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Die Insel der lebenden Toten

von Kimberly Jackson

Kapitel 1

Akte X - Akte 58245
"Insel der lebenden Toten"






Special Agent Dana Scully seufzte gequält, als am Horizont Land sichtbar wurde. Das kleine Boot flog über die Wellen, dem kleinen Stückchen Land entgegen.

Sie drehte sich herum und blickte ihren ehemaligen Partner Fox Mulder strafend an. Er sah sie mit seinem typischen ‚Ich-weiß-gar-nicht-was-Sie-haben' - Blick an und deutete nach vorn.

Scully wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der nahenden Insel zu.

Mit den Worten "Ich habe etwas, was Sie interessieren wird!" war Mulder heute Morgen über sie hergefallen. Sie hatte gerade gefrühstückt, als er an der Tür klingelte. Wie hatte sie sich von ihm überreden lassen können, William zu ihrer Mutter zu bringen und aufgrund einer Legende zu dieser Insel aufzubrechen?

Wenig später konnte sie einen Fuß auf den Sand setzen. Er war weiß und grob.

"Mulder... was machen wir hier? Wir sind extra nach England geflogen, um diese Insel anzuschauen. Ich bin nass, mir ist kalt und ich möchte jetzt nichts lieber, als ein Bad!"

"Vielleicht finden wir ja einen kuscheligen Fluss mit Wasserfall für Sie!", spottete Mulder in seinem typischen Tonfall, während er das Boot an einem großen Felsen vertäute. "Sie könnten mir übrigens hiermit helfen!"

Reaktionsschnell fing Scully den Plastiksack auf. "Sie wollen tatsächlich auf dieser Insel zelten, nicht wahr?"

Er ging ohne eine Antwort an ihr vorbei und ergeben folgte sie ihm schließlich. Es brachte nichts, zu protestieren. Sie waren nun eben hier und wieder einmal zeigte es ihr, was sie davon hatte.

"Wir müssen einen geschützten Platz finden... und dann sollten wir als erstes nach Wasser suchen."

Scully hielt sich schützend die Hände vor ihr Gesicht als die Zweige, die Mulder vor ihr beiseite schob, sie im Gesicht zu treffen drohten.

Ein leichtes Grummeln durchbrach die idyllischen Inselgeräusche. Na wunderbar, dachte die junge Frau bei sich, ein Gewitter und wir sitzen hier auf dieser verfluchten Insel fest!

Wie recht sie hatte, sollte sie erst viel später erfahren.

Drei Stunden später stand das Zelt unter einer Trauerweide neben einer alten Burgruine aufgebaut und zwei Schlafsäcke waren gemütlich darin ausgebreitet. Scully, die gerade versuchte, das Zelt etwas abzudichten, stöhnte auf, als Mulder hereinsah und sagte: "Kommen Sie, Scully. Schauen Sie sich diese Ruine einmal an!"

"Mulder!"

"Interessiert Sie nicht, ob es wirklich Untote sind, die herumspuken?"

"Nein! Im Moment möchte ich eigentlich nur..."

Doch Mulder hörte ihr sowieso nicht zu, wie immer, wenn er von einer Idee oder einem Fall nicht mehr losgelassen wurde. So ergab sich die junge Frau stumm leidend in ihr Schicksal und folgte dem Mann den kleinen Hügel zur Burg hinauf.

Das Gemäuer schien alt, aber nicht groß beschädigt. Bei genauerem Hinsehen schien es sogar einmal eine Kirche gewesen zu sein. Dahinter lag ein kleiner, ebenso heruntergekommener Schuppen. Ein kleiner, aus Steinen gelegter Weg führte ins Dickicht und ließ auf weitere Gebäude schließen. Schweigend blickte Scully ihre mit Matsch verschmierten Pumps an, sagte aber nichts.

"Wollen Sie mir nicht endlich erklären, was es mit dieser Insel auf sich hat?"

"Diese Insel gilt in ganz England als verflucht. Alle, die jemals einen Ausflug gewagt haben, sind verschwunden. Niemand hat diese Insel je wieder verlassen."

"Wie beruhigend!" Scullys trockener Tonfall brachte Mulder zum schmunzeln.

"Interessiert es Sie als Wissenschaftlerin denn gar nicht, was passiert sein könnte?"

"Ich als Wissenschaftlerin frage mich in erster Linie, wie zum Teufel Sie es immer wieder schaffen, mich zu so etwas hier zu überreden!"

Sie hielt inne und ging in die Knie. "Dies hier sieht zumindest nach einem sehr menschlichen Fußabdruck aus!" Sie zeigte auf den Abdruck in der weichen, schlammigen Erde, der einen nackten Fuß zeigte. "Und er ist noch ziemlich frisch!"

Sie zuckte zusammen als Mulder daraufhin laut ‚HALLO' in die Gegend rief. Das Echo schien von überall her zurück zu schallen.

"Himmel, Mulder!" Schaudernd blickte sie sich um und zuckte die Schultern. "Ich bin dafür, dass wir zum Zelt zurückgehen. Es dämmert schon und in der Dunkelheit können wir sowieso nichts tun!"

"In der Dunkelheit wird es doch erst interessant!", widersprach Mulder. "Geister... Dämonen... Zombies!"

"Wenn Sie mir Angst machen wollen, muss ich Sie enttäuschen. Auch, wenn ich in den acht Jahren viel gesehen habe... Aliens zum Beispiel... so bin ich doch niemals einem Ritter begegnet, der seinen Kopf unter dem Arm hatte! Der Glaube an Dämonen rührt von Horrorfilmen und Romanen her!"

"Warten Sie, bis Sie die Geschichte dieser Insel hören!"



"Einst..." Mulder lehnte sich gemütlich in seinem Schlafsack zurück und blickte Scully, die mit ihrem Schlafsack kämpfte amüsiert an. "...lebte auf dieser Insel ein Graf. Diese ganze Insel gehörte ihm und sie umfasste außer ihm ungefähr zehn Einwohner. Nach und nach jedoch starben die Einwohner oder gingen aufs Festland, so dass eines Tages nur noch der Graf hier war. Er war jung und schön, trotzdem gab es kein Mädchen, das ihn auch nur ansehen wollte, denn er hatte ein Herz aus Stein!"

"Das hört sich an, wie der Anfang eines Märchens", murmelte Scully spöttisch und lehnte sich nun auch zurück. Sie hatte ihre Strickjacke ausgezogen und blickte gelangweilt an die Zeltdecke. "Lassen Sie mich raten: er entführte ein Mädchen."

"Fast. Es hieß, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um geliebt zu werden. Als Preis jedoch musste er die Mädchen, die ihn liebten, dem Teufel als Opfer bringen. Er nahm das Angebot an und erhielt so eine unsterbliche Seele. Monat für Monat besuchte der Graf nun das Festland für wenige Tage und kam jedes Mal mit einer Horde Mädchen zurück. Was er mit ihnen tat, erfuhr niemals jemand. Aber keines der Mädchen kehrte je wieder zurück, geschweige denn hörte man je wieder etwas von ihnen. Eines Tages dann machte sich ein Priester, der von dieser Teufelei gehört hatte, auf den Weg zu dem Grafen. Auch den Priester sah man nicht wieder, es hieß jedoch, er habe den Grafen getötet. Langsam geriet der Graf in Vergessenheit und die Insel wurde gemieden. Dann jedoch besuchte eines Tages ein junges Liebespaar die Insel. Der Mann kehrte alleine zurück und stammelte unter Schock etwas von einer schrecklichen Geistergestalt. Er wusste nicht, was mit seiner Freundin passiert war und alles lief darauf hinaus, dass er wegen Mordes angeklagt und gehängt wurde."

"Das ist alles schön und gut!", unterbrach Scully. "Aber das entspricht genau dem Schema einer typischen Geistergeschichte, die man in jedem Märchenbuch nachlesen kann!"

Wieder donnerte es draußen und ein paar Regentropfen fielen auf das Zeltdach.

"Es geht noch weiter", erklärte Mulder und drehte die Flamme der kleinen Petroleumlampe höher. "Eines Nachts, es war genau so eine Gewitternacht im Sommer, wie die heutige, konnte man über der Insel eine merkwürdige, riesige Erscheinung beobachten! Ein alter Mann aus einem kleinen Dorf am Wasser berichtete später darüber. Und am nächsten Morgen waren aus eben diesem Dorf alle Mädchen verschwunden."

Ein lauter Donner ließ Scully zusammenschrecken und ein Blitz zuckte über sie hinweg und tauchte das Zelt für einen Moment in ein gespenstisches Licht.

"Das ist jetzt über 150 Jahre her. Und seitdem verschwinden in dieser Gegend immer wieder Mädchen. Wer die Insel betritt taucht ebenfalls nicht wieder auf!", endete Mulder seinen Bericht. Wie versteinert blickte Scully ihn an, dann schüttelte sie das Unbehagen energisch von sich ab.

"Das ist doch alles nur eine Geistergeschichte! Sie wissen, wie kreativ gerade Engländer sind, was solche Geschichten angeht!"

"Sie müssen doch aber zugeben, dass die Fakten..."

"Fakten, Mulder? Alles was ich bis jetzt gehört habe, sind die abergläubischen Geschichten eines Volkes. Geschichten, die im Laufe der Zeit sicher übertrieben wurden. Vielleicht verschwanden nur drei Mädchen aus einem Dorf in dem insgesamt zehn lebten. Drei Mädchen, die vielleicht in dieser Nacht davonliefen!"

Wieder donnerte es, und Scully zuckte merklich zusammen. Von irgendwoher hörte man eine Eule über den leichten Regen hinweg.

"Ich bin jetzt müde!" Scully sah auf ihre Uhr. "Bis Mitternacht haben wir immerhin noch drei Stunden!"

"Na schön, schlafen wir etwas!"

Beide schwiegen und so waren nur noch die unheimlichen Geräusche der Nacht zu hören. Die Wellen, die irgendwo am Strand gegen die Klippen schlugen, das Donnern, unheimliches Gurgeln von irgendwoher.

Scully schloss die Augen, riss sie aber beim nächsten Donnern wieder auf. Waren das nicht Schritte, die sie im Hintergrund hörte? Warum war es bloß schon um neun Uhr so verdammt dunkel? Sie rief sich energisch zur Ruhe. Mulder hatte ihr eine Geistergeschichte erzählt, aber sie würde nicht soweit gehen, dadurch in völlig irrationale Ängste zu verfallen. Vielleicht war irgendjemand auf dieser Insel. Aber wenn, dann war es ein ganz normaler Mensch... nichts Gespenstisches.

Sie wünschte insgeheim, sie hätte eine Waffe, aber seitdem sie nicht mehr beim FBI war... Selbst wenn es ein Mensch war, es war nie falsch, vorbereitet zu sein.

Plötzlich zuckte ein Blitz und Scully schrie entsetzt auf, als sie die Umrisse einer menschlichen Gestalt ausmachen konnte.

"Was?!?" Mulder hatte sofort seine Waffe in der Hand und blickte sich um. "Was ist passiert?"

"Ich... ich habe etwas gesehen! Aber... es war sicher gar nichts..." Hektisch strich sie eine Strähne ihrer Haare aus dem Gesicht, dann funkelte sie Mulder wütend an. "Sie haben mich mit Ihren Geschichten ganz nervös gemacht!"

"Wenn es Sie beruhigt, sehen Sie doch draußen nach!"

Fassungslos sah sie ihn an. "Danke. Das ist so gentlemanlike von Ihnen, dass Sie mir den Vortritt lassen!" Sie zog sich ihre Jacke über und kroch nach draußen. "Hallo?"

Mulder schmunzelte, als er hörte, dass ihre Stimme deutlich unsicher war. Aber er hatte auch ein schlechtes Gewissen. Immerhin regnete es und Scully sollte nicht alleine dort draußen herumlaufen. Er hatte sie nur etwas aufziehen wollen.

"Scully, warten Sie! Ich gehe mit Ihnen!" Keine Antwort. Mulder zog sich seine Jacke über. "Scully?"

Er kroch nach draußen und stellte sich auf. Leere. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe etwas herum. "Scully, wo sind Sie denn geblieben?" Besorgt ging er in Richtung der alten Kirchenruine. Dort... er sah eine Gestalt herumschleichen. Er war gerade im Begriff, Scully anzusprechen als er stockte. Dies war nicht Scully. Zu groß und zu männlich gebaut für seine kleine ein Meter sechzig große Scully. Aber wer war es dann... und wo war Scully?



Dana Scully hatte sich tief in ihre Jacke eingegraben und ging mit verschränkten Armen wütend am Wald entlang. "Gehen Sie doch raus und schauen Sie nach...", grummelte sie vor sich hin. "Es regnet ja auch nur... und es ist kalt. Und ich könnte jetzt gemütlich mit William zu hause sitzen!" Am liebsten hätte sie ihre Taschenlampe in den Wald geschleudert, ihre Sachen gepackt und wäre wieder gefahren, doch sie wusste, dass das in diesem Sturm völlig unmöglich war. Die Chance, dass ihr Boot nicht kentern und sie ertrinken würde, war sehr gering.

Plötzlich hielt sie inne. Waren da nicht Schritte direkt vor ihr? Sie verharrte. Tatsächlich. Jemand ging vor ihr. Leise schlich sie den Schritten nach, die plötzlich verstummten. Auch Scully hielt inne. Bestimmt zwei Minuten verharrte sie bewegungslos, dann bewegte sie sich langsam weiter.

Plötzlich blendete sie von der Seite ein grelles Licht direkt ins Gesicht. Aufschreiend wich Scully, die Hände schützend vor den Augen um sie vor dem hellen Licht abzuschirmen, zurück. Sie war überrascht, dass auch die andere Person zu schreien schien. Dann hörte sie eine zaghafte Stimme.

"Agent Scully?" Das Licht wurde dunkler und Scully blickte verdutzt auf die Person vor ihr.

"Agent Reyes... was zum Teufel tun Sie denn hier? Sie haben mir einen Heidenschrecken eingejagt!"

"Sie mir auch! Haben Sie Agent Doggett gesehen?"

"Ist der auch hier?"

"Ja! Nachdem Sie Agent Doggett gesagt hatten, wo Mulder hinwollte, hat er mich angerufen, weil er wissen wollte, ob ich von dieser Insel schon jemals gehört hatte. Nun, und als ich davon erfuhr, und John meine Geschichte gehört hatte, hielten wir Beide es für das Beste, Sie so schnell wie möglich zurückzuholen. Wir haben Sie leider am Flughafen ganz knapp verpasst."

"Zurückholen? Ja, aber wieso denn?" Scully hauchte sich in ihre Hände, um sich etwas zu wärmen.

"Diese Insel ist verflucht, Dana! Ich habe es bereits gewusst, und jetzt wo ich hier bin, spüre ich ganz deutlich die dunkle Macht, die von ihr ausgeht. Niemand sollte hier sein!"

Scully sparte sich den Kommentar über Flüche und lud die Frau stattdessen ein, zu ihrem Zelt mitzukommen.

"Hat Mulder Ihnen die Geschichte erzählt?"

"Nun..." Scully suchte nach einer passenden Wortwahl. "Mulder hat mir eine Geschichte erzählt. Aber wenn Sie mich fragen, klingt sie zu unglaublich. Ein Dämon, der Frauen dem Teufel zum Opfer bringt!"

"Haben Sie denn überhaupt keine Angst?"

Scully blickte die Agentin entgeistert an. "Monica, wir reden hier von einer Gruselgeschichte aus irgendeinem Märchenbuch!"

"Wie können Sie da sicher sein? Immerhin sind in dieser Geschichte Frauen die Opfer! Macht Ihnen das keine Angst?"

Scully wollte gerade antworten, als sie etwas weiter oben an der Kirchenmauer eine Gestalt stehen sahen.

"Hey!" Scully hob die Hand, um den Mann am weglaufen zu hindern. "Sir, bitte warten Sie einen Moment!" Der Mann bewegte sich nicht, sondern blickte die beiden Frauen verwirrt an.

"Dana, bitte! Wir sollten lieber zu..."

"Hier haben wir unseren geheimnisvollen Fremden!", unterbrach Scully. "Und er sieht sehr menschlich aus!"

Das tat er tatsächlich. Beinahe zu menschlich. Der Mann war ungefähr Mitte bis Ende dreißig, sein Gesicht war zwar verschmutzt, aber deutlich waren die attraktiven Züge darunter zu erkennen. Im Stillen fragten sich beide Frauen gleichzeitig, wie der Mann wohl ohne diesen ganzen Dreck aussähe.

"Was habe ich getan?", fragte er ruhig, als er die Waffe in Reyes Händen bemerkte.

"Oh, tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken! Was tun Sie hier?"

"Ich lebe hier!"

"Wo?", fragte Scully misstrauisch.

"In der alten Ruine! Normalerweise kommt niemand hierher und so störe ich niemanden!"

"Sie wohnen hier ganz alleine?" Agent Reyes fühlte deutlich ihr Herz rasen, als sie in seine dunklen Augen blickte.

"Ja!", antwortete er und Scully fühlte ähnlich wie ihre Partnerin neben ihr.

"Nun... dann...", stammelte sie. "Sir, es tut uns leid! Wir... wir wollten Sie nicht... ähm... haben Sie vielleicht etwas Merkwürdiges hier bemerkt? So etwas wie..." Sie haderte mit sich, bis sie das Wort aussprach. "...Geistererscheinungen zum Beispiel?"

"Geistererscheinungen?" Er lachte und sein Lachen war klar und tief. Es jagte den Frauen einen wohligen Schauer über den Rücken. "Die Ladies wollen mir doch nicht wirklich sagen, dass sie an Geister glauben, oder?"

"Scully!! Agent Reyes!" Bei der entfernten Stimme Mulders drehten sich die beiden Frauen um.

"Wir sollten zurückgehen! Nun Sir, noch einmal entsch..." Scully verstummte verwirrt. Der Mann war verschwunden. Sie und Monica Reyes wechselten einen verwirrten Blick.

"Vermutlich hat er sich schnell verkrümelt, als er die Stimme hörte, aus Angst, wir könnten ihn doch noch verhaften!"

Wenig später sahen sie in der Ferne zwei Zelte. Scully runzelte verwirrt die Stirn, erblickte dann aber Agent Doggett zusammen mit Mulder an einem Feuer stehen.

"Da sind sie ja! Wir haben uns schon Sorgen um Sie gemacht!", wurden die beiden von John Doggett begrüßt. Monica Reyes sah ihn vorwurfsvoll an.

"Sie haben es nötig, John! Was meinen Sie, was ich mir für Sorgen gemacht haben, als Sie plötzlich verschwunden waren!"

"Ich? Sie waren verschwunden? Ich bin immer dem Weg gefolgt!"

"Ich doch auch!"

Alle schwiegen bis Monica Reyes entschlossen anfing, die Sachen zu packen. "So, ich denke, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden!"

"Das ist unmöglich!"

"Es ist aber nötig!" Als sie begann, eines der Zelte wieder abzubauen, hielt John sie zurück.

"Monica, wenn wir jetzt auch nur versuchen würden, das Festland zu erreichen, würden wir kentern! Haben Sie sich den Sturm mal angeschaut, der über das Wasser tobt?"

"Wir sitzen hier fest!", brachte die junge Frau tonlos hervor und Scully konnte den Schauer, den ihr diese Erkenntnis über den Rücken jagte, nicht erklären.

Mulder trat das kleine Feuer aus, zumal es sowieso wieder zu nieseln begann und nahm dann die Sachen, die noch draußen herumlagen.

"Ich bin dafür, dass wir nicht warten, bis wir nass werden."

"Gute Idee!"

Scully und Reyes teilten sich eines der Zelte, das andere teilten sich die beiden Männer. Sie hatten die Zelte so aufgebaut, dass die Eingänge einander zugewandt waren, so dass sie nun relativ geschützt sitzen und sich trotzdem noch ansehen konnten.

"Ich habe übrigens unseren merkwürdigen Mitbewohner auf dieser Insel kennengelernt!", sagte Scully beiläufig zu Mulder. "Und ich kann Ihnen versichern, dass es sich dabei ganz und gar nicht um einen Geist handelt!"

"Was?" Mulder wurde hellhörig und nahm dankbar einen heißen Kaffee von Monica entgegen.

"Ja!", bestätigte diese. "Er ist ein einfacher Obdachloser, der in der alten Ruine Schutz gefunden hat!"

"Und...", fuhr Scully fort und trank einen heißen Schluck Kaffee, "...er sagte, er habe noch niemals etwas von Geistererscheinungen auf dieser Insel gesehen!"

"Mmh..." Mulder war skeptisch. "Diesen Menschen würde ich mir gerne einmal genauer ansehen! Hat er seinen Namen gesagt?"

"Nein."

"Wie sah er denn aus?"

Die beiden Frauen seufzten gleichzeitig auf und Doggett blickte Mulder irritiert an. Dieser erwiderte den Blick ebenso verwirrt.

"Er war irgendwie..."

"...anders...!", beendete Monica den Satz.

"Ja!", bestätigte Scully. "Schmutzig zwar, aber doch gleichzeitig so attraktiv... ich habe mich gefragt, wie er wohl nach einem Bad aussieht!"

"Sie auch?" Monica schmunzelte. "Ich glaube, für einen solchen Mann muss man schon Cindy Crawford sein!"

"Das reicht!" Mulder machte Anstalten, das Zelt zu verlassen, doch Doggett hielt ihn, noch immer halb schmunzelnd auf.

"Was ist?"

"Das war kein Mensch! Es war der Dämon!"

"Was? Mulder, ich sage es nicht gerne, aber ich glaube, sie sind nicht nur paranoid was Aliens betrifft."

"Verstehen Sie nicht?" Mulder setzte sich wieder, um zu erklären: "Laut der Legende war der Dämon so schön, dass sich die Frauen in ihn verliebten! Das war die Falle!"

"Also bitte, Fox!" John Doggett lachte auf. "Das ist das Lächerlichste, was ich je aus Ihrem Mund gehört habe, und das will verdammt noch mal etwas heißen!"

"Dieser Mann war alles, nur kein Dämon!", bestätigte Monica.

"Ich will mich dessen lieber selber überzeugen!" Mit diesen Worten verließ er das Zelt.

"Mulder!" Doggett folgte ihm. "Sie haben nicht einmal eine Waffe!"

Als Mulder ihm die Waffe zeigte, stöhnte er. "Ich wette, Sie haben nicht mal einen Waffenschein dafür! Mulder! Wo wollen Sie denn jetzt hin?"

"In die Kirchenruine! Ich will ihn sehen, diesen angeblichen Obdachlosen in seinem Reich!"

"Warten Sie! Ich gehe mit Ihnen!" Er drehte sich zu seiner Partnerin um. "Ich bin gleich zurück. Sie beide bleiben am besten hier und rühren sich nicht vom Fleck! Ich muss bloß diesen Wahnsinnigen davon abhalten, Geisterjäger zu spielen und arme Obdachlose zu Tode zu erschrecken!"

Damit verschwand er. Scully und Reyes blieben alleine zurück, umgeben von dem Geräusch des Regens und des Gewitters.

"Also... ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ganz wohl ist mir nicht!", gab Scully zu.

"Ich habe eine Waffe!" Monica Reyes entsicherte sie und legte sie neben sich. "Ob er Recht haben könnte?"

"Mulder? Ich glaube nicht!" Scully trank erneut einen Schluck Kaffee.

"Ich habe auch keine dunkle Macht um den Mann herum gefühlt!"

Wieder schwiegen sie. Als erneut eine Eule die Stille durchbrach, schloss Scully energisch den Zeltvorhang.

"Trotzdem hat diese Insel etwas Unheimliches. Ich frage mich, warum ich nicht Zuhause geblieben bin!"

"Sie folgen ihm überall hin, nicht wahr?"

Scully seufzte. "Ja, ich glaube schon. Ich weiß nicht, wie er mich überzeugt, aber irgendwie schafft er es jedes Mal."

"Darf ich Sie etwas fragen? Etwas Persönliches?"

"Natürlich!"

"Ich habe bis jetzt immer nur Gerüchte gehört. Ist da tatsächlich etwas zwischen Mulder und Ihnen?"

Scully musste lachen. "Sagen Sie nicht, dass ist immer noch Gesprächsthema Nummer eins im Büro! Es gab eine Zeit, da wurden sogar Wetten abgeschlossen!" Sie schwieg und nahm wieder einen Schluck Kaffee. "Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. Wir lieben uns... und es gab auch schon gewisse Momente, in denen wir uns sehr nahe waren, aber... ich glaube ein Paar sind wir nicht! Nun, Mulders Definition davon ist wahrscheinlich etwas anders als meine." Sie blickte Agent Reyes forschend an. "Was ist mit Ihnen und Doggett?"

"John und ich?" Monica lachte.

"Ja! Sie haben... nun, Sie wissen schon. Da ist etwas zwischen Ihnen."

"Ja, vielleicht, aber Sie müssen wissen, dass wir uns öfter streiten. John weigert sich, auch nur ansatzweise an das Paranormale zu glauben. Wir sind oft verschiedener Ansicht und ermitteln auf unterschiedlichen Wegen."

"Aber Sie mögen ihn?"

"Ja, ich mag ihn. Tatsächlich wollte ich eigentlich schon immer mit ihm zusammenarbeiten. Ich habe seine Arbeit bewundert, seine Art, gewisse Dinge anzupacken. Ich glaube, auf eine Art ergänzen wir uns, aber auf eine andere Art stehen wir einander im Wege!"

"Genau wie Mulder und ich am Anfang. Ich war nicht bereit zu glauben, und er war nicht bereit einzusehen, dass vielleicht nicht alles so paranormal ist, wie er glaubt! Dann haben wir beide Kompromisse geschlossen und heute glaube ich, dass mich niemand besser kennt als Mulder. Obwohl wir auch noch öfter streiten. Ich glaube, er provoziert gerne die Wissenschaftlerin in mir." Sie lächelte.

Monica Reyes fröstelte. "Langsam könnten die beiden aber auch mal zurückkommen! Ich habe nämlich keine Lust noch mal da raus zu gehen um sie zu suchen!"

Scully blickte auf ihre Uhr. "Sie sind schon zehn Minuten fort!" In diesem Moment hörten sie Schritte. "Sehen Sie, da sind sie schon wieder!"
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