World of X

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Richtung Nirgendwo - Stadtgrenzen

von Nicole Perry

Kapitel 1

PROLOG: SONNTAGMORGEN

Ein lautes, schrilles Klingen zerriss die Stille.

Der Mann starrte auf das schwarze Stück Kunststoff, dessen blinkendes grünes Licht ihm anzeigte, dass er einen Anruf bekam. Er starrte ausdruckslos auf das Telefon, als ihn eine schlimme Vorahnung befiel. Er hatte schon die ganze Nacht auf diese Nachricht gewartet, und mit jeder Stunde wurde das üble Gefühl, das in seinem Magen entstanden war, stärker und stärker.

Er ließ das Telefon einmal, zweimal, dreimal klingeln und zwang seine Hand ruhig zu bleiben und nicht nach dem Hörer zu greifen.

Das Telefon klingelte sechsmal, bevor er es endlich abnahm.

"Ja?"

Das einfache Wort war mehr ein Befehl als eine Frage.

"Hallo...." Die Stimme am anderen Ende der Leitung war nicht die, die er eigentlich erwartete hatte. Der Anrufer besaß nicht Christophes unverschämte Autorität; im Gegenteil, er sprach zurückhaltend, geradezu gestockt in seiner Unsicherheit. "Ich... ich habe diese Nummer hier gewählt, eine Notrufnummer..."

"Wer ist da?"

"Äh.... Danny. Daniel Payne. Ich bin der Fahrer, der Ihre Männer nach Santa Fe bringen sollte. Einer von ihnen hat mir diese Nummer hinterlassen."

"Wo sind sie?"

"Tja, Sir", sagte Payne, ein leichtes Leiern in seiner Stimme, "das ist ja das Problem. Sie sind noch nicht zurück gekommen. Ich sitze schon seit über zwölf Stunden hier am Rollfeld—also im Grunde schon die ganze Nacht. Sie sind in einem Wagen weg gefahren, und ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen."

Der Mann warf einen raschen Blick auf die Uhr und rechnete. In Santa Fe war es jetzt schon fast Morgen; er würde keine weiteren Informationen mehr erhalten. Der Mann wusste instinktiv, dass Christophe tot war. Es gab keine andere Erklärung für die Stille.

"Sir?" Die Stimme des Fahrers unterbrach seinen Gedankengang. "Ich... ähm, ich bräuchte weitere Instruktionen. Ich kann natürlich weiter warten, aber sie sind schon lange überfällig und...."

Der Mann schnitt ihm ungeduldig das Wort ab. "Ihre Dienste werden nicht länger benötigt."

"Okay, alles klar." Payne schwieg einen Moment. "Was ist mit.... was ist mit meinem Geld, Sir?"

"Sie werden es bekommen im Laufe der Zeit."

Der Mann legte auf, ohne auf eine Antwort des Fahrers zu warten. Er würde sich darum kümmern, dass das Geld gezahlt würde; er ließ nie etwas offen. Er war ein wenig ärgerlich darüber, dass Christophe so etwas Dummes getan hat und dem Fahrer seine Nummer gegeben hatte. Aber andererseits, Rufnummern konnten auch stillgelegt werden. Zumindest war jetzt seine Befürchtung bestätigt. Die Sache in Santa Fe war schlecht gelaufen, und das gerade zu dem ungünstigsten Zeitpunkt. Es waren bereits Vereinbarungen getroffen, die Tests fortzuführen, und die Nachricht einer weiteren Verzögerung würde ganz und gar nicht gern gesehen.

Der Mann griff nach der zerknüllten Packung auf dem Tisch und holte eine Zigarette heraus. Er strich ein Streichholz, zündete sie an und inhalierte das Nikotin. Als er langsam ausatmete, verhärtete sich sein Gesicht mit Entschlossenheit. Seine Bemühungen würden diesmal nicht umsonst sein. Sogar, wenn er die Situation von nun an persönlich in die Hand nehmen musste. Objekt Nummer 2-65-49557 würde gefunden werden, die Tests würden beendet und das Programm in Gang gesetzt werden.

Dana Scully, dachte der Mann, deine Zeit ist abgelaufen.

 

MITTWOCH

Die Wahrheit war: Rain war wirklich ganz schön schräg.

Nicht schräg auf eine vulgäre oder geschmacklose oder erschreckende Art. Nicht schräg als schaurig oder angsteinflößend oder gespenstig. Schräg als ungewöhnlich und exzentrisch und... eben *interessant*.

Rain hasste es, wenn alles zu normal war.

Das war der wahre Grund, warum sie aus ihrer Heimatstadt ausgezogen war. Nicht, dass dort auch seltsame Dinge passierten—das war mit Sicherheit so von Zeit zu Zeit. Aber wenn sie passierten, waren sie nicht seltsam genug für Rain. Es war gewohnt seltsam und demzufolge schlichtweg langweilig. Deswegen war sie noch in derselben Woche, in der sie ihren Highschool-Abschluss gemacht hatte abgehauen. Sie hatte Angst, eine von diesen Alltags-Frauen zu werden, die einen stinknormalen Typen heiraten und ein paar stinknormale Kinder großziehen und ein steifes, ödes und völlig zu vergessendes Leben führen bis sie sterben und im Friedhof nebenan begraben werden.

Außerdem wusste sie, dass da draußen die weite Welt auf sie wartete, und dass es irgendwo Leute gab, die genauso schräg wie sie waren. Wenn sie sie finden würde, würde wohl alles in Ordnung kommen. Also hatte Rain nach ihrem Abschluss die paar Sachen gepackt, die ihr etwas bedeuteten, und sich auf nach Westen gemacht, um ihrer Suche wenigstens einen Anfang zu machen.

Es war keine Überraschung, dass sie in Los Angeles landete. Rain hatte einmal einen Witz über L.A. gehört, dass dort nur ein Haufen Idioten und Kaputte lebten, und obwohl sie sich nicht mehr an die Pointe erinnern konnte, musste sie zugeben, dass wenigstens ein Fünkchen Wahrheit darin steckte.

Rain wohnte in Hollywood. Die Stadt, nicht der Wunschgedanke. Als sie das erste Mal hierhin gekommen war, war sie überrascht gewesen, dass es zwischen den beiden einen Unterschied gab. Die meisten der Filmstars und Filmemachern lebten nicht wirklich *in* Hollywood. Der größte Teil von ihnen wohnte weiter im Westen, wie Beverly Hills oder Brentwood. Oder im Norden, oben in einem der Canyons. Die Reichsten wohnten in Malibu.

Und das ließ in der eigentlichen Stadt Hollywood Platz für Leute wie sie. Die Schrägen, die Exzentrischen, die nirgendwo sonst hinpassten. Natürlich hatte Rain ihre Wahl gehabt. Sie würde noch weiter im Westen wohnen, in Los Feliz oder Silverlake oder vielleicht unten in Venice bei all den Künstlern, aber im Moment waren die Mieten dort zu hoch. Und außerdem passte ihr Hollywood ganz gut. Es war seltsam und ungewöhnlich und einzigartig. Es war ein Zuhause.

Rain ließ diese Gedanken durch ihren Kopf wandern in der Hoffnung, dass einer von ihnen ihre Vorstellungskraft antreiben würde und ihr eine Idee für ihr Songbuch geben würde. Ihr waren seit Tagen keine richtigen Ideen mehr gekommen, trotz der neuen Melodie, die ihr schon die ganze Zeit im Hirn herumspukte. Sie hatte die Melodie, aber nicht den Text, und das trieb sie zum Wahnsinn.

Sie summte leise vor sich hin und spielte ein paar Akkorde auf der Gitarre.  Dann zog sie ihren Ärmel hoch und sah auf die Uhr. Sie musste bald auf der Arbeit sein, sie konnte es sich nicht leisten, viel länger hier auf der Treppe von Cedrics Geschäft zu bleiben. "Ich komme zu spät, ich komme zu spät", sang sie still vor sich hin als armselige Begleitung zu der Musik.

Nicht, dass es wirklich etwas ausmachen würde. Das Tolle an ihrem Job war, dass Louie so unkompliziert war. Man könnte ihn tagelang an den Empfang des Hollywood Plaza Motels setzen, und das einzige, was ihn stören würde wäre, kein Alkohol zu bekommen. Also im Grunde machte es ihm nichts aus, wenn sie zu spät kam. Wenn sie mit einem Wahnsinns-Kater zur Vormittagsschicht zur Tür hineingestolpert kam. Oder wenn sie sich in der Mittagspause mal wieder viel zu lange in der Lobby des Capitol Records Gebäudes herumtrieb, um zu sehen, ob nicht irgendjemand Interessantes dort aufkreuzte. Oder wenn sie früher ging, um irgendeine Band am Troubadour spielen zu sehen in der Hoffnung, vielleicht einen Song mitsingen zu können.

Louie war cool, und er war total schräg und Rain liebte ihn dafür. Er musste mindestens sechzig sein, aber er trug seine langen grauen Haare offen auf den Schultern und seine Lieblings-T-Shirts waren die von Led Zeppelin. Rain war sich sicher, dass er mindestens sein halbes Leben in diesem schäbigen Motel verbracht hatte. Es war nicht gerade ein Ort, der Freunde oder Gäste von Einwohnern anlockte, und es war auch nicht die Art Motel, wo Touristen mit Geld übernachten würden. Den größten Umsatz machte es durch Leute, die hierher kamen, um sich auszuruhen und die die normalen Preise bezahlten, als ob sie wirklich planten zu schlafen, anstatt Sex zu haben. All die anderen Gäste waren gewöhnliche Leute, die am Busbahnhof drüben auf der Vine Street ankamen und nach einer Möglichkeit suchten, sich eine Runde hinzulegen, bevor sie den nächsten Bus woandershin nahmen.

Rain war das ganz recht, weil es bedeutete, dass die Leute, die normalerweise ein- und auscheckten, ebenfalls schräg waren—oder zumindest interessant. Und interessant war fast genauso cool wie schräg. Manchmal waren sie allerdings geradewegs angsteinflößend. Sie war erst zweiundzwanzig (Ende April dreiundzwanzig, fügte sie immer gerne hinzu, weil es sich besser anhörte), doch sie war nicht so naiv, um nicht zu wissen, dass nicht jeder Gast des Motels eine saubere Weste hatte. Und genau aus diesem Grund war sie froh über die Waffe, die Louie in einer Schublade unter dem Tisch des Empfangs behielt, und froh darüber, dass er ihr gezeigt hatte, wie man damit umgeht.

"Ich habe eine Knarre", sang sie vor sich hin. "Ich habe eine Knarre und ich weiß wie man sie benutzt..."

"Willst du mich etwa erschießen, Kleine?"

Rain sah auf und sah Tyrone vor sich stehen, dessen blaue Augen sie anblitzten als er sie angrinste, Zigarette in der Hand. Er hatte seinen typischen Tyrone Look an, ein enges schwarzes T-Shirt mit dazu passenden ebenso engen und verblassten Jeans. Sein Gesicht und seine Arme waren gebräunt und seine lockigen braunen Haare waren immer perfekt gestylt. Wenn er an Rains Heimatort auftauchen würde, würde er glatt ein großes Risiko eingehen, aber hier in Boys Town war er lediglich einer von vielen attraktiven Typen.

"Ich sollte dich erschießen", sagte sie zu ihm, "dafür, dass du ohne Mantel rumrennst. Ich meine, es ist *November*. Du fängst dir noch eine Erkältung."

Tyrone zuckte mit den Schultern und setzte sich auf die Treppe neben sie. "Ich komme gerade aus der Sporthalle, ich bin aufgewärmt."

"Krass", stöhnte Rain. "Jetzt bin ich mir *sicher*, dass du dir den Tod holst."

"Fang nicht an mit dem Scheiß", ärgerte Tyrone sie. "Ich habe schon eine Mutter. Außerdem", fügte er hinzu und zeigte dabei mit einer verächtlichen Handgelenkbewegung auf ihre abgenutzte Motorradjacke, "das Ding war du da an hast, verdient noch nicht einmal die Bezeichnung 'Jacke'."

"Scheiß drauf", sagte Rain und legte vorsichtig ihre Gitarre in den Koffer, der vor ihr lag. "Gib mal 'ne Zigarette."

Tyrone widersprach nicht und war auch ein Gentleman, als er ihr Feuer gab. "Wie lange sitzt du schon hier?"

Rain zog ihren Ärmel zurück, um auf die Uhr zu sehen. "Weiß nicht... ein paar Stunden."

"Alter!" bemerkte, Tyrone. "Hast du nichts Besseres zu tun als hier rumzuhängen?"

"Was soll ich denn machen, auf der Promenade spazieren gehen?" Rain kratzte sich am Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch ihr zerzaustes, hellblondes Haar. Ein Typ in einer Bar hatte ihr gestern gesagt, sie hätte Haare wie Mag Ryan, was sie schon fast dazu gebracht hätte, es sich auf der Stelle lila zu färben. Sie hatte es nur nicht gemacht, weil lila nicht gerade die Lieblings-Haarfarbe der Leute war, die ihre Art Musik mochten— und sie wollte möglichen Erfolg nicht wegen Eitelkeit sausen lassen.

"Außerdem", fuhr sie fort, "habe ich gearbeitet. Songs schreiben. Üben. Du weißt schon."

"Oh, ja, ich *weiß* schon." Was Tyrone da sagte, machte keinen Sinn, aber 'kein Sinn' war Tyrones Spezialität.

"Hast du den Schlüssel nachmachen lassen?"

"Ja. Ich habe sie alle machen lassen." Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und fragte dann, "Bist du dir sicher mit der Sache? Ich meine, du kennst diese Leute nicht einmal."

"Was soll ich da kennen?" Rain sah ihn mit einem Unschuldsblick an. "Es sind nette Leute, da bin ich mir sicher. Und sie brauchen was, wo sie sich hinhauen können. Und Justin wird nicht vor nächstem Jahr zurück sein, wenn überhaupt."

Justin war wahrscheinlich der erfolgreichste Mensch, den Rain in L.A.  persönlich kannte. Er war ein Freund von Tyrone und Cedric aus der Bar. Er machte Geschäfte, stattete Firmen mit Internet-Software aus. Er verdiente eine Menge Geld und er teilte sich die Zeit ein wie er wollte, was ihm viele Gelegenheiten gab, seinen beiden Hobbys nachzugehen: Sport und Dates, am besten miteinander verbunden.

Mit diesem Gedanken fügte Rain noch flüsternd hinzu, "Ich denke sogar nicht, dass er vor Ende der Skisaison zurück kommt, wenn du's wirklich wissen willst."

"Jaja, Skisaison." Noch ein typischer unsinniger Tyrone-Kommentar.

"Es ist perfekt." Rain bestand auf ihren Plan. "Wir beide brauchen das Geld, und Justin wird nie einen Ton davon erfahren. Außerdem hat er seine ganze Computerausrüstung mitgenommen, also gibt es nichts, was geklaut werden könnte.

"Die Stereoanlage", sagte er. "Sie könnten die Stereoanlage klauen."

Rain rollte die Augen. "Ja, klar, als ob sie die *Stereoanlage* mitnehmen! Sie sind mit dem Bus und einer Tasche Gepäck gekommen, und du denkst, dass sie mit der kompletten Ausrüstung abhauen werden. Ja, stimmt, es sind Stereoanlagen-Diebe."

"Sie könnten welche sein." Tyrone nickte nachdenklich. "Sie könnten die Experten-Diebe von Audio- und Videoausrüstung sein. So machen die vielleicht ihre Kohle. Du weißt schon, sie finden das Zeug und verscherbeln es."

"Tyrone", sie ließ ein langes genervtes Seufzen los. "Ich werde das nicht einmal mit einer Antwort würdigen. Du hast se nicht mehr alle, weißt du das?"

"Und du liebst das, Kleine." Er setzte sein spitzbübisches Grinsen wieder auf und Rain musste lächeln.

"Ich liebe es vielleicht, aber ich rede kein Wort mehr mit dir, wenn du's versaust." Rain fixiert ihn mit ernstem Blick und öffnete ihre Augen so weit wie möglich. "Ich *brauche* dieses Geld. Und ich will, dass du mir Justins Schlüssel gibst."

Tyrone erwiderte nichts darauf. Er ließ seine Kippe fallen und drückte sie mit dem Fuß aus. Rain fasste sein Schweigen als Aufforderung auf weiter zu reden.

"Er hat gesagt, es sei nur für eine Woche oder zwei, vielleicht sogar kürzer. Und ich gehe da rüber und passe auf, dass die *Stereoanlage* nicht weg kommt. Ich werde sogar die Blumen gießen", versprach sie und machte ihre eigene Zigarette aus. "Du musst überhaupt nichts machen."

"Nichts außer dir die Schlüssel zu geben."

"Und ich gebe dir die Hälfte des Geldes!" Sie wurde langsam frustriert. "Ich halte das für mehr als fair!"

Das Geräusch der Tür, die hinter ihnen geöffnet wurde, unterbrach die eskalierende Diskussion. "Was ist mehr als fair? Darf ich das auch wissen?"

Rain und Tyrone drehten sich um und sahen Cedric hereinkommen, eine gebräunte Hand auf seiner Hüfte, die andere hielt die Tür auf. "Ich meine, alles ist fair im Krieg und der Liebe, stimmts?"

Rain war insgeheim in Cedric verliebt. Er war mit Abstand der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Halb Jamaikaner, halb Ire. Er war in der Karibik aufgewachsen und sprach Französisch genauso fließend wie Englisch. Seine Haut war kaffeebraun und er trug seine schwarzen Haare in kunstvollen Zöpfen. Das Auffälligste an Cedric waren seine Augen, die das Grün von Smaragden hatten und denen absolut nichts fehlte. Sie bewunderte ihn, und wenn sie die Welt ändern könnte so, wie sie es wollte, würde sie als erstes dafür sorgen, dass er in ihrem Team spielte.

Tyrone lächelte beim Anblick seines Lovers. "Verdienst du jetzt deinen Lebensunterhalt mit dem Belauschen anderer Leute?"

"Nur, wenn es etwas Interessantes zu hören gibt", erwiderte Cedric und beugte sich zu Tyrone, um ihm einen Kuss zu geben. Als er zurück zog, runzelte er die Stirn. "Du hast wieder geraucht."

"Und was gibt's noch Neues?" antwortete Tyrone wie gewöhnlich.

"Das wird dich noch umbringen, Schätzchen", sagte Cedric, doch Tyrone zuckte nur mit den Schultern.

Rain hatte solche Diskussionen schon tausendmal erlebt, sie endeten immer auf die gleiche Weise. Heute hatte sie einfach keine Lust dazu. "Bist du hier drin fertig, Cedric?" fragte sie. "Ich muss zur Arbeit."

"Noch zwanzig Minuten oder so. Dann geht's ab mit Rock 'n Roll."

"Cool", freute sich Tyrone. "Zeit für M&M. Kommst du mit, Rain?"

"Ich muss arbeiten, schon vergessen?" Rain war nicht unbedingt traurig mit dieser Tatsache, denn sie war gerade nicht unbedingt in Stimmung für Margaritas bei Marix, das mexikanische Restaurant im Herzen von West Hollywood. Im Sommer war es vollgepackt mit geeigneten jungen Männern, die literweise eiskalte Drinks in sich rein kippten, um der Hitze von Los Angeles zu entfliehen, und sogar im Winter war es immer noch der beste Ort, um Kerle bzw. Frauen anzubaggern.

Das ist mein Leben, dachte sie und schüttelte fast den Kopf, als sie die Absurdität dessen erkannte. Meine zwei besten Freunde sind ein weißer Typ namens Tyrone und ein schwarzer namens Cedric, die nichts lieber wollen, als sich mit mir in Gay-Bars herumzutreiben.

Laut sagte sie, "Aber Louie kommt um Mitternacht zurück. Also, wenn ihr danach in den Club 80s geht, bin ich dabei."

Das ist mein Leben, wiederholte Rain zu sich selbst mit einem verdecken Lächeln. Und ich liebe es.

"Cool", sagte Cedric. "Warte noch kurz, dann bin ich fertig." Damit verschwand er wieder drinnen und die Tür fiel hinter ihm zu.

Wieder allein mit Tyrone, nahm Rain wieder ihre Attacke auf. "Okay, also bist du dabei oder nicht? Weil wenn nicht, muss ich mir was anderes ausdenken."

Tyrone schüttelte eine weitere Zigarette aus seiner Packung und zündete sie an. "Warum können die nicht bei dir bleiben?"

"Oh", Rain zog eine Grimasse. "Als ob sie das könnten." Ehrlich gesagt hatte Rain daran schon gedacht, aber sie hatte nicht einmal genug Platz für sich selbst in dem kleinen Studio, das sie oben in Franklin gemietet hatte.  Außerdem würde sie Ashley nie dazu überreden können. Ashley Fisher war die Frau, der das Haus gehörte, eine unverheiratete, karrierebesessene Vorsitzende einer Werbeagentur. Obwohl Ashley auszuhalten war, war sie überaus pingelig mit ihren Regeln. Weitere Gäste kamen absolut nicht in Frage.

"Das ist die einzige Möglichkeit, Tyrone. Und es ist die einzige, die Sinn macht. Also, sei kein Idiot, indem du uns beiden ein nettes Sümmchen durch die Lappen gehen lässt. Das ist Cash auf die Kralle, Mann. Und das sollte dir etwas bedeuten, es sei denn du hast bei Rocket Video eine Gehaltserhöhung bekommen."

Tyrone machte sich nichts aus ihrer Spöttelei, sondern zog gemütlich an seinem Glimmstängel und blies den Rauch in aller Ruhe aus. "Sag mir noch einmal, wie alles dazu gekommen ist." Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, aber er ignorierte ihn. "Was?" sagte er langgezogen. "Es ist ja nicht so, dass wir keine Zeit hätten."

"Okay", seufzte Rain und bediente sich noch einmal aus seiner Zigarettenpackung. Wenn er Geschichten hören wollte, sollte er sie auch bekommen.

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