World of X

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Vulnerability

von Lil Diamond

Kapitel 2

Against all Odds

(Take a look at me now)

(Part 2 of 3)



Der kleine, abgeschieden Park lag verlassen unter dem klaren Sternenhimmel, als Mulder den verworrenen Weg entlang wankte. Das Mondlicht spiegelte sich silbern in dem winzigen Teich, neben dem er so viele wundervolle Stunden mit Scully verbracht hatte.

Manchmal hatten sie sonntags hier gemütlich gepicknickt. Sie hatten sich gegenseitig gefüttert und eine Menge Spaß miteinander gehabt – so wie immer.

Er konnte sich daran erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre.

Dann hatten sie sich ganz langsam und zärtlich geliebt. Es war jedes Mal wieder ein weltbewegendes Ereignis für ihn gewesen, mit Scully Liebe zu machen.

Er hatte nie genug von ihr bekommen können. Am liebsten hätte er sie einfach nie wieder losgelassen, wäre nie wieder aufgestanden, nur um auf ewig bei ihr zu sein. In solchen Augenblicken hätte er sterben können, so wunschlos glücklich war er gewesen.

Die Erinnerungen an die Tage, Nächte, Stunden und Minuten an ihrer Seite schienen nicht verblassen zu wollen.

Sie war wie eine Droge für ihn gewesen, das einzige, was ihn glücklich machen konnte.

Doch jetzt war alles vorbei.

Verbittert nahm er einen großen Schluck aus der Flasche, die er mit sich herumschleppte. Was war es eigentlich? – Im Grunde war es egal. Der Alkohol tat zumindest zum Teil die erwünschte Wirkung. Nur das war wichtig. Eigentlich hatte er sich geschworen, mit dem Trinken aufzuhören, als er vier Wochen vom Dienst suspendiert worden war, weil er nicht nüchtern im Büro erschienen war.

Aber das war unwichtig. Im Prinzip war sowieso alles scheißegal, wenn Scully nicht bei ihm war.

Seitdem er sie gehen hatte lassen, hatte das Leben seinen Sinn verloren.

Warum verdammt noch mal hatte er sie nicht daran gehindert? Er brauchte sie so dringend wie die Luft zum Atmen.

Mindestens tausendmal wollte er sie anrufen, doch jedes Mal verließ ihn der Mut. Manchmal wählte er ihre Nummer und wartete darauf, dass sie abhob und ihren Namen sagte, nur um ihre Stimme zu hören. Nie konnte er sich überwinden, mit ihr zu reden.

Was hätte er auch schon groß zu ihr sagen sollen? – Dass er sie noch immer über alles liebte? – Dass er sie mehr als alles andere auf der Welt brauchte? – Dass er ohne sie nicht mehr leben wollte und es ihm schrecklich Leid tat?

Wahrscheinlich würde sie sich nicht im Geringsten darum kümmern. Er hatte sie viel zu sehr verletzt, um auch nur das Recht einfordern zu dürfen, sie um Vergebung zu bitten.

How can I just let you walk away

Just let you leave without a trace

When I stand here taking

Every breath with you

You’re the only one

Who really knew me at all



Er hatte nicht einmal das Recht gehabt, sie aufzuhalten, nach dem, was er ihr angetan und wie er sie behandelt hatte.

Trotzdem konnte er einfach nicht begreifen, wie sie fortgehen hatte können. Nach allem, was sie zusammen erlebt und durchlitten hatten. Sie hatten alles miteinander geteilt.

Sie hätte ihn nicht einfach so allein lassen dürfen!

Wenn sie ihn geliebt hatte, wieso hatte sie ihn dann verlassen?

Wieso konnte sie ohne ihn weiterleben, während er sich fühlte, als ob eine schleichende Krankheit ihm ganz langsam und mit brutaler Grausamkeit das Herz herausreißen würde, bis er letztendlich vielleicht im Tod Erlösung von diesen Qualen finden würde?

How can you just walk away from me

When all I can do is watch you leave

´Cause we’ve shared the laughter and

the pain

And even shared the tears

You’re the only one

Who really knew me at all

Es fiel ihm unerträglich schwer zu akzeptieren, dass sie sich nicht ein einziges Mal bei ihm gemeldet hatte. Dass sie niemals die drängende Sehnsucht zu verspüren schien, seine Stimme hören zu wollen.

Warum nur fühlte sie nicht so wie er?

Er wusste, dass ganz allein er die Schuld daran trug. Nicht einmal eine Erklärung hatte er ihr gegeben, obwohl er ihr das mehr als nur schuldig gewesen wäre. Selbst jetzt schuldete er sie ihr noch.

Sie war für ihn ein Geschenk des Himmels gewesen, das er zwar nie wirklich verdient, aber trotzdem angenommen hatte, weil es sie beide glücklich machte.

Die Zeit mit ihr war die schönste seines ganzen Lebens gewesen.

Doch dumm wie er war, hatte er alles aus Angst aufgegeben. Angst, sie zu verlieren. Jene Angst hatte ihn plötzlich jedes Mal ergriffen, wenn er in ihrer Nähe war oder sie in seinen Armen hielt.

Inzwischen war ihm das alles unbegreiflich geworden.

Er hatte befürchtet, dass man sie ihm wieder wegnehmen würde und er dann wieder allein war, wo er sie doch so sehr brauchte. Der Gedanke, das Kostbarste in seinem Leben zu verlieren, begann ihn regelrecht in den Wahnsinn zu treiben.

Er hatte plötzlich erkennen müssen, wie abhängig sie doch voneinander waren und wie gefährlich das für sie vielleicht werden könnte. Es war sicherer für sie, nicht die Freundin von Spooky Mulder zu sein.

Damit hatte er vielleicht sogar richtig gelegen, aber verloren hatte er sie trotzdem.

Und er durfte es ihr nicht einmal übel nehmen, dass sie ihn letztendlich endgültig verlassen hatte, indem sie diese Versetzung annahm und nach L.A zog.

Er war schlicht und einfach schrecklich zu ihr gewesen, obwohl er nie beabsichtigt hatte, sie so herablassend und gemein zu behandeln.

Getan hatte er es trotzdem.

All die unzähligen Male, die er sie angebrüllt oder mit unfairen Äußerungen verletzt hatte. Das würde sie ihm wohl in ihrem ganzen Leben nicht wieder verzeihen können.

Er konnte deswegen nicht einmal wirklich wütend auf sie sein.

Was würde er nicht alles geben, um sein Verhalten nur wieder rückgängig machen zu können...

Meist hatte es ihm sofort wieder leid getan, wenn er den Schmerz und die Trauer in ihren Augen las, die sie immer zu verheimlichen versuchte. Dann hatte er das Verlangen verspürt, sie tröstend in seine Arme zu schließen, ihr wunderschönes Gesicht mit warmen Küssen zu bedecken und ihr zu versichern, dass es ihm schrecklich leid tat, dass er einen den größten Fehler seines Lebens begangen hatte, als er mit ihr Schluss machte, und ihr zu schwören, dass er sie liebte. Doch stattdessen hatte er sie nur noch mehr verletzen oder demütigen können.

Wütend auf sich selbst schlug er mit der geballten Faust gegen einen harten Baumstamm. Immer und immer wieder. Er registrierte weder das warme Blut, das aus seinen aufgeschlagenen Knöcheln über seine Finger rann, noch den schrecklichen stechenden Schmerz, der sich durch sein Handgelenk bahnte. Er donnerte seine Faust solange gegen den Stamm, bis er schließlich kraftlos und laut schluchzend zu Boden sank.

Scully war alles gewesen, was er je gehabt hatte. Er brauchte nichts und niemanden, solange sie nur an seiner Seite war.

Sie war die einzige, der er bedingungslos vertraute. Die einzige, der er alles anvertraut hatte.

Die einzige, die ihn besser kannte als er sich selbst jemals kennen würde. Und die einzige, die ihn wirklich verstehen konnte.

I wish I could just make you

turn around

Turn around and see me cry

There’s so much I need to say

to you

So many reasons why

You’re the only one

Who really knew me at all

Erschöpft legte er seinen Kopf in den Nacken und richtete seinen Blick auf die in der Dämmerung verblassenden Sterne, die müde und anklagend auf ihn hinabstarrten.

Er rappelte sich mit letzter Kraft auf und schleppte sich zurück zu seinem Wagen.

Die kalten, menschenleeren Straßen intensivierten sein Gefühl der Einsamkeit nur, als er ziellos durch den Ort raste. Vor hübschen, idyllischen Häusern hatten Kinder Schneemänner gebaut, die mit der aufgehenden Frühlingssonne zu schmelzen begannen.

Alles war so sinnlos ohne Scully. Er fühlte sich so leer, wenn sie nicht bei ihm war. Was war sein Leben denn jetzt noch wert? Es war nur eine pure Qual für ihn. Ohne sie kam er sich so verloren vor.

Nur sie konnte ihm geben, was er brauchte. Nur sie konnte ihm restlose Glückseligkeit verschaffen, indem sie einfach nur in seiner Nähe war.

Sie war alles, was ihm zu seinem Glück gefehlt hatte, und er hatte sie weggehen lassen...

Ohne auch nur den winzigsten Versuch, sie bei sich zu behalten.

Er war so ein verdammter Idiot gewesen.

Ihr Anblick, nachdem sie das erste Mal miteinander Liebe gemacht hatten, hatte sich in seinem Herzen verankert und nahm ihm nun jede Möglichkeit auch nur einen einzigen einfachen klaren Gedanken zu fassen.

Wie ihre roten Haare ihr verschwitztes, glühendes Gesicht umrahmt hatten.

Wie ihn ihre leidenschaftlich dunklen, blauen Augen und ihre leicht geschwollenen Lippen noch jetzt faszinierten und in einem Maß erregten, das er früher niemals für wahrscheinlich gehalten hatte.

In ihren Augen hatte sich dieselbe grenzenlose Liebe widergespiegelt, die er auch für sie empfand, wofür er sie nur noch mehr liebte. Mehr als Worte es jemals auszudrücken vermochten.

Und jetzt sollte wirklich alles vorbei sein? Sollte ihre Liebe tatsächlich so grausam enden?

Traurig kam es ihm wieder einmal in den Sinn, dass er nicht ein einziges Bild aus dieser gemeinsamen Zeit besaß, in der sie beide so unendlich glücklich und frei von jeglichen Sorgen gelebt hatten.

"Du musst endlich aufhören, dir Hoffnungen zu machen!" murmelte er wütend auf sich selbst. Er musste endlich akzeptieren, dass sie nicht mehr zu ihm zurückkehren würde. Nie mehr würde sie allein ihm gehören. Niemals wieder würde er sie in den Armen halten, sie küssen, berühren oder sie lieben dürfen. Er würde nie wieder in ihr bezauberndes Gesicht blicken können, wenn sie erschöpft, aber überglücklich in seinen Armen lag, nachdem sie für ihn gekommen war.

Höchstwahrscheinlich würde er sie nicht einmal mehr wieder sehen.

So take a look at me now

´Cause there’s just an empty space

And there’s nothing left here to

remind me

Just the memory of your face

Take a look at me now

´Cause there’s just an empty space

And you coming back to me is against

the odds

And that’s what I’ve got to face

Dicke Tränen versperrten ihm die Sicht, als er rücksichtslos durch die sich langsam belebenden Straßen raste.

Es musste doch irgendeine Möglichkeit, eine winzige Chance, bestehen, dass sie wieder zu ihm zurückkam. Irgendwie musste er sie zurückgewinnen, denn so durfte es auf keinen Fall geendet haben.

Take a look at me now

´Cause there’s just an empty space

But to wait for you is

All I can do

And that’s what I’ve got to face

Entschlossen fuhr er sich mit seinem Blut verkrusteten Handrücken über die Augen, um den Schleier aus bitteren Tränen zu lichten, die ihn halbblind machten.

Ein plötzlicher beißender Schmerz schoss in seine Hand und noch während er fluchend aufschrie, griff er mit der anderen Hand nach der verletzten, verriss das Lenkrad und erkannte zu spät durch seinen Tränenschleier hindurch die weiße Mauer, die direkt vor ihm blitzartig aus dem Halbdunkel auftauchte und nur auf ihn zu warten schien. Er hörte einen dumpfen Knall, als sein Wagen wuchtig gegen die Wand prallte, die Fenster zerbarsten klirrend, Metall knirschte und sein Kopf schlug so hart auf das Lenkrad auf, dass er für einen winzigen Augenblick glaubte, das Bewusstsein zu verlieren. Der Geruch von Benzin stieß im in die Nase, während er versuchte seinen Kopf nur ein klein wenig anzuheben, um das Ausmaß der Demolierung begutachten zu können. Er schaffte es sogar und erkannte mit Schrecken die lange Glasscherbe, die sich blitzschnell auf ihn nieder senkte und seinen Rücken mit einem scharfen brennenden Stoß durchbohrte. Höllische Schmerzen breiteten sich sofort immer weiter in seinem Brustkorb aus, benebelten sein Denken.

Take a good look at me now

´Cause I’ll still be standing here

And you coming back to me is against

all odds

That’s the chance I’ve got to take

Der körperliche Schmerz ebbte immer schneller ab, bis er nur noch ein dumpfes Pochen in seiner Brust spürte.

Er fühlte kaum noch etwas.

Seine Gedanken kreisten um Scully. Würde sie um ihn trauern, wenn sie erfuhr, was mit ihm geschehen war?

Wenn sie es nicht tat, würde es wohl niemand tun.

Doch er wusste mit unerschütterlicher Sicherheit, dass sie um ihn weinen und ihn vermissen würde. Plötzlich war er auch unbegründet davon überzeugt, dass sie ihn die ganze Zeit ebenso vermisst haben musste wie er sie und dass es nur ein wenig Überwindung seinerseits gekostet hätte, um alles wieder ins Lot zu bringen. Alles, was er hätte tun müssen, war ihr seine Gründe zu erklären und zu gestehen, dass sie völlig sinnlos und dumm gewesen waren.

Doch diese Erkenntnis überkam ihn viel zu spät.

Eine Welle des Bedauerns durchflutete ihn, während er sich ihr makelloses, liebenswertes Gesicht vor Augen rief.

Er begriff, dass er ihr ein weiteres Mal Leid zufügen würde, aber dass es das letzte Mal war. Vielleicht war es für sie besser so. Er hoffte es jedenfalls.

Seine Vorstellung malte sich unwillkürlich aus, wie Scully um ihn trauern würde.

Er verscheuchte das Bild so gut es ging und dachte ein letztes Mal an die Zeit mit ihr zurück, während er bedächtig der leisen Musik im Radio, das merkwürdigerweise keinerlei Schaden genommen zu haben schien, zuhörte, bis die Schlusstakte des Liedes mit seinen letzten Atemzügen verklangen.

Take a look at me now
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