World of X

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Only married

von frannie

Kapitel 2

~



Sonntag, der 13. März; eigentlich ein wunderschöner Tag. Die Sonne schien, der Himmel war strahlend blau. Alle, die heute aufwachten, würden diesen Tag schon vor dem Abend loben. Fast alle.

Mulder jedoch quälte sich niedergeschlagen aus dem Bett. Als er einen flüchtigen Blick auf seinen Wecker warf, erschrak er erst einmal. Es war schon nach elf, das war reichlich spät und ging über seine normale Aufstehzeit am Sonntagmorgen hinaus.

Ach, was ist denn das wichtig!, ermahnte er sich sogleich, nachdem er ganze 30 Sekunden mit diesen Gedanken verplempert hatte.

Er wusste nicht, wann genau Scully heiratete. Er wollte es gar nicht wissen. Was hätte es ihm denn gebracht?

Aber er hatte erfahren, dass man Sonntags, wenn überhaupt, erst gegen Abend heirateten konnte.

Nachdem er im Bad gewesen war und resigniert festgestellt hatte, dass er immer noch gleich verschlafen aussah, machte er sich einen Kaffee und aß etwas hartes Brot, das er in einer seiner Schubladen gefunden hatte. Dann schaute er fern - er versuchte zumindest, sich darauf zu konzentrieren.

Bald wurde es ihm zu viel. Er schnappte seinen Mantel und verließ seine Wohnung.

Frische Luft würde ihm sicher gut tun.



Zuerst hatte Mulder ein Café aufgesucht und sich etwas zu trinken gegönnt. Irgendwie musste er ja die Zeit totschlagen. Er war spazieren und dann in den Park gegangen und hatte sich dort auf eine Bank gesetzt. Schon über drei Stunden saß er da und beobachtete die spielenden Kinder vor seiner Nase. Wie fröhlich und ausgelassen sie spielten - er wünschte, etwas von ihrer Heiterkeit würde auf ihn zurückfallen.

Als er das nächste Mal auf seine Uhr schaute, zeigten die Zeiger fast viertel vor sechs Uhr.

Im Zusammenhang fiel ihm ein, dass Scullys Kirche nicht weit von diesem Park entfernt war. Nur etwa eine halbe Stunde Gehweg.

Er folgte mehr seinem Herzen, denn seinem Verstand, als er ganz plötzlich aufstand und beschloss, doch zur Kirche zu gehen. Ob es ihm etwas bringen würde, blieb vorerst noch dahingestellt.



Die letzten Schritte rannte Mulder zur Kirche. Auf dem Weg hatte er sich so halbwegs einen Plan zusammengestellt, was er tun würde, was er tun musste.

Doch er kam zu spät. Als er dort eintraf, war es schon viertel nach sechs. Die Zeremonie hatte sicher schon längst begonnen.

Der Platz um die Kirche herum war menschenleer. Ein paar große Steine rund um den Weg zierten die Einfahrt. Mulder beachtete sie nicht weiter, bis sein Blick auf eine kleine Gestalt fiel, die auf einem der Steine hockte.

Verwundert erkannt Mulder Scully. Schnell lief er zu ihr.

„Scully, müssten Sie nicht eigentlich in der Kirche sein?“ Sie reagierte nicht.

„Hey, Scully!“ Jetzt schaute sie ihn an.

„Was ist los? Was ist passiert?“ Langsam blieb er vor ihr stehen, doch Scully rückte nicht zur Seite.

„Nichts, ich habe nur gerade die ganze Hochzeit abgeblasen“ ,erklärte sie sarkastisch.

Mulder besaß so viel Taktgefühl, dass er sich das ,Wieso?‘ für einen anderen Zeitpunkt, für einen späteren Zeitpunkt aufsparte. Innerlich machte er jedoch einen Luftsprung.

Statt dessen legte er ihr einfach nur seine Hand auf die rechte Schulter und sie lehnte ihren Kopf leicht gegen seinen Arm. Für eine Weile verharrten sie so, den gegenüber anschauend und doch ins Leere blickend.

Aber dann stand Scully auf und schlang ihre Arme um Mulder. Er nahm sie in die Arme und strich ihr tröstend über das Haar. Tränen bildeten sich in ihren Augen, und sie versuchte, sie mit aller Gewalt zurückzuhalten.

Vergebens.



Es bedeutete ihm so viel, sie jetzt in den Arm nehmen zu können, sie halten und trösten zu dürfen, nur bedeutete es ihm nicht auf freundschaftliche Weise etwas, es bedeutete ihm viel mehr, so viel mehr. Mehr als er jemals dachte, mehr als er jemals gewagt hatte zu erahnen.

Aber damit konnte er Scully jetzt nicht konfrontieren, nicht heute, das wäre zu viel für sie gewesen. Denn im Moment brauchte sie ihn, mehr als sonst, aber eben leider nur als guten Freund. Und er wollte für sie da sein, als Freund, versuchte seine Gefühle für einen Moment zu unterdrücken. Nur für diesen einen Moment wenigstens, ihr zuliebe. Es gelang, er dachte, es gelang ihm, doch wusste er tief im Innern genau, dass er sich etwas vormachte. Dass er das Gefühl der Liebe nicht einfach schnell zur Seite schieben konnte. Das hatte er nie geschafft. Äußerlich schon, aber nicht innerlich.



Was hätte ich fast getan? Ich hätte fast Bob geheiratet, einen Mann den ich gar nicht liebe. Scully wusste eigentlich selbst nicht genau, warum sie weinte, aber es hatte sicher nicht wenig damit zu tun, dass Mulder –wie sie dachte nur eine gute Freundin, seine Partnerin in ihr sah. Sie bemerkte bei allem gar nicht, dass diese Situation einfach wieder einmal genau das Gegenteil bewies.

War sie einfach nur zu blind, es in seinen Augen zu lesen oder wollte sie es einfach nicht sehen?



Viel zu früh löste sie die Umarmung und flüsterte ihm ein „Danke“ ins Ohr.

Sanft küsste er sie auf die Wange, es hätte freundschaftlich aussehen sollen, doch in diesem Moment drehte Scully den Kopf, so dass Mulder fast ihren Mund berührte. Ihre Lippen waren vielleicht einen Zentimeter von einander entfernt. Zu seiner Verwunderung rührte sich Scully nicht. Mulder vergaß alle seine aufgestellten Vorschriften.

„Scully, ich.. es war..“ ,setzte Mulder an.

Doch plötzlich tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Verwundert drehte er sich um. Eine Faust traf ihn voll ins Gesicht. Er schwankte und wäre fast zu Boden gegangen. Bevor er sich überhaupt besinnen konnte, was denn eigentlich los war, hörte er schon die wilden Beschimpfungen seines Angreifers. Er sah auf und erkannte Bob.

„Aha, habe ich es doch geahnt! Wie lange geht denn das schon mit euch?“ Bobs Stimme zitterte, in seinen Augen stand blanker Hass. Er baute sich vor Scully auf und schrie: „Er ist nur ein Arbeitskollege, oder wie war das? Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst. Ihr kennt euch viel besser, oder? So ist das doch.“

Wieder ging er zwei Schritte auf Scully zu. Diese bekam es langsam mit der Angst zu tun.

„Es tut mir Leid.“

Sie wollte ja mit Bob reden, ihm alles erklären, aber wenn er in diesem Zustand war... Außerdem konnte sie nichts sagen, so lange Mulder noch anwesend war. Und loswerden wollte sie den wiederum auch nicht.

Mulder, der sich wieder einigermaßen erholt hatte, stellte sich schützend vor Scully.

„Jetzt nur nicht überreagieren, Bob“ ,befahl er in ruhigem und sachlichem Tonfall. „Es wird sich sicher alles klären. Miteinander sprechen ist jetzt das Beste, Gewalt ist keine Lösung.“ Für einen Moment gewann der Psychologe (und wohl auch der Vermittler) in Mulder die Überhand. Doch das Gefühl war schnell verflogen, als ihm bewusst wurde, dass er bei einem Gespräch nur stören würde. Denn theoretisch ging ihn die Sache ja nichts an.

Theoretisch...

Mulder räusperte sich verlegen.

„Dann.., dann werde ich jetzt gehen“ ,meinte er und wollte sich abwenden. Doch Scully fasste nach seiner Hand und hielt ihn zurück.

„Nein.., nein, gehen Sie nicht..“ Scully stockte, weil ihr kein plausiblen Grund einfiel. Aber sie wollte ihn nicht gehen lassen, sie hatte zuviel Angst. Schnell ließ sie seine Hand los.

Mulder wusste zuerst nicht, wie er reagieren sollte, blieb dann aber an Ort und Stelle und fragte Scully über Bob hinweg:

„Sind Sie mit dem Auto hier?“

Scully war nur zu einem Nicken fähig und deutete in die Richtung, wo ihr Wagen stand.

„Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause, okay?“

„Okay.“

Bob schien ein wenig überrumpelt und meldete sich erst, als Mulder Scully am Arm nahm und sie vor sich her zu ihrem Wagen steuerte.

„Hey? Was wird das jetzt? Dana, ich dachte, wir wollten reden!“ ,rief Bob aufgebracht, als er hinter ihnen herlief.

Scully nahm ihre ganze Selbstbeherrschung zusammen, die sie aufbringen konnte und erklärte in kühlem und sachlichem Tonfall:

„Ich werde mit dir reden, Bob, aber erst, wenn du dich beruhigt hast. Ruf mich an, wenn du wieder klar denken kannst. Es.. es tut mir Leid“ ,wiederholte sie, bevor Mulder sie auf den Beifahrersitz des parkenden Wagens verfrachtete und sich dann selbst auf den Fahrersitz schob.

Sobald sich die Türen geschlossen hatten und Mulder den Motor anließ atmete Scully hörbar auf.

Es war eine lange Fahrt, während der beide kein Wort sprachen, beide waren in Gedanken versunken. Mulder wollte Scully nicht drängen, sie würde reden, wenn sie dazu bereit war.

Als sie vor Scullys Apartment ankamen, händigte Mulder Scully den Wagenschlüssel wieder aus, und folgte ihr zur Türe, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Sie achtete nicht darauf, bemerkte erst, dass er noch da war, als sie ihre Wohnungstüre aufschloss und den Lichtschalter betätigte.

Mulder, dem die Situation irgendwie peinlich war und trotzdem so vertraut, kratzte sich am Kopf.

„Ja, dann werde ich mal wieder gehen. Gute Nacht, Scully.“

Scully schaute ihn etwas irritiert an.

„Sie haben doch kein Auto hier. Wollen Sie etwa laufen?“

„Nein, ich werde mir ein Taxi rufen.“

„Das geht doch nicht.“

„Warum?“

„Haben Sie es denn nicht gehört?“

„Nein, was denn?“

„Die Taxifahrer in ganz Washington streiken! Es kam im Radio und auch im Fernsehen wurde darüber berichtet.“

„Das wusste ich nicht, ich habe den ganzen Tag keine Nachrichten gehört. Was mache ich denn nun?“

„Jetzt kommen Sie erst einmal rein. Ich werde Ihre Prellung verarzten und dann sehen wir weiter.“

Er fand es süß, wie sie sich so um ihn sorgte, hatte sie doch im Augenblick sicher ganz andere Dinge im Kopf.

Noch immer stand er beim Eingang.

„Also, wissen Sie was? Übernachten Sie von mir aus hier, die Couch ist bequem, wie Sie ja wissen. Laufen will ich Ihnen wirklich nicht zumuten. Außerdem...“, sie stockte ein wenig, „außerdem bin ich froh, zu wissen, dass jemand hier ist, heute Nacht.“ Sie räusperte sich und blickte sich suchend um:

„Und irgendwo müsste ich noch ein Kissen und eine Decke haben..“.



War das gerade eine Einladung gewesen? Mulder verstand die Welt nicht mehr. Sicherlich hat sie sich gar nichts dabei gedacht, machte er sich im nächsten Moment selbst alle Hoffnungen zunichte.

So in Gedanken versunken, beobachtete er Scully, die in einem Schrank nach Kissen und Decke suchte und auch bald fündig wurde. Sie legte die Sachen auf die Couch und sagte fast gereizt: „Jetzt kommen Sie schon endlich rein, oder wollen sie da Wurzeln schlagen?“

Er lächelte, trat ein und schloss die Wohnungstüre hinter sich. Dann schob Scully ihn in ihr Badezimmer und strich eine heilende Salbe auf seinen mittlerweile erblühten Bluterguss.

„So, das wär’s. Es ist nicht allzu schlimm. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen noch einen Eisbeutel geben.“

„Nein Scully, das wird nicht nötig sein, Sie haben schon genug für mich getan, danke.“

„Okay. Mulder, bitte seien Sie mir nicht böse, aber es war ein langer, anstrengender Tag und ich möchte jetzt gerne ins Bett gehen.“

„Ja natürlich, Scully. Ich komme schon zurecht, machen Sie sich keine Sorgen.“ Mit einer Handbewegung stellte sie die Salbe zurück in ihren Medizinschrank und sagte: „Gute Nacht“. Das Lächeln, dass diese Worte hätte begleiten sollen, misslang. Sie ging zur Schlafzimmertüre.

„Hey, Scully!“, rief ihr Mulder hinterher und als er sah, wie sie sich umdrehte, fügte er leise hinzu: „Es wird schon wieder, glauben Sie mir.“

Einen Augenblick sah sie ihm direkt in die Augen, doch durch das wenige Licht konnte er kaum in ihnen lesen und nur erahnen, was sie dachte. Nichts auf seine Bemerkung erwidernd trat sie ins Schlafzimmer und schloss dann die Türe, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.



Sehr gut, Mulder, schalt er sich selber, das war genau der Spruch, den sie gebrauchen konnte. Niedergeschlagen und wütend auf sich selbst, richtete er es sich auf ihrem Sofa ein. Einschlafen konnte er jedoch lange nicht.



~



Mitten in der Nacht wurde Mulder von einem Geräusch geweckt, dass er zuerst nicht bestimmen konnte. Gähnend setze er sich auf und spähte zu ihrer Schlafzimmertüre, die jetzt einen Spalt offen war.

Seine Müdigkeit wich der Besorgnis.

Leise stand er auf, pochte sachte gegen die Türe und warf dann einen Blick durch den Spalt.

Scully saß aufrecht im Bett mit dem Kopf an die Wand gelehnt, in der Hand eine Tasse und starrte ins Leere.

Er trat ein.

„Scully, alles in Ordnung?“ Schon wieder so eine blöde Frage.

Doch sie zeigte keine Reaktion.

„Hey, was ist los?“ Er ging um das Bett herum.

Jetzt drehte sie sich um, ihr Gesicht war kreidebleich.

„Es.. es geht mir.. gut. Ich habe mir nur.. etwas Warmes zu trinken.. geholt.“



Etwas Warmes? Mulder hatte immer noch seine Jeans und sein Shirt an. Er hatte sich irgendwie nicht getraut, etwas auszuziehen und schwitzte fürchterlich, was sicher aber auch daran lag, dass in der ganzen Wohnung eine angenehm warme Temperatur herrschte.



Er tastete nach ihrem Arm. Sie war eiskalt und durch ihr Zittern nahm er an, dass sie wahrscheinlich nicht sehr gut, oder sogar noch gar nicht richtig geschlafen hatte.

„Es geht schon..“ ,meinte Scully, stellte die Tasse ab und hangelte nach der Bettdecke.

Eigentlich wäre das für Mulder der richtige Zeitpunkt gewesen, jetzt wieder auf die Couch zurückzukehren, doch er blieb und setzte sich neben sie aufs Bett.



Wieso geht er nicht?, schoss es ihr durch den Kopf. Aber eigentlich war sie froh, dass er blieb. Sie war froh, dass jemand bei ihr war, dass er bei ihr war. Sie gestand sich jetzt erst ein, dass sie ihm deshalb vorgeschlagen, nein ihn fast dazu überredet hatte, bei ihr zu übernachten.



Mulder saß jetzt neben ihr, den Kopf wie sie an die Wand gelehnt und schaute sie an. Und hoffte, dass aus seinem Blick nur die pure Besorgnis sprach. Er zögerte, bevor er ihr liebevoll über das Haar strich und vorsichtig einen Arm um sie legte. Sanft zog er sie ein wenig näher an sich. Dann beobachtete er gespannt, ob sie etwas dagegen hatte, ob sie sich vielleicht wehren würde. Doch sie unternahm nichts. Im Gegenteil, sie kuschelte sich an ihn und ließ ihren Kopf langsam auf seine Brust sinken.



Zwar geschah dies alles binnen weniger Sekunden, doch kamen beiden die Bewegungen des anderen langsam vor, fast wie in Zeitlupe. Denn beide hatten Angst, Angst etwas falsch zu machen. Und Mulder wollte auf keinen Fall aufdringlich wirken.



Scully seufzte und Mulder wagte es nun, auch seinen zweiten Arm um sie zu legen und sie so ganz zu umarmen.

Das veranlasste sie dazu, ihren Körper ein wenig zu drehen und Mulder konnte ihren Atem durch sein Shirt spüren. Ihr Kopf ruhte immer noch auf seinem Oberkörper und ihre verkrampften Schultern begannen sich nun endlich zu lösen.

„Danke“, nuschelte Scully leise. Mulder sagte nichts, obwohl es ihn gereizt hätte, sie zu fragen, wofür. Doch das wäre falsch gewesen, eine blöde Bemerkung, die das Knistern der Situation – das vor allem Mulder spürte, gänzlich vertrieben hätte.



Während er so überlegte und ihr sanft über die Wange strich, merkte er, dass sie eingeschlafen war. Ihr Atem ging nun ruhig.

Und sie hatte, wohl ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, ihren linken Arm um seinen Bauch gelegt und sich vollends an ihn geschmiegt, geborgen im Schutz seiner Arme. Eng umschlungen lagen sie so da und wenn man sie gesehen hätte, dann hätte man sicher als Letztes vermutet, dass sie zusammen arbeiteten, Partner und nur „gute Freunde“ waren. Aber was waren sie wirklich?



Bald überkam auch Mulder der Schlaf. Die schon etwas unbequeme Lage bemerkte er gar nicht, nein, sie lag da bei ihm und das war wichtig, das war das, was zählte.
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