World of X

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Geblendet von weißem Licht

von DashaK

Kapitel 3

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Den ganzen langen Flur entlang hopste Julia wie ein Frosch. Es verlangsamte ihr Fortkommen ein wenig, aber es störte Dana nicht. Das Gehopse ihrer Tochter sorgte für lustige Abwechslung.

Am Ende des Flures hielten sie an und klingelten an der Tür zu Nr. 1582. Einen Augenblick später wurde die Tür geöffnet und zeigte eine hochgewachsene Frau mit einem athletischen Körper und kurzem lockigem, braunem Haar. Die Frau trug einen blaß cremefarbenen Hosenanzug, der ihre olivenfarbene Haut und ihre dunklen Augen unterstrich. Sie lächelte. "Sie müssen Dana sein," sagte sie mit einer leisen, melodischen Stimme. "Ich bin Sarah Morelli."

"Es ist nett, Sie kennenzulernen," sagte Dana und sie schüttelten sich die Hände. Sarah hockte sich hin, so daß sie mit Julia auf Augenhöhe war. "Und das ist Julia, vermute ich?"

Julia machte ein gequältes Gesicht und versteckte ihren Kopf in den Falten von Danas Rock.

"Sie ist scheu bei Fremden," sagte Dana entschuldigend.

"Ich kann das verstehen. Ich bin genauso." Sarah erhob sich und öffnete die Tür weiter. "Kommen Sie herein. Die Wohnung ist noch nicht ganz eingerichtet. Wir waren so beschäftigt, seit wir eingezogen sind."

Das Wohnzimmer war fast so wie Danas eigenes - ein mittelgroßes Zimmer mit einer kleinen Ecke für den Computerschreibtisch, beigefarbenem Teppich und einem die ganze Wand einnehmenden Fenster, das die glitzernden Lichter der Stadt bei Nacht zeigte. An einer Wand standen ein paar Umzugskartons übereinander und das Zimmer machte noch einen leeren Eindruck. Es gab keine Bilder an der Wand und nur sehr wenige dekorative Gegenstände, die auf eine lange Anwesenheit in der Wohnung hinwiesen.

"Honey," rief Sarah. "Dana und Julia sind hier."

Mulder trottete aus der Küche, er trug ein Paar abgetragene Jeans und ein graues T-Shirt mit Farbflecken. Sein kurzes Haar stand in alle Richtungen ab. "Hey," begrüßte er sie. "Entschuldigung, daß die Wohnung so chaotisch ist. Ich war heute den ganzen Tag häuslich. Aus irgendeinem Grunde hatte ich die geniale Idee, daß ich Küchenschränke anbauen könnte."

Julia hing weiter an ihrem Bein wie eine Klette und starrte die seltsamen Leute um sie herum an.

"Ist es ein schlechter Zeitpunkt? Wir können an einem anderen Abend wiederkommen..."

Er schüttelte den Kopf. "Ich habe gerade aufgehört. Adam ist schon ganz aufgeregt, mit Julia zu spielen."

Wie auf ein Stichwort erschien der kleine Junge aus dem Flur und rannte auf Julia zu. Er starrte seinen neue Freundin aus schokoladenbraunen Augen, die wie die seiner Mutter aussahen, an.

"Adam, erinnerst du dich an Julia?" fragte Sarah und ließ ihre Finger durch die Locken ihres Sohnes gleiten. "Sie ist hier, um mit dir zu spielen."

"Ich habe Werkzeug," kündigte Adam Julia an, die begann, auf den Ballen ihrer kleinen in Turnschuhen steckenden Füße zu wippen.

"Geh und zeige es Julia," sagte Mulder und gab ihm einen kleinen Schubs. Die beiden Kinder liefen aus dem Zimmer.

"Er ist neuerdings besessen von seinem Werkzeug," lachte Sarah. "Wir haben all die Arbeit in der Wohnung gemacht und er verschwand mit dem Werkzeug, egal wie gut wir es vor ihm versteckten. Wir haben es in seinem Bett gefunden. Als Kompromiß haben wir ihm einen Satz Werkzeuge aus Plastik zum spielen gekauft und das scheint ein akzeptabler Ersatz zu sein."

"Adam schläft sogar mit seinem Werkzeug," sagte Mulder und zog eine Grimasse.

Sarah ergriff eine braune Lederaktentasche vom Tisch. "Ich muß gehen," sagte sie. "Dana, ich wünschte, ich könnte bleiben, aber die Treuhänder treffen sich heute abend in der Universität."

"Wir müssen das wiederholen, wenn John von seiner Dienstreise zurück ist," sagte Dana.

"Hört sich gut an." Sarah küßte ihren Mann flüchtig auf die mit abendlichen Bartstoppeln bedeckte Wange. "Ich habe das Gefühl, daß es spät werden wird. Also warte nicht auf mich."

Mulder grinste. "Meine Frau ist einfach unsagbar wichtig..."

"Und vergiß das nicht eine Minute," warnte ihn Sarah, als sie zur Tür hinaus ging.

Die Tür schloß sich mit einem sanften Geräusch und Mulder sagte, "Lassen Sie uns gehen und nachsehen, was unsere schrecklichen Kinder angestellt haben."

Adams kleines Schlafzimmer war hellblau gestrichen und es befand sich ein Kinderbett darin, auf dem eine Decke mit einer knallbunten lustigen Maus darauf lag. Auf dem Boden attackierten die beiden Kinder bunte Plastikbausteine mit ihrem Werkzeug, das ganze begleitet von viel Geschrei. Sie waren so beschäftigt, daß sie nicht einmal zu ihren Eltern aufsahen.

"Sie haben sich noch nicht gegenseitig umgebracht," sagte Mulder in einem Martini-dry-Ton. "Ich vermute, das ist ein gutes Zeichen. Warum nehmen wir uns nicht ein bißchen Elternauszeit? Wenn wir Schreie der Agonie hören, können wir jederzeit reingehen."

In der kleinen Küche zeigte Mulder mit verlegenem Stolz die neuen weißen Küchenmöbel und setzte den Wasserkessel für Kaffee auf. "Ich freue mich, daß Sie kommen konnten," sagte Mulder und suchte im Kühlschrank nach Milch. "Sarah und ich haben noch nicht so viele Freunde gefunden. Es war schwer, unseren Freundeskreis in Boston zurückzulassen."

"Ich kann mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, hier herausgerissen zu werden." Sie machte eine unbehagliche Geste mit der Hand. "Das hier ist... das ist alles, was ich jetzt kenne."

Der glänzende schwarze Kessel begann zu pfeifen. Mulder schaltete die Wärmezufuhr ab und goß das heiße Wasser in eine Glaskanne, die mit drei Zentimetern Kaffee gefüllt war. Der würzige Geruch des Kaffees zog durch den Raum, als Dampf aus der Kanne stieg.

"Es ist schön, endlich wieder richtigen Kaffee zu haben," sagte er und drückte auf den Kolben, um den Kaffee zu filtern. "Dieses Ersatzzeug, das wir von den Anderen bekommen haben, hat niemals richtig geschmeckt."

Dana nickte zustimmend und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die braun und weiß gestreifte Couch setzten.

Mit einem kleinen Seufzer, den Dana nicht recht einordnen konnte, goß ihr Mulder eine Tasse Kaffee ein, reichte sie ihr und erlaubte ihr, sich selbst die Milch dazuzugeben. Er sah sich im Zimmer um und sagte, "Ah, häusliches Glück."

Dana pustete in ihren Kaffee und genehmigte sich ein anerkennendes Schnüffeln. Kaffee war erst seit dem letzten Jahr wieder zu bekommen und sie betrachtete ihn immer noch als Genuß.

"Ist es das?" fragte sie. "Ist das häusliches Glück?"

Sie konnte nicht genau begreifen warum, aber Fox Mulder brachte sie dazu, daß sie persönliche Fragen stellen wollte.

Er lehnte sich in die Kissen zurück. Undeutlich konnte Dana ihre Kinder hören, die immer noch die Bausteine mit dem Werkzeug bearbeiteten und lachten.

"Ich nehme an, daß es auf eine Art häusliches Glück ist," sagte Mulder.

"Auf eine Art? Wie ist das zu verstehen?"

Mulder grinste und setzte seine Tasse auf den Couchtisch. "Ich habe eine Frau, die ich liebe, einen hübschen Sohn, Arbeit, die ich interessant und herausfordernd finde, aber..." Er verstummte.

"Aber?"

"Stört es Sie, wenn ich für einen Moment persönlich werde, Dana?" fragte er und beugte sich etwas näher zu ihr. Sie stellte sich für einen Moment vor, daß sie seine Haut riechen könnte.

"Nein, ich habe nichts dagegen."

"Sehen Sie, ich habe so eine Art, die Leute abzuschrecken. Ich ängstige sie, indem ich die falschen Fragen stelle und die falschen Sachen sage." Seine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse. "Ich will Ihnen das nicht antun."

"Sie schrecken mich nicht ab," sagte sie. "Ich neige dazu, das entgegengesetzte Problem zu haben. Es ist schwer für mich, mich jemandem zu öffnen."

Mulder sah sie leicht ungläubig an. "Wirklich? Sie schienen mir nie so zu sein."

Dana wand sich unbehaglich auf ihrem Sitz. Es gab keine logische Erklärung dafür, warum sie sich bei diesem Mann so ungewöhnlich wohl fühlte und so willig war, mit ihm zu reden. Es gab Menschen in ihrem Leben, bei denen es sofort Klick machte. Meghan, ihre Partnerin im Labor, war so einer. John war ein weiterer. Vielleicht war es eine Sache von geheimnisvoller zwischenmenschlicher Chemie.

Sie beschloß, die Unterhaltung zum Ausgangspunkt zurückzubringen. "Also, Sie haben von häuslichem Glück gesprochen..."

Mulder sah auf seine Hände, die mit gespreizten Fingern auf seinen Knien lagen. Es waren große Hände und es sah aus, als ob sie stark wären, von blaßgoldener Farbe und durchzogen von auffälligen Adern.

"Ich sollte glücklich sein," sagte er schließlich. "Ich bin glücklich, meistens. Aber neuerdings befallen mich diese - Ängste. Ich kann Ihnen nicht sagen warum. Ich sehe mich in meinem Leben um und alles ist einfach gut, aber innen drin, es ist, als ob ich in tiefer Trauer um etwas bin."

Sie atmete hastig aus und erkannte, daß sie ihn angehalten hatte. "Oder um jemanden."

"Oder um jemanden," wiederholte Mulder. "Es ist frustrierend, nicht in der Lage zu sein, sich zu erinnern. Ein Teil von mir möchte verzweifelt wissen und der andere Teil..."

"Muß vorwärts gehen," fiel Dana ein.

Mulder sah sie aus erstaunten Augen an. Sie bemerkte, daß der Ring um seine Iris von dunklem Grün war, aber winzigste Flecken von Grau und Gold enthielt, wie die bunten Plastikscherben in Julias Kaleidoskop.

"Genau so ist es," sagte er.

Ihre Stimme war ein Flüstern. "Ich fühle genauso, Mulder."

Er nickte. "Wir leben in einer Welt des Verdrängens. Jedermann lebt jeden Tag sein Leben und versucht vorzutäuschen, daß die Vergangenheit unwichtig ist. Die Feinde niemals kamen, der Krieg und die Seuche niemals stattgefunden haben. Wir haben immer in diesen Städten gelebt und die Anderen waren immer unsere Verbündeten und unsere Handelspartner gewesen. Wen interessiert es, was mit uns im Vorher passiert ist?" Seine Stimme hatte eine Spur von Bitterkeit, wie der Kaffee, den Dana nippte.

Sie war erstaunt, die Gedanken, die ihr so viele Jahre durch den Kopf gegangen waren, von einem anderen Menschen ausgesprochen zu hören.

"Hey," sagte er und berührte leicht ihren Arm. Dana konnte die Hitze seiner Handfläche durch ihren Pullover fühlen. "Es tut mir leid. Ich neige zu solchen Tiraden. Normalerweise ist Sarah da, um mich zum Schweigen zu bringen."

"Es ist in Ordnung. Wirklich. Das hätte ich sein können, die genau das gleiche sagt."

Dana beobachtete, wie er nervös seine Zunge über seine Unterlippe gleiten ließ. Mulder sah wieder auf seine Hände. "Ich muß einfach die Wahrheit wissen. Es wird wahrscheinlich nichts ändern oder mich glücklicher machen, aber wenigstens wüßte ich es."

Ein empörter Schrei kam aus dem Schlafzimmer und Julia kam heraus gerannt, ihre Zöpfe flogen hinter ihr her und sie barg ihren Kopf in Danas Schoß.

"Was ist los?" fragte sie und rieb ihrer Tochter über den Rücken, einen Seufzer unterdrückend. Es war schwer vom Reden über das Vorher in den vollen Mami-Modus überzugehen.

Julia sah mit tränenschimmernden Augen zu ihr auf. "Er hat meine Bausteine genommen!"

Mulder schüttelte den Kopf und stand auf. "Es sieht so aus, als wäre die Erwachsenenauszeit vorbei - alle zehn Minuten davon."

Scully grinste, sie wußte, wie selten diese Zeiten waren.

Er ging in die Küche. "Das einzige, was diese Kabbelei beenden wird, sind Kekse," sagte er über seine Schulter.

Dana lächelte enttäuscht und sah in das runde Gesicht ihrer Tochter.

Ja, wirklich häusliches Glück.

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Es war zwei Uhr und sie konnte nicht schlafen. Nachdem sie sich ein weiteres Mal sinnlos im Bett umgedreht hatte, setzte sich Dana auf und knipste die Nachttischlampe an.

Das Apartment war zu still ohne John. Es war schwer für sie zu schlafen ohne die Wärme seines Körpers neben ihr. Oder vielleicht war es der Kaffee, den sie bei Mulder getrunken hatte. Wie auch immer, ihr Geist würde nicht ruhig genug werden, um ihr zu erlauben, in den Schlaf zu gleiten.

Einen Augenblick überlegte Dana, ob sie eins von den Schlafpflastern nehmen sollte, die ihr Dr. Hanley verschrieben hatte. Sie machten nicht abhängig, aber sie hatten dennoch den unangenehmen Effekt, daß sie sich am Morgen wie betäubt fühlte. Sie hatte für morgen den ganzen Tag schwierige Laborarbeiten auf dem Plan und sie würden sich nicht machen lassen, wenn sie gähnte und durcheinander war.

Sie fragte sich, ob John verärgert wäre, wenn sie ihn mitten in der Nacht in seinem Hotel in Sao Paolo anrufen würde. Mit einem Seufzer entschied sie, daß es so wäre.

Ihre Ärztin hatte ihr einige mentale Übungen beigebracht, die sie versuchen sollte, wenn sie einen ihrer Anfälle von Schlaflosigkeit hatte und Dana meinte, daß es nicht schaden würde, wenn sie eine davon ausprobierte.

Sie schaltete das Licht aus, drehte sich auf die rechte Seite und rollte sich in Fötusposition zusammen.

Sie gönnte es sich, langsam und gleichmäßig zu atmen und versuchte, sich an eine Zeit zu erinnern, in der sie sich absolut ruhig und in Frieden fühlte. An eine Zeit, in der sie nichts anderes als glücklich war.

Einatmen. Ein glücklicher Ort.

Ausatmen. Genau in diesem Bett.

... daliegend, halb im Schlaf, betäubt von den Nachwirkungen von Lust und Erschöpfung. Johns warmer Körper neben ihr, noch glänzend von Schweiß, seine Brust an ihrem Rücken, ein Arm über ihren Körper gelegt und seine Hand, die auf der kleinen anschwellenden Kugel ihres Bauches ruhte.

Und ihre Augen kämpften darum, offen zu bleiben, sich zu erinnern und die süße Zufriedenheit dieses Momentes zu schmecken, seinen warmen Atem, der an ihrem Ohr kitzelte und ihren Körper, der noch glühte von ihrem Orgasmus. Schließlich, endlich nach fast einem Jahr Versuche, schwanger zu werden, nach oft schmerzhaften Tests und Prozeduren, experimenteller Eizellenregenerierungstherapie wuchs und gedieh ihr Baby nun in ihrem Körper, beinahe fünf Monate alt. Und sich zu lieben kann wieder das Teilen von Zuneigung, das Geben und Nehmen von Lust sein und nicht mehr die Beschäftigung mit der Fortpflanzung.

Sie hörte zu, wie Johns Atem in das Schlafmuster glitt - langes Einatmen von Sauerstoff, langsames Ausatmen von Kohlendioxyd.

Schließlich, endlich...

Dana spürte, wie der Schlaf nach ihr griff wie in dieser wunderbaren Nacht Jahre zuvor und ein schwaches Lächeln formte ihre Lippen, als sie begann, in den Schlaf zu sinken. Tiefer und tiefer, dunkler und dunkler, schließlich kam der Schlaf.

~~~~ ... nicht heute Nacht, Scully, es ist noch nicht die Zeit dafür, laß uns einfach einander warm halten, bitte, mir zuliebe, noch eine Nacht, ich möchte noch einen neuen Morgen mit dir erleben... ~~~~

Ihre Augen flogen auf in der Dunkelheit des Schlafzimmers und sie kämpfte darum, zu atmen. Was, was, was verdammt war das? Es war ein tiefes kratzendes männliches Flüstern gewesen, als ob jemand mit ihr im Bett gewesen wäre.

Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie kletterte mit zitternden Beinen aus dem Bett und schaffte es gerade bis zur Toilette, bis sie sich übergab.

Sie legte ihre Wange gegen die Kühle der weißen Schüssel, schloß ihre Augen und kämpfte gegen die schleichende Welle der Übelkeit.

Ich will das nicht, nicht heute Nacht, dachte sie. Alles was ich will, ist schlafen.

Schließlich stand sie auf, putzte sich die Zähne und trank ein Glas kaltes Wasser.

Sie wollte nicht mehr nachdenken.

Ihre Niederlage eingestehend öffnete sie den Medizinschrank über dem Waschbecken und holte die Schachtel mit dem Schlafpflaster heraus.

Zehn Minuten später erreichte die Droge ihren Blutkreislauf durch die Haut an der Innenseite ihres Armes und sie verlor sich in einem schweren, traumlosen Schlummer.

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"Ich habe da diese Theorie," sagte Mulder und platschte mit seinen nackten Füßen im Wasser herum. "Möchten Sie sie hören?"

Sie waren im City Center Park, dem größten Parkgelände, mehrere Quadratmeilen in der Mitte des Geschäftsbezirks gelegen. Sarah und die Kinder waren am anderen Ende des großen Springbrunnens aus Marmor und ließen Plastiksegelboote im seichten Wasser schwimmen. Adam und Julia hatten sich nackt ausgezogen und waren naß und glänzend wie kleine Seehunde.

Mulder und Dana hatten ihre Schuhe und Socken ausgezogen und ihre Hosen aufgerollt und genossen das Gefühl des kühlen Wassers an ihren nackten Füßen, während sie Sandwiches aßen.

Sie zog eine einzelne Augenbraue hoch, unfähig eine Anmerkung zu machen, weil sie an einem Bissen ihres Truthahnsandwiches kaute. Sie schluckte und sagte, "Sie scheinen eine Menge Theorien zu haben, Mulder."

Es war so problemlos und nett, einfach im Park herumzuhängen, umgeben von Bäumen und Gras und Familien, ihre Tochter, die fröhlich im Wasser herumplanschte. Die seltsamen Ereignisse zwei Nächte zuvor schienen beinahe so, als wären sie nicht passiert.

"Es ist irgendwie eine seltsame Theorie," sagte Mulder und knüllte das Papier, in das sein Sandwich eingewickelt war, zusammen. "Ich habe sie noch nie jemandem erzählt."

Warum erzählst du sie dann mir und nicht deiner Frau, dachte sie. Aber sie kannte die Antwort - Sarah wollte nicht über diese Dinge diskutieren, genauso wenig wie John.

"Schießen Sie los," sagte sie.

"Welches Jahr haben wir?" fragte Mulder.

Sie sah ihn verwirrt an. "Es ist 2004," sagte sie in einem Ton, der unausgesprochen ein ‚natürlich' hinzufügte.

"Und Sie sind sich sicher?"

"Natürlich bin ich sicher. Es ist das, was mir mein Kalender und mein Computer sagen..."

Mulder drehte den Kopf und sah sie seltsam intensiv an. "Das ist das, was sie uns sagen, aber haben Sie Geduld mit mir, Dana. Wir wissen, daß die Anderen die Überlebenden gerettet haben. Wir wurden in Stase gehalten, gegen die Seuche behandelt und erwachten in einer Phase, in der wir uns in den neuen Städten wiederfanden, die die Anderen für uns geschaffen hatten."

Dana nickte. Das waren alte Neuigkeiten für sie.

Er platschte ein bißchen mehr mit seinen Füßen im Wasser. "Die Zeitleiste sagt, daß wir drei Monate in Stase waren. Was ist, wenn das nicht wahr ist?"

Sie spürte, wie sich ihre Brauen zusammenzogen. "Warum sollte es nicht wahr sein?" Sie beobachtete, wie Sarah Julia durch das Wasser in ihre Arme zog und hörte das glückliche Lachen ihrer Tochter.

"Ich weiß nicht." Mulder schüttelte den Kopf, als wenn er ebenfalls durch seine eigene Theorie verwirrt wäre. "Es scheint mir nur eigenartig zu sein, daß die Anderen so gut zu uns gewesen sind und so wenig als Gegenleistung erbeten haben. Sie retteten uns, halfen uns, etwas Ähnliches wie unsere frühere Welt wiederzuerschaffen und gaben uns Autonomie. Ihre Motive waren gänzlich uneigennützig gewesen, abgesehen davon, daß sie nun Handel mit uns betreiben und Zugang zu einigen benötigten Naturressourcen der Erde haben."

"Und Sie zweifeln an ihren guten Absichten? Glauben Sie nicht, wenn die Motive der Anderen nicht ehrenwert wären, daß sie schon ihr wahres Gesicht gezeigt hätten? Es sind bereits fünf Jahre."

Mulder kicherte. "Ich mag die Art, wie Sie mich herausfordern, Dana."

Sie lächelte darüber. "Also, was hat das zu tun mit der Zeitleiste?"

"Es ist nur etwas, worüber ich hin und wieder nachdenke. Was, wenn wir länger als drei Monate in Stase gewesen sind? Es hätte ein Jahrhundert sein können, sogar noch länger, trotz allem, was wir wissen."

"Zu welchem Zweck?" Sie nahm einen großen Schluck ihrer Limonade und sah wieder in sein ernstes Gesicht.

"Jeder," sagte Mulder und zuckte mit den Schultern. "Experimente, die Sammlung genetischen Materials... Ich habe sogar in Erwägung gezogen, daß es möglicherweise gar keine Feinde gab oder einen Krieg oder die Seuche. Vielleicht wurde der Rest der Welt von den Anderen getötet oder mitgenommen. Welche Möglichkeit haben wir, zu wissen, was wahr ist? Niemand kann sich erinnern."

Ein Frösteln durchlief Dana, als sie über seine Worte nachdachte. Aber sie schüttelte es ab. Mulder hatte recht gehabt, es war eine seltsame Theorie. "Es ist ziemlich weit hergeholt," sagte sie.

"Ja, ich weiß. Aber so arbeitet mein Verstand."

"Es ist eine beunruhigende Idee." Es war schwer, sich vorzustellen, daß alles, was sie als Fakten kannte, gänzlich falsch sein könnte.

"Ich wollte Sie nicht erschrecken. Nach allem, was wir gesehen haben, sind die Anderen die guten Jungs. Wie ich sagte, ich entwickle einfach diese Ideen."

"Ich mag es," sagte sie und sah auf die blassen Formen ihrer Füße unter Wasser. "Es ist erfrischend, über diese Dinge reden zu können und zu wissen, Sie denken nicht, ich bin verrückt."

"Sie sind diejenige, die denken müßte, ich bin verrückt. Aber Sie tun es nicht."

"Sie sind nicht verrückt," sagte sie.

Mulder berührte ihre Hand leicht mit seiner und sie spürte, wie etwas Elektrisierendes in ihren Arm schoß. Es war das Bewußtsein, die plötzliche Erkenntnis, daß der Mann, der neben ihr saß, ein attraktiver Mann war. Er starrte sie mit einem Ausdruck an, der ihr gestattete, die Sexualität in dem Mann zu sehen, die Leidenschaft, die hinter seinem schrägen Humor und seinen komischen Ideen existierte. Mulder sah sie an, als wäre sie in diesem Moment der einzige Mensch auf Erden. Denk das nicht, sagte sie zu sich selbst und zwang sich, zu seiner Frau am anderen Ende des Springbrunnens zu sehen, die bis zu den Knien ihrer Jeans naß war und mit den Kindern spielte.

Er schien zurückzukehren zu dem Verständnis, wo sie wirklich waren. Er schwang seine Beine aus dem Springbrunnen und schüttelte das Wasser von seinen Füßen. "Sie haben Handtücher mitgebracht, richtig?"

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