World of X

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One Story, one Life

von kay

Kapitel 1

Prolog



Heute war es genau vier Jahre her.

Und immer noch erinnerte sich Dana Scully nicht gerne an dieses eine Jahr zurück. Zuviel Schmerz war mit der Erinnerung verbunden.

Vor vier Jahren hatte sie ihren Sohn William geboren.

Doch der Moment des Glücks hatte nicht lange angehalten.

Mulder verschwand spurlos, ob aus eigenem Willen oder anderes wurde nie geklärt.

Kaum hatte sie diesen Schock dann einigermaßen überwunden, kam schon der nächste Schicksalsschlag.

Mit nicht einmal zwei Monaten erkrankte ihr Sohn an einer Lungenentzündung. Die Ärzte versuchten alles, sie versuchte alles, doch es half nichts. Drei Tage nach der Einlieferung auf die Intensivstation starb der Kleine.

Er würde nie krank werden, hatte es einmal geheißen!

Für Scully brach eine Welt zusammen.

Die nächsten Monate waren für sie die wohl schlimmste Zeit in ihrem ganzen Leben gewesen.

Sie kam nicht damit klar, dass ihr der stärkste Feind das Einzige genommen hatte, was ihr noch von Mulder geblieben waren. Sie hatte ihr Kind verloren, nichts schien mehr einen Sinn zu machen.

Tagelang war sie völlig apathisch gewesen; hatte niemanden an sich herangelassen.

Wäre damals nicht ihr neuer Partner aus der FBI- Zeit gewesen, Scully glaubte nicht, dass sie diese Zeit überstanden hätte. John Doggett hatte ihr bei so vielem geholfen. Er hatte sie aus ihrer Apathie herausgerissen, hatte ihr geholfen, wieder ins Leben einzusteigen. John hatte ihr gezeigt, dass sie leben sollte, dass sie leben musste. Dass es so viel Schönes gibt.

Er war ihr bester Freund gewesen und immer für sie da.

Zwei Jahre lang waren sie nur gute Freunde gewesen, nicht mehr und nicht weniger.

Doch dann, als sie eines Abends im Wohnzimmer saßen, passierte es:

John gestand ihr seine Liebe.

Scully war nur dagesessen und hatte geweint. Und sie hatte keine Ahnung gehabt wieso.

Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewusst, was sie wirklich fühlte.



Sie hatte acht Jahre lang ihre ganzen Gefühle in Mulder investiert und wusste nicht, ob sie je wieder jemanden so lieben konnte wie ihn. Ihr war klar, dass sie Mulder immer lieben würde, auf eine ganz spezielle Art. Selbst dann noch, wenn sie wieder mit jemandem zusammen war.

Aber dann wurde ihr klar, dass sie Mulder loslassen musste; dass, obwohl es schwer war dies zu akzeptieren, die Chance, dass Mulder noch am Leben war, ziemlich gering war.



Scully hatte in Johns Armen geweint, und er hatte sie gehalten, sie getröstet. Und er plagte sich mit Vorwürfen, dass diese Liebeserklärung noch viel zu früh gewesen war.

Aber dann schauten sie sich in die Augen, und ohne sich noch über irgend etwas Gedanken zu machen, versanken sie in einem langen Kuss.

Und in diesem Moment, während dieses Kusses, verliebte sich Scully in Doggett.

Sie hatte sich somit entschieden: Für John, jedoch nicht gegen Mulder.

Dieser hatte immer einen Platz in ihrem Herzen, ein Platz, der gerade so groß war, dass er ihre Liebe zu John nicht gefährdete.



Ein Jahr nach dem besagten Abend hatten Scully und Doggett dann geheiratet. Eine schöne Hochzeit, im kleinen Rahmen.

Und als John ihr dann vorgeschlagen hatte, ein Kind zu adoptieren und sich ein kleines Häuschen am Stadtrand zu kaufen, war Scully überglücklich gewesen. Sie adoptierten ein fünf Monate altes Mädchen, dessen Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren und das keine Verwandten mehr hatte.



So hatte sich Scullys Leben im Grossen und Ganzen wieder eingerenkt, doch spätabends, wenn alle schon schliefen, erinnerte sich Scully an Mulder.





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Donnerstag, den 14. Apri 2006,

vier Jahre nach Mulders Verschwinden

Haus von Scully und Doggett,

Washington D.C.





Dana Scully befand sich gerade in der Küche und fütterte ihre Tochter Sarah, als sie hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde und John eintrat.

Sie putzte sich die Hände an einem Küchentuch und trat in den Hauseingang, um ihn zu begrüßen.

„Hi Schatz!“

„Hallo!“ Er gab ihr einen Kuss.

„Wie war’s bei der Arbeit?“



John arbeitete noch immer beim FBI, obwohl Scully nicht gerade begeistert davon war. Doch sie wusste, dass er seinen Job liebte und nicht davon abzubringen war, zu kündigen. Sie selbst hatte direkt nach der Geburt ihres Sohnes gekündigt und arbeitete seitdem in einem größeren Krankenhaus. Nur Hausfrau und Mutter ging halt doch nicht für Dana Scully.



„Es geht so. Erzähl ich dir später“, blockte er ab und sah sich suchend um, „wo ist die Kleine?“

Scully grinste.

„In der Küche. Sie versucht gerade, ihren Haferbrei zu essen, wobei ich nachher wahrscheinlich eine Großaktion in Sachen Putzen durchführen werden muss. Übrigens, wir müssen noch ein Geschenk kaufen.“

Während sie in die Küche gingen, überlegte John.

„Ach ja, die Kleine wird ja bald zwei!“

Scully nickte und meinte: „Ja, in einer Woche.“

Sie seufzte.

„Mein Gott John, es ist schon so lange her.“

Er drückte sie an sich und strich ihr übers Haar.

„Die Zeit heilt alle Wunden“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Scully schwieg.

Sie setzten sich an den Küchentisch, und sie wechselte das Thema.

„Also, schieß los, was gibt’s Neues beim FBI?“

John schluckte. Am liebsten würde er es ihr gar nicht erzählen, doch er wusste, dass er da durch musste.

„Nun, also.. es, es wurde wieder eine Leiche gefunden. Im Waldgebiet östlich von Nevada.“

Scully zuckte zusammen.



Wie sie diesen Satz hasste! Sie hatte ihn in den letzten fünf Jahren vier mal gehört, und jedes Mal wurde alles wieder aufgewühlt.

Man hatte also wieder einmal eine männliche Leiche entdeckt, und obwohl der „Fall“ Mulder schon seit über drei Jahren auf Eis lag, hatte sich John doch die Erlaubnis erkämpft, männliche Leichen auf ihre Identität zu überprüfen und ihre DNS mit Mulders zu vergleichen. Bisher hatte sie immer Glück, dass es sich nicht um Mulder gehandelt hatte, und sie hoffte, dass es auch diesmal so war.


Leicht zitternd zog sie sich einen Stuhl heran und setzte sich.

„Und?“

John schüttelte den Kopf.

„Obwohl Körperstatur und Größe übereinstimmen; laut den DNS-Tests war er es nicht.“

Scully atmete hörbar durch, und John zog sie an sich und drückte sie.



Er hasste es, sie so durcheinander zu bringen. Aber er hatte keine andere Wahl. Scully hatte ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie über alles, und wenn es auch nur eine Verwechslung sei, informiert werden wolle. Denn nichts hasste sie mehr als Geheimnisse.



Plötzlich meinte Scully:

„Weißt du, das ist alles so verwirrend. Natürlich.. natürlich hoffe ich, dass er noch am Leben ist! Aber wäre es.. vielleicht wäre es besser, wenn ich endlich Gewissheit hätte!“



Sie hatte es ausgesprochen. Aber wollte sie das auch wirklich?

Will ich wirklich Gewissheit haben? ,fragte sie sich. Ja, das wollte sie. Aber sie wusste, dass dies nicht einfach sein würde. Sie hatte fünf Jahre lang überlegt, ob es aus dieser Situation einen Weg ohne Leiden geben konnte. Und das wusste sie jetzt ganz sicher. In dieser Situation gab es keinen vollkommenen Weg.

Doch wie konnte sie diese Überlegungen John beibringen?

Sie liebte ihn doch!



Aber John reagierte nicht überrascht.

„Ich kann dich verstehen..“, meinte er nachdenklich, „aber wir müssen es akzeptieren, so wie es ist.“

„Wahrscheinlich schon.“

Eine Weile schwiegen beide. Irgendwie schien die Situation so beklemmend.

Dann richtete sich John ein wenig auf.

„Dana, ich muss dich etwas fragen. Bitte sei ehrlich, okay?“

„Was?“

John schluckte.

„Was wäre, wenn Mulder plötzlich auftauchen würde. Was würdest du dann tun?“

Scully schaute ihn verwundert an. Was sollte das?

„Ich.. ich weiß es nicht.“

„Stell dir vor, alles wäre wieder so wie früher. Die X-Akten mit Mulder, dein Leben..“

Scullys Augen weiteten sich. Sie merkte, dass sie den Tränen nahe war.

„John, was tust du da?“

John redete weiter:

„..Du könnest dort weitermachen. Würdest du das wollen?“

„So kannst du nicht fragen, das ist nicht fair.“

Mit einem Male wurde John bewusst, was er da tat, und er fühlte sich schuldig. Seufzend nahm er Scully in die Arme und küsste sie auf die Stirn.

„Ja, du hast Recht. Das ist nicht fair. Es tut mir Leid, Dana. Ich hab mich da in etwas hineingesteigert.“

Scully schmiegte sich an ihn.

„John, ich weiß, dass es auch für dich nicht leicht war, damals. Aber komm schon, wir haben jetzt vier Jahre überstanden. Das alles ist schon so lange her.“

Er nickte und flüsterte ihr ins Ohr:
„Ich liebe dich.“

Scully zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn.

„Ich liebe dich auch.“



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