World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Lost and found

von Viola Anna Wittek

Kapitel 2

~*~*~*~



Praxis von Dr. Brooke

Clearwater, Florida



„Mit dem piekfeinen Schuppen hatte ich wohl gar nicht so unrecht“, flüsterte Mulder Doggett zu, als sie den Raum betraten. Alles war weiß, die Wände makellos. Nachdem sie durch die Glastür hereingekommen waren, standen sie direkt vor der Anmeldung. Einer Art Theke, etwa hüfthoch, aus weißem und hellblauem, pflegeleichtem Kunststoff. Dahinter saß eine blonde Frau, offensichtlich die Arzthelferin und sprach am Telefon.



Mulder blickte beeindruckt um sich. Zu seiner linken erstreckt sich länglich der Wartesaal, in dem ein älterer Mann und eine Frau mit einem kleinen Kind im Arm auf die Ärztin warteten. Verwundert hob er die Brauen und blickte um sich: Dunkelblaue Sitze, ein ebenfalls blauer Tisch in der Mitte mit allen möglichen Zeitschriften darauf. Darüber hingen große Bilder vom Meer. Auf einem ein ganzer Schwarm farbenfroher Salzwasserfische, auf einem anderen ein fröhlich dreinblickender Delphin. An der Wand gegenüber stand ein gut gepflegtes Aquarium, das Mulder an sein eigenes erinnerte. Seit er aus der Klinik gekommen war, hatte er oft mit dem Gedanken gespielt sich für seine neue Wohnung wieder eines anzuschaffen. Aber bisher hatte er es nicht getan, aus welchen Gründen auch immer.



Die Arzthelferin legte den Hörer auf die Gabel und lächelte den beiden Agenten zu. Sie war hübsch, dachte Mulder. Doggett schätzte sie auf rund dreißig, wenn überhaupt. Ihre Lippen waren rot, aber keineswegs übertrieben und auf ihren goldgelben Locken spiegelten sich die Sonnenstrahlen, die durch das breite Fenster und durch die teils weggedrehten Klappen der hellblauen Jalousie hindurch schienen.



„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie freundlich und blickte die beiden Männer an. Bei Mulder stockte sie einen Moment und blickte ihn genauer an.



„Kenne ich Sie?“, fragte Sie dann verwundert. „Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.“



„Nein, ich glaube nicht“, seufzte Mulder und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“



„Ich bin Special Agent John Doggett“, stellte er sich vor, als er und Mulder ihre Dienstmarken der jungen Frau präsentierten. „Und das ist mein Partner Agent Mulder. Wir sind vom FBI und wir würden gern Dr. Brooke sprechen.“



„In welcher Angelegenheit?“, fragte die junge Arzthelferin. „Hat Dr. Brooke Schwierigkeiten mit der Justiz?“



„Nein, nein“, erwiderte Mulder. „Jedenfalls nicht, das wir wüssten. Wir sind hier wegen einer Patientin von ihr. Eine gewisse Mrs. Melissa Avrigne aus Palm Springs. Dr. Brooke kennt möglicherweise Einzelheiten, die uns unsere Arbeit erleichtern könnten.“



Die junge Frau nickte lächelnd. „Warten Sie bitte einen Moment“, bat sie und die beiden Agenten packten nickend ihre Dienstmarken weg. Mulder schenkte seine Aufmerksamkeit wieder dem Aquarium in der Ecke, als sie aufstand und durch eine Tür rechts der Anmeldung verschwand. Eine Weile später, kehrte sie nickend zurück. „Kommen Sie doch bitte mit mir“, sagte sie und deutete den beiden Agenten ihr zu folgen.



Hinter der Tür befand sich, wie Mulder entdeckte, ein kleiner Gang mit drei weiteren Türen. Zwei davon schienen Behandlungsräume zu sein, eines, in das sie die Sprechstundenhilfe führte, war offenbar das Büro der Ärztin. „Dr. Brooks bittet Sie noch einen Moment zu warten, damit sie die Behandlung des Patienten beenden kann und wird sich dann um sie kümmern. Nehmen Sie ruhig Platz.“



„Ist in Ordnung“, sagte Mulder, als die junge Frau die Tür zum Büro schloss. Doggett ließ sich auf dem Stuhl vor Dr. Brooks Schreibtisch nieder, aber Mulder ging geradewegs zum Fenster. Das Fenster war wohl so etwas wie ein Atelierfenster, denn es ging Mulder bis zu den Knien und nach oben hin bis unter die Zimmerdecke. Er hatte, als er mit der Hand den Vorhang zur Seite schob, direkten Ausblick auf den ruhigen Atlantik und den Strand. Er stemmte die Hände in seine Hüften.



„Hier läßt sich’s leben, was?“, seufzte er sehnsüchtig und Doggett lachte.



„Du bist wirklich nicht zu retten!“


„Nein, ich rede gar nicht vom Strand“, korrigierte Mulder ihn schmunzelnd. „Ich meine diese Praxis. Der Traum eines jeden Arztes, oder?“



„Da gebe ich dir recht“, gab John zu und blickte um sich. Mulder blickte fasziniert aus dem großen Fenster und verfolgte mit seinen sehnsüchtigen Blicken die kleinen, weißen Segelboote auf dem Wasser. Doggett schüttelte amüsiert den Kopf. Stattdessen blickte er in das Regal der Ärztin, oberhalb ihres Computers. Dort standen eine ganze Menge Bilder in unterschiedlich großen Rahmen.



„Sie hat eine kleine Tochter“, entdeckte Doggett auf dem vordersten der Bilder, aber sein Partner schenkte ihm kaum Aufmerksamkeit. Er war durch das Meer zu fasziniert. „Vielleicht drei oder vier. Niedliches Mädchen.“



„Uhmhm“, brummte Mulder teilnahmslos und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Und plötzlich wurden Johns Augen groß und größer. Unsicher, ob er wirklich sah, was er glaubte zu sehen, stand er auf. Sein Hals war ganz ausgetrocknet, als er das Bild des Mädchens vom Regal nahm und auf Dr. Brookes Schreibtisch stellte.



„Gott, das glaube ich einfach nicht“, stotterte er und nun drehte sich Mulder zum ersten Mal zu ihm um. Er musste lächeln, als er die plötzliche Verwirrung seines Partners bemerkte.



„John, was ist los?“, fragte er verwundert. „Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen!“



Noch bevor Doggett den Mund öffnen konnte, um auch nur ein Wort zu sagen, öffnete sich die Tür und auch Mulder hing der Unterkiefer bis auf den Boden zwischen seine Füße. Er begutachtete die Ärztin vorsichtig.



„Entschuldigen Sie vielmals, dass ich Sie habe warten lassen, aber...“, begann sie, noch bevor sie den Raum wirklich betreten hatte. Sie blickte mit einem freundlichen Lächeln auf. Beide kannten dieses Lächeln und diese Stimme. Doch als sie die beiden Agenten erkannte, schwand das Lächeln augenblicklich und ihr Unterkiefer klappte herunter. Das Brett und die Papiere, die sie in der Hand gehalten hatte, fielen mit einem dumpfen Laut auf den Boden als sie die Hand über den Mund schlug.



„Mulder?“, fragte sie, doch statt ihrer reservierten Stimme war es eher ein heiseres Quieken. Sie zitterte und als ihre Knie nachgaben, hatte sie Glück, dass Doggett direkt neben ihr stand und sie auffing, bevor sie ohnmächtig wurde. Er versuchte sie zurück auf ihre Füße zu bringen.



„Alles okay?“, fragte Doggett vorsichtig und Scully nickte. Als er die stummen Blicke zwischen den beiden ehemaligen Partnern bemerkte, wurde ihm klar, dass er sich möglicherweise ein wenig zurückziehen sollte. „Ich werde euch beide Mal lieber allein lassen.“ Und damit verschwand er aus Dr. Brookes Büro.



„Scully?“, brachte Mulder irgendwie fassungslos hervor gestottert, als er sie ansah. Im Grunde war sie kaum gealtert. Sicher, ihr Gesicht hatte einige kleine Falten bekommen und ihr Haar war heller, welliger und ein wenig länger geworden. Aber im Grunde hatte sie sich gar nicht verändert.



„Das ist kein Traum, oder?“, fragte sie plötzlich den Tränen nahe, aber er schüttelte bedeutungsvoll den Kopf.



„Oh Gott“, seufzte sie, als sie auf ihn zuging, um sich regelrecht in seine Arme zu werfen. Sie drückte sich fest an ihn und er spürte ihre heißen Tränen in seinem Hals. Beruhigend strich er über ihrem Rücken auf und ab, während sie in seinen Armen weinte. Er schloss die Augen und atmete tief ein.



„Apfelshampoo“, flüsterte er leise, aber fasziniert sich selbst zu und das Lächeln wäre in diesem Moment unmöglich von seinem Gesicht zu wischen gewesen.



„Was?“, fragte sie leise und er schüttelte den Kopf.



„Gar nichts“, versicherte er ihr und lockerte die innige Umarmung. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich Sie tatsächlich jemals finden würde, Scully.“ Zärtlich nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände. „Aber aufgegeben hätte ich niemals.“



„Ich dachte Sie wären tot“, stotterte sie und neue Tränen rannen ihre Wangen hinab.



„Sie haben einen Klon beerdigt, Scully“, sagte er lächelnd und strich eine Haarsträhne zurück. In Ironie der Situation begann sie traurig zu lachen.



„Es tut mir leid“, sagte sie, unsicher was sie sagen oder tun sollte.



„Schon okay“, flüsterte er, als er ihre Tränen wegstreichelte. Sie versuchte schwermütig zu schmunzeln. Er hatte so viele Dinge geplant ihr zu sagen, falls er sie finden sollte. Und nun stand sie direkt vor ihm und er war sprachlos. Aber eine Sache, die er ihr unbedingt hatte sagen wollen, kam zurück in sein Gedächtnis.



„Ich muss dir was sagen“, sagte er plötzlich leise und Scully sah ihn erwartungsvoll an. „Ich.. uhm... ich liebe dich“, platzte er heraus und ihre Brauen wanderten Richtung Norden, als sie die Stirn runzelte. Ein Schauer fuhr durch seinen Körper und Scully fühlte sein Zittern. Und sie musste sich selbst eingestehen, dass es sie ein wenig schmeichelte seine Reaktion spüren zu können.



Noch bevor Scully eigentlich wusste wie ihr geschah, lagen seine Lippen auf ihren. Erschreckt öffnete sie ihre Augen weit. Doch alles, was sie sah, war das milde Braun seines Haars, das nun aber mit hellen, grauen Härchen gemischt war. Es dauerte eine Weile, bis auch die hinterste Ecke ihres Gehirns registriert hatte, dass es tatsächlich Fox Mulder war, der sie küsste. Doch dann schloss sie genussvoll die Augen.



In ihrem Herzen war sie ganz plötzlich wieder acht Jahre jünger. Special Agent Scully, die sich so lange unter ihrer harten Oberfläche versteckt hatte, schlüpfte wieder hervor und sorgte dafür, dass jede Faser ihres zierlichen Körpers zu beben begann. Lang verborgene Gefühle für ihren früheren Partner quollen auf, mindestens viermal so stark waren, wie sie es zuvor gewesen waren. Überwältigt von ihrer eigenen Leidenschaft, begann sie ihre Lippen auf seinen zu bewegen. Seine Arme wanden sich langsam und vorsichtig um ihre schmalen Hüften. Zittrig tasteten sich ihre Hände von seiner Brust aufwärts und sanken dann langsam um seinen Hals, als sich ihre Zungen in einem stürmischen Kampf duellierten.



„Mulder, ich...“, wurden sie durch Doggetts Stimme unterbrochen, der gerade hinter ihnen die Tür öffnete. „Oh“, entfuhr es ihm, als er entdeckte, bei was er die beiden gerade gestört hatte. „Ich bin im Wartezimmer, falls ihr beide mich suchen solltet.“ Und damit war er auch schon wieder verschwunden.



Scullys Wangen begannen rötlich anzulaufen. Mulder dagegen war zwar auch leicht verlegen, grinste aber stolz. Als sie zu ihm aufblickte, versuchte er sie erneut zu küssen. Doch diesmal trat sie mit schwerem Herzen einen Schritt zurück. Missmutig entdeckte sie den enttäuschten und auch erschreckten Ausdruck in seinen Augen.



„Es tut mir leid, Mulder“, sagte sie leise und senkte ihren Blick ein wenig verlegen von seinem. „Ich habe seit Jahren eine feste Beziehung.“



„Bist du verheiratet?“, fragte er ängstlich. „Deshalb Dr. Brooke?“



„Nein, das hat damit nichts zu tun“, widersprach sie augenblicklich. „Als du gestorben bist und ich das FBI verlassen habe, wollte ich nicht mehr. Ich habe keinen Sinn mehr in meiner Arbeit gesehen und so bin ich einfach abgehauen. An meinem Nachnamen hätte man mich ständig erkannt; Krycek wollte mich töten. Ich habe meinen Namen deshalb ändern lassen und den Mädchennamen meiner Mutter angenommen.“



„Also bist du nicht verheiratet?“, fragte er vorsichtig, aber ängstlich, daß die Antwort ein ‚Ja‘ sein könnte.



Sie schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht“, gestand sie. „Aber ich habe eine feste Beziehung. Sein Name ist Jake. Er ist auch Arzt und hat hier in der Gegend seine Praxis. Es tut mir so leid, Mulder.“



Traurig senkte er seinen Blick auf den Boden, als Scully nervös von einem Bein auf das andere trat. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, als könnte das Scully davon abhalten ihm weh zu tun. Sie war sicher, daß da Tränen und Skepsis in seinen Augenwinkeln waren. „Und ich war so naiv und habe geglaubt, wenn ich dich finde, dann wird alles so werden wie früher.“



„Es tut mir leid, Mulder“, sagte sie wieder leise. „Ich konnte ja nicht wissen, dass...“



„Ich weiß“, flüsterte er leise. „Dann ist das seine Tochter auf dem Bild?“, fragte er, als sein Blick auf die Photos im Regal fiel. Erst nun sah er was Doggett gesehen hatte. Da war ein Bild eines kleinen Mädchens ganz vorn, das sein Partner schon entdeckt hatte. Doch dahinter war ein großes Foto von Scully und ihm, wie sie zu FBI-Zeiten dem Bösen aufgelauert und ausgelöscht hatten. Und daneben war ein Bild von Scully, in den Armen eines Mannes. Das musste Jake sein, dachte er mit schmerzhaft klopfendem Herzen. Jake, der Kerl, der das hatte, was er sich seit Jahrzehnten wünschte. Vorsichtig schüttelte Scully den Kopf.



„Skinner hat es dir nicht erzählt, oder?“, fragte sie leise und er schüttelte den Kopf.



„Was erzählt?“, sagte er und seine Stimme wurde ein wenig lauter. „Verdammt! Mir erzählt keiner etwas!“



„Es ist unsere Tochter, Mulder“, sagte sie beharrlich. „Deine und meine. Die künstliche Befruchtung hat, entgegen der ärztlichen Vermutung, doch funktioniert. Alex ist letzte Woche drei Jahre alt geworden. Sie ist unsere Tochter, Mulder. Deshalb hat sie deinen Nachnamen, denn ich konnte nicht zulassen, dass die Mulders vollkommen verschwinden.“



„Alex?“, fragte er verwundert. „Du hast sie nach Krycek genannt?“ Scully schmunzelte, als sie sich an Alex Krycek erinnerte. Es war ziemlich genau vier Jahre her, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seitdem war ihr Leben so viel normaler geworden.


„Alexandra“, sagte sie leise. „Das hatte nichts mit Krycek zu tun, Mulder. Mir gefiel der Name einfach. Und ich nahm an, dir möglicherweise auch.“



Sie sah, wie er die Hand an seine Stirn legte und die Augen schloss. Während er leicht den Kopf schüttelte, bewegte er die Lippen ein wenig, so als würde er mit sich selbst reden. Als er die Augen wieder öffnete, entdeckte Scully erst, dass er weinte. Mulder weinte, dachte sie und ihr Herz begann zu bluten. Er weinte wegen ihr.



„Entschuldige, aber ich brauche unbedingt frische Luft“, sagte er schließlich und rauschte an Scully vorbei und zur Tür hinaus. Als sich die Tür knallend hinter ihm schloss, sank Scully achtlos auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Sie drückte auf einen Knopf der Telefonanlage.



„Jeanny?“, begann sie und räusperte sich, als sie hörte, wie rau ihre Stimme war. „Warten noch Patienten?“



„Ja, zwei“, hörte sie ihre junge Assistentin sagen. „Mrs. Gold mit der kleinen Emily und Mr. Johnson.“



„Bitten die beiden doch bitte für mich Dr. Marks in der Evans Street aufzusuchen“, sagte sie leise. „Und entschuldige mich damit, dass es um eine äußerst wichtige Familienangelegenheit ginge, die nicht warten könne. Hänge bitte das Schild an die Tür, mit ‚Auf unbestimmte Zeit geschlossen‘, ja? Du kannst dann natürlich auch früher gehen.“



„In Ordnung“, sagte sie nickend. „Dann bis Morgen, Dana, es sei denn du brauchst jemanden zum reden.“



„Nein, ist schon okay“, lächelte Scully. „Aber danke, Jeanny.“



„Falls doch“, vergewisserte sie der Ärztin. „Du weißt ja, wo du mich findest.“



„Danke.“



Damit beendete Dana das Gespräch und stand auf. So etwas hatte sie noch niemals gemacht. Aber im Moment konnte sie unmöglich einen Patienten behandeln. Sie könnte als Ärztin kein verlässliches Urteil mehr abgeben und sich auf nichts konzentrieren, denn durch diese unerwartete Begegnung mit ihrem vermeintlich verstorbenen Partner war sie zu sehr aus dem Konzept gebracht worden, um sich mit Rheuma und Keuchhusten beschäftigen zu können.



Ihr ganzer Körper zitterte in Traurigkeit und Verwirrung. Sie starrte auf das alte Bild in ihrem Regal. Sie hatte ihn für tot gehalten, all die Jahre. Ihr war noch nicht einmal einen kurzen Moment lang der Gedanke gekommen, dass er am Leben sein könnte und irgendwo da draußen nach ihr suchte. Warum auch? Nach seiner Beerdigung war alles so klar und deutlich gewesen. Wie hätte sie ahnen können, dass sie ihn jemals wiedersehen würde?



Sie ging an ihr großes Fenster. Dorthin, wo Mulder gestanden war***, als sie den Raum betreten hatte. Mit sich sammelnden Tränen in ihren Augen blickte sie auf die teilnahmslose Schönheit des Atlantiks. Sie starrte hinaus auf die Wellen und die Fröhlichkeit vor ihrem Fenster.



Sie schloss die Augen, als vor ihrem inneren Auge der Moment noch einmal ablief, wie er sie küsste. Er hatte so altvertraut geschmeckt und gerochen, ebenso wie vor einem halben Jahrzehnt, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Schon immer hatte sie seinen milchig-sauren, männlichen Geruch gemocht. Aber ihn nun wieder riechen zu dürfen, war ebenso mit alten Erinnerungen und Empfindungen verknüpft, wie sie in das Haus zu bringen, indem sie aufgewachsen war.



Sie begann zu weinen, als sie in ihren Schreibtischstuhl sank. Hektisch wischte sie sich selbst die Tränen von ihren Wangen, als ihr in Gedanken kam, dass Jeanny möglicherweise noch hier war. Also zwang sie sich das schluchzen zu unterdrücken und weinte stattdessen leise vor sich hin.



Musste Mulder ausgerechnet jetzt auftauchen, wo es in ihrer Beziehung ohnehin schwierig war? Sie war hin und her gerissen von ihren Gefühlen. Einerseits ertappte sie sich dabei, wie sie sich wünschte, dass er niemals aufgetaucht wäre. Aber andererseits erinnerte sie ihr Herz auf schmerzende Art und Weise noch immer daran, dass sie diesen Mann liebte. Mehr als sie ihren Mann jemals lieben würde, mochte er ein noch so netter Kerl sein. Und dazu kam, dass er der Vater ihrer kleinen Alex war.



Alex war das größte Problem, dachte sie traurig. Sie war auch der Grund, weshalb sowohl sie als auch ihr Freund versuchten ihre Beziehung mit aller Gewalt zu retten. Und Mulder war in diesen Rettungsversuchen nicht gerade vorgesehen gewesen.



Und wenn sie auf ihr Herz hörte, dann würde ein noch größeres Chaos entstehen. Denn selbes riet ihr, sofort Mulder in die Arme zu springen und ihn niemals wieder loszulassen. In diesen letzten vier Jahren hatte ihre Liebe zu ihm nicht ein bisschen abgenommen, sondern eher im Gegenteil. Die Sehnsucht nach ihm und der Wunsch ihm all das sagen zu können, was auf ihrem Herzen lag, hatte ihr immer mehr klar gemacht, dass das, was sie mit ihm hatte, etwas ganz Besonderes, etwas Einmaliges gewesen war.



~*~*~*~



Er wusste nicht genau auf wen oder was er eigentlich sauer war; auf Scully? Auf den verdammten Kerl, mit dem sie zusammen war? Oder auf das Leben, weil es ihm so gemein beisetzte? Vermutlich war es all das zusammen, was ihn aus Scullys Praxis stürmen ließ. Das letzte, was in diesem Moment in seinen Gedanken war, war sein Partner. Wäre dieser nicht aufgesprungen als er das Knallen der Tür gehört hatte und wäre Mulder augenblicklich gefolgt, wäre dieser sicher ohne ihn losgefahren. Und das auch noch ohne überhaupt zu bemerken, dass er etwas vergessen hatte.



„Was ist los?“, fragte dieser verwundert. Das letzte Mal, als er in ihr Büro geschaut hatte, waren die beiden am knutschen gewesen. Und nun war Mulder so sauer und enttäuscht, wie Doggett ihn selten zuvor gesehen hatte. „Mulder? Hey! Ich rede mit dir!“



„Sie hat einen Andren“, knurrte dieser, als er sich auf die Fahrerseite setzen wollte. Aber Doggett hielt ihn auf.



„Ich fahre“, bestand er darauf und nahm seinem Partner die Schlüssel ab. „Du bist so sehr in einer anderen Welt, dass du uns noch gegen einen Baum manövrierst.“ Missmutig willigte Mulder ein und wechselte stattdessen auf die Beifahrerseite.



„Einen Andren?“, fragte Doggett verwundert, als sein Partner neben ihm saß. Mulder nickte.



„Scheiße, ich wünschte mir, ich hätte sie nie gefunden“, schimpfte er und Doggett wandte sich ihm erstaunt zu.



„Das meinst du nicht ernst, oder?“, fragte er entsetzt.



„Nein, natürlich nicht“, brummte Mulder leiser und senkte seine Blicke. „Aber ich liebe sie, weißt du? Ich hasse den Gedanken, dass sie – ob nun angetraut oder nicht – eine Familie hat, die mich nicht einschließt; mit einem anderen Kerl zusammen ist und die Tatsache, dass ich meine eigene Tochter nicht kenne, ist fast unerträglich für mich!“ Als Mulder bemerkte, dass John gar nicht verwundert schien, riss er die Augen weit auf und starrte seinen Partner an. „Du wusstest es, nicht?“, vermutete Mulder.



„Nein! Wie konnte ich wissen, dass Scully inzwischen einen Andren hat!“, sagte Doggett verteidigend und auch seine Stimme wurde lauter. „Fox, ich wusste doch genauso wenig wie du auch, wo sie war!“



„Nein“, widersprach er. „Ich meine, dass ich eine Tochter habe. Du wirktest gar nicht überrascht!“ Darauf antwortete Doggett nicht und Mulder wurde nur noch entsetzter. „Verdammt! Mann, ich dachte wir wären Freunde! Ich kann nicht fassen, dass du mir das verheimlicht hast!“



„Ich habe mich auch nur an Regeln gehalten!“, konterte er und Mulder schüttelte den Kopf.



„Wessen Regeln?“



„Skinners Regeln!“, sagte er laut. „Und die meines gesunden Menschenverstandes. Es war unwahrscheinlich, dass du Scully jemals findest! Und wir waren uns alle einig, dass es besser wäre, wenn du es niemals gewusst hättest.“



„Maßt euch niemals wieder an, für mich zu entscheiden, was besser für mich ist! Ihr habt keine Ahnung, wie es in mir aussieht, okay?“ Mulder verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust und blickte aus seinem Fenster. Doggett seufzte und parkte den Wagen aus. Er hasste es, wenn diese Spannung zwischen ihm und seinem Partner. Er wusste, dass Mulder innerlich weinte, obwohl ihm äußerlich nichts weiter anzusehen war. Die rote Farbe seines Gesichts sprach für sich. Er blickte unbeteiligt aus dem Fenster.



~*~*~*~



Scully hatte die Praxis bereits vor Stunden abgeschlossen, als es dunkel wurde. Ihre Gedanken waren bei Mulder. Mulder, Mulder, Mulder! Alte Erinnerungen kamen hoch, alte Gefühle und Erlebnisse unter die sie bereits einen Haken gemacht hatte, schlichen sich zurück in ihr Herz und in ihre Gedanken. Nachdenklich lag sie auf der Untersuchungsliege in einem der Behandlungszimmer und starrte aus dem Fenster und auf das Meer.



Die Sonne versank bereits im ruhigen, nun blauschwarz wirkenden Ozean. Nachdenklich starrte sie in den Sonnenuntergang mit seinen gelb-orange-rot leuchtenden Farben, wie sie es oft getan hatte, als sie zuerst hierher gekommen war. Jedes Mal hatte sie an Mulder gedacht und dabei leise geweint, wenn sie sein Gesicht vor ihrem inneren Auge gesehen hatte.



Sie erinnerte sich an den Abend, nachdem sie Jake kennengelernt hatte, an dem sie mit dem Baby im Arm den Strand entlang gegangen war, um ihre Gedanken zu sammeln. Sie hatte das Gefühl gehabt, als lebe Mulder in ihr weiter. Plötzlich fragte sie sich, was Mulder an ihrer Stelle tun würde. Sie liebte Mulder mehr als Jake. Sie liebte ihn sogar sehr viel mehr als jeden anderen Mann, den sie jemals gekannt hatte. Sie fragte sich, ob er es für richtig halten würde, wenn sie mit Jake eine Beziehung begann.



Aber es war schließlich nicht gewesen, als hätte sie eine Wahl zwischen beiden treffen müssen. Mulder war tot. Das war es, worüber sie versuchte hatte, sich jeden Tag erneut klar zu werden. Mulder war tot und würde niemals wieder bei ihr sein können, bevor nicht auch sie zum letzten Mal die Augen geschlossen hatte. Die einzige Wahl, die sie treffen musste, war es allein zu sein oder mit Jake zu sein. Sie zog Jake der Einsamkeit vor.



Und nun war sie hier, in ihrer Praxis, und Mulder war nur wenige Kilometer, oder möglicherweise sogar nur wenige Meter, von ihr entfernt. Aber die Situation hatte sich gewandelt. Plötzlich war alles so kompliziert. Nicht nur hatte sie einem anderen gesagt, dass sie ihn liebte. Alex sah in ihr und irgendwie auch in ihm ihre Eltern. Obwohl sie wusste, dass Jake nicht ihr leiblicher Vater war, hatte er doch verständlicherweise seinen Platz eingenommen. Entschied sie sich für Mulder, würde sie die heile Scheinwelt ihrer Tochter zerreißen. Entschied sie sich für ihre Familie würde sie sich den Rest ihres Lebens nach Mulder sehnen und sich wünschen, dass er bei ihr wäre.



~*~*~*~



Mulder währenddessen saß am Strand und starrte in den Sonnenuntergang. Die Beach war wie leergefegt. Nur noch wenige Leute gingen hier spazieren. Hauptsächlich junge Liebespaare, wie er feststellte. Aber es störte ihn kaum. Er saß im warmen Sand, hatte die Beine angezogen und blickte in die schummrigen Farbgemische, die den untergehenden Feuerball umgaben. Das Meer rauschte, als die Wellen nur wenige dutzend Zentimeter vor seinen Füßen auf den Sand rauschten.



Er liebte Scully. Und wie er sie liebte, dachte er mit Tränen in den Augen. Den Frust des Tages hatte er in sich hinein gefressen. Mit Dank hatte er erfahren, dass man den Fall anderen Agenten der Außenstelle Tampa übertragen hatte, als Skinner von Doggett erfahren hatte, was passiert war. Doch ihm und seinem Partner war es gestattet, sich noch einige Tage in Florida aufzuhalten.



Der angestaute Ärger war nur kaschierte Traurigkeit gewesen, die sich nun an die Oberfläche drängte. Tränen rannen salzig über seine Wangen. Er war naiv gewesen, dachte er. Wie hatte er glauben können, daß Scully nahezu vier Jahre lang so bleiben würde, wie er sie kannte? Sie war eine attraktive Frau gewesen, die eine emotionale Stütze brauchte. Nachdem er verschwunden war, hatte sie nach einem anderen gesucht. Und ihn offenbar gefunden. Natürlich verstand er das, wenn er sich an ihre Stelle dachte.



Trotzdem tat es ihm weh. Die Vorstellung, dass Scully einen anderen mehr lieben könnte als ihn, traf ihn wie ein Messer in sein Herz. Am liebsten hätte er die Zeit zehn Jahre zurückgedreht. Damals hätte er ihr sagen sollen, dass er sie liebte und dafür sorgen sollen, dass er eben nicht verschwand. Er hätte für sie da sein müssen, als er es nicht war. Nicht, dass er eine Wahl gehabt hatte. Aber er ärgerte sich dennoch.



Und er hatte eine Tochter. Er, Fox Mulder, war der Vater von Scullys kleiner Tochter, Alexandra. Ihm gefiel der Name durchaus. Seufzend bettete er sein Kinn auf seine Knie. Das alles hatte er sich so anders vorgestellt, als sie ihn damals gebeten hatte Vater ihres Babys zu sein. Er hatte gedacht, er könnte sie sehen, wenn sie schwanger war und ihren Bauch streicheln. Er wollte bei der Geburt dabei sein, unbedingt, und das Kind aufwachsen sehen, um ihm ein Vater sein zu können; ganz gleich wie sein Verhältnis zu seiner Mutter auch sein würde.



Aber nun saß er hier; ganz allein am Strand und beobachtete den Untergang der Sonne in den ruhigen Fluten des Meeres. Aber auch als die Sonne unterging und es dunkel wurde, saß er noch immer stillschweigend am Wasser, um seine Gedanken und Gefühle erforschen zu können. Doch es gelang ihm nicht. Er kam immer nur zu dem Schluss sich selbst zu bemitleiden, denn er liebte Scully. Nur war die inzwischen leider eine anderweitig vergebene Frau.



~*~*~*~



Dana Brookes Apartment

Tarian Court

Palm Harbor, Florida

28. Mai; 04.08 A.M.



Leise, damit sie niemanden weckte, schloss sie die Tür auf und hechtete zum Alarmgerät, das ihr Freund in seiner Vorsicht allabendlich programmierte. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen und auch abgeschlossen hatte, programmierte sie den Code neu. Dann stellte sie ihre Schuhe in die gewohnte Ecke, hängte die Jacke auf und legte ihre Tasche auf die Kommode, neben dem Eingang.



Sie wusste, dass Jake hier war. Obwohl sie schon jahrelang ein Paar waren, wohnten sie nicht zusammen. Scully hatte Probleme damit, Menschen in ihr Leben zu lassen. Das hatte sie schon immer gehabt. Und was Liebesbeziehungen anging, war sie ohnehin vorsichtig, denn sie hatte bereits zu viele Enttäuschungen erlebt. Jack, Daniel, Ed, um nur einige zu nennen. So schlief Jake hin und wieder in ihrer Wohnung. Dass es heute so war, wusste sie, denn er hatte Alex von der Schule geholt und war mit ihr Eisessen gegangen, was er ihr schon vor Tagen versprochen hatte.



Leise ging sie dann in die Richtung ihres Schlafzimmers. Sie schlich auf Zehenspitzen in ihr Zimmer, damit sie Jake nicht weckte. Sie zog sich schnell die Hose aus und legte sie über den Stuhl, über den er auch seine gehängt hatte. Jake schlief tief und fest, als sie vorsichtig auf ihrer Seite des Bettes unter die Decke schlüpfte, so wie sie nun gekleidet war, in Unterwäsche und T-Shirt.



„Wo warst du, Dana?“, fragte Jake sie plötzlich und sie zuckte erschreckt zusammen.



„In der Praxis“, antwortete sie leise.



„Bis jetzt?“, erkundigte er sich skeptisch und rutschte näher an sie heran.



„Ja“, sagte sie. „Ich hatte eine Menge Arbeit, die unbedingt erledigt werden musste.“



„Ja, sicher“, nickte er ungläubig, als sie sich im Bett zu ihm umdrehte. Er drehte sich auf seine Seite und knipste das matte Licht auf seinem Nachtschrank an. Dann sah er sie mit vor der Brust verschränkten Armen an.



„Du hast einen anderen“, sagte er mit einer festen Stimme. Und es war keine Frage, es war eine Feststellung. Seine kaffeebraunen Augen waren kalt und von Eifersucht zerfressen. Sie erkannte, dass er sich ganz sicher war, dass es so sein musste. „Du hast eine Affäre, nicht wahr?“



„Was?“, fragte sie entsetzt und zog sich im Bett mühsam hoch. Sie sah ihn mit großen, fragenden Augen an. Das ist einfach absurd, dachte sie. Wie konnte er das wirklich glauben? „Wie kommst du darauf, um Gottes Willen?“



„Dana“, sagte er böse. „Seit Wochen arbeitest du länger als vorher! Wir sehen uns kaum noch und unternehmen erst recht nichts miteinander. Ich hatte fast den Eindruck, du würdest dich davor scheuen heimzukommen, wenn ich da bin. Aber jetzt, da du fast die ganze Nacht weggeblieben bist, habe ich eine neue Erklärung -eine viel offensichtlichere. Da ist ein anderer Kerl, ich spüre das. Trotzdem hättest du dir wenigstens die Mühe machen und anrufen können, um eine Ausrede zu erfinden.“



„Jake, hör mir doch mal zu“, beharrte sie auf Aufmerksamkeit.



„Was ist es denn, Dana?“, fragte er böse. „Ist er einfühlsamer als ich? Reicher? Romantischer? Sieht er besser aus?“ Sie seufzte und kaute, nun selbst böse auf ihn geworden, auf ihrer Unterlippe, als sie den Ärger versuchte herunter zu schlucken. „Oder ist er besser im Bett? Ist der Sex mit ihm besser als mit mir?“



„Also, Jake, jetzt gehst du aber wirklich zu weit“, rief sie empört und machte einen großen Satz aus dem breiten Bett. Sie stemmte ihre Arme in ihre Hüften und blickte ihn mit wütend funkelnden Augen an. So, wie sie Mulder immer angesehen hatte, wenn er etwas Dummes angestellt hatte ohne ihr davon zu erzählen. „Ich hatte einen harten, nein, sogar einen verdammt harten Tag! Und ich bin nicht nach Hause gekommen, um mir derart lächerliche und unbegründete Unterstellungen von dir anzuhören!“



Anstatt ihm Weiteres zu erklären, schnappte sie sich ihre Jeans wieder. Sie war kurz davor vor Wut regelrecht zu platzen. Seit Wochen ging das nun so, dass sie ihm nichts mehr recht machen konnte. Er war unglaublich aggressiv und sie war leicht verletzlich. Sie hatte genug vom Streiten und Schreien, was in der letzten Zeit ohnehin viel zu oft vorgekommen war. Und heute konnte sie keinerlei Geduld aufbringen, um den Streit zu schlichten. Er allerdings schien das als Bestätigung seiner Vermutung zu sehen, als sie die Jeans wutentbrannt wieder anzog.



„Wo gehst du denn jetzt hin; mitten in der Nacht, huh?“, fragte er mit skeptisch vor der Brust verschränkten Armen. „Zu ihm, vermute ich, um dich über deinen bösen, verständnislosen Freund auszuweinen, oder was?“



„Verdammt, was ist denn bloß los mit dir?“, fragte sie sauer und wischte die Tränen von ihren Wangen. Nun erst erkannte er, dass sie weinte. Reuevoll biss er sich auf die breite Unterlippe. Zum Weinen hatte er sie eigentlich nicht bringen wollen, obwohl er wusste, dass er aggressiv und launisch gewesen war. „Was ist mit dem Vertrauen zwischen uns geworden? Wenn ich zu spät von der Arbeit komme, weil ich einen harten Tag hatte, dann erwarte ich von dir, dass du fragst wie es mir geht oder was vorgefallen ist. Ich erwarte, dass du ein wenig Interesse an meinem Leben zeigst, denn du bist beleidigt, wenn ich es nicht an deinem zeige.“



„Dana“, wollte er sie aufhalten, aber sie blickte ihn gar nicht an. „Na schön, dann erzähl: Wie war dein Tag?“



„Vorgetäuschtes Interesse ist besser als gar keines“, sagte sie leise, mehr zu sich selbst als an ihn gerichtet.



„Autsch“, kommentierte er trocken. „Das war dann deinerseits eine Unterstellung.“



„Na schön, Jake“, sagte sie und blickte ihn skeptisch an. „Also, das war mein Tag: Ganz plötzlich ist mein ehemaliger, vermeintlich toter FBI-Partner Mulder in meiner Praxis aufgetauchte, der nebenbei ja auch noch der Vater meiner Tochter ist, und meine ganze Welt auf den Kopf gestellt hat. Du hast Recht, ich hätte anrufen sollen. Aber in meinem Kopf gingen so viele Dinge vor sich, dass ich es vergessen habe. Es tut mir leid.“



„Und jetzt?“, fragte er. Seine Stimme war nun leiser. Sie hörte ein wenig Reue heraus. Aber das machte sie fast noch saurer, weil er eine Entschuldigung einfach nicht über seine Lippen brachte. Was sie jetzt wirklich gebraucht hätte, wäre in den Arm genommen zu werden. So, wie es ihre Mutter immer getan hatte, wenn es ihr beschissen ging. So, wie sie in Mulders Armen immer hatte Weinen können. Es erschreckte sie ein wenig, als sie erkannte, dass sie sich gar nicht danach sehnte, sich bei Jake auszuheulen. Es war Mulder, der sie an sich drücken sollte und ihr sagen sollte, dass schon alles wieder gut würde.



„Und jetzt“, seufzte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Werde ich zurück in die Praxis fahren.“



„Verlässt du mich jetzt?“, fragte er skeptisch. Sie räusperte sich kurz und blickte ihn starr an.



„Wenn es das ist, was du willst“, entgegnete sie trocken. Er antwortete nicht, sondern verdrehte die Augen über ihre, wie er fand, überdrehte Dramaturgie. „Ich weiß es noch nicht genau. Aber ich muss raus hier! Sag Alex, ich bin kurz nach Sonnenaufgang wieder zurück, falls sie schon wach sein sollte.“



Damit fiel die Holztür zum Schlafzimmer laut zu. Lauter, als sie es eigentlich beabsichtigt hatte. Einen Moment lang stockte sie, blieb einfach stehen und hielt Inne. Vielleicht hoffte etwas in ihr, dass Jake sie aufhielt. Dass er es sich anders überlegte und hinter ihr herlief, um sich zu entschuldigen. Aber, nein, so etwas gab es in ihrer Beziehung schon lange nicht mehr.



Scully hoffte nur, dass sie mit dem Knallen der Tür ihre Tochter nicht geweckt hatte, die nur einige Zimmer weiter tief und fest schlief. Aber sie hielt es hier nicht aus. Sie wollte weder hier bleiben, noch in die Praxis zurück. Es gab keinen Ort, nachdem sie sich sehnte oder an dem sie sich Wohl und Zuhause fühlte.



Sie war schon auf dem Weg in die Praxis, als sie entschied an den Strand zu fahren, denn es war der einzige Ort, an dem sie um diese gottverdammte Uhrzeit ungestört nachdenken konnte.



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Clearwater Beach

28. Mai, 04:45 A.M.



Der Wind, der vom Meer kam, wehte kühl durch sein Haar und spielte mit seinen leichten, kastanienbraunen Strähnen. Er saß noch immer in der gleichen, nachdenklich Pose im weichen Sand, wie schon die Stunden zuvor; seine Beine an den Körper herangezogen und mit den Armen schützend umschlossen. Seine Blicke waren zwar auf das Meer gerichtet, aber Scully erkannte, dass er in das Nichts hinein sah, so, wie er es früher schon immer getan hatte. Stundenlang hatte er etwas anstarren können, ohne es wirklich zu sehen. So versunken war er in seine Gedankenwelt gesehen.



Sie hatte ihn eine ganze Weile aus einiger Entfernung beobachtet, bevor sie sich dazu entschloss zu ihm rüber zu gehen. Wortlos ging sie auf seine dunkle Figur im zarten blaugrau der Nacht zu, bevor sie sich stumm neben ihn setzte.



„Ich komme gern hierher, wenn ich nachdenken will“, seufzte sie leise. Er zuckte im ersten Moment erschreckt zusammen, weil ihre Stimme ihn aus dem Nirvana seiner subtilen Gedanken riss. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sie neben sich entdeckte.



„Wirst du um diese Uhrzeit nicht Zuhause vermisst?“, fragte er. Seine Stimme hatte keinen zynischen Unterton. Es war eine simple Frage, obwohl sie Scully einen Stich tief in ihr Herz versetzte. Sie antwortete nicht, lehnte sich nur an seine Schulter, als eine Träne ihre Wange hinab rann. Verwundert blickte er auf seine frühere Partnerin hinab, die schweigend den Blick senkte, aber ihre Wange an seine Schulter drückte. Ohne weiter darüber nachzudenken, löste er seinen Arm zwischen ihnen und legte ihn um sie.



Genau das war es, dachte sie, was in ihrer Ehe fehlte. Wortlose Kommunikation. Gehalten zu werden war genau das gewesen, was sie so dringend gebraucht hatte. Es erschien ihr fast, als wären die letzten vier Jahre niemals gewesen. Sie hatte nicht einmal etwas sagen müssen, aber Mulder hatte gewusst, was sie dringend gebraucht hatte. Seine schützenden Arme.



„Ich liebe dich“, sagte sie plötzlich leise und Mulder blickte verwundert zu ihr hinunter. Sie musste lächeln, als sie sein erschrecktes Gesicht sah.



„Aber...“, begann er, wusste aber nicht so recht, wie er seine Frage beenden sollte. Doch sie wusste ja ohnehin, was er sagen wollte. Aber du bist doch vergeben, wollte er sagen. Und das war es auch, was sie sich eigentlich hätte selbst sagen sollen, dachte sie.



„Ich habe niemals aufgehört, dich zu lieben“, sagte sie leise und schmiegte sich enger an ihren früheren Partner. Die Worte sprudelten einfach so hervor, ebenso wie die heißen Tränen, die durch den dünnen Baumwollstoff seines T-Shirts sickerten. Er wusste nicht so ganz was er sagen sollte, denn er spürte, dass sie reden musste. Und er glaubte, dass es am Besten war, wenn er sie einfach nur reden ließ.



„Aber du warst tot, Mulder“, fuhr sie plötzlich fort. „Ich selbst habe dich beerdigt und zum Abschied Blumen in dein Grab geworfen. Ich musste das Kapitel meines Lebens schließen, denn der Verlust hätte mich sonst wahnsinnig gemacht. Und das konnte ich nicht zulassen, schon allein wegen des Babys nicht. Also bin ich einfach weggegangen, so weit ich nur konnte. Ich habe beschlossen wieder Ärztin zu werden. Ein Beruf, den ich im Grunde liebe und der nicht ganz so gefährlich ist. Ich konnte nicht zulassen, dass mir etwas passierte, denn ich musste doch für Alex da sein. Die Hoffnung, dass ich eines Tages mit dir hier sitzen könnte, habe ich mit deinem Körper begraben.“



„Alex“, sagte er leise und schmunzelte. „Du hattest recht, der Name gefällt mir. Dana, ich will mich dafür entschuldigen, dass ich vorhin so ausgerastet bin. Aber das war einfach zuviel für mich. Vor über zwei Jahren bin ich in einem Krankenhaus zu mir gekommen. Als ich die Augen geöffnet habe und erfahren habe, dass du einfach weg warst, hätte ich sie am liebsten wieder schließen wollen. Ich habe mühsam laufen lernen müssen, ich konnte mich kaum bewegen, als ich aufgewacht bin. Und die ganze Zeit hatte ich dein Gesicht vor Augen. Die ganze Zeit habe ich gewusst, dass ich laufen lernen muss, damit ich dich suchen kann. Sonst hätte ich keine Chance gehabt, dich zu finden. Und von Tag zu Tag hat mir dieser Gedanke mehr Hoffnung gemacht. Und dann hierher zu kommen und nicht nur zu erfahren, dass du einen anderen liebst, sondern auch dass ich, der ewige Single Fox Mulder, eine Tochter habe, war einfach zu viel für mich.“



„Keine Sorge, ich trage dir das nicht im Geringsten nach“, sagte sie leise und schüttelte den Kopf ganz langsam. Sie sah zu ihm hinauf und in sein Gesicht. Unsicher zog sie sich zu ihm hoch, bis ihre Gesichter etwa auf gleicher Höhe waren. Sie strich zärtlich über seine Wange und lächelte schwermütig. Als sie ihre Augen schloss, um ihn zu küssen, hielt er sie auf. Seine warmen Hände fassten ihren Hals sanft und drückten sie leicht von sich.



„Dana, ich will... du... was ist mit deinem Freund?“, fragte er vorsichtig. Irgendwo in seinem Innern beschimpfte er sich als Idioten. Sie hatte ihn küssen wollen, verdammt! Sie würde schon wissen, was sie tat, sagte sein Verstand. Er hätte sie einfach machen lassen sollen.



„Meine Beziehung mit Jake ist am Ende“, sagte sie traurig. „Und das schon seit einer ganzen Weile. Wir streiten ständig. Aber ich wollte das nicht so recht wahrhaben. Ich wollte vermeiden wieder allein zu sein; denn Einsamkeit ist das schlimmste aller Gefühle, Fox.“ Vorsichtig umfuhr sie die Konturen von Mulders Gesicht mit ihren Fingern, sanft genug um ihn wahnsinnig vor Verlangen nach ihr zu machen. Aber er hielt sich zurück und schloss nur die Augen unter ihren Berührungen. Eine erneute Welle der Tränen, löste sich aus ihren Augenwinkeln, um den vorgezeichneten Weg über ihre Wangen einzuschlagen. „Und ich liebe dich so viel mehr, als ich ihn jemals lieben werden kann.“



Seine Blicke überprüften ihre Augen. Das kristallene Blau leuchtete in Sehnsucht und Verzweiflung, wie er es niemals zuvor gesehen hatte. Er wusste, dass sie nicht log. An ihren Blicken hatte er schon immer erkennen können, ob sie ihm die Wahrheit sagte. Und auch diesmal zeigten ihre Augen dieses ehrliche Etwas in ihrer Iris, das ihm das Gefühl gab durch sie hindurch, direkt in ihre Seele sehen zu können. Wortlos nahm er sie in seine Arme und sie drückte ihre Nase an seine Schulter, als sie erneut zu weinen begann.



„Weiß Alex, dass ich... ich meine, dass er nicht ihr Vater ist?“, fragte Mulder vorsichtig und er fühlte, dass sie an seiner Schulter lächelte und dann nickte.


„Sie war schon drei, als wir uns kennengelernt haben“, sagte Scully unter Tränen. „Er war für sie natürlich der Ersatzvater, aber sie weiß, dass er es nicht ist und sie nennt ihn auch nicht so. Für sie ist er nicht Daddy, sondern einfach nur Jake. Sie weiß von dir, sie kennt Bilder von dir. Aber auch sie denkt, dass du tot bist.“ Plötzlich begann sie unter Tränen zu lachen. „Wie soll ich einer Siebenjährigen erklären, dass ihr Dad von den Toten auferstanden ist?“



„Lass dir was Gutes einfallen!“, lachte er leise mit, bei der Vorstellung. Eine Weile schwiegen sie und hielten sich nur fest. Die Sonne begann bereits aufzugehen, als Mulder sich schließlich den Mut nahm zu fragen, was ihm in den letzten Minuten auf der Zunge gelegen war. „Und jetzt? Wie geht es weiter, Dana?“



„Ich liebe dich“, sagte sie nachdenklich gegen seine Schulter, so als würde allein das eine Antwort auf all seine Fragen sein. Als ergebe sich eines automatisch aus dem anderen. Aber er war unsicher.



„Und das bedeutet?“



„Ich habe gedacht, ich könnte niemals wieder deine Nähe spüren und deinen Geruch riechen“, sagte sie leise. „Du bist es, dem ich so viel zu verdanken habe. Ich habe mit dir so viel gesehen und erlebt...“



„Ja, es war ein wenig wie Bonnie und Clyde“, schmunzelte er.



„Ja, das war es“, seufzte sie. „Du bist derjenige, der mir beigebracht hat nicht aufzugeben. Egal was es auch koste. Dass man für seine Ziele kämpfen muss und es egal ist, was andere Leute davon halten. Du hast mir gezeigt, dass die Sterne am Himmel nicht nur da sind, damit wir was zum Anschauen haben.“



„Sterne, die ich dir gern vom Himmel geholt hätte“, sagte er leise und Scully hörte die emotionale Vorsicht in seiner Stimme.



„Sterne, die du mir vom Himmel holen darfst“, sagte sie leise gegen seine Schulter. Er sah auf ihr rotgoldenes Haar hinab und schmunzelte zufrieden, als er einen zärtlichen Kuss darauf setzte. Eine ganze Weile lang drückten sie sich einfach nur fest aneinander. Über ihre Schulter hinweg, blickte Mulder auf das Meer, um dessen rauschende Wellen zu betrachten, die sich schäumend über den Sand warfen und dann scheu zurückzogen. Sie saßen einfach da, an die Schulter des jeweils anderen geschmust und schwiegen bedächtig vor sich hin. Sie brauchten keine Worte, um zu verstehen, was der andere dachte. Sie hatten sie noch niemals gebraucht.



Dann schließlich sah sie zu ihm auf, direkt in seine grünbraunen Augen, die die langsam schwindende Dunkelheit aber wie mildes Braun wirken ließ. Ihre Finger erkundeten sein Gesicht zärtlich, wie sie es noch niemals zuvor getan hatte, aber schon immer hatte tun wollen. Ihre Fingerkuppen strichen zärtlich entlang seines Gesichts und dann hinab, an dem weichen Bogen seines Kiefers entlang zu seinem Kinn. Dann schob sie einige Haarsträhnen sanft zurück, bevor ihre Finger seine Stirn hinab und über den Rücken seiner weich geformten Nase glitten. Als sie mit dem Finger bei seinen Lippen Inne hielt, blickte sie forschend zu ihm hinauf. Er schloss die Augen in Genuss ihrer Berührungen, als ihr Finger über seine Unterlippe wanderte.



Sie zuckte erschreckt zusammen, als er ihre Hand festhielt. Er begann die Fingerspitzen sanft zu küssen und vorsichtig zwischen seine Lippen zu nehmen. Scully entfuhr ein kleiner Seufzer der Liebe für ihren früheren Partner. Diese kleinen Liebeleien hatten Jake und sie niemals gehabt. Nicht, weil er nicht zärtlich sein konnte. Nein, das war es nicht. Aber möglicherweise war es an ihr gelegen, dachte sie nun. Mulder brauchte sie nur anzusehen und die Leidenschaft in ihr begann vor Aufregung zu schäumen.



Er küsste sich sanft seinen Weg hinab, über ihre sensible Handfläche und dann über ihr Handgelenk. Dort hielt er Inne und sah zu ihr auf. Erst als sie die Augen öffnete, entdeckte Mulder die übermäßige Liebe in ihren Augen. Sie presste ihre Lippen aufeinander, als ein Seufzer durch ihren Körper vibrierte.



Mulder war ein geduldiger Mann, aber nicht zu geduldig. Er nahm ihr Gesicht in beiden Hände, so wie nur wenige Stunden zuvor in ihrem Büro. Mit seinen Daumen strich er über beide ihrer Wangen, als sie ihn mit großen Augen anblickte.



„Du bist so wunderschön, Dana“, sagte er leise und sie konnte ein liebevolles Schmunzeln nicht unterdrücken.



„Und du hast dich kaum verändert“, lächelte sie und ihre Hand spielte kurz mit seinen braunen Strähnen, deren leichtes Grau bei diesem geringen Licht kaum zu sehen war. „Deine Augen“, begann sie seufzend, führte den Satz aber nicht zu Ende. Sie versank in ihm, als ihr abwechselnd heiße und kalte Schauer über den Rücken liefen. Sie bewegte die Lippen, übermannt von ihrer eigenen Leidenschaft. Sie sprach lautlos die Worte, deren Wahrheit ihre Augen bestätigten. Doch es war so viel schöner, die Bewegung ihrer Lippen zu lesen: Ich liebe dich.



Und er tat das einzige, was er tun konnte, so als sei er ein Sklave ihrer Worte. Er drückte seine Lippen auf ihre, zärtlich und gleichzeitig leidenschaftlich. Es kribbelte in ihrem ganzen Körper und jede einzelne Faser bebte. Ihre Arme wanden sich um seinen Hals, als er vorsichtig ihre Taille fasste.



„Ich liebe dich“, flüsterte er leise, als sich ihre Lippen für nicht einmal eine Sekunde trennten. Und dann war er auch schon zurück, küsste sie mit einer Leidenschaft, dass es ihn selbst überraschte. Seine Fingerkuppen schoben sich zärtlich unter ihr enges T-Shirt und fühlten unter sich nur weiche, warme Haut. Es hatte das Gefühl plötzlich dreimal so viel Blut in seinem Körper zu haben, das sich gleichzeitig Richtung Unterleib und Kopf bewegte.



„Lass mich dich lieben“, sagte er leise, ohne wirklich zu begreifen, was er eigentlich gesagt hatte. Scully war zwar im ersten Moment überrascht, begann dann aber zärtlich sein Kinn und seinen Hals hinab zu küssen.



„Jederzeit“, antwortete sie fast lautlos, doch ihre Stimme vibrierte über seine Haut. Sie war das erotischste, was er jemals gehört hatte.



„Ich meine...“, begann er, weil er sich ganz sicher war, dass sie nicht verstanden hatte, was er meinte.



„Ich weiß was du meinst“, beruhigte sie ihn schmunzelnd und schob ihre Finger in einer eindeutigen Bewegung unter sein T-Shirt. „Liebe mich hier, Mulder“, seufzte sie. „Liebe mich.“



„Du willst... ich meine... hier?“, fragte er verwundert, aber die Worte blieben ihm fast im Halse stecken, als er den Kopf mit geschlossenen Augen und im puren Genuss ihrer Küsse zurücklegte.



„Ja, hier. Im Sand am Meer“, flüsterte sie und zog mit einer schnellen Bewegung sein T-Shirt bis unter seine Achseln, um seine Brust mit den feinen, dunklen Härchen zu küssen. Hektisch riss er sich das Shirt über den Kopf, damit er keinen ihrer sanften Küsse durch den Stoff verpassen könnte. Ihre weichen Haare kitzelten über seine Haut und er wurde fast wahnsinnig.



„Warte“, sagte sie plötzlich und beendete ihre zärtlichen Küsse über seine Brust. Erschreckt sah sie zu ihm auf und er blickte sie erwartungsvoll an.


„Was ist los?“, fragte er und strich zärtlich eine Strähne rotgoldenes Haar aus ihrem Gesicht.



„Mulder, ich habe keine Kondome“, sagte sie. Ihre Pupillen waren in Erregung weit geöffnet, doch ihr Gesicht zeigte Bedauern. Er strich zärtlich über ihr Haar und ihre Wangen.



„Scully, ich hatte seit zehn Jahren keinen Sex mehr“, sagte er leise und küsste ihre Stirn, um sie zu beruhigen. „Ich habe keine Krankheiten. Du weißt, ich würde dich nicht belügen. Vertraust du mir?“



„Das tue ich, Mulder“, sagte sie leise und legte ihre Wange an seine Brust. Er roch männlich, wie die Erde. Seine Haut schmeckte salzig, wie das Meer und heiß wie Feuer. Seine Augen waren voll von tiefster Liebe und Fürsorge. „Aber ich bin wieder fruchtbar, ich kann Kinder haben.“



„Was ist passiert?“, fragte er leise und ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er wusste, wie sehr Scully dieses Bewusstsein brauchte Kinder zeugen zu können. Nachdem sie unfähig dazu war, hatte sie sich weniger als Frau gefühlt, das hatte er spüren können. Sie hatte den Sinn ihres Lebens nicht finden können. Natürlich hatte sie ihm das niemals erzählt. Aber er kannte sie gut genug, um es in ihren Augen ablesen zu können.



„Ich weiß es nicht“, sagte sie leise. „Ich glaube, es lag an dem Implantat. Ich denke, es begann wohl durch Hormone irgendwie zu bewirken, dass sich wieder Eizellen ausbildeten. Wie auch immer, Untersuchungen ergaben, dass ich wieder zeugungsfähig bin. Ich kann nochmal Mutter werden.“ Er konnte die feuchte Stelle seiner Brust spüren, an der ihr Atem kondensierte. Er strich über ihr Haar.



„Willst du denn nochmal Mutter werden?“, fragte er sie leise. „Hast du Freude daran?“



„Es hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben“, sagte sie leise und begann wieder seine Brust zu küssen. Dann zog sie sich hoch zu ihm, küsste ihn leidenschaftlich auf die Lippen. Er spürte, dass sie nicht aufhören wollte. Dass sie dennoch mit ihm schlafen wollte. Und er konnte nicht gerade behaupten, dass er davon abgeneigt war. „Ich will, was auch immer du mir gibst, Fox.“



Er zog ihr das T-Shirt über den Kopf und begann ihren BH zu öffnen. „Wenn das passiert, dann werde ich dich auf der Stelle heiraten und wir suchen uns hier in Florida ein schönes Häuschen mit weißem Gartenzaun.“



„Das meinst du ernst, oder?“, fragte sie leise, als ihr BH aufsprang. Er nickte und küsste ihren Hals.



„Habe ich dir jemals etwas versprochen, das ich nicht gehalten habe?“, sagte er leise und sie schüttelte den Kopf.



Sie zog ihn verlangend zu sich, als sie nach hinten in den noch immer warmen Sand sank. Er beugte sich über sie, schloss die fest in seine Arme. Der Sand in ihrem Haar störte Scully kaum, als seine Hände ihren Körper unter sich vorsichtig ertasteten. Sie schloss die Augen, als er sie mit der Genauigkeit eines Arztes studierte. In seinen Augen entdeckte sie die Bewunderung, wie sie sie sonst in diesen Augen nur kannte, wenn sich ihm ein Stück der Wahrheit enthüllt hatte. Unweigerlich musste sie daran denken, wie lang all das her gewesen ist. Und schließlich lagen sie entblößt beieinander, streichelten sich mit einer ungewöhnlichen Bewunderung für den jeweils anderen.



„Wir sollten uns beeilen“, sagte sie leise. „Wenn die Sonne aufgeht und die ersten Urlauber den Strand unsicher machen, könnte es sonst peinlich werden.“



Mulder kicherte, ließ sich das aber nicht zweimal sagen. Es dauerte nicht lange und seine Lippen lagen auf ihren während sie sich am Strand liebten. Irgendwo in Scullys Hirn kam erst jetzt die Botschaft wirklich an, dass sie und Mulder Sex in aller Öffentlichkeit hatten.



„Gott“, seufzte Scully plötzlich, als sie sich an Mulders starkem Rücken festhielt. Sie bekam das ungeheure Bedürfnis, ihm klar zu machen, dass das für sie keineswegs gewöhnlich war. „Oh Gott, ich hab so etwas noch nie gemacht.“ Sie legte ihre Stirn an seine und gab ihm sanfte Eskimoküsse. Sein Gesicht war rötlich angelaufen und seine Augen gefüllt mit ehrlicher Liebe und größtem Verlangen, das wunderbarste, dass sie je gesehen hatte. Er lachte auf gutturale Art und Weise, die sie zum Schmunzeln brachte.



„Ich hatte noch nie Sex außerhalb des Bettes“, sagte er mit einem Keuchen. Scully küsste ihn leidenschaftlich. Obwohl sie von purem Hedonismus gezehrt wurde, begann sie unkontrolliert zu weinen. Tränen rannen ihre Wange hinab und tropften kühl und salzig auf seine Hand in ihrem Haar.



„Nicht weinen, Baby, oh Gott, nicht weinen“, bat er sie, als er ihre feuchten Tränen spürte und sie von ihrem Gesicht küsste. Seine Lippen erforschten ihr Gesicht und sein heißer Atem auf ihrer mit Schweiß überzogenen Haut machte sie wahnsinnig vor Glück. Sie schloss die Augen und hatte das Gefühl zu schweben. „Mulder“, seufzte sie an sein Ohr.



Und das war das Ende für ihn. Er bäumte sich über ihr ein wenig auf und warf den Kopf zurück, als ihn die süße Erlösung heimsuchte. Mit zusammengekniffenen Augen und etwas, das wie ‚Ich liebe dich‘ klang, sank er erschöpft auf sie hinab, während sie unter ihm zitterte. Das süße Beben ihres Höhepunktes rauschte durch ihren Körper, als sich ihre Hüften zum ihm hinauf wölbten. Sie glaubte die Lichter eines Feuerwerks zu sehen, dass in ihr losbrach.



Erst als sie wieder klar denken, nein, als sie überhaupt wieder denken konnte, wurde ihr bewusst, dass er mit ihr geweint hatte. Seine Wange lag feucht an ihrer Schulter, als sie nach Luft und Worten rang. Doch sie konnte weder sprechen noch atmen und ihr Herz raste in Lichtgeschwindigkeit, drohte schon fast zu zerspringen.



„Liebe dich“, brachte sie irgendwie keuchend hervor, als sie ihn fest an sich zog. Sie wünschte sich ihn niemals wieder loslassen zu müssen und einen Mantel der Unsichtbarkeit um sie zu werfen. Doch sie mussten aufstehen, die Sonne war kurz davor aufzugehen. Sie wusste, dass Touristen herkamen, um sich den Sonnenaufgang anzusehen.



„Du musst von mir runter, Sweetheart“, sagte sie leise und einfühlsam.



„Mhm“, brummelte er schläfrig. Scully schmunzelte amüsiert. Es stimmte also, dass großartiger Sex wie eine Schlaftablette auf Männer wirkte. Mulder schlief nämlich schon mehr, als dass er noch wach war, mit seinem Kopf auf ihrer Brust. Er wurde immer schwerer auf ihr und ihr Kichern wurde gutturaler.



„Mulder“, nörgelte sie sanft und mit einem Lachen in ihrer Stimme.



„Jaja, schon gut“, brummte er und rollte sich behutsam und seufzend von ihr herunter und in den Sand. Müde begann er nach seiner Kleidung zu angeln und sich diese anzuziehen. Auch als er neben einer ebenfalls wieder gekleideten Scully stand, waren seine Augen mehr geschlossen als offen. Sie begann amüsiert zu schmunzeln.



„Och, mein armer Schatz“, stichelte sie ihn ein wenig und schlang die Arme um seinen Hals. Sie begann ihn wieder zärtlich zu küssen. Damit weckte sie wieder ein wenig der Aufregung, die er für sie empfand. Auf jeden Fall schaffte sie es, ihm die Müdigkeit damit größtenteils wieder zu nehmen. „Ich muss in der Praxis noch was erledigen“, flüsterte sie. „Die ist nur zwei Blocks weiter. Was ist? Kommst du mit?“



„Natürlich“, sagte er und küsste sie wieder. Er konnte gar nicht genug von ihr bekommen, als sie ihre Arme wieder um ihn schlang. Es fühlte sich an, als wären ihre Lippen dazu bestimmt auf seinen zu liegen und als hätte sie nur Arme, damit sie sie um seinen Hals schlingen und sich damit an ihm hochziehen konnte. Doch irgendwann, als ihnen die Luft begann knapp zu werden, trennten sich ihre Münder voneinander und ihre Hände sanken nach unten in seine. Er sah sie an wie das achte Weltwunder.



„Was ist los? Du machst so ein komisches Gesicht“, lächelte sie verwundert und er nickte.



„Das ist das Gesicht, das ich mache, wenn ich glücklich bin“, sagte er wie automatisch.



Scullys Finger teilten seine und sanken zwischen sie, als sie begannen Hand in Hand den Strand entlang zu gehen. Sie lehnte ihre Wange an seine Schulter, als fern über den Häusern die Sonne begann aufzugehen. Erst nun wurde sie sich den Terminen einer Mutter wieder bewusst. Sie musste sobald sie aus der Praxis kam wieder nach Hause, um Alex zum Kindergarten zu bringen. Aber die Praxis ließ sie erst einmal eine Weile geschlossen, sie wollte Mulder ein wenig für sich haben. Plötzlich kam ihr Jake wieder in ihre Gedanken. Verdammt, dachte sie nur innerlich. Und so richtig Schluss gemacht hatte sie wohl noch nicht.



Langsam schlenderte sie mit ihm die verwaschene Linie entlang, bis wohin das Meerwasser auf den Sand gelangte. Eine dünne, durch das getrocknete Salz weiße Linie zeichnete sich ab und trennte das Wasser vom weichen Sand. Sie wünschte sich zu flüchten und dann auch wieder nicht. Doch es wurde Zeit, dass sie für ihre Empfindungen gerade stand. Nun erst bemerkte sie, dass Mulder auf sie herunter sah. Sie lächelte liebevoll, als sie seine besorgten Blicke bemerkte und er küsste sie flüchtig.



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