World of X

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New York 1982-88

von Konstanze Faust

Kapitel 2

***

Die 18jährige Dana Scully fuhr mit ihrem roten VW Käfer auf dem Highway 45. Sie wollte nach Manston fahren, einer Kleinstadt etwa 50 Meilen westlich von New York. Ihre Großmutter wohnte dort und sie wollte sie für eine Woche besuchen. Fa Sui war diese Woche mit ihrer Mutter zu ihrem Vater zu den New Territories gefahren, einen Ausflug, den sie jedes Jahr aufs neue haßte und Scully hatte ihrer Großmutter schon lange einen Besuch versprochen. Sie mochte sie sehr gern.

Als sie vom Highway abfuhr und in die Kleinstadt kam, hielt sie vor einem idyllischen weißem Haus nahe eines Waldstücks. Schon von weitem sah sie ihre Großmutter auf der Veranda stehen. Sie stieg aus und lächelte sie an.

"Hallo, Kind," sagte ihre Großmutter freudestrahlend und nahm sie in die Arme. Dana lächelte.

"Hallo, Grandma," meinte sie. Sie überreichte ihr ein kleines blaues Päckchen. "Hier, für dich."

"Das hättest du doch nicht machen brauchen, Kind. Ich.."

Dana nahm die Hände ihre Großmutter, drehte die Handflächen sanft nach oben und legte das kleine Geschenk hinein. "Bitte nimm es. Es wird dir gefallen."

"Danke, Kind," sie lächelte ihre Enkelin wieder an," was ist das?"

"Mach es auf." Die alte Frau öffnete es und hervor kam eine kleine schwarze Schmuckdose. Sie machte sie auf und bekam plötzlich große Augen. "Das hättest du doch nicht machen brauchen,.." wiederholte sie. Es war eine goldene Kette mit einem winzigen Anhänger aus Gold daran, der die Freiheitsstatue darstellte.

Dana lächelte. "Viele Grüße aus New York, Grandma."

Die ersten Tage vergingen sehr schnell. Durch die stille Natur um sich entspannte sich Dana sehr schnell und vergaß bald den Trubel, den sie in New York zurückgelassen hatte. In dem klaren See, der in dem duftendem Waldstück hinter dem Haus ihrer Großmutter lag, konnte Dana stundenlang baden. Manchmal saß sie auch nur auf der Wiese und genoß den Sonnenschein. Es war Mitte August und es war immer noch sehr warm. Inmitten der Blumen, die sie in New York so vermißte, lag Dana mit geschlossenen Augen und ließ die warmen Sonnenstrahlen in sich einwirken.

"Dana-Kind!" Sie hörte die Stimme ihrer Großmutter von weitem. "Dana!" Etwas unwillig öffnete sie langsam die Augen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder an die Helligkeit gewöhnt hatte. Dann rief sie zurück: "Ja, Grandma?"

"Tust du mir einen Gefallen?"

Dana sah ihre Großmutter den schmalen Weg zum See herbei kommen und stand auf. "Sicher."

Sie drückte ihr einen hellen Bastkorb in die Hand, der mit einem roten Karotuch ausgelegt war. Darin lagen ein Zettel und ein Portemonaie. "Holst du mir was vom Bauern?"

"Ja," meinte Dana und lächelte," ist das Robert?"

"Ja, er ist es. Er leitet ihn immer noch. Geh schon. Vielleicht kennt er dich ja noch."

Dana fühlte sich toll, als sie mit dem Korb und dem knappem Blumenkleid, das sie trug, durch das Dorf ging. Sie schlenderte und summte eine kleine Melodie vor sich her. Das letzte Mal war sie mit 11 Jahren hier gewesen. Sie sah den kleinen Dorfbrunnen und ein paar Pferde, die über den Dorfplatz geritten wurden und lächelte den Menschen zu. Im Grunde war Manston nämlich gar keine Kleinstadt, sondern hatte den Charakter eines Dorfes. Als sie die schmale Straße entlang ging, die zu dem Bauernhof führte, sah sie bei der kleinen Dorfschenke ein Auto stehen. Es verwunderte sie etwas, da der Parkplatz des Gasthauses auf der anderen Seite lag. Als sie jedoch merkte, was es für ein Auto war, bekam sie einen Schrecken. Ein alter weißer Mitsubishi Colt mit einem New Yorker Kennzeichen. Plötzlich verschwand Danas romantische Stimmung und sie lief, rannte schon fast, weiter. Sie fragte sich selbst, warum sie solch eine Angst hatte. Sie kannte Thomas doch schon seit fast 4 Jahren.

Endlich kam sie beim Bauern an, der sie gleich mit einem warmen Lächeln begrüßte. Robert, ein alter großer Mann, schien sie gleich zu erkennen.

"Hallo, Dana, du bist ja richtig groß geworden. Eine richtige Frau."

Dana lächelte und ihr Schrecken war schon so gut wie vergessen.

Am Abend saß Dana am Dorfbrunnen und las ein Buch. Es war eines der Kinderbücher, die ihre Großmutter ihr früher immer gegeben hatte, und sie mußte sie einfach lesen. Es wurde immer dunkler und dadurch auch immer schwieriger, etwas zu erkennen. Resignierend schlug Dana schließlich das Buch zu, als die Sonne ganz untergegangen war. Sie sprang vom Geländer, auf dem sie gesessen hatte und blickte in Richtung Dorfschenke. Thomas` Auto stand immer noch da. Sollte er den ganzen Tag dort gewesen sein?

Dann fiel Dana ein, daß sich in dem Gasthaus auch ein kleines Hotel befand. Aber warum sollte er gerade hier wohnen? War es doch nicht sein Auto? Der Schrecken vom Nachmittag hatte sich mittlerweile gelegt und Dana wurde neugierig. Sie ging langsam auf die Dorfschenke zu, als sie gleich neben dem Eingang ein bekanntes Gesicht erspähte.

"Dana! Daß ich dich hier wiedersehe!"

Jetzt konnte sie einfach nicht mehr flüchten. "Thomas, hallo! So ein Zufall." Sie versuchte, genauso erstaunt zu klingen, aber sie glaubte kaum, daß es überzeugend wirkte. Als sie sein Gesicht so in der Nacht sah, überkam sie ein warmes Frösteln und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Es war das gleiche Gefühl wie damals im Kino.

Nur hatte Dana geglaubt, es überwunden zu haben. "Wie kommst du denn hierher?" fragte Thomas sie und ging langsam auf sie zu.

"Meine Großmutter wohnt hier," sagte Dana und versuchte, die Nervosität aus ihrer Stimme zu verbannen.

Sie wurde immer unruhiger, je näher er kam. Sie konnte sich nicht entsinnen, jemals mit ihm allein gewesen zu sein.

"Ich wohne hier im Hotel," meinte Thomas. "Ich mache hier Urlaub. Ich hab gehört, daß das alljährliche Sommerfest hier echt toll sein soll."

"Ja, das ist es," sagte Dana grinsend.

Sie gingen die Straße entlang. "Ich war hier schon lange nicht mehr, aber das letzte Mal war es toll."

"Es ist echt schön hier. Ganz anders als in New York."

Bei dem Vergleich mußte Dana kichern. "Naja," meinte sie," du solltest erst mal das Haus meiner Großmutter sehen. Es gibt da ein wunderschönes Waldstück. Mit einem ganz klaren See." Es sprudelte nur so aus ihr heraus und von dem Moment an war die Nervosität völlig verschwunden.

Am nächsten Abend war das Sommerfest. Schon am Nachmittag war der Dorfplatz voll von Menschen, jedoch längst nicht so voll wie die Straßen von New York an einem gewöhnlichen Wochentag. Menschen in traditionellen Trachten liefen herum und eine Kapelle spielte gemütliche Musik.

Thomas und Dana saßen auf dem Geländer des Dorfbrunnens, jeder eine Limo in der Hand. Dana hatte heute ein anderes Kleid an, ein kurzes blaues Flatterkleidchen mit Karos. Sie hatten den ganzen Tag zusammen verbracht. Sie hatten bei Danas Großmutter gegessen, die sich gefreut hatte, einen von Danas Freunden kennenzulernen. Dann waren sie im Wald gewesen, am See und hatten das ganze Dorf erkundet. Dana fühlte sich, als wäre sie wieder das kleine Mädchen von damals, daß den ganzen Tag draußen verbringen will. Wäre da nicht dieses Herzklopfen gewesen..

"So was solltest du auch mal in New York anziehen," meinte Thomas lächelnd und nahm einen Schluck seiner Limo.

Dana lächelte zurück, aus ihren Gedanken aufgeschreckt. "Ich weiß nicht. Weißt du, laß uns nicht mehr von New York reden. Es hört sich so fremd hier an."

"Okay," sagte Thomas und lächelte wieder.

Dana wußte nicht genau, warum sie wollte, daß die beiden nicht mehr darüber sprachen. Vielleicht wollte sie sich ihre Stimmung nicht verderben lassen oder... Wollte sie etwa nicht an Fa Sui erinnert werden? Immer wenn sie an sie dachte, kam in ihr das schlechte Gewissen hoch. Einerseits wäre sie sicher froh gewesen, daß sie sich so gut verstanden, aber andererseits... Dana wollte gar nicht daran denken.

***

"Wie Sie raushören können, war ich ganz schön verknallt," meinte Scully schmunzelnd.

"Absolut," bestätigte Mulder lächelnd. Er war schon ziemlich überrascht darüber, daß Scully ihm das alles verriet, aber andererseits war er geschmeichelt, da sie ihm zuvor gesagt hatte, noch nie jemandem davon erzählt zu haben.

Sie sprach weiter. "Naja, es kam, wie es kommen mußte..."

***

Es war schon sehr spät und die Sterne funkelten vom Himmel herab. Doch niemand nahm sie heute wirklich wahr, denn fröhliche Musik drang aus dem Dorf und eine Geräuschkulisse von so vielen fröhlichen Menschen ließen sie fast blaß erscheinen. Nur zwei Augenpaare blickten sie an. Thomas Chan und Dana Scully lagen hinter dem Festzelt auf der Wiese und blickten hoch zum Firmament. Es war still, nur die gedämpfte Musik aus dem Zelt war zu hören.

Dana schlug das Herz bis zum Hals. Vorsichtig tastete sich eine Hand zu der ihren. Sie zitterte vor Aufregung, als sie seine warme weiche Haut spürte. Seine Hand war so kräftig und groß gegen ihre, aber auch sanft. Dana wollte die Augen schließen und nur dieses Gefühl in sich aufsaugen. Da meldete sich etwas in ihrem Bewußtsein.

Das schlechtes Gewissen. Sie wußte, daß es falsch war, was sie tat, aber was konnte sie gegen das Feuer in ihrem Herzen tun? Sie blickte hinüber zu Thomas. Er hatte sich herüber gebeugt und seine dunklen Augen blickten sie an. Durch das zarte Licht, daß durch die Wand des Zeltes durchschimmerte, wirkten sie nur noch durchdringender.

Dana wußte, daß sie nicht mehr klar denken konnte. Sie hatte mehr als nur ein Bier getrunken und spürte einen Schwindel in sich aufkommen, als er sie so anblickte. Sein Kopf wanderte näher.

"Was ist mit...?" hauchte Dana unter dem Rasen in ihrer Brust.

Sie konnte nicht weitersprechen, weil sich in diesem Moment seine warmen Lippen auf ihre legten. Der zarte Hauch eines Kusses ließ in ihr alles zittern und sie spürte zarte Tränen in ihrer Augen aufsteigen.

"Thomas," hauchte sie.

Er küßte sie wieder, dieses mal stärker und leidenschaftlicher. Dana ließ es geschehen und fühlte sich, als würde sie brennen. Da war ein so starkes Verlangen in ihr und in ihrem Herzen, dem sie nicht standhalten konnte.

Ihre Zungen berührten sich zart und spielten miteinander. Nach einer Ewigkeit löste sich sein Mund von ihrem und wanderte an ihren Hals. Tausend warme Küsse breitete er dort aus. Er streifte einen Träger ihres Kleides hinunter und küßte ihre Schulter. Schließlich streifte er den anderen auch noch hinab und zog das Kleid bis zu ihrem Bauch hinunter. Sie trug keinen BH, so nahm er eine ihrer Brüste in den Mund und liebkoste sie sanft mit den Lippen. Dana spürte, wie sich ihre Brustwarzen verhärteten und warf ihren Kopf nach hinten.

Dann riß sie Thomas sein T-Shirt vom Leib und legte ihren Kopf an seine warme Brust. Sie spürte wie er ihr das Kleid ganz auszog. Langsam befreite er sie von ihrem Slip und als er sie küßte, fühlte Dana tausend Feuerwerke in sich explodieren. Sie zog seine Shorts herunter und auch seine Boxershorts.

Er legte sich über sie und küßte Dana noch einmal lange und leidenschaftlich. Sie spürte das Gras unter ihr fast nicht mehr. Sie nickte und dann drang er in sie in ein. In dem Moment schnappte sie nach Luft und blickte verschwommen in sein Gesicht. Wieder hatten sich Tränen in ihren Augen gebildet. Er bewegte sich erst langsam, dann schneller und schneller.

Es war, wie als hätten sie tausend Blitze getroffen. Der Orgasmus schüttelte sie, schneller und schneller und schließlich war es vorbei. Er lag immer noch auf ihr und blickte Dana so intensiv in die Augen, daß eine erste Träne ihre Wange hinunter lief.

"Bereust du, was passiert ist?" flüsterte ihr Thomas nach einer Weile ins Ohr.

Dana schüttelte den Kopf. Sie wußte nicht, ob es eine Lüge war. Er zog sich aus ihr zurück und sah plötzlich, wie sie weinte. Sie preßte ihre Lippen zusammen und begann zu schluchzen. Es war wie damals im Fahrstuhl, nur war es jetzt Thomas, in dessen Armen sie lag.

"Es wird alles wieder gut," hauchte er in ihr Ohr. Wie gerne wollte sie ihm glauben.

***

Dana Scully schloß kurz unmerklich die Augen, als sie die Erinnerungen wieder herbeikommen ließ.

Natürlich hatte sie Mulder diesen Teil der Geschichte nicht erzählt. Jedenfalls nicht so detailliert. Das würde für immer ihr Geheimnis bleiben.

"Wie ging es dann weiter?" fragte Mulder.

"Damals wußten wir es erst mal nicht. Ich kam ein paar Tage später nach New York zurück, damit es nicht auffiel. Von da an gingen wir uns gezielt aus dem Weg. Ich hatte viele Depressionen in dieser Zeit. Zum ersten hatte ich meine beste und so gut wie einzige Freundin betrogen, und mußte immer so tun, als wäre nichts geschehen. Dadurch war es natürlich auch sehr schwer geworden, Thomas aus dem Weg zu gehen. Und zweitens..." Scully stockte. Sollte sie es ihm wirklich erzählen?

"Bitte lachen Sie mich nicht aus, Mulder."

"Warum sollte ich das tun?" fragte er sichtlich bestürzt. "Das werde ich nicht. Versprochen."

"Zweitens hatte mich Thomas... entjungfert. Und er wußte es noch nicht einmal. Ich war nicht schwanger geworden, aber..."

"Es muß sehr schwer für Sie gewesen sein. Das tut mir leid, Scully." Mulder legte einen Arm um seine Partnerin. Sie versuchte zu lächeln.

"Die Monate vergingen also und es war nicht so, daß Thomas Fa Sui nicht mehr liebte. Wahrscheinlich liebte er sie noch viel mehr als vorher. Wahrscheinlich war ich die einzige Unglückliche bei der Sache gewesen..."

***

Schon einige Wochen lang hatte sie so eine Ahnung gehabt. Fa Sui und Dana waren noch immer die besten Freundinnen Dana glaubte, ihren Schmerz überwunden zu haben. Wirklich, sie glaubte, glücklich zu sein. Sie lächelte viel öfter und es machte ihr fast nichts mehr aus, Fa Sui und Thomas zusammen zu sehen. Sie und Thomas hatten sich darauf geeinigt, gute Freunde zu bleiben und ihr süßes Geheimnis für immer für sich zu bewahren, und Fa Sui freute es um so mehr, daß sie sich so gut verstanden.

Doch da war immer noch diese Ahnung. Es war keine böse Ahnung. Doch in letzter Zeit ging es Fa Sui gesundheitlich nicht sehr gut. Ihr wurde oft schwindlig und sie fehlte sehr oft in der Schule. Sie schminkte sich so gut wie nicht mehr, aber trotz all trotz allem glänzten ihre Augen immer wenn Dana sie sah, vor Glück. Eines Tages saßen die beiden in Fa Suis Zimmer. Dana saß auf dem Schreibtischstuhl und Fa Sui lag auf dem Bett.

Dana liebte Fa Suis Zimmer. Es hatte rote Wände, überall standen Blumen und an die Wand über dem Bett war ein großer gold-bunter Drache gezeichnet. Daneben standen einige chinesische Schriftzeichen. Fa Sui hatte ihr erklärt, daß sie eine alte Spruchweisheit waren, die so etwas wie ´Der Drache beschützt dich und verleiht dir Stärke` zu bedeuten hatten.

Dana schaute wie unzählige Male zuvor auf die wunderschöne Zeichnung.

"Fa Sui?" fragte sie schließlich. Sie mußte sich Gewißheit verschaffen. War es die Wahrheit, glaubte sie sich stark genug, sie verkraften zu können. Sie blickte wieder auf den Drachen. "Fa Sui, bist du schwanger?" platzte sie plötzlich heraus.

Fa Sui setzte sich schockartig auf. "Was...? Nein...! Ja, ich bin schwanger." Sie lächelte glücklich. "Woher wußtest du das?"

"Das ist toll!" sagte Dana lächelnd und umarmte ihre Freundin. Ein sehr starker Teil von ihr freute sich wirklich. Nur ein kleiner Teufel in Dana hüpfte auf und ab vor Ärger. Sie zerquetschte ihn in Gedanken.

"Dir war dauernd schlecht und du hast ständig in der Schule gefehlt. Aber du sahst einfach zu glücklich aus, um krank zu sein. Außerdem..." Sie zeigte auf Fa Suis Bauch.

"Ja, sieht man es schon?" fragte sie strahlend. Sie streichelte zärtlich darüber. "Es kommt im Mai. Ein kleines Mai-Baby."

***

"Sie war so glücklich, ich konnte mich nur mit ihr freuen," sagte Scully und war immer noch tief mit den Gedanken in die Vergangenheit gesunken. Sie merkte schon fast nicht mehr, daß Mulder neben ihr saß.

Er lächelte. Scully erzählte so lebhaft. Er hatte die letzten zwei Stunden kein Wort gesagt. Er konnte sich alles bildhaft vorstellen, von dem sie sprach. Die Häuser, Menschen.. Er hatte schon ein Foto von Fa Sui gesehen, aber nun konnte er sie lebendig in seinem Geist sehen.

"Sie wollten schon heiraten." Plötzlich stieg Trauer in Scullys große blaue Augen. "Es kam aber völlig anders..."

***

Es war der 12.02.1988. Fa Suis Geburtstag. Doch ihr war gar nicht nach Feiern zumute. Ihr war übel und alles was, Thomas und Dana machen konnten, war, ihr Tee zu bringen, ihr Hand zu halten oder einfach mit ihr zu reden. Es war nicht gerade eine typische Geburtstagsfeier, doch trotz Fa Suis Zustand war es schön. Und gemütlich. Schneeflocken rieselten gegen die Fensterscheiben, genau so, wie sie es fast jedes Jahr um diese Zeit taten. Überall im Raum waren Kerzen und Duftöllämpchen, die nach Zimt und Vanille rochen, verteilt. Thomas hatte eine von Fa Suis Lieblings-Kassetten eingelegt. Leise Klaviertöne klangen aus den Boxen des Rekorders. Er küßte sie auf die Stirn und hielt ihre Hand, als Dana eine Tasse frischen Tees und Kekse brachte. Plötzlich klingelte es an der Tür.

Anders als Dana, lebte Fa Sui in einem kleinen Häuschen im Herzen von Chinatown. Mutter eilte die Treppe hinunter.

"Bekommst du noch Besuch?" fragte Thomas.

Fa Sui schüttelte den Kopf. "Nein. Ich hab nur euch beide eingeladen."

"Schau mal nach, wer es ist, Dana," bat Fa Sui ihre Freundin.

Dana stellte den Tee auf Fa Suis kleinen gelben Nachttisch und ging aus dem Zimmer.

Kurz darauf kam sie erbleicht zurück. Sie setzte sich aufs Bett, während Thomas sie vorsichtig festhielt. Er befürchtete, Dana könne ohnmächtig werden.

"Fa Sui," hauchte Dana, "es ist dein Vater."

"Was?" sagte sie etwas zu laut. Dann ließ sie ihr Gesicht in ihre Hände fallen. "Das kann nicht sein. Er hat nichts gesagt... Er hat..."

"Ssh," Thomas nahm sie in den Arm. "Er wird nichts tun können."

Dana legte eine Hand auf Fa Suis.

"Doch," schluchzte diese, "er... Er wird..."

"Was denn, Fa Sui?" fragte Thomas. Er hatte Angst, daß sie panisch werden würde.

Sie blickte auf und schluchzte verzweifelt: "Thomas, bitte, ich..."

Dann kamen Fa Suis Mutter und ihr Vater in das Zimmer. Dana und Thomas konnten beobachten, wie Fa Suis Gesicht erstarrte und ihre Augen eisig wurden. Nur ihre zitternden Hände verrieten ihre Angst.

"Herzlichen Glückwunsch, Kleines," sagte er in einem heuchlerischen Ton. "Ich habe dir etwas mitgebracht..." Plötzlich erstarrte sein Blick ebenso. Sein Kopf wurde rot, rot vor Zorn und Thomas und Dana hatten Angst, daß er gleich explodieren würde.

Thomas setzte sich beschützend vor Fa Sui. In ihrem Gesicht ließen sich keine Emotionen erkennen. Sie war so starr, daß die beiden schon Angst um sie bekamen.

Fa Suis Vater legte das Päckchen wortlos auf Fa Suis Bettkante und sagte in einem unnatürlich ruhigen Ton: "Ihr beide geht jetzt. Ihr geht jetzt..."

Er wiederholte es so oft, doch Dana und Thomas wollten noch nicht gehen. Sie wollten Fa Sui nicht allein lassen.

"Ihr geht jetzt!" schrie er plötzlich und riß Dana am Arm von dem Bett. Er drückte so fest zu, daß ihr der Schmerz Tränen in die Augen trieb.

"Ihr geht jetzt!"

Thomas stand auf. "Lassen Sie sie los!"

Plötzlich riß der alte Mann einen Revolver aus seiner Jackentasche. Dana wurde übel. Sie mußte sich zügeln sich nicht zu übergeben, als der Pistolenlauf gegen ihre Schläfe drückte. Thomas und Fa Sui wurden blaß und Fa Suis Mutter schrie.

"Geht oder ich mach sie alle!" schrie Fa Suis Vater. Dana und Thomas blickten kurz stumm zu Fa Sui. Sie nickte kaum merklich und unterdrückte tapfer die Tränen. Sie wußte, wozu ihr Vater fähig war.

Dana und Thomas rannten aus dem Haus. Sie rannten panisch durch das geschäftige Chinatown, nahmen keine Rücksicht auf empörte Fußgänger. Der Schock saß ihnen immer noch in den Gliedern.

Sie liefen in das Restaurant von Thomas` Vater, durch den Privateingang und hoch in die Wohnung. In der Küche konnten sie nicht mehr laufen. Sie brauchten nichts zu sagen, sie fielen sich in die Arme und weinten Tränen der Sorge...
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