World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Unvergänglich

von Sukie

Kapitel 3

Who's gonna be my savior

now that I've learned to believe

who's gonna be the answer

to all of my questioning?

Well, I hope I'm not lost

but I think that hope is now distancing

And the words that secure a thought

are now faint whisperings..



Crown - Collective Soul







Dana Scully stand auf den Bruchstücken einer ehemals lebenden Welt

Die einzigen Blumen waren die bizarr gezackten Scherben, die überall verstreut lagen. Die wenigen Bäume waren längst tot und ragten nun starr und leblos in den Himmel. Scully trug noch immer das halb zerschlissene, weiße Hemd, was ihr bis zu den aufgeschürften Knien reichte

Es war rußig und dreckig, aber ihr einziger Schutz, das Einzige, was sie zu besitzen schien. Ihr goldenes Kreuz, die Verbindung zu Gott, Melissa und ihrer Mutter hatte sie verloren. Immer wieder tasteten ihre Hände instinktiv danach, berührten jedoch nichts weiter als nackte, blasse Haut.

Sie kämpfte hart gegen die Tränen an, die in ihren Augen brannten und ihren Blick verschleierten. Es war nicht nötig Alitta mit all dem zu belasten, sie hatte genügend Probleme, außerdem war sie stark. Sie würde das ganze überstehen können, wie sie immer alles überstanden hatte



Zwar hatte Scully recht, was Alittas Probleme betraf, jedoch unterschätzte sie deren wache Augen, die sie eindringlich musterten und wie ein Spotlicht ihre Gefühle aufdeckten. Mütterlich und freundschaftlich legte sie einen Arm um die Schulter der jüngeren Frau und flüsterte dann leise:



„Es tut mir sehr leid um Ihren Verlust, aber ich weiß genau, was sie durchmachen. Sie brauchen das nicht zu verstecken, es ist doch ganz natürlich:“



Als Scully sie fragend anschaute fuhr sie fort:



„ Wir hatten einen Sohn....Jesse und ich. Sein Name war Daryan. Er war ein großartiger Junge. Ich hatte ihm das nie gesagt. Aber er war das Beste, was wir uns je hätten wünschen können. Als er starb schliefen wir. Verstehen Sie das? Diese Männer, mit ihren Feuerstäben sind in unser....Haus...eingedrungen....und als ich aufwachte, hörte ich....“ Alittas Stimme brach und wurde dünn und leise „ ich hörte seine Schreie. Es war zu spät. Jesse zog mich aus dem Haus, ansonsten wäre ich mit ihm gestorben. Und das hätte ich in dem Moment auch gewollt. Sterben. Aber...wir müssen weiter machen. Für die, die diesen Weg nicht gehen können. Ich lebe, für Daryan. Dafür, dass das, was ihm passierte ein bisschen Sinn ergibt. Das ist ein schwacher Trost, ich weiß. Aber jeden Morgen, den ich erlebe, fühle ich ihn bei mir und das treibt mich voran...“



Scully hörte ihr stumm zu und bewunderte diese starke Persönlichkeit, die soviel Leid erlebt hatte und dennoch den Mut hatte, weiterzukämpfen und anderen zu helfen

Etwas zögerlich wisperte sie schließlich

„ Ich habe ihn geliebt. Wir waren nicht...zusammen..., aber ich habe das Gefühl, dass ein Teil von mir mit ihm gegangen ist. Ich fühle mich so leer, so verlassen. Ich hätte ihm noch soviel zu sagen gehabt. Wieviel er mir bedeutet hat, wie sehr ich ihn respektiert habe und wie wertvoll seine Freundschaft gewesen ist. Jetzt bin ich stumm. Es ist vorbei und er weiß es nicht...“ ein Schluchzen durchrüttelte ihren Körper, und sie spürte Alittas Arm, der sie fester drückte



„ Er weiß es. So etwas braucht keine Worte. Verstehen Sie, er wird es immer gewusst haben...“ mehr Trost konnte sie ihr nicht geben. Schuld war ein Gefühl, was man selbst überwinden musste.



„ Ich vermisse ihn so sehr..“ Mit diesen Worten begann sie ungehemmt zu weinen und in die Knie zu sinken. Alitta mit ihr. Scully vergrub ihr Gesicht in Alittas Schulter und weinte ihren Kummer und Angst aus sich heraus, versuchte sich davon zu befreien



Alitta setzte sich neben Scully auf den Erdboden und strich ihr beruhigend über den Rücken. Dann blickte sie sie aus einer neuen Perspektive an.

Irgendetwas mit ihr stimmte nicht, dachte Alitta, irgendetwas umgibt sie, was mir fremd ist... Langsam beruhigte sich Scully und aus dem Weinen wurde nur noch ein leises Schniefen, was schließlich auch versiegte. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht und starrte auf die kahle Erde, als Alitta sie fragte:



„ Dies hier ist wirklich neu für Sie, oder?“

„ Was meinen Sie?“



Alitta lächelte

„ Ich kann das sehen. Sie wirken auf mich, als hätten Sie ihre ersten Schritte auf diese Welt gesetzt. Woher kommen Sie?“



Scully hob den Blick nicht, ihre Augen hatten sich auf einen unsichtbaren Punkt fixiert, als sie begann zu erzählen:

„ Ich weiß nicht, was geschehen ist. Ich war zusammen mit meinem Partner auf der Jagd nach einem Serienmörder. Ich arbeite fürs FBI..., ich hätte trainiert genug sein müssen....aber dieser Wichser hat ihn niedergeschossen...“ Ihr Flüstern wurde so leise, dass man es kaum mehr verstehen konnte. „ Ich habe zugesehen, wie er starb...in meinen Armen. Wissen Sie, ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Tropfen Blut hätte stoppen können. Aber ich war in Panik. Ich hätte ihn vielleicht retten können...“ Scully schluckte und blickte Alitta schließlich aus verweinten Augen an. „ Dann ging alles so schnell. Mulders Beerdigung... ich habe ihn gesehen....“

„ Wen? Mulder?“

„ Ja. Ich sah ihn abseits stehen und er wirkte so lebendig.“ Sie schluckte. „ Kennen Sie so etwas wie ein Deja Vu?“



Alitta nickte



„ Ich hatte immer wieder ähnliche Träume. Von Mulder. Und nach einem dieser Träume bin ich hier aufgewacht. In einer Welt, die ich nicht kenne und nicht verstehe. Warum nur?“

Alitta blieb stumm, denn das konnte sie nicht beantworten, sie hatte zwar ein Vermutung, aber die war so utopisch, wie verrückt. Sie sah zu, wie Scully mit ihrem Zeigefinger unsinnige Muster in den staubigen Sand malte und begann zu warten





* * * * * *



Fox trug Hope weiterhin mit sich, als er Jesses großer, aber magerer Gestalt folgte

Ihre dünnen Arme schlangen sich um seinen Hals, als sie ihr Gesicht in seiner Schulter vergrub

Dann begann sie zu weinen

Manchmal liefen die Tränen einfach so über ihr Gesicht. Ihre kleinen Hände wischten sie meist weg und sie versuchte nicht zu zeigen, wie traurig sie war. Manchmal aber fiel dieser Schutzwall von ihr und die Tränen kullerten ungehindert aus ihren blauen Augen. Sie vermisste ihre Mutter

Keine weichen Hände drückten sie an einen ebenso weichen Körper, keine warme Stimme versicherte ihr, dass sie sicher war. Ihr Vater mochte ihr noch soviel an Liebe geben, aber er schaffte es nicht, die Erinnerung an ihre Mama zu durchdringen und den Schleier der Trauer von ihren Gedanken zu wickeln



Hopes Tränen liefen seinen Nacken hinab, als er versuchte sie mit einem leisen Zuflüstern zu beruhigen. Ihr kleiner Körper bebte förmlich. Er schob das rote Haar zur Seite und drückte ihr einen Kuss auf die warme Wange. Sie waren inzwischen aus ihrem ‘heimatlichen’ Stadtgebiet heraus. Das Stadium der Zerstörung war hier noch weitaus schlimmer. Die Straßen waren übersäht von Schutt und Asche. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die verkohlten Leichen zu bedecken oder von der Straße zu ziehen. Manche lagen auf dem Rücken, so dass die harten, toten Augen noch immer voller Grauen ins Leere starrten

Fox legte seine Hand über die Augen seiner Tochter, um sie vor diesem Anblick zu bewahren.

An diesem Ort war ihre Mutter gestorben

Hier hatte er Dana verloren. Und Hope gefunden



Er schluckte schwer und rang nach Atem. Jesse drehte sich besorgt um und legte seine Hand auf Fox’ Schulter

„ Was ist los?“



Fox biss sich auf die Lippen und schüttelte stumm den Kopf. Jesse verstand es und gab sich erneut den gesponnenem Gedankenfaden hin, den er schon den ganzen Weg lang aufgerollt hatte

Dieses Mädchen erinnerte ihn an jemanden. Das Gesicht. Die Haarfarbe... Er grübelte, während seine Beine ihn heimwärts trugen



Sie erreichten gerade die Stadtmitte, als es ihm wieder einfiel

Diese Frau, die er gefunden hatte... Dasselbe rote Haar, die gleiche Hautstruktur, die zierliche Gestalt

Mit einem Mal drehte er sich um und starrte Fox an



„ Kennen Sie einen *Mulder* ?“



Fox zuckte zusammen und blickte ihn erstaunt an. Dann sagte er mit trockener Stimme

„ Mein Nachname ist Mulder....“



Die Puzzlestückchen ergänzten sich zu einem ganzen Bild

„ Ich hatte vor zwei Tagen in der Stadt eine Frau gefunden. Klein, rothaarig, blaue Augen. Sie sieht ihrer Tochter verblüffend ähnlich....und sie hat die ganze Zeit etwas von *Mulder* gemurmelt.“



Als sein Herz plötzlich anfing zu rasen, versuchte er es zu stoppen. Die Vernunft hielt Fox davon ab, Hoffnung zu empfinden

„ Wieso tun Sie das?“

„ Was denn?“

„ Uns Hoffnung machen... Dana ist tot...“ Hope zuckte unweigerlich zusammen und begann von neuem zu weinen. Mit der Hilflosigkeit stieg auch die Wut in ihm auf. „ Ich habe sie gefunden. Ich weiß es genau!“

„ Ich will Ihnen damit gar nichts sagen...es kam mir bloß so in die Gedanken. Es wäre ein riesiger Zufall gewesen...“ Jesse presste beide Lippen aufeinander und schweigend liefen sie weiter in das zerstörte Stadtzentrum . Er drehte sich an einer Stelle um, die einem riesigen Holzhaufen glich

„ Das war mal die Kirche...., nicht mal hiervor haben sie Halt gemacht.“



Ein Kreuz aus massiven Stahl lagen zerbeult auf dem Boden, zwischen Holzbalken und bunten Scherben

Jesse kniete daneben nieder, faltete seine Hände und presste sein Kinn auf seine Brust



„ Wofür beten Sie?“



„ Für meinen Sohn, Daryan. Für die Menschen...“ Nach ein paar schweigsamen Minuten stand er auf und blickte Fox aus tiefen, klaren Augen an. „ Manchmal denke ich, dass Gott nur ruht, dass er bald aufschrecken wird, um all dem hier ein Ende zu bereiten....“

„ Ich glaube nicht an Gott....“

„ Das sollten Sie aber.“

„ Wozu?“

„ Zum Hoffen!“



Mulder blickte zu seiner Tochter, die neugierig über die Steinbrocken kletterte und sich interessiert die umgekippte Marienstatue ansah. Die goldene Farbe war an diversen Stellen abgebröckelt und ließ ihre Gestalt inkomplett wirken



* * * * * * *



„ Gibt es hier in der Gegend eine Kirche?“



Scullys Stimme zerriss die trübselige Stille, als ihre Finger erneut nach dem verlorenen Kreuz griffen. Ihr war, als fehlte ein Stück von ihr. Ihre Mutter hatte ihr das Kreuz zum 15ten Geburtstag geschenkt. Seitdem hatte sie es Tag für Tag getragen. Nur einmal hatte sie es von sich gegeben



Für Emily



Ihr war, als wären alle Verbindungen zur Vergangenheit unterbrochen



„ Ja, es gibt hier einige Kirchen, aber es ist nicht mehr viel davon übrig....wieso?!“



Scully richtete sich auf und klopfte den Dreck von ihren Knien

„ Es gibt da einige Dinge, die ich gerne .... beenden ... würde...!“



Alitta nickte und sagte schließlich

„ Jesse und ich sind manchmal nach dem Tod unseres Sohnes in eine kleine Kirche gegangen. Die ist gleich ganz in der Nähe. Wenn Sie wollen, können wir dorthin gehen.“



Das erste Mal, seit sie an diesem Ort aufgewacht war, fühlte Scully eine innere Ruhe.

Ihre Seele war so überfüllt von Schuld und Verlorenheit, dass sie sich nur noch zurückziehen wollte

In der Kirche hatte sie immer ein Gefühl von Vertrautheit und auch Sicherheit gespürt

„ Dann lassen Sie uns bitte dahin gehen...“ flüsterte sie kaum hörbar



* * * * * * *



Mulder konnte Gott nicht finden

Nicht in seinen Gedanken, nicht an diesem Ort

Es konnte einfach keinen Gott geben. Nicht in dieser Welt



Er blickte hoch zu den grauen Wolken, die sich im Himmel auftürmten und dachte nach

Ein Leben ohne Gott schien ihm greifbarer.



Hope hatte ihr Interesse an der zerbrochenen Marienstatue verloren

Ein nutzloses Stück Plastik. Sie ließ davon ab und ging zu ihrem Vater zurück

Der nahm ihre kleine Hand und starrte dann ungeduldig auf Jesse

„ Lassen Sie uns weitergehen!“ drängte er. Er hatte an diesem Ort nichts verloren. Hier gab es nichts, was ihn aufhielt



Das war, bevor sich zwei Gestalten näherten

Jesse streckte sich, um zu erkennen, wer es war. Dann sprang er überrascht auf!

„ Alitta!“



Seine Frau blickte ihn ungläubig an, während Scully erstarrte

Ihr Blick glitt von Jesse zu einer zweiten Figur

Ihr Mund öffnete sich zu einem fassungslosen Laut, der aber nie über ihre trockenen Lippen gelangte



„ MOMMY!!!!?!“

Hope löste sich von dem festen Griff ihres Vaters und rannte auf sie zu

Sie drückte ihren Körper gegen Scullys, die wie versteinert dastand, den Blick noch immer fest mit dem ihres Gegenübers verankert.

„ M...M...“ Sie brachte es nicht zustande seinen Namen auszusprechen



Sein Gesichtsausdruck war ebenso entgeistert, völlig überwältigt. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte dann ungläubig. Wieder ein Traum, einer von vielen, die ihm seine Ruhe raubten und ihn verzweifeln ließen?!

Ein Traum, so real, so fassbar, dass er vor Furcht wegrennen wollte. Stattdessen stand er wie angewurzelt da und starrte auf die Frau, die Dana so ähnlich war, dass er es nicht glauben konnte ... wollte



Ihre blauen Augen starrten ihn fassungslos an und ihr Mund bewegte sich, so als ob sie versuchte, Worte zu formen. Hope presste sich mit geschlossenen Augen gegen ihren Körper und hielt sie fest aus Angst, sie erneut zu verlieren. Alles wozu Scully fähig war, war ihr mechanisch das Haar zu tätscheln

„ Mom, Mom, Mom---“ stieß sie immer wieder gepresst hervor, während ihre Tränen sich ihren Weg durch den dünnen Stoff von Scullys T-Shirt bannten



Fox war der erste, der diese groteske Ruhe durchbrach

„ Dana?“ fragte er schließlich so leise, dass es in der Stille kaum hörbar war



Er näherte sich ihr und streckte langsam und vorsichtig seine Hand aus. Seine Finger berührten seicht ihre Wange

Sie war real. Real. Kein Traum



Scully spürte, wie die Hand des Mannes, der ihrem Partner so ähnlich sah, federleicht über ihr Gesicht fuhr und dann wieder von ihr abließ. Fast augenblicklich vermisste sie die Wärme, die seine Fingerspitzen verursachten

„ Was ist hier los?“ fragte sie voller Unglauben



Ihr Blick fiel auf das Mädchen, was noch immer an ihr hing und sie fest umarmte. Dann sah die Kleine auf. Scully schluckte hart. Das Mädchen sah ihr ähnlich. Schrecklich ähnlich

Erst jetzt fiel ihr auf, wie durchdringend es war, aus solch blauen Augen angestarrt zu werden



Fox stand noch immer nah bei ihr und sie fühlte eine Einsamkeit um ihn herum, ähnlich ihrer eigenen

Mulder war tot

Er konnte nicht vor ihr stehen

Sie hatte ihn sterben sehen, seinen toten Körper in ihren Armen gehalten. Sie hatte Gott verflucht. Nun stand er hier vor ihr, mager und ausgelaugt, aber mit glänzenden, hoffnungsvollen Augen



Ohne ihr Erstaunen in Worte fassen zu können, verließen ihre Finger Hopes rotes Haar und berührten Fox’ Hand, die noch immer nach ihr ausgestreckt war

Sie war warm und lebendig, nicht kalt und tot, wie sie ihn das letzte Mal gespürt hatte



Seine Finger verflochten sich mit ihren und hielten sie so fest, dass sie glaubte mit ihm zu verschmelzen. Tränen der Überraschung stiegen in ihr auf und lösten sich aus ihren Wimpern. Mulder lebte. Er stand vor ihr. Atmend



Die Stille beider wurde von Alittas sanften Worten unterbrochen

„Dana? Alles ok?“



Scully nickte stumm ohne ihren Blick von Mulder zu lösen

Dann brachen die Tränen gesammelt hervor und liefen ihre Wangen herab, als sie stammelte:

„Wie... ist....das möglich???“



Er schüttelte ebenso wortlos den Kopf und spürte, wie auch ihm die Tränen in den Augen stachen



In all der Aufregung war Hope die einzige, die nicht verstand, was es hieß eine zweite Chance zu bekommen. Sie stand da, ihr Gesicht gegen den Bauch ihrer ‘Mutter’ gedrückt und wiederholte immer wieder das eine Wort:

„ Mom! Mom! Mom! Mom!“



* * * * * * *



Alitta und Jesse hatten Scully und Fox schließlich dazu bewegen können, ihnen nach Hause zu folgen. Dieser Weg war beschwerlich gewesen

Niemand hatte gesprochen



Nun saßen beide auf dem zerschlissenen Sofa, Fox sah kurz, wie Hope mit Alitta mitging, um frisches Wasser zu holen, und starrte dann Scully an

Diese fühlte, wie sich die ganze Welt um sie herum drehte

Das Leben konnte sich in einem Moment so drastisch ändern, dass es der Mensch nicht mehr nachvollziehen zu vermochte. Gefangen in der Angst aus diesem Traum wieder erwachen zu müssen, wollte sie sich ihm nicht stellen. Scully wusste, dass sie schon bald von Skinner geweckt werden würde, der dann voller Mitleid die Welt noch grauer erscheinen ließ, als sie schon war



Seine Hand war weich, als er sanft eine Haarsträhne von ihrer Wange strich

Sie schreckte auf und blickte ihm dann stumm in die Augen. Schließlich sprach sie:



„ Ich hatte oft solche Träume. Du warst noch am Leben. Ich habe dich gesehen. Ich habe dich gefühlt. Ich bin dir sogar gefolgt und jedes Mal war das Erwachen schlimmer als vorher. Mulder - ich will nicht erwachen, verstehst du das? Ich will nicht wieder und wieder feststellen müssen, das alle meine Träume wie Sand durch meine Finger sickern und ich sie nicht halten kann.“ Sie schluckte schwer „ Ich versuche sie verzweifelt zu halten, aber sie fließen Stück für Stück durch meine Hände, während ich zusehe, wie du mehr und mehr eine Erinnerung wirst. Erinnerungen verblassen so schnell, Mulder -“ Sie verstummte kurz, um tief Luft zu holen „ Ich will nicht, dass du verblasst....“



Sie wollte weitersprechen, doch seine Lippen waren plötzlich über ihren und sie zerfloss förmlich in seinen

Fox rückte näher und umfasste Scullys Gesicht mit beiden Händen. Ihr Haar war weich als sich seine Finger mit einigen kupferfarbenen Strähnen verflochten

Ihre Lippen schmeckten salzig nach Tränen, die er mit seiner Zunge wegstrich



Zuerst war Scully geschockt, als seine warmen Lippen ihre berührten, doch dann schloss sie die Augen. Dies war zu real für einen Traum. Zu schön. Zu..

Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, als sie sich einfach seiner Zunge hingab, die unablässig mit ihr spielte, als ob sie alles Verlorene neu erforschen müsste.



Der Salzige verschütteter Tränen vermischte sich schnell mit der Süße eines längst vergessenes Geschmacks. Seine Hände glitten ihren Nacken hinab und zogen sie noch näher an ihn heran

Sie ließ es zu. Es war als wären alle Schmerzen für einen Augenblick vergessen. Gerne war sie bereit, jede Realität zu begraben, um nur für diesen Traum zu leben



Dann lösten sich ihre Lippen

Als sie die Augen öffnete, sah sie seine grünen Pupillen, die das Licht reflektierten und sie intensiv musterten. Die Finger seiner rechten Hand verflochten sich mit ihren, während seine linke Hand ununterbrochen über die weiche Haut ihrer Wange strich

„ Ich hatte auch solche Träume...“ flüsterte er. „Sie kamen sobald ich die Augen schloss. Einmal habe ich von einem Ort geträumt, an dem das Licht so hell war, als ob die Sonne aus allen Ecken scheinen würde. Du warst nicht dort, sondern hast im Dunkeln gekauert, allein und verletzlich. Es tat weh, dich so zu sehen. Das einzige was uns in diesem Traum getrennt hatte, war eine Glasscheibe gewesen. Ich hab hindurchgegriffen und dann bist du mir gefolgt. Seit diesem Traum warst du aus meinen Visionen verschwunden und nun bist du hier. Vor mir. Lebendig. Lebendiger als ich es mir je wünschen konnte ....“



Scully lauschte seinen Worten und schüttelte langsam den Kopf, während sie versuchte ein Schaudern, das unablässig ihre Wirbelsäule entlang kribbelte, zu unterdrücken. Dann wisperte sie:

„ Diesen Traum hatte ich auch. Als ich aus ihm erwachte, war ich hier - an einem Ort, der noch seltsamer als ein Traum ist!“



Dann traf sie die Realisation wie ein Guss kochenden Wassers

Die Träume... Agent Fox Mulder hätte jetzt gelacht und ihr irgendwelche Astralwelttheorien unterbreitet. Scully schluckte

„ Das ist nicht meine Welt.“ Ihre eigene Entschlossenheit entsetzte sie fast. „ In meiner Welt war ich auf deiner Beerdigung und habe zugesehen, wie du erschossen wurdest!“ Sie riss sich von Fox los und wich zurück, so dass der Abstand zwischen beiden so groß wie ein Abgrund wurde



Fox starrte sie an, nickte langsam und flüsterte kaum hörbar:

„ Ich weiß, dass du nicht Dana bist! Dana war tot, als ich sie fand. Ich hab sie nicht retten können.“

„ Ich versteh das nicht. Dieser Traum, den wir beide hatten, muss mehr als nur eine Vorstellung gewesen sein!“

( Ich hab das immer abgestritten, aber hier gibt es nichts wissenschaftlich Beweisbares... )



„ Was wenn dieser Traum eine Art Verbindungstür geöffnet hat?“

Mulder und Scully blickten auf Jesse, der sich vor ihnen aufgebaut hatte

„ Was wenn es eine Parallelwelt gibt - wieso sollte es dann keine Verbindung zwischen beiden Welten geben?“



Alitta trat neben Jesse und blickte ihn nickend an

„ Vor dem Krieg war doch mal das Thema Astralwelten die Topschlagzeile. Die Wissenschaftler hatten sich reihenweise drum gestritten, ob es Parallelwelten gibt und mit welcher Technologie man sie erreichen könnte.“



„ Gelungen ist das aber keinem... Samantha - meine Schwester - hat sich mal eine Zeit lang mit diesen Gerüchten beschäftigt, sie dann aber als Mist abgetan...“



Scully spürte, wie ihr die Atemluft im Halse stecken blieb

„ S... Samantha?“



Fox sah die Blässe in ihrem Gesicht aufsteigen, was so weiß wurde, dass die hellen Sommersprossen förmlich hervorstachen. „ Samantha lebt?“ Als sie Unverständnis in seinen Zügen entdeckte, fügte sie fassungslos hinzu:
„ In meiner Welt warst du...war Mulder...geprägt vom Verschwinden seiner Schwester. Er war 12, sie war 8 gewesen. Er hatte immer geglaubt, dass Außerirdische verantwortlich dafür waren...“



„ Nein, Samantha lebt. Sie ist....war...FBI Agentin...“



* * * * * * * *



Nun begann der Staub aufzuwirbeln und sich wie ein Teppich aus summenden Bienen, über die Landschaft zu verbreiten. Während er langsam, aber stetig wie der Tod über die leblose Erde schlich, verwandelte sich das begleitende Surren in ein monotones Dröhnen, so laut, dass man es schon fast nicht mehr hörte

Ein Tierskelett, was gerade noch in einem vergilbten Büschel Gras gelegen hatte, wurde hochgerissen, zerfetzt und mitgewirbelt.

Eine dürre Frau stand über eine eingefallene Leiche gebeugt und sah die bewegenden Wolken aus Dunkelheit zu spät kommen. Ihr Schrei wurde vom Knirschen ihrer Knochen übertönt, als sich der Sturm wie eine Faust zusammenballte und sie zerdrückte. Wie auch das Tierskelett wurde ihr dünner Körper im Flug zerrissen, während sich das dicke, bronzefarbene Blut im Staub verfing und in kleinen Tropfen, wie Nieselregen, zu Boden kleckerte



* * * * * * * * *



Es war Frohike, der die dunkle Wolkenbrunst auf sich zukommen sah. Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht, als er die Macht sah, mit der Steinbrocken geschleudert wurden und wie ein Jahrhundertregen auf die Erde hinunter schmetterten, um Leben und Tod gleichzeitig unter sich zu begraben



Die drei Gunmen waren Mulder und Hope auf geraumen Abstand gefolgt, um deren Sicherheit zu garantieren

Byers hielt noch immer das Maschinengewehr, was früher nur als Dekoration neben den Computer gehangen hatte, fest zwischen seinen Fingern. Unbewusst spielte er mit dem glänzenden Stahlrohr, was er immer wieder von Hand zu Hand rutschen ließ

Frohikes Schrei riss ihn aus einem Tagtraum und er sprang auf, das Gewehr in Position

Dann sah auch er, was Frohike verschreckt hatte. Wie gelähmt starrte er auf das schwarze Fegefeuer, was Stück für Stück Himmel und Erde fraß

Mit einem festen Griff zog er Langley auf die Beine und schrie



„ Wir müssen Mulder warnen! Jetzt!"



* * * * * * * * * *



Dana Scully stand allein auf der verlassenen Straße, während ihr der Wind das Haar ins Gesicht peitschte

Ihr Blick wanderte zu dem metallic grauen Horizont, der erdrückend über ihr prangte

Sie schloss die Augen und ließ die Luft über ihre Haut gleiten

Der Geruch von Tod und Verwesung drang in jede einzelne ihrer Poren

Sie hatte tagelang versucht Mulders Geruch zu ignorieren. Aber er hatte an ihr gehaftet, sie verfolgt und ihr verboten zu vergessen.

Nachts hatte sie wachgelegen und nachgedacht. Zu viel. Zu lang. Sie hatte angefangen Gott zu hassen

Nun stand sie hier in einer Welt, die Abgründe von ihrer eigenen entfernt war



Sie blickte auf das Haus zurück und sah Fox auf dem Boden hocken, seine Tochter umarmend. Die Kleine hatte eine unbestreitbare Ähnlichkeit mit ihr selbst. Fast war es, als wäre sie wieder ein Kind und würde in den Spiegel sehen.

Irgendwann löste sich Fox’ Gestalt von der seines Kindes und er kam zu ihr geschritten



„ Sie sieht ‚ihr’ ziemlich ähnlich, was?“ flüsterte sie unbeholfen. Als er nickte, sagte sie:

„ Erzähl mir mehr, über dich und....sie.“



Sein Blick glitt über ihr Gesicht, um sich dann auf ihre Lippen zu fixieren. Es waren dieselben Lippen. Genauso voll und geschwungen, sogar der Geschmack war der gleiche

„ Hope ist fünf Jahre alt.“

„ Wieso heißt sie Hope?“

„ Dana gab ihr diesen Namen. Hope Jourdain. Sie wollte nicht akzeptieren, dass alles geschehen musste, als wir uns gerade eine kleine Familie aufgebaut hatten. Hope war der einzige Lichtstrahl zu der Zeit, genau wie die Hoffnung auf ein normales leben..

Hope wurde geboren, als der Krieg begann. Wir konnten den ersten Angriffen entkommen. Es war verdammt hart, wir mussten alles zurücklassen, Danas Familie, meine Familie, sie sind fast alle tot. Samantha lebt, ich weiß nur nicht wo. Hope war gerade mal ein paar Stunden alt, als wir die Stadt fluchtartig verlassen mussten. Wir sind ewig lange gefahren, bis wir auf so ein kleines Nest in den Bergen stießen. Man hat uns zwar nicht mit offenen Armen empfangen - dazu war die Furcht wohl zu groß - aber man hat uns auch nicht fortgeschickt...ich glaube, es hat an Hope gelegen.“



* Das Auto hielt mit quietschenden Bremsen. So abrupt, dass der aufgewirbelte Staub wie Nebel in den Himmel aufstiebte. Byers blickte sich entschuldigend um, als Hope zu schreien anfing. Dann meinte er:

„ Hier sollten wir vorerst bleiben...“ *



„ Byers, sagst du?“

„ Ja!“

„ Groß, rothaarig?“

„ Ja!“

„ In meiner Welt kannte ich auch einen Byers, er war Teil der Herausgeber des Einsamen Schützen, so ein Paranoidenmagazin über Konspirationen und andere Hirngespinste. Seine Freunde hießen Langley und...“

„ Frohike...?“

„ Ja...“



* Fox blickte ihn zustimmend an und sah Dana zu, wie sie das Baby zu beruhigen versuchte. Das Mädchen schien so klein und zerbrechlich. Byers war im Recht, er wollte es auch nicht riskieren weiterzufahren. Seine Hand glitt über den sanften Babyflaum, der noch immer fast schwarz war. Hope hatte aufgehört mit schreien und war nach dem Stillen wieder eingeschlafen. Sie trug einen bunten Strampelanzug, den einzigen, den sie hatten. Blau, mit kleinen weißen Kaninchen. Dana hatte sie zusätzlich noch in eine Decke eingewickelt, um sie warm zu halten.

„ Sie ist so klein, man hat richtig Angst, sie kaputt zu machen....“

„ Kaputt zu machen?“ Dana lächelte und streckte sich, um einen sanften Kussuf seine Wange zu drücken.

„ Ja, so wie Porzellan...!“ erwiderte er unbeholfen.

„ Fox - das ist ein Baby, keine Puppe...“

Frohike drehte sich auf seinem Sitz um, sein Gesicht ernst:

„ Wir sollten nach einer Unterkunft fragen...!“

Fox nickte und antwortete: „ Gut, Byers und ich machen uns auf den Weg, Dana - du bleibst hier, ich will keine Gefahr gehen... Frohike und Langley....ihr zwei passt auf die beiden hier auf. Okay, dann - los gehts!“*



„ Vermisst du sie?“



* „ Fox, ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst, hörst du - wenn die nicht wollen, dann bestehe nicht drauf. Ich hab keine Lust zu sehen, wie die dich abknallen!“ „ Keine Sorge, Schatz, ich bin ganz lieb....“ „Lügner, verruchter, du!“ „ Dafür liebst du mich doch“ „ Genau dafür.......!“ *



„ Es gab Zeitpunkte, in denen ich gezweifelt habe, ob ich ihr folge..., aber dann sehe ich Hope und weiß, dass es da eine Verantwortung gibt, der man sich nicht entziehen kann, auch wenn man vergeht vor Wut und Schmerz!“

„ Was geschah dann?“

„ Byers und ich sind durch das Dorf gegangen und haben schließlich am Sheriffshaus geklopft...“



* Sein Gesicht war rau, in Falten gelegt und abweisend, als er die Tür öffnete. Doch darauf achteten weder Fox noch Byers, der Blick beider war auf das riesige Gewehr geheftet, dessen Mündung zwischen Byers Augen zielte

Automatisch hoben sie die Hände. „ Was wollen Sie hier, es gibt nichts zu rauben!“

Fox zog eine Braue nach oben: „ Glauben Sie, wir würden beim Sheriff anklopfen, wenn wir etwas klauen wollten?“ Dieses Argument schien dem Sheriff logisch und er senkte die Waffe. „ Was wollen Sie?“

„ Wir suchen eine Unterkunft!“ Hinter dem Sheriff tauchte ein weiterer Mann auf, der Deputy, und musterte die beiden. „ Und aus welchem Grund sollten wir Ihnen trauen?“ „ Hören Sie, meine Frau und unser Baby sind in dem Auto...“ Fox deutete auf den Wagen. „ Sie braucht dringend etwas zum Essen und Zeit sich auszuruhen!“

Noch immer lastete der Blick der beiden Männer kritisch auf ihm. Er ließ Byers stehen und ging zum Auto

Er öffnete die Tür und half Dana beim Aussteigen. Sie sah erschöpft aus, das rote Haar klebte an ihrer Stirn und sie wirkte blass. Der Sheriff sah das Baby in ihren Armen und nickte. „ Okay. Kommen sie mit.“ *



„ Er brachte uns zu seinem Haus. Seine Frau, Michelle, hat uns dann auch gleich das Gästezimmer gegeben. Winzig, grad mal Platz für 1-2 Leute. Frohike und die anderen hatten sich dann irgendwo anders im Dorf Unterschlupf gesucht. Aber wir waren nur froh, für die nächste Zeit überhaupt eine Bleibe zu haben.“



Fox schluckte und sein Gesicht verdüsterte sich. Fast automatisch wanderte Scullys Hand zu seiner Schulter



„ Zwei Jahre hatten wir Ruhe. Dann sind die Rebellen über das Dorf hergefallen. Alles und jedes, was sich ihnen in den Weg gestellt hatte, wurde beseitigt...“



* Das Zimmer erhellte sich in einem orangefarbenem Schimmer. Fox blinzelte, als er dadurch aus dem Schlaf gerissen wurde. Er gab einen faulen, schlaftrunkenen Laut von sich und drehte sich vom Fenster weg. Doch er erwachte wieder. Diesmal durch einen Schrei, der die Luft zerfetzte. Er fuhr hoch. Sein Arm, der über Danas Bauch gelegen hatte, war eingeschlafen. Er ignorierte das unangenehme Stechen und rannte zum Fenster

„ Nein...“ wisperte er, als er den Grund des Lichtes sah. Feuer, das sich durch die Häuser fraß. Plötzlich erstarrte er. Es roch auch in diesem Haus rauchig. Feuer. „ Es brennt!“ In einem hastigen Satz war er bei Dana und rüttelte sie munter. „ Nein, nicht... müde... schlafen...“ murmelte sie, doch er schüttelte sie weiter. „ Dana, schnell, wir müssen raus hier - es brennt, Gott verdammt noch mal....FEUER!“ Mit einem Mal war sie hellwach und setzte sich auf. Das Spiegelbild des Feuers hüpfte in ihren vor Schreck geweiteten Augen. „ Hope!“

„ Hab sie!“ Fox hielt das schlafende Mädchen im Arm. Sie kuschelte sich gegen seine Schulter und schlief weiter.*



„ Wir sind die Treppen des Hauses runter gehastet. Das ganze Wohnzimmer stand in Flammen. Ich konnte die Leiche von Mitch... der Sheriff, sein Name war Mitch, auf dem Treppenansatz liegen sehen. Er sah furchtbar entstellt aus. Diese Augen...sie haben mich mit einer solch leeren Intensität angestarrt, dass ich dachte, ich befände mich in Sodom und müsste zur Salzsäule erstarren. Dann fand ich Michelle. Sie hatte in der Küche unter dem Esstisch gehockt und stand unter Schock. Dana hat sie beruhigt und mitgezerrt.“



* „Sie waren hier!“ Ihr Stammeln war monoton, voller Furcht. Dana stützte die mindestens einen halben Kopf größere Frau ab und brachte sie aus dem Haus „ Sie hatten keine Gesichter. Keine Augen. Aber sie haben mich gesehen. Ich bin fortgerannt und habe geschrieen. Dadurch muss Mitch munter geworden...er...“ Sie brach in ungehindertes Weinen aus. „ Wo ist er?“ Dana strich eine dunkle Strähne aus Michelle Gesicht und schluckte hart. „ Er ist tot....“ Die Worte flossen über ihre Lippen und trafen Michelle wie ein Schlag ins Gesicht. Sie taumelte und Dana hatte Mühe sie abzustützen. Schließlich fielen beide Frauen zu Boden. Dana redete immer wieder auf sie ein, aber Michelle lag nur im Straßendreck und weinte. Ihr Gesicht war Ruß verschmiert, ihre blasse Haut hatte einen rötlichen Ton angenommen. Fox kam mit Hope zu ihnen gerannt. „ Was ist mit ihr?“ fragte er eilig, in Hast weiter zu rennen. „ Sie ist zusammengebrochen!“ „ Wir müssen weiter!“ drängte er, als einige brennenden Balken hinter ihm zu Boden krachten und eine Wolke heißer Funken verbreitete. „ Aber wir können sie nicht hier lassen!“ protestierte Dana. Er nickte und drückte ihr Hope in die Arme. Das Mädchen war inzwischen aufgewacht und stand unter Schock. Sie hatte ihre blauen Augen weit aufgerissen und starrte mit blindem Entsetzen auf die dominierende Feuerbrunst. „ Lauf! Renn jetzt los!“ schrie Fox Dana zu. Sie starrte ihn entgeistert an. „ Und du?“ „ Ich komme gleich! Jetzt geh!“ Dann rannte sie los, um die Balken herum. Neben ihr brannte ein Baum, dessen morschen Äste in Flammen zu Boden fielen. Sie gab einen überraschten Laut von sich und sprang durch das brennende Labyrinth. Sie folgte dem lockendem Geruch von Unverbrannten und verschwand in der Dunkelheit

Fox, inzwischen, hockte sich neben Michelle und hob ihren dünnen Körper hoch. Mit einem Satz hievte er sie über die Schulter und folgte seiner Frau in die Nacht. *



„ Irgendwie habe ich es geschafft, Michelle da hindurch zu schleppen. Sie war nicht schwer, aber ich hab mich gefühlt, als hätte ich Blei an den Beinen. Dana hatte mit Hope fliehen können. Ich bin einfach durch die Stadt geirrt. Irgendwann bin ich dann aus der Feuerhölle rausgekommen und traf auf Dana ... !“



* Sie hockte auf dem Boden, Hopes kleinen Körper fest an sich gepresst und wippte vor und zurück. Ihre Haut hatte einen milchig weißen Farbton angenommen, so dass er jede einzelne Sommersprosse sehen konnte

Er legte Michelle vorsichtig zu Boden und rannte zu ihr: „ Alles ok?“ Sie nickte stumm und wippte weiter, was ihn nervös machte. „ Sie hatten keine Augen und Münder....“ stammelte sie. „ keine Augen, keine Münder....aber sie liefen hinter mir her. Ohne Augen und Münder!“ Fox hockte sich vor sie, so dass sein Gesicht auf der Ebene ihres war. Er strich eine rote Strähne aus ihren Augen und wartete geduldig, dass sie weiter erzählte

„ Sie haben nach Hope gegriffen und versucht sie von mir zu reißen...aber ich bin gerannt. Gerannt. Weiter und weiter. Hope hat geschrieen. Aber ich konnte nur noch ans Wegrennen denken. Dann habe ich einen Schrei gehört und mich im Rennen umgedreht. Sie hatten solche Stäbe, Fox, aus Stahl und den Mann, der auch wegrannte, angezündet. Bei lebendigem Leib verbrannt. Er hat höllisch geschrieen. Ich wollte mich wieder umdrehen, aber bin über irgend so eine verdammte Wurzel gestolpert. Hope ist aus meinen Armen gefallen und muss mit dem Kopf auf einem Stein aufgekommen sein. Sie hat geblutet. Nicht viel, aber konstant. Sie ist bewusstlos! Es tut mir so leid.“ Ihre Tränen sammelten sich zu kleinen Bächen und rannten ihre Wangen hinab um auf Hopes Körper zu fallen. „ Es tut mir so leid!“

Der Kopf der Kleinen ruhte an Danas Brust, während der Rest ihres Körpers schlaff in den Armen ihrer Mutter lag. Fox Hand berührte die Stirn seiner Tochter. Sie war warm, aber nicht fiebrig. Erst jetzt spürte er, wie heftig Dana zitterte und legte seinen Arm um sie. Sie stand völlig unter Schock

„ Beruhige dich erst mal, Schatz. Sie wird das schon schaffen. Ich bin als Kind auch mal rückwärts gegen eine Hauswand gestolpert. Und - ich lebe noch!“ „ Wenn ihr etwas passiert, ist es meine Schuld!“ *



„ Dana hatte sich erst wieder beruhigt, als Hope wieder aufwachte. Wie ich schon vermutet hatte, mehr als eine kleine Hirnerschütterung war es nicht gewesen. Aber Dana war immer noch zu tiefst beunruhigt.“



* „ Hey Süße!“ Fox beugte sich zu der Kleinen hinunter und strich durch ihr Haar. Sie starrte ihn aus trüben, aber bewussten Augen an. „ Daddy....ich will nach Hause.“ Er drückte einen sanften Kuss auf ihre Stirn und lächelte sie an. „ Das geht jetzt nicht, Schatz, aber bald!“ sie nickte und schlief wieder ein. Tränen der Erleichterung kullerten aus Danas Augen. „ Du solltest nach Michelle sehen---!“ flüsterte sie. *



„ Michelle wollte sich aufsetzen, aber genau in dem Moment, schoss irgendetwas vom Himmel...“



* Er näherte sich ihr, um ihr hoch zu helfen. Michelles Körper zitterte, als sie sich auf ihre Hand abstützte, aber sie setzte sich dennoch auf. Der Anblick ihrer Augen brannte sich für immer in sein Gehirn. Denn, es war das letzte, was er von ihr gesehen hatte. Die braunen Augen, die sich auf ihn als Halt fixierten und dann binnen weniger Sekunden jeglichen Glanz verloren. Es zischte vom Himmel, wie eine Sternschnuppe, nur, dass es keine Wünsche erfüllte, sondern den Tod vollstreckte. Michelles Körper wurde durch den Einschlag lautlos auseinander gerissen

Ihr Blut spritze wie eine Fontäne über den Erdboden. Mit einem solchen Druck, dass sich die roten Flecken sogar über Danas Kleidung verbreiteten, die mehr als 5 Meter entfernt saß. Michelle hatte nicht mal die Zeit für einen Schrei gefunden. Mit blindem Entsetzen starrte Fox auf ihren abgetrennten Arm, der grotesk, wie ein Ast, in einer Blutpfütze lag. Ein Gefühl der Übelkeit stieg in ihm auf, er drehte sich zu Seite und übergab sich. Die beißenden Wellen der Säure erschütterten ihn mehrmals, bis er endlich tief Luft holen konnte. Luft, gefüllt mit Hautpartikeln und Tod. Der Inhalt seines Magens vermischte sich mit dem Blut und er drehte sich in Ekel weg, und wischte seinen Mund mit dem Ärmel sauber. Er hatte keine Zeit, Mitleid zu empfinden, denn erneut ertönte das laute Zischen und blitzte an ihnen vorbei. Diesmal traf es einen Baum, der nicht mehr als einen Meter von Dana entfernt war. Sie schrie auf und fiel seitwärts, Hope schützend unter sich begraben. Ihr T-Shirt fing Feuer. Panisch schlug sie dagegen, um es zu ersticken. Fox war in einem Satz bei ihr und binnen Sekunden waren die Flammen so tot, wie Michelles Körper

„ Wir müssen weg!“ rief er und zerrte Dana auf die Füße. Ihr Aufschrei war gedämpft, als sie erneut zu Boden ging. Erst jetzt fiel sein Blick auf ihre Füße. Der rechte Knöchel war furchterregend lila und angeschwollen.

„ Wieso hast du nichts gesagt?“ Sie schüttelte den Kopf und biss die Zähne zusammen. „ Ich dachte, es sei nicht so schlimm.“ „ Er sieht gebrochen aus.“ Vorsichtig zog er sie hoch und schwang seinen rechten Arm unter ihre Schultern und schleppte sie mit sich, Hope auf dem anderen Arm. Dana versuchte zu humpeln, aber die Erschöpfung wuchs von Schritt zu Schritt. Fox ließ jedoch nicht locker. Er hatte Angst vor erneuten Detonationen unsichtbarer Bomben und zog sie weiter, Gott verfluchend und seine Frau ermutigend

Die Flammen, die den nächsten Brocken umrankten, wie Efeu, erhellten den Himmel, wie ein andauernder Blitz. Er schlug unweit hinter ihnen ein. Die kleine Schockwelle war stark genug, um ihnen den Boden unter den Füßen zu rauben. Sie gingen alle drei zu Boden. Noch während des Falles fiel Fox’ Blick nach stur geradeaus

Eine kleine Höhle prangte im dunklen Felsgestein. Er erwartete den Aufschlag nicht erst ab, sondern katapultierte sich mit eiserner Strenge nach vorne, so dass sie nah bei dem Eingang landeten. Im Fall hatte er Hopes Hand losgelassen, so dass diese direkt in die Schutzvorrichtung hinein rollte. Dana jedoch, die er noch immer im festen Griff hatte, konnte er nicht weg schubsen. So konnte er auch nicht verhindern, dass sein schwerer Körper direkt auf ihrem landete. Dana stieß ein gedämpftes *Oohmpf* zwischen den Zähnen hervor, als er sie niederdrückte

Es war ein leises Knacksen von Knochen, das für ihn lauter war, als die Explosion selbst. Erschrocken rollte er sich runter von ihr und zog sie in die Höhle, da ein weiteres Geschoss zu Boden sauste. *



Scully hörte ihm fassungslos zu und ihr Grauen wuchs, als er sie tiefer in das Netz dieses unfairen, von Anfang an schon verlorenen Krieges führte



* „ Oh Gott!“ Sein Gesicht war blasser als ihres, als er sie vorsichtig gegen die Felswand lehnte. Dana verzog das Gesicht und biss sich so stark auf die Lippen, dass sich eine kleine Blutlache in ihrem Mundwinkel sammelte und als dünner Striemen über ihr Kinn lief. „ Es tut mir leid!“ stammelte er. Er schob ihr Shirt vorsichtig zur Seite und offenbarte eine Anhäufung roter Flecken. „ Ich glaub, ich weiß jetzt wie sich ein zertretener Käfer fühlt...“ stieß sie zwischen scharfen, brennenden Atemzügen hervor. *



Fox zuckte unweigerlich zusammen, als er sich daran zurück erinnerte. Aber sie hatten Glück im Unglück gehabt. Zwar war Danas Knöchel ein glatter Durchbruch, ihre Rippen jedoch nur verstaucht gewesen



„ Wir blieben die Nacht über in der Höhle. Am nächsten Morgen fand uns Frohike dann. Wir mussten weiterzufahren. Durch den wenigen Funkverkehr hatten wir mitgekriegt, dass die große Kriegswelle vorerst nach Westen, Richtung Nevada, Oregon gewandert war. Also beschlossen wir entgegengesetzt, Richtung DC zurückzufahren. Überall, wo wir lang fuhren... Zerstörung über Zerstörung. Die Leichen waren entweder verkohlt oder lagen wie Skelette auf dem Boden. Wir hatten uns dann für drei Jahre hier in Silver Spring versteckt, in den Reststücken unseres alten Hauses.

Dann kamen die Rebellen zurück. Das war vor ein paar Wochen. Vorher wurden wir von einer seltsamen Seuche heimgesucht, konnten uns davor aber verstecken. Die Rebellen jedoch hatten dann begonnen die Überreste der Stadt systematisch zu verwüsten. Dana, Hope und ich waren nicht darauf vorbereitet und in der Stadt gewesen, als wieder dieser Feuerhagel zu Boden fiel.“ Ein Schluchzen stoppte ihn und er musste zu Boden blicken, um seine Tränen zu unterdrücken. „In der Massenhysterie wurden Dana und ich getrennt, Hope war mit ihr. Irgendwann flaute die Anzahl an Rebellen ab, nur das Feuer blieb zurück. Ich bin fast blind durch die Stadt geirrt, bis ich sie gefunden habe...“



Seine Stimme flatterte jetzt wie die Flügel eines neugeborenen Schmetterlings. Die erstickten Tränen ließen seine Worte quellen, bis er glaubte daran zu ersticken. Scully streckte ihre Hand aus und fuhr ihm sanft über die strubbelige Wange



„ Ich fand Danas Leiche. Sie war gestorben, um Hope zu retten. Die Kleine lag fest in ihren Armen und stand unter Schock. Am Anfang hatte ich es gar nicht richtig realisiert, bis mich dann die Wahrheit erschlagen hat. Sie war tot.“

„ Und Hope?“

„ Ich hab sie aus Danas Armen gerissen und mitgezerrt, denn immer mehr Balken stürzten unter der Feuerlast zusammen. Wäre Hope nicht gewesen, wer weiß, ob ich dann nicht bei Dana geblieben wäre. Aber ich war es der Kleinen schuldig!“



Scully nickte, ihre Handfläche noch immer gegen Fox’ Wange gepresst.

„ Es tut mir leid!“ flüsterte sie gepresst. „ Es tut mir so leid.“



Schweigen



„ Wie habt ihr euch kennen gelernt?“



„ College, sie war Sophmore, ich Senior. Wir haben beide an der University of Maryland studiert, Dana Physik, ich Literatur. Wie war das in eurer Welt?“



Scully schüttelte traurig den Kopf

„ Ich hatte Medizin studiert und bin dann zum FBI als Pathologin gegangen. Man teilte mich den X Akten, die du...die er leitete. Alle hielten ihn für einen Spinner mit dem Spitznamen Spooky. Ich dachte das am Anfang auch, aber irgendwann bin ich dann durch seine Fassade gedrungen und habe mehr entdeckt als Paranoia.“



„ Wart ihr zusammen? Verheiratet oder ein Paar?“



„ Wenn du *Paar* sexuell interpretierst dann nicht. Unsere Beziehung war komplizierter als das. Ich meine, ich... habe ihn geliebt. Aber nie die Möglichkeit und den *Mut* gehabt, es ihm zu sagen. Ich denke umgekehrt wars genauso. Es ist für mich schwer, Gefühle zu entwickeln und noch schwerer sie zu zeigen

Als er starb, war es für mich, als ob die Welt um mich herum verrückt spielen würde. Alles war plötzlich wie eine gigantische Zeitbombe, von der ich den Zünder in der Hand hatte - ohne es zu wissen.“



Fox näherte sich ihr behutsam und legte beide Arme um sie. Dann zog er sie nah an sich heran, so nah, dass sie das Gefühl besaß, nicht mehr zu wissen, wo er begann und sie aufhörte. Sie lehnte sich gegen seine Brust und schloss die Augen. Es tat gut. Er zog sie noch näher und vergrub sein Gesicht in ihrem bronzefarbenen Haar. Seine Hände strichen Kreise über ihren Rücken. Erst jetzt bemerkte er, dass sie nichts als ein dünnes Nachthemd trug und zitterte



Er wollte seinen Mund öffnen, um sie danach zu fragen, als plötzlich Frohikes Stimme die Stille um sie herum zerriss, wie einen Stofffetzen

„ Sie kommen! Wir müssen weg! Sie kommen!“
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