World of X

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Ein Neuanfang (Teil 2)

von XFilerN

Kapitel 6

Gerichtsmedizinisches Institut

Mulder hatte Scully an diesem Morgen zur Arbeit begleitet, da er zur Zeit nichts an dem Fall tun konnte. Sie betraten gerade das Gebäude, als ihnen eine Pathologin entgegenkam. Sie wirkte verärgert und wandte sich direkt, und ohne Mulder eines Blickes zu würdigen, an Scully. „Schämen Sie sich gar nicht? Wie konnten Sie ihm das antun? Bevor Sie kamen gab es hier nie Ärger.“

Die Frau hatte einen biestigen Ton in der Stimme, der passte Mulder ganz und gar nicht. Scully war scheinbar zu perplex, um sich zur Wehr zu setzen, also ergriff er das Wort, um sie ganz selbstverständlich zu verteidigen. „Mal ganz entspannt bleiben, Lady. Worum geht es überhaupt?“

Die Frau wurde nur noch zorniger und funkelte Mulder an. „Jon wurde ihretwegen entlassen!“ Sie zeigte auf Scully.

Mulder nickte neutral, doch Scully war erstaunt über die Neuigkeit, als er fortfuhr: „Kennen Sie auch den Grund?“, fragte er. Er war sich sicher, dass es ein triftiger Grund sein müsse, ganz egal was vorgefallen war.

Die Pathologin verschränkte die Arme defensiv vor ihrer Brust. „Was spielt das noch für eine Rolle? Wir waren ein eingespieltes Team, bis sie kam. Und wahrscheinlich können Sie mir den Grund nennen.“

„Nein“, schwindelte er, denn er ahnte den Grund. „Wissen Sie, das geht Sie und mich nämlich überhaupt nichts an ...“

Scully wandte sich an ihn, um ihn zu unterbrechen, da er nun auch herablassender wurde. „Mulder, komm lass uns gehen. Für solche Diskussionen haben wir keine Zeit und wie schon gesagt“, sie warf der Frau einen giftigen Blick zu, „ist es meine Angelegenheit.“

Mulder nickte zustimmend, dann ließen sie die Frau einfach in der Eingangshalle stehen und setzten ihren Weg fort.

Sie waren nicht weit gekommen, als ihnen Jonathan Grey, mit einem Karton im Arm, begegnete. Seine Laune war noch schlechter, als die der Frau eben. „Du Miststück!“, keifte er Scully an, doch das war sein Fehler.

Mulder schubste Scully etwas zur Seite, holte aus und schlug Grey, mit der geballten Faust, mitten ins Gesicht. „Passen Sie bloß auf, wen Sie hier beleidigen, Freundchen! Sie sind selbst schuld. Sie hätten eine kalte Dusche nehmen sollen, anstatt Ihre Kollegin zu belästigen.“ Nachdem Mulder seine Wut abgelassen hatte, fühlte er sich besser.

Scully warf ihm einen verärgerten Blick zu, da er sich mal wieder als ihr Retter aufspielte und sie fand, dass sie gut allein klargekommen wäre. „Mulder, komm schon“, sagte sie dennoch mit ruhiger Stimme, ergriff seinen Arm und zog ihn mit sich. Sie wollte nur noch an die Arbeit gehen und Mulder helfen Fall zu lösen. Noch mehr Stress konnten sie augenblicklich nicht gebrauchen.

Zwar folgte Mulder ihr bereitwillig, ließ Grey aber nicht aus den Augen und warnte ihn ein letztes Mal. „Kommen Sie ihr nie wieder zu nahe!“

xXx

Einige Stunden waren seitdem vergangen, und Scully war inzwischen mit ihrer zweiten Autopsie fertig, als eine weitere Kollegin zu ihnen kam. „Agent Mulder, Agent Bocks sagte es gäbe eine weitere Leiche. Er hat veranlasst den Körper hierher zu schicken.“

Mulder und Scully schauten erst sich und dann wieder die Frau an, bevor sie beide nickten.

„Ach und Dana“, sie drehte sich in der offenen Tür nochmals um, „ich fand es richtig, wie du mit Jon umgegangen bist.“

„Danke Stacy, da bist du aber wahrscheinlich die einzige“, antwortete Scully ihr mit betrübter Stimme und gesenktem Blick.

*Das Opfer wurde anhand des Ausweises als Sarah Mitchel identifiziert. Sie war 1,68m groß und wog 110 Pfund. Sie war zweiundzwanzig Jahre alt und ledig. Nach der ersten optischen Untersuchung starb sie, wie die übrigen Opfer, an den massiven Verletzungen der Vivisektion. Ihr Körper wurde durch die winterliche Temperatur gut erhalten. Den Todesflecken, der Augen und der Körperstarre nach zu urteilen, starb sie gestern Nacht, gegen zwölf Uhr. Wie auch bei den anderen Opfern, weist auch dieser Leichnam, Anzeichen eines vorangegangenen Kampfes auf. Sie hat Blutergüsse und Quetschungen am gesamten Körper verteilt. Sie starb vermutlich an den Schmerzen der Eröffnung, durch ein chirurgisches Schneidwerkzeug oder durch den immensen Blutverlust. Auch an diesem Opfer konnte eine Vergewaltigung festgestellt werden. Die Leber, die Nieren und die Lungen konnten neben der Leiche gefunden werden. Während der Täter auch hier wieder das Herz einbehalten hat. Die Untersuchung des Gehirngewebes zeigt hohe Werte von Adrenalin auf, was die erste Vermutung eines Kampfes bekräftigt.*

Während Scully ihre Autopsie mit der Vernähung der Leiche beendete, sah Mulder sie fragend an: „Alles scheint identisch zu sein. Die Vorgehensweise des Kerls ist immer dieselbe.“ Sie nickte still und sah ebenso ratlos aus wie Mulder. „Ich bringe die entnommenen Proben ins forensische Labor, vielleicht kommen wir dann weiter.“ Er steckte die Glasröhrchen ein und verließ den Obduktionsraum. Sie hatten Hautgewebe unter den Nägeln des Opfers gefunden und einige Haare, die sie ihrem Mörder wahrscheinlich ausgerissen hatte, bevor sie starb. Mulder wusste, dass er nun endlich ein paar Beweise hatte, denn mit Hilfe eines DNA-Tests könnte er ihn ausfindig machen. Vorausgesetzt natürlich, dass er ein Vorstrafenregister hatte.

Wenig später kam er zurück zu Scully, die gerade damit beschäftigt war, den Leichnam in das Kühlfach zu schieben. Sie verriegelte die Tür, drehte sich um und sah Mulder eindringlich in die Augen. „Was treibt dieses Monster dazu?“

„Ich bin mir nicht sicher, Dana ...“ Er erinnerte sich an das Psychogramm, welches er vor einigen Tagen erstellt hatte.

*Ein Mann, getrieben und besessen von Hass und Wut, tötet seine Opfer auf inhumanste Weise. Was dabei in ihm vorgeht, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Tötet er zum Spaß? Erregt es ihn, wenn er über wehrlose, junge Frauen herfällt. Sie peinigt, demütigt, psychisch und physisch verletzt. Das einbehalten der Herzen, ein Symbol für unerwiderte Liebe, vielleicht? Die Vergewaltigung, als Beweis seiner Männlichkeit. Vermutlich ist er ein durchschnittlicher, unscheinbarer Mann, welcher nicht besonders viel Glück bei den Frauen hat und sich nun für etwaige Zurückweisungen an ihnen rächt. Die Opfer sind immer alleinstehende Frauen, zwischen zweiundzwanzig und siebenundzwanzig Jahre alt. Wo und wie er diese Frauen kennen gelernt hat, ist bislang noch ein Rätsel. Seine Vorgehensweise ist jedoch immer kongruent. Der Autopsien nach zu urteilen, geht er, vor seinen Angriffen, mit ihnen essen. Anschließend lockt er sie in eine abgelegene Gegend, wo er ungestört ist und niemand sie hört. Was auf die Fundorte zurückzuführen ist. Er überwältigt sie, vergewaltigt sie und führt eine Vivisektion an ihnen durch; eine Eröffnung der Opfer, ohne jegliche Anästhesie, um ihnen Lebenswichtige Organe zu entnehmen. Wobei er dann, eigenartiger Weise, nur die Herzen einbehält. Weshalb er die Lungen, die Lebern und die Nieren herausschneidet, gehört ebenfalls noch zu den ungeklärten Fragen. Aufgrund der wenigen Indizien stehen zurzeit noch mehr Fragen offen, als beantwortet werden können. Seine gewaltsame Natur, ist bedingt auf ein frühkindliches Erlebnis zurückzuführen, das möglicherweise zu seiner profilierten Psychose geführt hat.*

Mulder konnte sich auf nichts Anderes konzentrieren, als auf sein Protokoll. Er fragte sich, was er übersehen haben könnte. Und weshalb sein Unterbewusstsein Scully damit in Verbindung brachte. Mulder war nicht fähig sich, die selbst auferlegten Fragen zu beantworten, so sehr er sich auch darum bemühte.

„Mulder ...?“ Ihre fragende ruhige Stimme, riss ihn aus seinem Gedankengang. Er sah sich in dem Zimmer um und entdeckte sie an der Tür. Sie schien auf ihn zu warten, winkte ihn zu sich. „Alles ok? Wo warst du gerade?“


„Ich war hier“, versuchte er sich selbst zu überzeugen. Sie schenkte ihm eines ihrer viel zu seltenen Lächeln und zog dann die Brauen hoch, als sie ihn eingehend musterte. „Das ist nicht wahr. Ich sagte, dass ich fertig bin und wir gehen können, doch du hast mich nicht gehört. Also was beschäftigt dich, Mulder?“

„Ich habe über diesen Killer, über unseren ... meinen“, korrigierte er sich schnell, „Fall nachgedacht.“

Sie winkte mit dem Kopf zur Tür und bat ihn wortlos, ihr zu folgen.

Er tat es und fragte ganz beiläufig: „Hast du Hunger?“

„Ich werde dir was Leckeres kochen und du erklärst mir nebenher, was in deinem Kopf vor sich geht, einverstanden?“ Mulders Schmunzeln, war Antwort genug für Scully, sie grinste zurück.

Sie saßen in dem Wagen und fuhren die verschneite Straße entlang, als Mulders Handy in seiner Manteltasche klingelte. Er nahm es zur Hand und warf Scully einen fragenden Blick zu, den sie ihm erwiderte. Es klingelte weiter, bis Mulder endlich das Gespräch annahm und sich auf dem Beifahrersitz zurücklehnte. „Mulder.“

Es war Agent Standon, der ihm mitteilte, dass sie eine mögliche Zeugin hatten. „Sekunde, Standon.“ Mulder entfernte das Telefon von seinem Ohr und sah zu Scully. „Kannst du mich in der Außenstelle absetzen?“

Sie nickte und wendete den Wagen bei der ersten Gelegenheit. „Standon, ich bin gleich da. Bitte warten Sie mit der Vernehmung.“ Der junge, im Vergleich zu Mulder unerfahrene, Agent willigte ein und beendete das Gespräch.


FBI-Außenstelle
wenig später

Wie in alten Zeiten betraten Mulder und Scully das Großraumbüro und gingen ohne Umschweife auf die beiden Agenten und ihre Zeugin zu. Wie versprochen, hatten sie mit der Befragung gewartet und begrüßten Mulder beinahe gleichzeitig. „Agent Mulder“, stellte er sich der jungen Frau vor.

„Ich habe Ihren Kollegen bereits erzählt, dass ich mit Sarah zusammen gewohnt habe. Ich bin Patrizia Stonepiper.“ Mulder nickte andächtig und wartete auf weitere Ausführungen der Frau, während Scully und die beiden Agenten ebenfalls neugierig warteten. „Sie kam an dem Abend nicht nach Hause, obwohl sie es mir versprochen hatte.“

„Was hatte sie an dem Abend vor?“, fragte Agent Bocks, mit dem selben Wortlaut, der auch Mulder durch den Kopf gegangen war.

„Sie traf sich mit einem Mann, den sie durch das Internet kennen gelernt hatte.“ Ein Hinweis, wie dieser, würde sie in dem Fall entschieden weiterbringen.

Mulder ergriff diesmal das Wort und versuchte seine Euphorie zu unterdrücken, „Wissen Sie, wie er hieß? Denken Sie gründlich nach, das ist überaus wichtig.“

Einen Moment herrschte Stille, die Spannung stieg und dann, als Patrizia den Kopf schüttelte, atmeten die drei Agenten und auch Scully enttäuscht die Luft aus. „Aber ich kenne sein Pseudonym. Nicht auswendig, aber ich habe Zugriff auf Sarahs PC. Sie hatte alle seine Nachrichten gespeichert.“

Ein freudiges Grinsen breitete sich in der Runde aus. Mulder wandte sich unverblümt an Agent Bocks. „Da Sie der Leiter der Ermittlung sind, sollten Sie Miss Stonepiper begleiten. Ich würde gerne Bescheid bekommen, wenn Sie die Information haben.“

„Selbstverständlich, Mulder. Ich werde dann auch gleich eine Warnung durch das Internet posten“, sagte er ruhig, doch auch etwas nervös. Sie alle teilten den Wunsch, dem Kerl das Handwerk zu legen.

Während Bocks und Standon die junge Frau begleiteten, gingen Mulder und Scully wieder ihrer Wege und fuhren zu ihr.

Ein gewaltiger Schneesturm braute sich zusammen. Die Wolken und der graue Himmel verkündeten dies und der Meteorologe im Radio bestätigte es.


Etwas außerhalb St. Pauls
Scullys Haus
wenig später

Scully bremste den Wagen in der Auffahrt, die sie gerade noch rechtzeitig erreicht hatten, als der Sturm richtig loslegte. Gemeinsam flüchteten sie in ihr Haus und verriegelten erleichtert die Tür und sämtliche Fensterläden.

„Lucy! Lucy, bist du da?“, rief Scully in die erste Etage hinauf, bekam jedoch keine Antwort. Sie ging eilig durch das gesamte Haus, Mulder folgte ihr, doch sie fanden jedoch keine Spur von Lucy.

„Vielleicht hat sie woanders Unterschlupf gefunden“, meinte Mulder mit beruhigender Stimme, denn Scully schien sich große Sorgen um ihre Freundin zu machen.

Scully lief die Stufen hinunter und betätigte den Anrufbeantworter. „Sie haben ... zwei neue Nachrichten. Erste Nachricht ...“, teilte die Automatische Stimme mit: „Hey Dana, ich bin es Bill. Melde dich mal. Ich hoffe es geht dir gut?“ Scully registrierte die Stimme ihres Bruders kaum und hörte angestrengt auf die nächste Aufnahme. „Ich bin’s nur, Lucy. Wollte dir Bescheid sagen, dass ich bei einer Kollegin übernachte. Mach dir also keine Sorgen. Bis Morgen, dann.“

Mulder massierte Scullys verkrampfte Schultern. „Na siehst du, alles ok.“

Sie nickte erleichtert. „Gott sei Dank!“ Langsam entspannte sie sich unter seinen zärtlichen Berührungen.

„Steht dein Angebot, mich zu bekochen, noch?“

Sie drehte sich mit einem freundlichen Lächeln zu Mulder um und hörte im selben Augenblick, wie sein Magen knurrte. „Na klar, aber du kannst mir gern helfen.“ Scully griff nach seinem Arm, zog in sanft, aber bestimmt, mit sich in die Küche und machte sich daran zu kochen.

xXx

„Mmh, du bist eine tolle Köchin“, stellte Mulder mit vollem Mund fest, „daran könnte ich mich gewöhnen.“ Er hatte bereits die zweite Portion des Nudelauflaufs auf seinen Teller geladen, während Scully mit der ersten zufrieden war.

„Du wolltest mir alles erzählen“, erinnerte sie ihn an das Gespräch vor einigen Stunden. „Also, was glaubst du, ist die Ursache?“

Mulder stand auf, verließ den Raum und kam gleich darauf mit der Akte zurück. Er gab sie Scully über den Tisch hinweg, da sie fertig gegessen hatte. Sie hatte sich bisher geweigert an dem Fall mitzuarbeiten, da es nicht mehr in ihrem Zuständigkeitsbereich lag, doch ihre natürliche Neugierde veranlasste sie nun doch dazu. Während Mulder weiter aß, überflog sie die gesammelten Berichte, die Fotos und stieß dann auf sein Psychogramm. Sie las es sehr ausführlich durch und kam zu dem Schluss: „Es ist sehr gut.“

Scully sah von der Akte zu ihm, doch sein Blick verriet ihr, dass er nicht so zufrieden damit war. „Es ist lausig, aber besser ging es unter den gegebenen Umständen nicht.“ Er schob sich eine weitere volle Gabel in den Mund, als sich sein Blick mit ihrem traf.

„Mach dich nicht immer schlecht, Mulder. Du kannst doch nichts dafür, dass du nicht mehr Beweise hast.“ Ihrem Ton nach zu urteilen, meinte sie es ernst. Sie war verärgert über Mulders Aussage, da er sich ohnehin ständig an allem die Schuld gab.

„Du verstehst das nicht ...“, begann er.

Sie schnitt ihm jedoch das Wort ab. „Nein. In der Tat, gibt es dabei auch nichts zu verstehen, Mulder. Verdammt, warum gibst du immer dir die Schuld?“, fragte sie ernst. Ihre Stimme wurde noch lauter und Mulder starrte sie ungläubig an, als sie in Rage geriet. „Brauchst du das, um dich zu bemitleiden. Oder willst du, dass ich es tue, hm?“

Nun wurde auch Mulder wütend und erhob sich. „Das muss ich mir nicht anhören, Dana!“ Sie stritten sich wieder wegen nichts. Allmählich war Scully diese Diskussionen leid. Er konnte dermaßen, selbstgerecht und stur sein, dass sie es nicht mehr ertragen konnte. Sie stand auf, stellte ihren Teller in die Spüle und ging in ihr Schlafzimmer. Sie hatte ihn einfach stehen lassen, denn auch Scully konnte hartnäckig und stur sein.

Mulder stand in der Küche und besann sich. Er gestand sich ein, dass sie wieder mal im Recht war. Er rieb sich die Augen und überlegte wie er sich wieder mit ihr versöhnen konnte. „Idiot!”, beschimpfte er sich selbst. Was hatte er nur wieder angerichtet? Wieso stritt er wieder und wieder mit der einzigen Frau, die ihm etwas bedeutete? Seine ganze Welt war zunehmend komplizierter geworden, seit ... seit sie sich kennen gelernt hatten. Er war schon immer auf sich gestellt gewesen, ein Rebell, ein Einzelgänger. Er hatte sich nie etwas aus den abfälligen Bemerkungen seiner Kollegen, ihm gegenüber, gemacht. Es störte ihn nicht, dass er unter dem Namen ‚Spooky’ bekannt war, wie ein bunter Hund. Er hatte schon so lange er sich zurückerinnerte, einen inneren Kampf mit sich selbst geführt, seit sie in sein Leben getreten war. Denn erst seit damals, lag ihm etwas an der Meinung von anderen. An ihrer Meinung. Er wollte sich selbst und ihr ständig beweisen, dass er nicht der Spinner war, für den ihn alle hielten. Und nun ...? Sie respektierte und akzeptierte seine Theorie, doch er war unzufrieden mit sich selbst. Das kam zwar selten vor, aber sein Täterprofil gefiel ihm nicht. Es war ungenau und wies Lücken auf, die er nicht füllen konnte. Noch dazu hatte er auch jetzt noch ein komisches Gefühl bei diesem Fall, aber konnte es Scully nicht erklären. Sie würde ihn für paranoid halten und ihn vermutlich auslachen. Nein, lachen würde sie nicht, allerdings würde sie es, wie so oft schon als Schwachsinn abtun. Er musste sich trotz seines Verhaltens bei ihr entschuldigen und wenigstens versuchen, es ihr zu erklären. Auch wenn er sich selbst nicht mehr verstand. Das war er ihr schuldig, dessen war Mulder sich zumindest sicher. Grenzenloser Zusammenhalt war alles worauf es ankam.

„Dana?“ Seine warme, weiche Stimme drang durch die hölzerne Tür zu ihr. Sie saß mit gekreuzten Beinen und vor der Brust verschränkten Armen auf dem Bett. Er klopfte, sie reagierte nicht. „Dana, komm schon. Das ist albern.“ Seine bittende Stimme drang erneut zu ihr durch. Sie wollte ihm, mit ihrem kindlich, trotzigen Verhalten demonstrieren, wie sie sich jedes Mal fühlte, wenn er so mit ihr umsprang. Es schien zu wirken, denn Mulders bettelnde Stimme vor der Tür klang nach Reue. „Du hattest Recht. Dana, bitte lass mich rein.“

Sie erhob sich schmunzelnd und ging gemütlich zur Tür. Das war ihr bisher noch bei keinem Mann gelungen, ihn dermaßen um den kleinen Finger wickeln zu können. Sie sonnte sich in dem Gefühl der Überlegenheit, atmete tief ein, setzte ein ernstes Gesicht auf und schloss ihm auf. Ihre Blicke trafen sich und blieben aneinanderhängen. Es war, als würden sie mit ihren Blicken darum kämpfen, wer der Stärkere war. Zu ihrer großen Verwunderung, gab Mulder vor ihr nach und senkte seinen Kopf ein wenig.

„Tut mir leid, Dana.“ Diese Worte fielen ihm alles andere als leicht, dessen war sie sich bewusst. Aber er hatte seinen Stolz überwunden und sah ihr wieder ins Gesicht. Jedoch wie Scully feststellte, nicht in die Augen, sondern tiefer. Er schaute auf ihren Mund, darauf wartend, dass sie ihm etwas darauf erwidern würde.

„Lass deine schlechte Laune nicht immer an mir aus. Ich kann nichts dafür, dass sich der Kerl so schwer schnappen lässt“, sagte sie mit ihrem, für sie typischen Unterton, der Mulder deutlich machen sollte, dass sie im Recht war.

Er wusste, dass sie es war und nickte, als er wieder in ihre großen, blauen Augen schaute. „Heißt das, du vergibst mir?“

„Es gibt nichts zu vergeben. So bist du nun mal. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, damit umzugehen. Aber jetzt weißt du hoffentlich, wie es mir immer gegangen ist?“

Die Ruhe in ihrer Stimme entlockte Mulder ein kleines Lächeln, begleitet von einem zögernden Nicken. „Wie hast du das nur ausgehalten. Ich verdiene dich gar nicht.“

Sie sah in seinen Augen, dass dies wirklich seine Meinung war. Er machte sich wieder schlecht. Dana nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände und zog es sanft näher an ihres. „Mulder, du bist der Einzige, der mich verdient.“ Sie murmelte diese Worte so leise, kaum hörbar, bevor sie ihre Lippen auf seine presste. Warme, zarte Lippen trafen sehnsüchtig aufeinander, als er ihren Kuss leidenschaftlicher erwiderte.

Ihre Küsse, geprägt von Sehnsucht und Verlangen nach dem anderen, wurden zunehmend inniger. Sie taumelten, langsam und eng umschlungen in das Schlafzimmer zurück. Ihre Atmungen wurden heftiger, je leidenschaftlicher sie sich küssten. Ihre beiden Herzen schlugen fast schon um die Wette, als Mulder und Scully vorsichtig auf das Bett glitten.

Minuten später erst, löste sich Mulder aus dem Kuss und sah sie fragend an. „Bist du dir sicher, dass du es willst?“ Er strich ihr mit zitternden Fingern durch ihr rotes Haar.

„Ja, aber du scheinst Zweifel zu haben“, erwiderte Scully, ein Hauch Besorgnis lag in ihrer Stimme.

Mulder bewegte sich nicht aus ihrer Umarmung, aber er sah sie etwas ernster an. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er wollte es, mehr als irgendetwas sonst. Aber... Er sah ihr wieder direkt in die Augen. „Dana, ich will dich, glaub mir. Aber ... es ist noch zu früh.“

Sie lächelte ihn an. „Zu früh? Mulder, wir haben so viele Jahre gewartet ...

Er legte seine Hand auf ihrem Mund und sprach für sie weiter, „... Früher hätte ich deine Aufforderung nicht abgelehnt. Aber du bedeutest mir so viel mehr, als irgendeine andere. Ich möchte es langsam angehen ... damit ich dich und die Zeit mit dir genießen kann. Verstehst du das …?“

„Ja, das verstehe ich gut.“ Sie war durch seine liebevollen Worte zu Tränen gerührt und hatte Mühe weiter zu sprechen. „Das hat noch keiner zu mir gesagt, Mulder. Ich danke dir.“

Ein Schmunzeln begleitete seine irritierte Frage. „Danken, wofür?“

Scully unterdrückte die Tränen und flüsterte: „Dafür, dass du ehrlich bist. Dafür, dass du so für mich empfindest.“

Mulder musste diese typischen, berühmten drei Worte nicht aussprechen. Sie waren nicht nötig. Scully wusste durch die Art, wie er sie ansah, durch die Weise, wie er mit ihr sprach und durch sein grenzenloses Vertrauen, welches er in sie setzte, was er empfand.

Sie wusste, dass er sie liebte und es für immer tun würde. Auch wenn es noch so unnötig war, sie wollte es aussprechen. „Ich liebe dich, Mulder.“

Sein Blick hing überwältigt an ihren, blauen Augen. Er streichelte ihre Wange, gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. „Ich liebe dich auch, Dana.“ Seine Stimme zitterte ein wenig. So viele Jahre, so viel Zeit war vergangen und nun endlich hatten sie sich einander ihre Gefühle offenbart. Sie blieben nebeneinander auf dem Bett liegen. Arm in Arm und Kopf an Kopf, lagen sie reglos da, bis der Schlaf ihre beiden erschöpften Körper übermannte.

Als Scully einige Stunden später aufwachte, war Mulder nicht mehr neben ihr. Sie rieb sich ihre verschlafenen Augen, streckte sich kurz und raffte sich auf. Sie kam in den Flur und konnte das rauschende Wasser aus dem Badezimmer hören. – Er duscht – ging es ihr durch den Sinn, als sie sich runter in die Küche begab.



Irgendwo in St. Paul, Downtown
Zur selben Zeit

Er saß auf der Couch in seinem kleinen, schmuddeligen Apartment und starrte in den Fernseher. Die Nachrichten des Tages flimmerten über den Bildschirm. Es war die Rede von heftigen Schneestürmen und ein Blizzard näherte sich dem Staat Minnesota unaufhaltsam. Der Meteorologe warnte die Bevölkerung davor, er wies darauf hin, dass es in ein oder zwei Tagen vorübergehend nicht erlaubt sein würde, die Häuser zu verlassen.

Er wurde zunehmend wütender, denn wie sollte er seinen Gelüsten, seiner Gier nachgeben können, wenn er dazu verdammt war, im Haus zu bleiben. Der Mann stand auf, ging in seine Küche und öffnete seinen Kühlschrank. Seine Augen blitzten schadenfroh, als er die drei Glasbehältnisse betrachtete. Jedes von ihnen war mit einem Etikett versehen. Er nahm eines nach dem anderen heraus, stellte sie auf die Anrichte und las die Aufschrift der Klebeschilder. „Meredith, Melanie und Sarah. Euch habe ich gezeigt, was ein wahrer Mann ist.“ Ein lautes, höhnisches Lachen entkam seiner Brust. Er hatte sich geschworen, für jede Frau, die ihm jemals das Herz gebrochen und ihn abgewiesen hatte, einer anderen zur Strafe das Herz aus dem Leib zu entfernen. Drei hatte er schon und er wollte nicht aufgeben, bevor er nicht auch die übrigen bekommen hätte.

Der Mann stellte die Gläser, mit den Herzen darin, zurück in den Kühlschrank, nahm sich ein Bier und ging zurück vor den Fernseher. Zu seiner Verwunderung hatten die Medien noch nichts von seinen Taten berichtet. Er fragte sich, weshalb sie nicht an die Öffentlichkeit drangen. Hatte denn niemand diese Leichen gefunden? Nein, sie waren bestimmt entdeckt, aber nicht öffentlich gemacht worden. Er steckte sich eine Zigarette an, nahm einen Schluck von seinem Bier und lehnte sich zurück in das Sofa.

Dann hing sein Blick traurig an einer Fotographie, die auf seinem Couchtisch lag. Es war zwar schon leicht verblasst und ramponiert, doch es zeigte eine Frau. Die Einzige, die ihn je geliebt und trotzdem verlassen hatte. Es war das Bild seiner Mutter ...

xXx

Scullys Haus

Mulder kam aus dem Badezimmer und konnte deutlich hören, dass Scully in der Küche rumorte. Er lief eilig die Stufen runter, um zu ihr zu gehen. Sie bemerkte ihn erst, als er seine Arme um ihre Hüfte schlang und ihren Nacken küsste. „Na du, gut geschlafen?“, wisperte er in ihr Haar.

Sie lehnte sich entspannt gegen seine Brust, umschloss seine Arme mit den Händen und nickte zufrieden. „Ja. Und du?“

„Wie ein Baby, tief und fest“, gab er zurück. Der Song, welcher eben noch im Radio lief, wurde für die Wettervorhersage unterbrochen.

Sie lauschten beide aufmerksam den Worten des Sprechers und sahen sich dabei an. „Wir bitten die Bevölkerung von Minnesota darum, den Anweisungen Folge zu leisten. Ab Morgen wird ein Blizzard auf den Staat zukommen. Sie sollten sich mit Vorräten eindecken und ihre Fenster und Türen gut verriegeln.“

Mulder schaltete das Radio aus und warf Scully einen unsicheren Blick zu. „Das heißt dann wohl, dass wir einkaufen und uns darauf vorbereiten sollten.“

Sie stimmte ihm zu und überlegte kurz. Dann schaute sie aus dem Fenster. „Mulder, der Schneesturm hat sich gelegt.“ Er nickte Scully zu, als sie fortfuhr: „Wir sollten schnell Einkaufen fahren. Ich kenne einen Supermarkt, der bis Mitternacht geöffnet hat.“ In aller Eile zogen sie sich ihre Mäntel an und gingen zum Wagen.

xXx

Der Laden war nicht allzu groß, aber seine Regale darin immer vollgestopft bis obenhin. Mulder schob den Einkaufswagen durch die Gänge, während Scully neben ihm herlief und alle möglichen Lebensmittel einlud. Es überraschte sie nicht, dass Mulder sich etwa zehn Tüten Sonnenblumenkerne einpackte, während sie indessen Nudeln, Brot, Eier, Saft und solche Dinge einlud. „Kaffee, Dana. Wir müssen unbedingt Kaffee kaufen.“

„Ich weiß. Zucker und Milch darf bei dir auch nicht fehlen.“ Sie mussten sich beeilen, da sie nur noch zwanzig Minuten hatten, bis der Laden schloss. Sie teilten sich die Einkaufsliste auf und trafen sich dann wieder an der Kasse.

Scully schüttelte ihren Kopf, als sie die unnützen Lebensmittel in seinem Wagen entdeckte. – Er kauft Eiscreme, Marshmellows und haufenweise andere Süßigkeiten, das glaub ich einfach nicht. – Ging es ihr durch den Kopf als sie an den Kassen in der Warteschlange standen.

„Hey, Dana, sieh mal, was ich hier habe.“ Mulder hob ihr voller Stolz eine Jumbopackung Popcorn entgegen. Sie belächelte ihn lediglich. So ernährt sich also ein Junggeselle? Die Frage kam ihr in den Sinn, doch sie sprach Mulder lieber nicht darauf an. Plötzlich klingelte das Handy in seinem Mantel und er ging ran.

„Mulder, wir haben eine Warnung durch das Internet geschickt“, sagte die Stimme.

Mulder erkannte Bocks, als er sich nicht vorstellte und ihm nur das nötigste mitteilte. „Gib es Neuigkeiten vom forensischen Labor, die uns weiterhelfen könnten?“, wollte er von Bocks wissen.

„Ja. Aber leider keine guten. Die Haar- und Hautproben bringen uns nicht weiter. Er hat kein Vorstrafenregister. Wir konnten nichts über ihn in Erfahrung bringen.“

„Verdammt!“, fluchte Mulder. „wir sehen uns dann, sobald das Unwetter vorbei ist. Ich hoffe, der Kerl kann sich solange zusammenreißen, bis wir wieder Freigang bekommen.“

Sarkasmus lag in Mulders Stimme, woraufhin Bocks ihn ignorierte und auflegte.

xXx

Sie verstauten ihre Einkäufe in den Schränken, in Scullys Küche und rempelten sich hin und wieder unbeabsichtigt an. Nach einer Weile brach Scully das Schweigen, welches zwischen ihnen herrschte, seit sie den Supermarkt verlassen hatten. Mulder gelang es nicht, den Ausdruck in ihrem Gesicht zu deuten, als sie zu sprechen begann. „Meinst du, dass wir hier lange festsitzen werden?“

Mulder zuckte lediglich mit den Schultern, da er ihr, selbst wenn er wollte, keine Antwort bieten konnte. Er ging einige Schritte auf sie zu, legte seine Arme um ihren zierlichen Körper und drückte sie behutsam an sich. „Wir werden uns die Zeit schon vertreiben“, sagte er leise, um wenigstens halbwegs auf ihre Frage einzugehen.

xXx

Stunden später, sie lagen nebeneinander im Bett, richtete Scully sich auf, stützte sich auf ihren Ellbogen ab und schaute durch die Dunkelheit ihres Schlafzimmers, bis sich ihre Blicke trafen und Mulder fragte: „Kannst auch nicht schlafen?“

„Nein“, murmelte sie und gähnte kurz, bevor sie fortfuhr. „Ich fühle mich in meinem eigenen Haus gefangen. Das macht mir Angst.“

„Komm her.“ Mulder zog sie sanft an sich heran, gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und strich ihr mit den Fingern durchs Haar. „Warum hast du nie erwähnt, dass du unter Klaustrophobie leidest?“

Scully wusste nicht genau, was sie ihm antworten sollte, also legte sie ihren Kopf auf seine Brust und lauschte seinem gleichmäßigen Herzschlag. „Ich hielt es für unnötig.“

In ihrer Stimme konnte Mulder erkennen, dass sie diese Schwäche nicht gern zugab. Sie hatte es sich selbst nicht gestattet oder eingestehen wollen, dass sie vor etwas derartigem Angst hatte. Es gab nicht sehr viel, vor dem sie sich fürchtete, daher hätte Mulder es niemals erwartet, dass die unerschrockene, starke Scully unter Platzangst litt.

„Seit wann bist du klaustrophobisch?“, wollte er mit ehrlichem Interesse wissen, da er sich um sie sorgte.

Verschiedene Bilder der Vergangenheit spielten sich, nach seiner Frage, vor Scullys Augen ab. Sie lag eingeengt im Kofferraum. Gefesselt und geknebelt, bis das Auto angehalten wurde, ein Schuss fiel und ihr Entführer den Kofferraum öffnete. Ein weiteres Bild huschte vor ihr inneres Auge. Diesmal ein Zimmer, dunkel, kalt und verschlossen. Sie saß wieder gefesselt und mit verbundenem Mund in einer Ecke. Scully glaubte den Teufel in Person zu sehen, als ihr Entführer die Tür zu dem Raum aufschloss und ihn betrat. Sie bekam eine Gänsehaut, begann zu zittern und schmiegte sich so eng an Mulder wie es ihr möglich war. „Früher hatte ich keine Angst davor“, erwiderte Scully ihm schließlich, mit überwundener Stimme. Es gab viele Dinge vor denen sie sich fürchtete, sich jedoch nicht traute, sie Mulder zu nennen. Ängste zuzugeben oder zu nennen bedeutete aus ihrer Sicht, Schwächen zu zeigen. Und das wollte sie um jeden Preis verhindern, schon seit jeher. Er machte sich sowieso stets Sorgen um sie und noch mehr wollte und konnte sie ihm nicht zumuten. Um das Thema zu wechseln fragte sie ihn scheinbar gelassen: „Weshalb kannst du nicht schlafen?“

Mulder lächelte schwach, als ihm auffiel, dass sie ihn ablenken wollte. „Ich habe nachgedacht und konnte deshalb nicht einschlafen.“ Es entsprach der Wahrheit, denn Mulder hatte sich gefragt, weshalb sie so lange gebraucht hatten ihre Beziehung zu ändern. Er kam zu dem Schluss, dass er befürchtete, sie zu sehr zu lieben, sie einzuengen und sie am Ende dadurch zu verlieren.

„Und worüber?“ Scully unterbrach seine Gedanken erneut.

Mulder starrte überrascht in die Dunkelheit des Schlafzimmers. Was sollte er ihr antworten? Die Wahrheit? Unmöglich entschied er kurzerhand, denn das waren seine Ängste, die er nicht preisgeben wollte. „Wir sollten jetzt versuchen zu schlafen, Dana. Es ist spät und ich bin müde ...“ Er spielte ihr ein herzhaftes Gähnen vor, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen.

„Mulder, ... nun sag schon.“ Ein Hauch Spannung schwang in ihrer sonst ruhigen Stimme mit. Nachdem sie immer noch keine Antwort bekam, stützte sie sich mit den Ellenbogen auf seine Brust und bohrte weiter nach. „Erzähl es mir. Du wirst sonst ohnehin nicht schlafen können, das garantiere ich dir.“

„Versuchst du mir zu drohen, Scully? Das kannst du nicht.“

Sie grinste ihn frech an, legte sich auf ihn und sah ihm auf den Mund. „Provozieren Sie mich nicht, Agent Mulder.“ Sie umgriff seine Handgelenke, die unter seinem Kopf hervor schauten und sah ihn eindringlich an. Scully lehnte sich ein Stück weit zu ihm vor, bis ihre Lippen seine streiften und begann ihren Körper über seinen zu reiben. „Wenn du es mir nicht verrätst, muss ich härtere Maßnahmen ergreifen.“ Ihre Stimme klang sehr verführerisch in seinen Ohren. Das war es, worauf sie es anlegte. Sie spürte seine Erektion, die sich langsam unter ihr aufbaute.

Mulder begann die Kontrolle über sich zu verlieren, denn er wollte es im Grunde noch nicht geschehen lassen. „Dana“, keuchte er, „das ist nicht fair.“ Mulder beugte sich zu ihr vor, um sie zu küssen, doch sie wich ihm geschickt aus. Durch das fahle Mondlicht, das durch das Fenster eindrang, konnte er ihren Blick sehen. Dieser nicht deutbare Ausdruck in ihren Augen fesselte seine. Auf diese Weise hatte er sie noch nie gesehen. Sie leckte sich beinahe unmerklich über ihren Mund, biss auf ihre Unterlippe und sah ihn verführerisch an.

Ein freches Lächeln begleitete ihre Worte, als sie erneut fragte: „Wirst du es mir nun sagen oder nicht?“ Er fühlte sich ihr hilflos ausgeliefert, als Scully erneut begann sich an seinem Körper zu reiben.

Mulder genoss diesen Augenblick der Verführung und versuchte es wieder und immer wieder sie zu küssen. „Dana, willst du mich etwa verführen?“, fragte er heiser und sehr leise.

Sie hauchte ihm ein verstohlenes „Vielleicht“ entgegen.

Ein Grinsen bildete sich in Mulders Gesicht, als er entschloss den Spieß umzudrehen. Mit einem kräftigen Stoß schubste er Scully auf die Matratze zurück und legte sich auf sie. Er war zu schwer, als dass sie sich hätte wehren können. Behutsam strich er ihr durch ihr rotschimmerndes Haar, über ihre Wange bis er letztendlich an ihrem Mund endete. Seine Finger glitten zärtlich auf ihren vollen, warmen Lippen hin und her. Ihre Blicke hielten aneinander fest, bis Scully sich seinen Liebkosungen hingab und die Augen schloss. Seine weichen Lippen erkundeten ihren Hals und küssten ihn unzählige Male. Er glitt mit seinem Mund sanft über ihr Gesicht, küsste ihre geschlossenen Augen, ihre Brauen, ihre Wangen und schließlich ihre sehnsüchtig wartenden Lippen.

Ein wohlig, prickelndes Gefühl breitete sich in Scullys Körper aus, als sich ihre Zungen berührten und sie sich leidenschaftlicher zu küssen begannen. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht fühlen, als seine Küsse zunehmend inniger wurden. Sie presste ihren Körper gegen den Mulders, um ihm zu demonstrieren wie sehr sie ihn wollte. Sie vergaß alles um sich herum, als er zusätzlich begann mit der rechten Hand die Außenseite ihrer Schenkel zu streicheln. Scully genoss jede einzelne Berührung …

… als plötzlich ein lautes Krachen auf dem Dach des Hauses, jäh ihr Liebesspiel unterbrach.

Mulder richtete sich auf. „Mist, was zum Teufel war das eben?“, fragte er mehr sich selbst als Scully.

Die Fensterläden flatterten unaufhörlich gegen die Scheiben und ließen das Liebespaar darauf schließen, dass der Blizzard die Stadt erreicht hatte. Mulder stand auf, zog sich seine Jeans und die Sportschuhe an, um nachzusehen, ob das Dach irgendwelche Schäden erlitten hatte.

Scully tat es ihm gleich, folgte ihm in die Eingangshalle und schlüpfte wie auch Mulder in ihren Mantel. „Warte noch!“, rief sie aufgeregt, als er im Begriff war die Tür nach draußen zu öffnen. „Wir sollten eine Taschenlampe mitnehmen.“

Er nickte ihr kurz zu, als sie ihren Vorschlag bereits in die Tat umsetzte und in einem der Schränke im Flur danach suchte.

Der eisige Wind toste ihnen um die Ohren, als sie vor dem Haus standen und nach der Ursache des vorangegangenen Lärms Ausschau hielten. Ein eisiges Schneegestöber erschwerte ihnen die Sicht. Schließlich, als sie gemeinsam den hinteren Teil des Hauses erreichten, sahen sie es. Sie schützten ihre Gesichter, mit erhobenen Armen, um nicht ständig Schneeflocken in die Augen zu bekommen.

„Verdammter Mist!“, rief Scully lauthals, als sie die Ursache entdeckte. Ein riesiger, alter Baum aus dem Vorgarten der Nachbarn war durch den Sturm umgeknickt und auf ihr Haus gefallen. Seine Wurzeln ragten aus der gefrorenen Erde, des Grundstücks nebenan.

Mit Hilfe der zu schwachen Taschenlampe konnte Mulder dies gerade noch so erkennen. „Dana, ... wir müssen zurück ins Haus!“ Durch das Tosen des Sturms musste Mulder schreien, damit sie ihn verstand. Er versuchte ihr Schutz zu bieten, indem er sich über Scully lehnte und sie zu Hauseingang zurückführte.

Im Haus angekommen, schüttelten sie sich erst mal, um den Schnee loszuwerden, mit dem sie bedeckt waren. „Machst du uns bitte einen Tee, Dana. Ich werde mich derweil auf dem Dachboden umsehen.“ Er sprach ruhig und bedacht zu ihr, um sie von ihrer Anspannung zu befreien, doch es nutzte nicht allzu viel.

Jedoch folgte sie seiner Bitte und verschwand in der Küche, während Mulder auf den Dachboden kletterte. Eine schmale Leiter, im Flur des oberen Geschosses, führte ihn durch eine kleine Luke nach oben. Er sah sich mit der Taschenlampe in der Hand um und stellte fest, dass das Dach dem Druck des Baumes nicht standgehalten hatte. Einige Äste ragten durch die Löcher in den Dachboden. Auch hier wehte inzwischen ein eiskalter Wind. Und da er ohnehin nichts hätte tun können, zumindest solange der Blizzard anhielt, drehte er auf dem Absatz um und ging zu Scully zurück.


Irgendwo in St. Paul, Downtown
In einem Apartmenthaus

Er trat von einem Bein, nervös auf das andere und sah dabei ungeduldig aus dem Fenster. Der Schweiß rann ihm von der Stirn über sein erzürntes Gesicht, als er wutschnaubend mit den Fäusten gegen die Fensterscheibe trommelte. Dann fing er zappelig damit an, durch seine Wohnung zu laufen. Von einer Seite des Zimmers zur anderen und wieder zurück. Es trieb ihn in den sicheren Wahnsinn, eingesperrt zu sein und seiner Gier zu morden nicht nachkommen zu können. Seine innere Stimme befahl ihm, den Sturm außer Acht zu lassen und sich ein neues Opfer zu suchen. Er raufte sich die Haare, da ihm sein Verstand verriet, dass er kein Opfer finden würde, in Anbetracht des Sturms. Verzweiflung und Panik stiegen in ihm auf. Sein Bedürfnis zu töten stieg von Minute zu Minute, doch es blieb ihm nichts weiter übrig, als abzuwarten. Als er an seiner Couch vorbeikam, ließ er sich darauf sinken, nahm das Foto vom Tisch und schaute es mit tränenfeuchten Augen an. „Warum hast du mich verlassen? Du bist doch meine Mutter und müsstest für immer bei mir bleiben ...“ – Keine dieser Schlampen ist wie sie. Keine wird mich je so lieben, wie sie es tat. Ich werde eines Tages, die richtige erwischen, die die dich ermordet hat. Aber bis dahin werde ich alle anderen ihrer Herzen berauben und ihnen dieselben Schmerzen zufügen, wie die, die sie mir beigefügt haben. – Seine Gedanken rasten, als er zu seinem Kühlschrank ging und die Behälter herausholte. Er starrte die Herzen in den Gläsern hasserfüllter denn je an. Es waren erst drei, doch er wollte sie alle ...
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