World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Gefühle offenbart

von GL Medeiros

Absolution

Harrison,

ich dachte, dass wenn Sie verurteilt worden sind und im Gefängnis sitzen, ich etwas Ruhe finden würde, ein Gefühl der Abgeschlossenheit. Doch das habe ich nicht. Ich denke immer noch jeden Tag daran, was Sie mir angetan haben. Ich bin viel ängstlicher geworden, ich bin nicht mehr die Frau, die ich einmal war. Ich habe mit meiner Mutter darüber geredet - ist es nicht seltsam, dass egal wie alt man ist, man sich immer wieder seiner Mutter zuwendet, wenn man von etwas geplagt wird? Naja, vielleicht tun Sie das nicht. Jedenfalls hat meine Mutter einen starken Glauben und tiefes Vertrauen in Gott und Güte und Liebe. Sie sagte zu mir, "Dana, bis jetzt hast du immer so gehandelt, wie es dein Verstand dir gesagt hat - du hast in angeklagt, ihn strafrechtlich verfolgt und ihn für eine lange Zeit hinter Gitter gebracht." Mein erster Gedanke war, "Wie - wie kann ich einem Mann vergeben, der an einem Abend mein Leben zerstört hat?" Sie versuchte zu ignorieren, was ich gesagt hatte - ich versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, aber es reichte nicht aus. Im Laufe der folgenden Tage habe ich immer noch dasselbe empfunden. Vielleicht hatte meine Mutter ja Recht gehabt. Deswegen schreibe ich Ihnen diesen Brief. Ich versuche, Ihnen zu vergeben. Ich kann nicht versprechen, dass ich es tun werde, aber ich versuche es um meinet Willen. Ich möchte, dass Sie eines wissen: Ich tue das hier für mich, nicht für Sie.

Bevor ich vergeben kann, und hoffentlich eines Tages vergessen, muss ich wissen, warum Sie mich angegriffen haben. Nicht nur physisch, sondern auch emotional und nicht nur mich, sondern auch all die Leute, denen ich etwas bedeute. Wir alle sind betroffen. Ich frage mich, ob ich mich zu Hause je wieder sicher fühlen werde. Muss ich den Rest meines Lebens immerzu über meine Schulter blicken? Werde ich je wieder das Gute in den Menschen sehen können? Ich hätte nie gedacht, dass Sie mich verletzen werden, als ich Ihnen an dem Abend die Tür öffnete. Wir arbeiten für dieselbe Regierung, kennen dieselben Leute und führen dieselben Schlachten. Wir dienen und wir beschützen - aber Sie hatten nie vor, mich zu beschützen. Mein Vertrauen in die Arbeit, die wir tun, in die Welt, in der wir leben, ist zunichte. Wie können wir unser Versprechen halten, zu dienen und zu beschützen, wenn wir nicht einmal die beschützen können, die mit uns für das Gerechte kämpfen?

Ich mache mir auch Sorgen um die Leute, die ebenfalls von diesem Alptraum betroffen sind. Mein achtzig Jahre alter Nachbar, der meine Schreie gehört und das FBI gerufen hatte, meine Mutter und meine Schwester, die Mulder mitten in der Nacht angerufen hatte. Meine Mutter hatte einen solchen Anruf schon immer gefürchtet. Werden sie je wieder vertrauen können? Werden sie immerzu schlaflose Nächte damit verbringen, sich um mich und sich selbst zu sorgen? Immerhin, wenn es mir passieren konnte....

Aber am meisten sorge ich mich um Mulder, der mir sehr geholfen und mir Kraft gegeben hatte. Gibt er sich, wie immer, selbst die Schuld? Dafür, dass er nicht da gewesen war? Dafür, dass ich wegen ihm zu einer X-Akte geworden bin und dafür, dass er mich indirekt mit seinen eigenen Dämonen und Problemen belastet hatte? Ich weiß nicht, wie es sich auf lang Zeit für ihn auswirken wird, aber ich mache mir Sorgen. Bis jetzt hatte ich mir gewünscht zu wissen, warum Sie es getan haben - haben Sie es gemacht, um sich an Mulder zu rächen für das, was von Jahren passiert war? War es nur Ihre verquere Persönlichkeit, der Drang, einmal Machoman zu sein?  Vielleicht war es eine Herausforderung, die "Ice Queen" zu besiegen. Aber jetzt will ich es nicht mehr wissen. Es ist mir egal.

Ich weiß allerdings, dass Sie mir etwas genommen haben, dass ich nicht geben wollte. Und andererseits haben Sie mir etwas gegeben, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich es wollte - dass Mulder zu mehr als nur mein Partner wurde – wie viel mehr, das weiß ich noch nicht. Aber wegen Ihnen war er derjenige, der meine Hand gehalten hat, als ich durch den langen Korridor ging, um Sie zu identifizieren als den Mann, der mich vergewaltigt hat. Und er war derjenige, der meine Haare aus meinem Gesicht gehalten hatte, als ich zusammengebrochen und krank war, nachdem Sie verurteilt waren. Er ist derjenige, dem ich mich mitten in der Nach zuwenden kann, er hört meinem Weinen um drei Uhr morgens zu, wenn die Angst mich überwältigt.  Er ist ein Teil von mir geworden.

Also, vielleicht hat meine Mutter wirklich Recht gehabt. Vielleicht kann ich Ihnen, irgendwann einmal, vergeben. Ich weiß es nicht - aber ich musste Ihnen all das sagen, damit ich mein Leben weiterleben kann. Mein Leben mit Mulder, wenn er ein Teil davon sein möchte. Meine Mutter betet jeden Abend für Sie - dass Sie eines Tages das Ausmaß ihrer Tat erkennen werden und sie bereuen werden. Ich kann nicht so wohlwollend sein. Ich hoffe, dass mein Leben sich wieder einrenkt, und dass sich unsere Wege nie wieder kreuzen - in keinster Weise. Ich hoffe, dass Sie im Gefängnis bekommen werden, was Sie verdienen - was immer das auch ist.

Dana Scully

 

Dana Scully wischte sich die Tränen von ihren Wangen. Sie las den Brief noch einige Male, atmete tief durch und zerriss ihn dann in hundert kleine Stücke. Als sie sie langsam auf den Boden des Papierkorbs fallen ließ, fühlte sie bei jedem Stück, das zu Boden segelte, ihr Herz ein wenig leichter werden. Als der letzte Fetzen sich nicht mehr regte, nahm sie das Telefon und wählte.

"Hi, Mulder. Bist du beschäftigt? Nein? Hättest du etwas gegen ein wenig Gesellschaft? Wir müssen reden... Nein, es geht mir gut... wirklich, wahrhaftig gut." Sie lächelte jetzt unter ihren Tränen, das erste Mal seit einer langen Zeit.

Sie würde darüber hinwegkommen.

Rezensionen