht! – Also los!“

Zahllose Lippen formten die schändlichen Worte. „Ich bin Abfall!“, erklang die Hymne der Rechtlosen in der kalten Morgendämmerung.
„Noch einmal! Und lauter!“, forderte Bosman gehässig.
Monica verzog das Gesicht und tat, was man ihr befohlen hatte. Dann blickte sie John an. Sein Mund war fest verschlossen und bildete einen dünnen Strich. „Rede!“, flüsterte sie ihm zu. „Bring es doch hinter dich!“
Doggett schüttelte mit düsterem Blick den Kopf, antwortete aber nicht. Monica wollte noch etwas sagen, da stieß ihm einer der Aufseher den Gewehrkolben zwischen die Schulterblätter und zerrte ihn nach vorn.

Vier Supersoldaten umringten John und hinderten ihn daran, etwas unüberlegtes zu tun. Bosman trat hinzu und sah musterte ihn abschätzig. „Agent Doggett“, stellte er fest. „Ich wusste, dass Sie irgendwann hier landen würden. Es war nur eine Frage der Zeit. – Wir werden sehen, wie lange sich dieser Mann weigern wird, das zu tun, was ihm befohlen wurde“, wandte er sich laut an die Menge. „Ich gebe ihm noch eine Chance. Bitte, Doggett, sprechen Sie Ihren Text!“
John funkelte ihn an. „Zur Hölle mit Ihnen“, knurrte er.
„Bindet ihn an den Pranger“, bellte Bosman lakonisch seinen Befehl. „Die anderen: In zehn Minuten antreten zum Arbeitseinsatz!“ Dann überließ er die Gefangenen den Aufsehern, drehte sich um betrat mit Strughold die Kommandanten-Baracke.

Die Gefangenen schlurften mit gesenkten Köpfen in ihre Unterkünfte. Monica blieb zurück und presste eine Faust vor ihren Mund. Fassungslos sah sie mit an, wie man auf John eintrat und ihn dann fortschleifte.

„Was sollte das?“, fuhr Strughold seinen Stellvertreter an, als sie alleine waren. „Wenn ich das Kommando über das Lager hätte, gäbe es jetzt keinen John Doggett mehr!“
Bosman scharrte mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Mag sein“, sagte er. „Ich halte es trotzdem für besser, wenn ich sein Leben schone. Wir brauchen hier demnächst jeden Arbeiter, den wir kriegen können, denn die Alten und Schwachen können wir wohl jetzt schon abschreiben!“
Strughold brummte missmutig vor sich hin. „Machen Sie mir keine Schande, Bosman! Seitdem Senator Matheson ausgefallen ist, bin ich auf diesem Auge empfindlich!“
„Gibt es Neuigkeiten über seinen Verbleib?“, fragte Bosman.
„Bisher nicht. Ich vermute aber, dass er sich nach seiner Infizierung den Dissidenten angeschlossen hat.“ Er ballte die Fäuste und sein stechender Blick ließ einen Teil der Wut erahnen, die in ihm brodelte. „Aber man wird sich darum kümmern, darauf können Sie sich verlassen!“



Flug B1701-90...

Sie hatten Glück gehabt: die letzte Sitzreihe gehörte ihnen. Scully saß mit geschlossenen Augen am Fenster, während Mulder zu aufgewühlt war um auch nur an Schlaf zu denken.
„Schläfst du schon?“, fragte er.
„Nein“, antwortete sie. „Genauso wenig wie bei deinen letzten sechs Nachfragen!“
„Tut mir leid“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Eine Weile hielt er es schweigend aus, doch dann wurde er zusehends kribbeliger und rutschte auf seinem Sitz hin und her. „Ich kann es immer noch nicht fassen“, platzte es schließlich aus ihm heraus. „Wir haben unseren Job wieder! Du ahnst nicht, wie sehr mir unser altes Leben gefehlt hat!“
„Was hast du am meisten vermisst?“, brummte Scully schläfrig.
„Hm... mal nachdenken... Wahrscheinlich meine Videosammlung!“, sagte er.
Nun war Dana endgültig wach. „Wie bitte?“, fragte sie beleidigt. „Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“ Dann fiel ihr Blick auf sein jungenhaftes Grinsen. „Mein Gott, Mulder“, murmelte sie entnervt und ließ sich wieder in den Sitz fallen. „Ich hoffe, wir landen gleich!“

Plötzlich fiel Scully etwas ein und ein ernster Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Mulder, es... es tut mir leid wegen deinem Bruder.“
Er antwortete nicht, sondern sah nur nachdenklich aus dem Fenster.
„Macht dir sein Tod sehr zu schaffen?“
„Das ist wahrscheinlich das merkwürdigste daran“, sagte er leise, ohne sie anzusehen. „Obwohl ich nun weiß, dass er mein Bruder war und obwohl mir klar ist, dass ihm viel Unrecht geschehen ist... auch von mir...“ Er stockte und betrachtete eine Wolkenformation. „Trotzdem kann ich nicht trauern. Ist das nicht merkwürdig?“ Nun wandte er den Kopf und sah sie mit glänzenden Augen an.
„Vielleicht nicht“, antwortete sie langsam. „Denn du weißt, dass er sich für uns alle geopfert hat. Und du weißt, dass er sich wahrscheinlich seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt hat!“



Gefangenenlager Maine
2 Tage später...

Die Zeit verrinnt wie ein schmelzender Eiskristall unter den ersten Strahlen der Morgensonne, denkt John. Ich möchte nicht mehr die Sonne sehen und ich möchte auch nicht mehr den Regen spüren. Meine rissige Haut scheint festgefroren. Sie klebt wie verdörrt an meinen Knochen und ich weiß nicht, ob da noch Fleisch genug ist um sie fest zu halten.

Sinnlose Gedanken fluten sein Hirn. Er weiß nicht, wann er das letzte mal getrunken hat. Den Hunger könnte ich ertragen, denkt John, aber nicht den Durst. Den verdammten Durst und die Kälte. – Sie haben ihn hier oben am Felsen festgebunden, die Arme und Beine weit von sich gestreckt und an kleine Metallringe angekettet.

Weil ich meine Lektion nicht gelernt habe, denkt er und fragt sich erneut, wo die Tränen bleiben. Aber es gibt keine Tränen, sein Körper kann nicht einmal mehr diese kleine Wasserreserve aufbieten um ihm Linderung zu bringen.

Ich hätte es sagen sollen, denkt er und möchte es laut rufen, hinab zu ihnen dort unten. Aber seine Kehle kann nur mehr ein trockenes Röcheln von sich geben, das im stetigen Wind wie feiner Nebel verweht und davongetragen wird. Wenn er den Kopf heben würde, könnte er über den Rand des Abhanges hinunter sehen. In den Talkessel, wo im Schlamm des Schmelzwassers seit ein paar Tagen das neue Lager entsteht. Aber er kann den Kopf nicht heben – jeder Versuch einer Bewegung schickt glühende Nadelstiche in seinen Schädel. Vielleicht ist es ganz gut so, denkt er noch. So muss ich nicht sehen, wie sie Monica behandeln. - Dann versinkt er in einer gnädigen Ohnmacht, die ihn umhüllt wie ein schützender Mantel.

- Ich bin wach, denkt er plötzlich.
- Ja, sagt die Stimme.
- Wer bist du, fragt er.
- Marie, antwortet sie.
- Deine Stimme klingt so fern... wo bist du? Ich kann dich nicht sehen!
- Ich sitze neben dir und halte deine Hand.
- Meine Hände sind gefesselt.
- Das werden sie nicht mehr sein, sagt sie.
- Heißt das, ich sterbe?
- Ja. Wir alle sterben.
- Hast du Monica gesehen? Kannst du mir sagen, wie es ihr geht?
- Das wirst du selbst sehen, wenn du wieder bei ihr bist.
- Aber wie soll ich das machen, antwortet er. Sieh mich doch an!
- Sieh dich selbst an, dann wirst du die Antwort finden, lacht sie mit ihrem Kindermund und verschwindet.
- Geh nicht, sagt er.
- Ich muss. Leb wohl.

Muskulöse Arme packten John und zerrten seinen kalten, halbverdursteten Körper in die Höhe. Er öffnete mühsam die Augen und erkannte seine Peiniger.
„Geht weg!“, wollte er rufen, doch seine Zunge gehorchte ihm nicht. Rohes Lachen antwortete seinem Versuch zu sprechen.
„Nun?“, fragte eine Stimme. „Haben Sie Ihre Meinung geändert? Sind sie jetzt bereit, Ihren Text zu sprechen?“
Unter Schmerzen bewegte John seinen Kopf. Ihm wurde übel und die Welt begann sich um ihn zu drehen. Schnell, immer schneller. Ein Lachen antwortete ihm.
„Ich wusste, dass man auch Sie klein kriegen würde, Sie Musteragent! Schafft ihn wieder in seine Baracke!“


*****


Am Anfang war es nur ein langer dunkler Tunnel, in dem er sich vorwärtsbewegte wie eine Schnecke. Doch nach und nach wichen die rauen Seitenwände zurück und gaben am Ende des Schachtes ein blasses Licht frei, das mit jedem hämmernden Herzschlag heller und größer wurde. ‚Herzschlag’, dachte John. ‚Also lebe ich!’ Er öffnete seine verklebten Augen.
Als sich der graue Schleier hob, wuchsen ihm die dunklen Umrisse einer vertrauten Gestalt entgegen.
„Monica“, flüsterte er heiser.
„Scht“, sagte sie und drückte seinen Kopf auf die Decke zurück, die sie unter ihm zusammengelegt hatte. „Nicht sprechen!“ Das erste mal seit Tagen überflog ein Lächeln ihr Gesicht. „Ich hatte solche Angst um dich, John! Es ist ein Wunder, dass du noch lebst. Wenn du wieder bei Kräften bist, musst du mir versprechen, nie wieder solche wahnsinnigen Entscheidungen zu treffen. Geht das klar?“
Er nickte mit den Augen und sah ihr dankbar zu, wie sie sein Gesicht mit einem alten Lappen abtupfte. „Wo... Wo... ist... das... Mädchen?“ fragte er stockend und mit brüchiger Stimme.
Sie runzelte die Stirn. „Welches Mädchen?“
„Sie... war bei mir. Dort oben. Marie.“
Monica Reyes sah ihn eine Weile schweigend an, dann antwortete sie. „John, es gibt hier im ganzen Lager keine Kinder. Sie sind alle im Sammellager in North Carolina geblieben. Du hast phantasiert!“

John Doggett sank auf die Pritsche zurück und schloss erschöpft die Augen.
Nein!
Er konnte nicht sagen, woher die Gewissheit kam, aber er war sich ganz sicher. Das Mädchen war wirklich bei ihm gewesen, er hatte sie gesehen. Es war kein Traum!



North Carolina
Buddhistisches Kloster "Khyentse"

Dana Scully streckte gutgelaunt ihre Beine aus und sog den Duft der neuen Ledersitze durch die Nase ein. „Nenn mich Snob, aber es ist ein herrliches Gefühl, wieder einen bequemen Mietwagen benutzen zu dürfen!“
“Ja, schon, aber trotzdem... Ich weiß nicht”, grunzte Mulder und trat beherzt auf die Bremse, als die Klosteranlage vor ihnen auftauchte. „Dass es gerade hier sein muss, gefällt mir überhaupt nicht!“
Scully kletterte aus dem Mietwagen und sah zu dem Bauwerk auf dem „Lotus Mountain“ hinauf. „Scheint sich nicht viel verändert zu haben, seit wir das letzte mal hier waren.“
„Warten wir es ab“, antwortete ihr Partner, warf ihr die Autoschlüssel zu und begann den Aufstieg. „Obwohl du wahrscheinlich mal wieder Recht hast! An den vielen Stufen hat sich überhaupt nichts verändert!“
„Arrividerci, dolce vita“, flötete Scully, als sie Mulder mühelos überholte und ihn schadenfroh ansah.

Sie erreichten die oberste Stufe und wollten gerade am Klingelseil ziehen, da schwang die Tür lautlos auf und gab den Weg ins Innere der Anlage frei. Mulder zog eine Augenbraue hoch und komplimentierte Scully hinein. Leise Musik erfüllte den Lichthof und legte sich beruhigend auf die Gemüter der Neuankömmlinge.

„Willkommen in unserer bescheidenen Heimstätte.“ Die Agenten drehten sich um und sahen Stephen Minhs lächelndes Gesicht vor sich. „Es ist lange her – zu lange -, seit Sie uns das letzte mal besucht haben!“

Mulder und Scully waren erleichtert, ein bekanntes Gesicht zu sehen und so begrüßten sie sich herzlich. Minh lud sie mit einer Handbewegung zu einem Rundgang im Innengarten der Klosteranlage ein. „Ich hoffe, die Musik meiner Schüler stört Sie nicht?“, fragte er.
„Aber nein“, versicherte ihm Dana und wusste, dass Fox ihr zustimmen würde. „Ich finde sie sehr... angenehm. Fremdartig, aber schön. Ich wundere mich nur, dass Sie unter diesen Umständen noch die Zeit finden zu unterrichten!“
„Ja, das wundert mich selbst manchmal. Aber ich weigere ich einfach, meine Schüler aufzugeben, nur weil in der Welt dort draußen...“ Er verstummte und ein bitterer Schatten legte sich über sein Gesicht.
„Mr. Minh“, warf Mulder ein, „wir haben erst am Flughafen erfahren, dass das Kloster zur neuen Widerstandszentrale geworden ist...“
„Ganz recht. Ich stehe seit längerem wegen dieser Idee mit Director Kersh in Kontakt.“
„An sich liebe ich diese Idee! Wir fragen uns aber trotzdem, wie das Kloster geschützt werden soll? Schließlich ist es für die Schattenregierung kein unbekannter Ort!“
„Sie spielen auf die Laboranlage in den Katakomben dort unten an?“ Er deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden.
Mulder rieb sich die Stirn. „Wie wollen wir sicher sein, dass die Verschwörer das Kloster nicht auch weiterhin für ihre Zwecke missbrauchen? Die haben einen eigenen Zugang, den wir noch immer nicht entdeckt haben. Die könnten hier ein- und ausspazieren und unsere Bemühungen sabotieren!“
„Wir werden uns schützen, indem wir selbst die Rolle der Verschwörer spielen. Ich denke, wir haben genau das richtige Mittel gefunden! Bitte haben Sie Geduld, Mr. Mulder.“

Die kleine Glocke schlug mit einem feinen Ton an. Minh sah auf seine Armbanduhr und rieb sich lächelnd die Hände.
„Wenn ich mich nicht täusche, kommt hier bereits die Antwort auf Ihre Fragen. Einen Augenblick bitte...“ Er lief schnellen Schrittes zum Eingangsbereich und öffnete das Hauptportal. Mehrere große Kisten wurden ihm entgegen geschoben. Ein verschwitzter Kopf tauchte dahinter auf, verabschiedete die UPS-Transporteure mit einem großzügigen Trinkgeld und quetschte sich schließlich durch einen Spalt zwischen Tür und Kisten hindurch.

Mulder und Scully klappte der Mund auf, als sie sahen, wer sich grinsend vor ihnen aufbaute.
„Lieferung für ‚Khyentse’”, rief Alex Krycek und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich hätte jetzt gern ein Bad!“



Ende.



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