World of X

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Only married

von frannie

Kapitel 1

Wie meistens an den langen Sonntagen saß Mulder auch heute an seinem Schreibtisch im Hauptgebäude des FBI und starrte gedankenverloren vor sich hin. Scully zog ihn ja oft damit auf, er habe kein Privatleben. Und, so dachte er jetzt, sie hatte ja irgendwie Recht. Scully! Mulder seufzte. Seine Partnerin bereitete ihm schon seit Wochen Kopfzerbrechen. Seit Tagen war sie wie ausgewechselt. Mulder hatte es sofort bemerkt, konnte den Grund dafür aber einfach nicht herausfinden. Sie verhielt sich ihm gegenüber irgendwie distanziert, fast fremd. Was hatte er ihr getan? War er ihr gar zu nahe gekommen? Mulder konnte sich nicht erinnern.

Wie um seine Gedanken zu vertreiben, schüttelte er den Kopf, schnappte seine Jacke und wandte sich zum Gehen. Und als er das Gebäude verließ und sich der Name Scully einfach nicht aus seinem Kopf verbannen ließ, beschloss er, sie morgen einfach auf ihr Verhalten anzusprechen.



~



Als Mulder am nächsten Morgen im Hauptquartier eintraf, führte ihn sein erster Weg zu ihrem Büro. Er trat ein. Seine Partnerin saß an ihrem Schreibtisch, vor sich ein paar Notizblätter und die übliche Tasse Kaffee. Sie nickte ihm zu.

„Guten Morgen, Mulder!“

„Morgen Scully. Schon fleißig?“

Scully zeigte auf eine Aktenmappe und bat ihn, sich das einmal durchzusehen. Sie wollte gerade einen Kommentar dazu abgeben, als es wieder klopfte.

Ein Mann, ungefähr mittleren Alters trat ein und schaute sich um.

„Sind sie Special Agent Scully?“, fragte er und blickte dabei auf einen Zettel. Scully zog die Augenbrauen hoch.

„Ja, wieso?“

„Ich wurde gebeten, Ihnen diesen Zettel zu geben“, erklärte der Mann und reichte ihr das Papier. Mit immer noch leicht gerunzelter Stirn las Scully das Geschriebene und ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen Freude und Ärger. Sie warf einen Blick auf Mulder und meinte nur: „Bin gleich wieder hier.“

„Okay“, sagte dieser und drehte sich um. Er setzte sich an ihren Schreibtisch und blätterte weiter in der Aktenmappe. Dann schüttelte er den Kopf, schlug sie zu und wartete. Schaute sich in dem Zimmer um, obwohl er es in und auswendig kannte und sicherlich auch im Traum hätte beschreiben können. Da fiel sein Blick auf Scullys Notizen, die offen auf ihrem Schreibtisch lagen und sein geschulter Blick erkannte eine winzige Ecke eines Fotos, das unter den dicht beschriebenen Blättern hervorschaute. Schnell ging er zur Türe, öffnete sie und schaute sich um. Von Scully weit und breit nichts zu sehen. Die Neugierde siegte und er zog das Foto hervor. Dann stockte ihm der Atem. Auf dem Bild war ein Pärchen zu sehen. Die Frau zeigte eindeutig Scully, den Mann kannte Mulder nicht. In diesem Moment war ihm auch völlig egal, um wen es sich handelte, ihn interessierte nur, wie der Unbekannte Scully hielt, wie er sie anschaute und wie Scully lächelte. So verliebt, so glücklich... Er hatte sie noch nie so lächeln gesehen.

Nein, dachte Mulder. Er drehte das Foto um und schaute das Datum an. Das Bild war vor zwei Monaten aufgenommen worden.

In diesem Moment öffnete sich die Türe. Mulder schob das Foto hastig wieder unter den Stapel und drehte sich befangen um. Hatte sie etwas mitbekommen?

Er räusperte sich. „Was war denn? Ein neuer Fall?“

Scully schaute ihn etwas verwirrt an und meinte nur kühl: „Nein, nein, nichts Wichtiges. Haben Sie es gelesen?“

Mulder schüttelte den Kopf um das komische Gefühl in seinem Kopf zu vertreiben. Er hatte ihr nicht richtig zugehört.

„Gelesen? Was?“, fragte er sichtlich benommen.

„Mulder, wo sind Sie mit Ihren Gedanken? Ich fragte Sie, ob Sie den Bericht gelesen haben!“ Scully unterzog ihn einem prüfenden Blick.

„Ach, den Bericht! Ja, habe ich gelesen. Ist nicht sehr vertrauenerweckend, eh? ,meinte er etwas sarkastisch und zwang sich zu einem Grinsen. Wieder schaute sie ihn an.

„Ob Sie wollen oder nicht, Mulder, wir werden uns diesen ,Fall‘ jetzt ansehen!“

„Das nennen Sie einen Fall? Darunter verstehe ich aber etwas ganz anderes.“

„Mulder, ich weiß, Misthaufen zu durchwühlen ist nicht Ihre Lieblingsbeschäftigung, aber wir haben im Moment schon genug Probleme!“

Probleme, dachte er, ich habe Probleme. Aber er erwiderte nichts. Er erhob sich, hielt ihr die Türe auf und gemeinsam begaben sie sich zu ihrer neuen Aufgabe.



~



Dieser Tag war wirklich nicht der beste im Leben von Fox Mulder. Als er abends heimkehrte, ließ ihn die Entdeckung des Fotos nicht zur Ruhe kommen. Plötzlich wurde ihm aber dann bewußt, dass er nicht bis morgen warten konnte. Er wollte Klarheit - und zwar jetzt!

Es war schon gegen 22.00 Uhr, als er vor Scullys Apartment ankam und zu ihrem beleuchteten Fenster hinaufspähte. Sie hatte die Vorhänge noch nicht zugezogen.

Er mußte nicht lange warten, bis er ihren Schatten vorbeihuschen sah. Bevor er sich jedoch richtig besann, entdeckte er noch einen Schemen. Keinen Zweifel, dieser war ein männlicher, wie er an der Statur erkennen konnte. Der Schatten schlich sich an den anderen heran und umarmte ihn von hinten. Als Scullys Umriß sich umdrehte und die Gestalt zu küssen begann, kam sich Mulder plötzlich wie ein Spanner vor und verschwand schnell hinter der nächsten Hausecke.

Er atmete tief durch und lehnte gegen die kalte Mauer. So ist das also! Das hätte ich mir ja denken können. Er zwang sich, nicht eifersüchtig zu sein, nein, er versuchte, es sich einzureden. Ich bin nicht eifersüchtig, ich bin nicht eifersüchtig.



Nein, Mulder, du doch nicht ..



Während er so überlegte, lief ein Pärchen an ihm vorbei, das ihn jedoch nicht zu bemerken schien, denn die Verliebten waren zu sehr mit sich beschäftigt.

Na super!, dachte Mulder, ich glaub, ich werde von Verliebten verfolgt.

Wieder passierten ihn zwei Menschen. Er schaute sie an, ohne sie richtig wahrzunehmen. Doch dann stutzte er.

Die Frau kannte er doch! Das war doch...

„Scully!“

„Mulder?“, fragte sie mit sichtlicher Verwunderung, die auf Gegenseitigkeit beruhte, „was hat Sie denn in diese Gegend verschlagen?“

Mulder starrte sie immer noch an, ihren Begleiter schien er noch gar nicht registriert zu haben.

„Ich.. äh.. ich wollte jemanden besuchen, einen.. Bekannten“ ,stotterte er, nur halb die Wahrheit sagend, als müßte er vor ihr Rechenschaft für seine Tätigkeiten ablegen.



Scully sah ihn irritiert an. Seit wann hatte Mulder Freunde? War dieser Bekannte vielleicht eine Freundin? Augenblicklich wurde ihr Blick prüfend.

Beruhige dich, warnte sie sich innerlich. Was wäre denn schon dabei? Er hätte eine Freundin. Na und? Was kümmert dich das? Du hast doch damit abgeschlossen. Aber sie merkte, dass sie nichts dagegen tun konnte und unwillkürlich eifersüchtig wurde.

„Aha,“ schloss sie kühler, als sie es vorgehabt hatte.

Sie schauten sich schweigend an.

Plötzlich lenkte der Mann an Scullys Seite, der das Szenario bisher schweigend verfolgt hatte, mit einem Räuspern die Aufmerksamkeit auf sich.

Scully erwachte aus ihrer Starre. Das war der Moment, dem sie seit den letzten Monaten so ängstlich entgegengesehen hatte. Aber nun musste sie es wohl über sich bringen.

„Entschuldigung Bob, das ist Fox Mulder, ein Arbeitskollege von mir. Mulder, dass ist Bob Graham.“

Mehr sagte sie nicht.

Mulder war irritiert.

Ja, er war ein Arbeitskollege, nur eben nicht ein, sondern der Kollege. Ihr Partner. Mit ihm verbrachte sie am meisten Zeit. Wieso sagte sie das ihrem Begleiter nicht?

Die beiden Männer gaben sich anständig die Hand, wobei dies von Seiten Mulders eher widerwillig geschah.

Mulder starrte seinen Gegenüber immer noch fast feindselig an. Kein Zweifel! Das war der Mann auf dem Foto und wohl auch der Mann, dem der Schatten in Scullys Wohnung gehört hatte. Sein Starren verwandelte sich in Musterung. ‚Bob‘ war ein wenig kleiner als er selbst und ,zugegeben, nicht gerade häßlich. Schlank, braune Augen, braune Haare. Und aus seinem Mund blitzten beim Lächeln zwei Reihen strahlend weißer Zähne. Mulder kämpfte mit sich. Wie sollte er Scully gegenüber reagieren?

Überrascht? Gelassen? Irgendwie hatte er ja damit gerechnet. Er entschloss sich für die gelassene Mimik, obwohl sich sein Magen immer mehr zusammenzog.



„Ja.. Bob.., dann wünsche ich Ihnen beiden noch einen schönen Abend“ ,meinte er, weil er das Ganze so schnell wie möglich beenden wollte.

Sein Blick ruhte immer noch auf Scully, die ihn fast ängstlich ansah.

Bob schien es zu bemerken, denn er fasste Scully an der Hand und zog sie leicht mit sich. Zu Mulder sagte er in aufrichtiger Ehrlichkeit:
„Es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Fox!“

Seinen Vornamen aus dem Mund dieses Mannes zu hören, verbesserte Mulders Laune nicht gerade und Bob wurde ihm immer unsympathischer. Er vergaß dabei die Tatsache, dass dieser gar nichts dafür konnte, weil er ja nicht wusste, dass Mulder nicht viel von seinem Vornamen hielt.



Mulder drehte sich um und wollte in die entgegengesetzte Richtung davon, hoffte aber immer noch, dass Scully ihn aufhalten würde, ihren Begleiter vorausschicken und ihm alles erklären würde.

Wieso sie es ihm wohl nicht gesagt hatte? Wieso hatte er es selbst herausfinden müssen?

Aber Scully tat nichts dergleichen. Sie blieb einfach stehen und starrte ihm nach. So lange, bis Bob sie mit einem „Kommst du?“ in die Wirklichkeit zurückholte. Nickend schlenderte sie mit ihm davon und eigentlich hätte sie glücklich sein müssen, doch sie spürte nur Schmerz.





~



Mulder ging schweigend zu seinem Auto und achtete tief in Gedanken versunken auf seine Schritte. Was war passiert?

Vor zwei Minuten hatte er Scully mit einem Mann getroffen. Und schon schien alles sinnlos. Auch eine Stimme in ihm, er solle keine voreiligen Schlüsse ziehen, beruhigte ihn nicht.

Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Doch er wollte sich nicht umdrehen, wer auch immer das war, würde sowieso in ein paar Sekunden an ihm vorbeilaufen und dann wäre die Mühe umsonst gewesen.

„Mulder, warten Sie!“ ,hörte er Scullys Stimme dicht bei sich. Sie hatte ihn erreicht und lief jetzt neben ihm. Mulder verlangsamte sein Tempo ein wenig. Mit ihrem Auftauchen hatte er nicht mehr gerechnet.

„Wieso sind Sie nicht bei ihrem..., Bob?“ ,fragte er, nicht wissend, welche Bezeichnung er benutzen sollte.

Scully antwortete ein wenig schnaufend: „Ich habe ihn vorausgeschickt und werde ihm dann folgen. Aber zuerst möchte ich, dass Sie mir zuhören.“ Sie blieb stehen und Mulder tat es ihr gleich.

Er konnte sich in etwa vorstellen, was jetzt kommen würde. Seine Befürchtungen würden als Tatsachen abgestempelt werden. Er konzentrierte sich auf seine Mimik.

„Mulder, ich weiß, dass es schon fast zu spät ist Ihnen das zu sagen, aber es ergab sich einfach keine Gelegenheit dazu. Doch ich werde es Ihnen jetzt sagen, ich möchte nicht, dass Sie es aus zweiter Hand erfahren.“ Scully machte eine kleine Pause und Mulder schaute sie fragend an.

„Ich werde heiraten, Mulder.“ Jetzt war es raus. Scully blickte ihn gespannt an. Augenblicklich brach für Mulder eine Welt zusammen. Was??

Doch sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, nur seine Stimme schien rau, als er sie fragte:

„Ihn?“ Er wußte, dass er sich die Frage hätte sparen können.

Sie nickte.

„Wann?“

„Am Sonntag. In der kleinen Kirche.“

Es war mehr Gewohnheit, als er auf seine Uhr blickte. Eigentlich wußte er genau, welcher Tag heute war.

Montag.

„Dann wünsche ich Ihnen alles Gute“, meinte er leise. Er musste hier weg, lange konnte er sich nicht mehr beherrschen.

Er sah ihr noch einmal in die Augen und sein Blick traf sie mitten ins Herz.

„Gute Nacht, Scully.“

Mulder drehte sich um und ging.

Scully blieb fassungslos stehen. Meinte er das ernst?

„Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen?“, rief sie ihm hinterher.

Er schaute zum letzten Mal zurück.

„Sollte ich denn?“

Und dann war er verschwunden.



~



Es war kaum in Worte zu fassen, was an diesem Abend in Mulder vorging. Stundenlang irrte er wie ein Verrückter durch die Straßen, er wollte nicht nach Hause. Was sollte er da? Dort würde ihm die Decke auf den Kopf fallen.

Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, in eine Bar zu gehen und sich zu betrinken, doch er verwarf die Idee, bevor er sie richtig ausgewertet hatte. Er wußte, wie das dann enden würde.

Am Abend vergisst du alles, am nächsten Morgen holt dich das Ganze doppelt und dreifach ein.

Wieder versank er in eine Mischung aus Selbstmitleid und Wut, Wut auf sich selbst.

Er war selber schuld. Ja! So sah die nackte Wahrheit aus.

Hätte er ihr schon früher seine Liebe gestanden, wie er es so viele Male vorgehabt hatte, wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Jetzt war es zu spät.

Mulder hatte, seit er das Foto gesehen hatte, vermutet, dass Scully einen Freund hatte. Einen Freund, nicht mehr und nicht weniger.

Diese Tatsache wäre für ihn schon schlimm genug gewesen.

Aber mit ihrer Aussage, heiraten zu wollen, hatte sie ihn völlig aus der Bahn geworfen.

Er hatte sie verloren. Sie jetzt noch zurückzugewinnen war beinahe unmöglich.

Doch plötzlich erwachte ihn ihm der Kämpfer. Wann hatte er jemals aufgeben? Nie.

Und so würde es auch diesmal nicht sein.



~



Wie Mulders Gedanken um Scully kreisten, so kreisten Scullys Gedanken um Mulder. Den ganzen Abend. Pausenlos.

Es war sogar so schlimm, dass sie Kopfschmerzen bekam und sich frühzeitig von einem ziemlich verwunderten Bob verabschiedete.

Zu Hause machte sie es sich auf der Couch gemütlich und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

Als sie Bob kennen gelernt hatte, war alles wunderbar gewesen. Sie hatten die wenigen Stunden des Tages, während denen weder Bob noch sie arbeiteten, zusammen verbracht. Scullys tägliche Gedanken über ihr Verhältnis zu Mulder schwanden und Bobs ständige gute Laune ließ sie all ihre Sorgen vergessen.

Aber dann war der Tag gekommen, an dem er sie gefragt hatte. Einfach so, als sie auf ihrer Couch saßen und über alltägliche Dinge sprachen.

Sie war zuerst einmal verwirrt gewesen und hatte dann um Bedenkzeit gebeten.

Sie wusste, wie sehr sie an Mulder hing und dass die unausgesprochene Liebe zu ihm nicht im Geringsten Ähnlichkeit aufweisen konnte mit der Liebe zu Bob. Es war anders. Doch schließlich siegte der Wunsch, nicht mehr einsam zu sein.

Sie würde glücklich werden und ihre Zuneigung zu Mulder mit der Zeit vergessen.

Die Tatsache, dass sie sich etwas vormachte und dass es nie so einfach werden würde, schob sie zur Seite.

Aber es wurde nicht einfach, es war nicht einfach, auch jetzt nicht. Denn nachdem sie Bob ihren Entschluss, ein entschlossenes „Ja“, mitgeteilt hatte und sich darauf einzustellen begann, bald verheiratet zu sein, so tauchte doch jeden Tag wieder ein Gesicht auf, das Gesicht von Fox Mulder. Am schlimmsten war die gemeinsame Arbeit.

Sich ihm gegenüber ganz normal zu verhalten, war ihr, trotz ihrer versuchten Entschlossenheit, fast unmöglich. Auch auf Distanz zu gehen nützte nichts.

Endlich wurde ihr bewusst, dass es so nicht funktionieren konnte. Wenn sie Mulder vergessen wollte, konnte sie ihm nicht ständig über den Weg laufen. Dazu musste er aus ihrem Blickwinkel verschwinden.

Ich werde kündigen, beschloss sie.

Das alles war sie schon mindestens ein Dutzend Mal durchgegangen, aber ihr war nie ein anderer Weg eingefallen als dieser. Und eigentlich hatte sie Mulder von ihren Heiratsplänen erzählen wollen, irgendwann, wenn sie ungestört gewesen wären. Aber einladen wollte sie ihn nicht. Das konnte sie nicht. Auch wenn ihn das vielleicht verletzte, es ging nicht. Das würde sie nicht aushalten können.

Sie seufzte und lehnte sich zurück. Sie wusste nicht, wie es weitergehen sollte.



~

Tage vergingen, doch Scully tauchte nicht im Büro auf. Nicht Dienstag, nicht Mittwoch, nicht Donnerstag und nicht Freitag.

Mulder hatte nachgefragt und von Skinner erfahren, dass sie um drei Wochen Urlaub gebeten hatte.

Er war bewilligt worden und so, dachte Mulder, besteht keinen Anlass mehr, dass sie hier vor der Hochzeit nochmals auftauchen wird.

Was wollte sie damit bezwecken? Ging sie ihm aus dem Weg? Er hatte auf ein klärendes Gespräch gehofft, in welcher Form auch immer.

Ja, okay, dafür wäre der richtige Zeitpunkt wohl der auf der Strasse gewesen, doch damals hatte er das nicht gekonnt.

Aber jetzt hatte er nicht einmal mehr Gelegenheit, mit ihr zu reden, weil sie sich ja nicht mehr sahen.

Nein, dachte er, so kommt sie nicht durch, ich will wissen, warum! Und wenn ich dafür zu ihr nach Hause muss.



Als es läutete, kam Scully gerade aus dem Bad, in einem weichen Bademantel, die Haare noch feucht.

Bob hatte noch viel zu erledigen und war gegangen, bevor sie unter die Dusche geschlüpft war.

Das war noch nicht zehn Minuten her.

Hat er wieder einmal etwas vergessen?, dachte sie. Der Gedanke war nicht einmal so abwegig, denn Bob besaß keinen Zweitschlüssel und sonst erwartete sie niemanden.

Also öffnete sie die Türe, ohne durch den Spion zu schauen. Kaum hatte sie sie geöffnet, hätte sie die Türe am liebsten gleich wieder zugeschlagen.

Mulder stand draußen.

„Hallo, Scully. Darf ich reinkommen? Ich muss mit Ihnen reden.“

Scully schluckte und dachte verlegen, dass sie nur einen Bademantel anhatte. Aber dann nickte sie und ließ ihn eintreten.

„Ich komme gleich, ich werde mir nur schnell etwas anziehen.“

Er nickte und ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch lagen noch nicht weggeräumte Urlaubsprospekte und Modekataloge. Er schlug einen auf und erblickte lauter Hochzeitskleider.

Unterdessen war Scully hinter ihn getreten.

Er drehte sich um.

„Es ist Ihnen also wirklich ernst?“

„Ja“ ,erwiderte sie und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. Das war gar nicht so einfach. Sie atmete tief ein und wollte das Thema in eine andere Richtung lenken.

„Sie wollten etwas mit mir bereden?“

„Ja.“

„Was?“ Natürlich wusste sie, was er wollte. Er wollte ein Gespräch. Genau das, was sie unbedingt hatte verhindern wollen.

„Können Sie sich das nicht denken?“ ,gab Mulder zurück, als Antwort auf ihre gespielte Ahnungslosigkeit.

„Doch, ich kann es mir denken. Aber ich wüsste nicht, was es da noch zu bereden gibt.“

Scully setzte ihre kühle Art auf, obwohl es ihr schwer viel, sie auch standzuhalten. Schauspielern war nie ihr Fachgebiet gewesen –vor allem nicht in solchen Situationen aber sie hatte gelernt und durfte sich jetzt nicht gehen lassen. Nicht so kurz vor dem Ziel.



Mulder lachte innerlich spöttisch auf. Sie verletzte ihn. Mit jedem einzelnen Wort, das sie sagte. War sie sich dessen nicht bewusst?

„Es gibt auch nicht viel zu bereden, ich wollte sie nur warnen. Überlegen sie es sich gut, schließlich ist es ein Bund fürs Leben und nicht ein schneller Einkaufsbummel.“ Mit diesem Satz hatte Mulder seine „Taktik“ ,wenn es denn überhaupt eine war, geändert. Eigentlich hatte er das Gespräch anders verlaufen lassen wollen.

Mulder suchte ihren Blick und sah ihr direkt in die Augen.

Scully fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wenn er wüsste. Wenn er wüsste, wie viele Abende sie wach gelegen und sich genau das überlegt hatte.

„Ich habe es mir gut überlegt, glauben Sie mir“ ,meinte sie leise und fügte eine kleine Lüge hinzu, „und es gibt nichts, was mich daran hindert, zu heiraten.“ Scully fühlte sich augenblicklich schlecht, als sie dies sagte. Es war eines der wenigen Male, vielleicht sogar das erste Mal, bei dem sie Mulder direkt belog.

Ja, sie wusste genau, nur drei kleine Worte würden sie umstimmen. Drei kleine Worte von ihm.



Was sie nicht wusste, Mulder hatte genau das vorgehabt, doch nun, als sie ihm so unmissverständlich klar machte, dass sie nichts aufhalten konnte, würde es auch nichts mehr bringen, ihr seine Liebe zu gestehen.

Trotzdem fragte er noch einmal nach:

„Sie sind sich wirklich sicher?“

Nochmals bejahte sie und hoffte, er würde endlich gehen.

„Gut. Das wollte ich nur klären, ich möchte nicht, dass sie in Ihr Unglück rennen. Wenn das so ist, dann wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Glück.“

Das war fast die Wahrheit.

Er ging langsam Richtung Türe und verabschiedete sich.

Scully lief ihm nach und als die Türe ins Schloss fiel, rutschte sie hinter ihr zu Boden und fing leise an zu weinen.

Auf der anderen Seite stand Mulder und als hätte er ihre Tränen erahnen können, so weinte auch er.
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