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Someday - Deadly Prophecy (Teil 1)

von KajaM

Kapitel 1

Susanne: ”Come with me.”
Byers: ”You’ll be safer without me.”
Susanne: ”It doesn’t make a difference. I told you I’m going public.”
Byers: ”No, you’re not. You’ve done more than enough. Leave it to us now. That’s what we do.”
Susanne: (places the wedding ring in his hand) ”It was meant for Grant. I want you to have it. (kisses him) Someday….”

(from ”Three Of A Kind”)





1. Teil: Deadly Prophecy




Geheimes Forschungsgelände für Naturwissenschaften
Midway, Kentucky





Die Büros und Laboratorien waren um diese Uhrzeit seltsamerweise bereits menschenleer, nur tiefschwarze Dunkelheit machte sich überall breit. Stille lag über dem gesamten Gebäude.

Das einzige Geräusch, das diese unheimliche, dennoch eigenartig friedliche Stille störte, war das monotone Rauschen der Heizungsanlage, die alle Forschungsräume mit Wärme versorgte.



Diese friedliche Stille nahm ein unerwartetes Ende, als plötzlich langsame Schritte in dem verlassenen Gang widerhallten. Eine schattenhafte Gestalt bewegte sich vorsichtig, beinahe zögerlich den Gang hinunter, vorbei an zwei großen Labors, und hielt sich dabei immer an die Wand geduckt. Seine Hände umklammerten krampfhaft eine Waffe und hielten sie fest im Anschlag, so als würde er, Manson, erwarten jede Sekunde Gebrauch von ihr machen zu müssen. Als er das Ende des Ganges erreicht hatte, drückte er sich mit seinem Körper fest gegen die Wand.

Manson atmete tief durch, schloss kurz die Augen und versuchte ein wenig Ruhe in seine zitternden Hände zu bringen. Sein Herz pochte wild in der Brust. Sein Hals war wie zugeschnürt.....

Schließlich wagte er einen Blick in den nächsten Gang hinein, der nach links abzweigte.

Er duckte sich mit seinem Körper ein wenig nach vorne und kniff die Augen angestrengt zusammen, um in dieser Dunkelheit überhaupt etwas erkennen zu können.

Am Ende des Ganges befand sich ein Fenster, durch welches das schwache Licht von dem fahlen Mondenschein hineindrang. Es reichte immerhin aus, um den hinteren Teil des Ganges erkennbar zu beleuchten...

Plötzlich huschten zwei Schatten an dem Fenster vorbei. Manson zuckte erschrocken zusammen und wich einige Schritte zurück. Er vernahm das leise, aber energische Flüstern einer rauen Männerstimme, allerdings waren die Worte nur schwach und undeutlich zu hören.

Manson schob sein Gesicht wieder ein Stück in den anderen Gang hinein, um wenigstens einen Blick auf die beiden Personen werfen zu können. Das leise Flüstern kam aus einer dunklen Ecke seitlich vom Fenster. Der Kerl selbst war nur als schemenhafter Schatten zu erkennen, dennoch nahm Manson wahr, dass es sich um einen regelrechten Kleiderschrank von Mann handelte.... groß, mit breiten Schultern und einer im Ganzen sehr kräftigen Statur.

Die zweite Person war ebenfalls von Dunkelheit umhüllt, aber dank der schwachen Lichtquelle war noch deutlich genug zu erkennen, dass es sich um eine Frau handelte. Sie war groß und schlank, trug dunkle Kleidung und soweit Manson es von seinem Standpunkt aus erkennen konnte, musste sie wohl helles Haar haben. Sie stand ganz ruhig und gelassen vor ihrem Gegenüber, der mittlerweile wild und energisch mit den Armen in der Luft rumfuchtelte und immer aufgeregter wurde. Nur die zu Fäusten geballten Hände verrieten, dass sie sehr angespannt zu sein schien und um ihre Beherrschung kämpfen musste.

Der große Kerl drängte die ihm gegenüber eher zierlich wirkende Frau zurück und schien sie zu bedrohen. Er zog einen Gegenstand aus seiner Jacke hervor. Manson war durch die Geschehnisse, die sich gerade vor seinen Augen abspielten, wie gelähmt. So realisierte er auch erst spät, viel zu spät, dass es sich um eine Pistole handelte. Der Kerl richtete die Waffe auf den Brustkorb der Frau und drückte ab.



„Neiiiiiin!!!”



Mit einem verzweifelten Schrei sprang Manson aus seinem Versteck hervor, schoss orientierungslos um sich in dem aussichtslosen Versuch den Mörder zu treffen, der sich jetzt mit fast lässigen Schritten und hämischen Lachen zu dem Fenster bewegte. Mit einem festen Schlag seiner geballten Faust brachte der Kerl das Glas zum Bersten, stieg durch das Fenster und verschwand in der Dunkelheit.



Manson ließ hilflos die Waffe fallen. Fassungslos schüttelte er den Kopf.

Er kniete langsam neben ihrem reglosen Körper nieder, welcher bereits von einer riesigen Blutlache umgeben war. Instinktiv legte er zunächst seine zitternden Finger an ihren Hals. Manson fand die Hauptschlagader, aber....

.... nichts.... nicht einmal ein kleiner schwacher Puls.

Er drehte die Frau vorsichtig auf den Rücken. Er musste ihr Gesicht sehen; sehen ob *sie* es tatsächlich war.



Nein, nein... bitte nicht.



Verzweifelt schüttelte Manson den Kopf, als er sie erkannte. Tränen rannen ihm haltlos über die Wange. Er nahm ihre leblose Hand in seine, streichelte behutsam über ihre schlanken Finger und berührte schließlich den goldenen Ring, den die Frau an der Hand trug.





Holly....







Freitag, 2.Februar

20.34 Uhr

Geheimes Forschungsgelände für Naturwissenschaften
Midway, Kentucky



Mit einem entsetzten Schrei fuhr Prof. Peter Manson hoch. Erschrocken schlug er die Hände vor den Mund und schaute sich verwirrt um.

Wo war er? Was war geschehen?

Er holte tief Luft, um erst einmal wieder klare Gedanken zu bekommen. Langsam trat die Wirklichkeit wieder ein und Manson begriff was passiert war.



Nur ein Traum, alter Junge, nur ein Traum... schoss es ihm durch den Kopf.



Er blickte sich um und stellte fest, dass er noch immer vor seinem Computer im Labor saß. Er musste wohl eingenickt sein, als er begonnen hatte die Forschungsergebnisse der letzten Tage noch einmal gründlich durchzugehen. Erneut machte er einen tiefen Atemzug.



Alles in Ordnung. Nur mit der Ruhe. Es war nur ein Traum.



Doch sein Körper schien das noch nicht tatsächlich realisiert zu haben. Seine Hand zitterte und er spürte, wie eine Gänsehaut seinen Nacken hinunterkroch. Es wurde höchste Zeit, dass er endlich nach Hause ins Bett kam und etwas Ruhe fand. Manson erhob sich von seinem Drehstuhl, speicherte seine zuletzt verfassten Dateien ab, bevor er dann den Computer abschaltete, seine Jacke vom Boden fischte, das Labor abschloss und schließlich das Forschungsgebäude verließ.



Es war der fünfte Traum solcher Art innerhalb von drei Tagen.... das durfte doch einfach nicht sein!







Freitag, 2.Februar

21.13 Uhr

Haus von Prof. Peter Manson

Lexington, Kentucky





Der schwarze Ford rollte langsam die lange Auffahrt hinauf, bevor er sanft vor der Garage zum Stehen kam. Prof. Peter Manson stieg aus, schlug vorsichtig die Tür zu, schloss den Wagen ab und ging anschließend Richtung Haustür. Einen Moment lang hielt er inne und spielte mit dem Gedanken, ob es nicht besser wäre das Auto in der Garage abzustellen. In den letzten Nächten hatte es ununterbrochen geschneit und er würde sich morgen früh schwarz ärgern den Wagen frei kratzen zu müssen, doch in seiner gegenwärtigen Stimmung entschied er sich ‚das verdammte Ding’ doch draußen stehen zu lassen.

Während er die Haustür aufschloss fiel sein Blick auf die Fußmatte unter sich. Sie trug die Aufschrift „Home, Sweet Home” und zeigte ein grinsendes kleines Häuschen, umgeben von Blümchen, Bäumen; die Idylle betont von strahlendem Sonnenschein.

„Blanke Ironie”, murmelte Manson und trat die Matte verärgert beiseite, bevor er das Haus betrat.



Schon seit Jahren war sein Heim kein Ort der Geborgenheit, Liebe und Idylle mehr.

Für Manson bedeutete „Home, Sweet Home” nichts anderes als Einsamkeit und Frustration.

An Tagen wie dem Heutigen hasste er sich und sein Leben. Da war wieder dieser Moment, an dem er sich wünschte all dem ein Ende zu setzen.

Prof. Peter Manson war ein großer, kräftig gebauter Mann, dem man seine 61 Jahre in keinem Fall zuschreiben würde. Sein Haar war über die Jahre leicht ergraut, wies aber keine lichten Stellen auf. Er kleidete sich stets sehr gepflegt und trat jedem gegenüber höflich und zuvorkommend auf, ließ sich Antipathien nur selten anmerken, um nicht an Seriosität und Unvoreingenommenheit einzubüßen.



Manson war im Alter von 31 Jahren in die Dienste der Regierung eingetreten.

Nach erfolgreich absolviertem Studium und Erhalt des Professorentitels hatte er sich dafür entschieden als Biochemiker die Forschungen der Regierung voranzutreiben, erfüllt von Vaterlandsliebe und dem Glauben Gutes zu tun für die Allgemeinheit und das Volk.

Vor siebenundzwanzig Jahren jedoch ergab sich ein entscheidender, rückblinkend als fatal zu bezeichnender Wendepunkt in seinem Leben. Manson war damals 34 und hatte in diesem doch relativ jungen Alter alles erreicht, was man sich nur wünschen konnte: Er hatte einen gut bezahlten, soliden und zukunftsreichen Job, eine wundervolle Frau namens Rebecca, die er vor nicht allzu langer Zeit geheiratet hatte und stand kurz davor Vater eines süßen kleinen Mädchens zu werden.

Heute, mit 61, lagen ihm die „Trümmer” seines früheren Ichs zu Füßen. Seine Frau hatte ihn vor sehr langer Zeit verlassen und auch Freunde und Familie hatten sich von ihm abgewandt, nachdem er sich im Laufe der Jahre mit all seinen Kräften und Emotionen voll und ganz in seine Forschungen gehängt hatte und unzugänglich geworden war, für die, die ihn liebten.

Lediglich seine Tochter Judy, eine hübsche junge Frau von 26 Jahren, die in Lexington Jura studierte, hatte immer zu ihm gehalten. Obwohl er sie tausendfach verletzt und im Stich gelassen hatte über die Jahre, hatte sie ihn niemals aufgegeben. Selbst als ihre Mutter Judy bei der Scheidung vor die Wahl gestellt hatte sich für einen der Elternteile zu entscheiden, hatte sie sich für ihren „alten Herren” entschieden und war bei ihm geblieben. Von diesem Moment an hatte sich das Verhältnis von Manson und seiner Tochter langsam, aber sicher gebessert. Mittlerweile war sie zum einzigen Lichtstrahl in seinem trostlos düsteren Leben geworden. Er freute sich immer sehr über ihre Besuche. Judy gab ihm neue Hoffnung und frischen Mut, stärkte ihn jedes Mal aufs Neue.



Momentan jedoch saß er allein in seinem Wohnzimmer vor der aktuellen Ausgabe der Spätnachrichten im Fernsehen. Und wie immer, wenn er allein war und seine Stimmung einen absoluten Nullpunkt erreicht hatte, wäre das wieder einmal der passenden Moment gewesen um sich in Selbstmitleid zu suhlen, obwohl Manson sich dessen bewusst war, dass er sich seine Lebenssituation selbst zu verdanken hatte.

Doch heute war es anders; heute und die vergangenen drei Tage. Seine Gedanken kreisten um diese wirren Träume, die er die letzten paar Male gehabt hatte. Er versuchte darin einen Sinn zu erkennen. Jedoch merkte er alsbald, dass er sich damit nur selbst völlig verrückt und nervös machte. Aber er hatte das Gefühl, es nicht länger für sich behalten zu können. Er musste mit jemanden sprechen und er musste es *sofort* tun.

Wie in Trance griff Manson nach dem Telefonhörer, der auf dem Wohnzimmertisch gelegen hatte und ohne großes Überlegen, wem er sich anvertrauen könne, wählte er eine Nummer.

Er konnte es nur *ihr* erzählen.

Die Nummer wurde gewählt, das Freizeichen ertönte. Es klingelte schier endlose Male und Manson begann nervös mit den Finger auf dem Tisch herumzutrommeln.


Kommen Sie schon.... gehen Sie ran!



Sekunden, die ihm vorkamen wie Stunden, verstrichen, ehe sich ein junge Frauenstimme am anderen Ende meldete.

„Hallo?”

Gott, da war sie ja endlich!!

„Holly, hier spricht Peter.”

„Ach, guten Abend Professor Manson!” Unüberhörbare Überraschung in ihrer Stimme.

„Mit Ihnen habe ich nicht gerechnet. Was gibt es?”

„Himmel, ich bin vielleicht froh Sie erreicht zu haben!” Er seufzte erleichtert auf.

„Peter, ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie klingen nicht besonders gut.”

„Es geht mir gut. Machen Sie sich da mal keine Sorgen, Holly. Ich war oder besser gesagt *bin* aber zur Zeit sehr beunruhigt und muss deswegen dringend mit Ihnen reden.”

„Hmm, verstehe.” Pause. „Na ja, dann erzählen Sie mal.”

Manson schluckte und überlegte, wie er am Besten anfangen könnte.

„Ich weiß, dass sich das alles für Sie nach verrückten Spinnereien anhören wird, aber ich hoffe, dass Sie das ernst nehmen können. Für mich jedenfalls ist es das absolut.”

„Gut, hmm... tja, dann legen Sie los.”

„Ich...”, Manson räusperte sich verlegen, „ich habe seit drei Tagen ziemlich schlimme Träume.”



Er kam sich in dem Moment selbst ziemlich lächerlich vor; wie ein kleiner Junge, der seiner Mutter verängstigt vom „schwarzen Mann unter seinem Bett” erzählt. Nur mit dem winzigen Unterschied, dass die „Mutter” in dem Fall seine über 20 Jahre jüngere Arbeitskollegin war. Nichtsdestotrotz wusste Manson, dass er es jetzt loswerden musste oder es würde ihn wahnsinnig machen.



„Sie kommen mir so verdammt real vor und ich wünsche mir aufzuwachen und sie zu beenden, aber es passiert nicht. Und schließlich wache ich doch auf, schreiend und schweißgebadet, und weiß im ersten Moment nicht, wo ich bin, was passiert ist und ob ich das gerade eben real erlebt habe oder ob es wieder nur ein Traum war.”

Er wollte weiterreden, doch an dem Punkt brach seine Stimme ab. Einen Moment herrschte völlige Stille, dann begann Holly zu seinem Glück am anderen Ende der Leitung zu sprechen.

„Peter, ich kann ja verstehen, dass diese Träume Sie sehr nervös machen, aber schließlich sind und bleiben es nur *Träume*. Zudem ist es nicht verwunderlich, dass sie gerade jetzt bei Ihnen auftreten. Das spurlose Verschwinden von Doktor Catalan vor drei Tagen macht uns allen sehr zu schaffen und lässt uns auch allen Grund zur Sorge, aber...”

„Holly, nein, dass sind nicht einfach nur *irgendwelche* Träume. Natürlich erkenne ich auch, dass Michaels Verschwinden wohl der Auslöser dafür ist und natürlich mache ich mir genau wie Sie und der Rest unseres Teams große Sorgen um ihn, aber diese Träume beinhalten viel mehr. Hören Sie, mir kommen sie vor wie Visionen oder Prophezeiungen, für Geschehnisse, von denen Michaels Verschwinden nur ein winziger Anfang war. Holly, ich habe Angst, dass sie sich erfüllen werden und...”

„Peter, seien Sie nicht albern”, unterbrach sie ihn barsch. Sie klang jetzt nicht mehr so rücksichtsvoll und mitfühlend wie vor einem Augenblick noch. Die Verärgerung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Sie steigern sich da zu sehr hinein! Hören Sie, Peter, legen Sie sich ins Bett, schlafen Sie sich richtig aus und morgen wird es schon ganz anders aussehen. Wir müssen jetzt Ruhe bewahren und abwarten. Durch alles andere würden wir Doktor Catalan nur unnötig in Gefahr bringen, falls er sich *überhaupt* in einer gefährlichen Situation befinden sollte.”

Manson spürte, dass seine Kehle ganz trocken wurde. Diese Hilflosigkeit... er hatte geglaubt Holly würde ihn verstehen. Sie war seine einzige Hoffnung gewesen. Und nun das... Er fühlte vollkommene Verzweiflung in ihm hochsteigen und mit tränenerstickter Stimme konnte er nur noch sein letztes Argument hervorbringen.

„Ich.... ich habe uns alle tot gesehen! Holly, wir alle waren *tot*!! In jedem dieser Träume musste ich mit ansehen, wie einer meiner Mitarbeiter ermordet wurde... zunächst Catalan, dann Connor! Ich habe sogar von meinem eigenen Tod geträumt!!”

Er schüttelte heftig abwehrend den Kopf und begann nun regelrecht in den Hörer zu schreien und weinen und ließ der Frau keine Möglichkeit etwas zu erwidern. „Heute habe ich von Ihnen geträumt, Holly. Da war wieder dieser Kerl, in den Gängen auf unserem Forschungsgelände. Er war es, der auch unsere beiden Kollegen getötet hatte. Ich konnte sein Gesicht nie erkennen, aber es war immer der gleiche... in jedem Traum! Er hat auf Sie geschossen, Holly, und da... und dann ist er geflüchtet. Und Sie lagen da, regungslos, und überall war Ihr Blut!”

„Hören Sie endlich auf, Peter!” Sie schrie ihn durch den Hörer wütend an. „Ja, Sie haben recht. Ich halte Sie tatsächlich für wahnsinnig! Ich werde mir diesen Quatsch nicht länger anhören! Hören Sie auf auch noch andere damit verrückt zu machen!!”

Ehe Manson antworten konnte hörte er nur noch das Tuten am anderen Ende der Leitung... Sie hatte aufgelegt.







Samstag, 3.Februar

9.34 Uhr

Geheimes Forschungsgelände für Naturwissenschaften

Midway, Kentucky





Nach etwa vier Stunden Schlaf und einem eher bescheidenem Frühstück bestehend aus einer Tasse Kaffe und einer Scheibe Toast mit Käse durchschritt Susanne Modeski den Gang, der zu ihrem Forschungslabor führte.



Sie war in einer Laune, bei der man sich ihr besser nicht in den Weg gestellt hätte; andernfalls würde man eine Seite von ihr erleben, die man einer selbstsicheren, beherrschten Frau wie ihr nicht im Traum zuschreiben würde... das Biest in Person, sozusagen.

Dr. Catalans Verschwinden und der wirre Anruf von Prof. Manson gestern Nacht waren für sie wohl zu viel auf einmal gewesen . Zudem konnte sie auch nicht gerade von sich behaupten besonders viel Schlaf gehabt zu haben in den letzten Nächten. Wenigstens waren ihr irgendwelche verrückten Träume à la Peter Manson erspart geblieben. Sie seufzte und schüttelte leicht den Kopf, als sie an das Telefongespräch zurückdachte.



Dieser alte verrückte Kerl, dachte sie und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Natürlich war es nicht besonders mitfühlend über Manson zu schmunzeln angesichts der Tatsache, dass der Professor sich anscheinend zu Tode gefürchtet hatte durch diese Träume. Aber es war innerhalb des Forschungsgeländes von Midway bereits bekannt, dass Manson über die Jahre etwas senil und eigenbrötlerisch geworden war. Er hatte in der langen Zeit, in der er sich tatkräftig und engagiert an den Forschungen und Arbeiten gegen die Machenschaften der Regierung beteiligt hatte, mehrfach diverse „merkwürdige” Theorien aufgestellt und viele seiner reichlich schauerlichen Visionen geäußert, von denen aber alle bisher unbestätigt geblieben waren. Seine Mitarbeiter brachten ihm zwar größten Respekt und Annerkennung entgegen für seine Intelligenz, seinen wissenschaftlichen Instinkt und sein unglaubliches Fingerspitzengefühl bei den Forschungen, dennoch kam Manson vielen privat unheimlich und seltsam vor. Nur wenige vermochten es feinfühlig und gekonnt mit der schwierigen Art des Professors umzugehen und zu denen gehörte besonders sein Team bestehend aus Dr. Michael Catalan, Brian Connor und Susanne selbst, die seit ihrem vorgetäuschtem Tod in Las Vegas allen nur noch bekannt war als „Dr. Holly Fitzgerald”.



Susanne kam endlich an dem eigenen Labor des Teams an und schob ihre ID-Karte in die Kontrollbox links von der Eingangstür. Als das kleine Lämpchen grün aufleuchtete, drückte sie die schwere Tür fest auf und trat hinein.

Sofort entdeckte sie ihren Kollegen Brian Connor, der an dem großen Konferenztisch in einem Nebenraum des Labors saß und gedankenverloren mit einem Löffel in seiner Tasse herumrührte. Sie klopfte vorsichtig an, um Brian durch ihr plötzliches Hereinschneien nicht zu erschrecken. Durch die Fensterscheibe des Nebenraums hindurch konnte sie sehen, wie Connor trotzdem in sich zusammenzuckte durch das unerwartete Geräusch. Dennoch lächelte er ihr freundlich zu und winkte sie zu sich herein. Susanne betrat den Raum und stellte fest, dass Connor so wirkte, als sei er sehr froh und erleichtert sie zu sehen.



„Holly, endlich”, sagte er seufzend, als sie in einem Stuhl neben ihm Platz nahm.

„Oh je, wieder schlechte Nachrichten?”, fragte sie zögernd, als sie Brians besorgten Gesichtsausdruck bemerkte.

„Leider ja.” Er nickte und richtete seinen Blick in seinen dunklen Kaffee hinein. „Sehr schlecht sogar...“

Plötzlich bemerkte sie, dass Peter Manson fehlte. Sein Platz war leer. Neben ihn saß morgens für gewöhnlich Dr. Michael Catalan. Die Abwesenheit der beiden riss ein großes Loch in ihre Runde.

„Was ist denn mit Professor Manson?“, fragte sie unsicher. „Hast du mit ihm bereits gesprochen? Oder ihn überhaupt schon gesehen?“

Connor verzog das Gesicht, als hätte man ihm gerade große Schmerzen zugefügt.

„Um den geht es ja.”

Sie hielt den Atem an und spürte einen schmerzenden Stich in ihrem Herzen.

„Was... was ist mit ihm?”

Kein Antwort.

„Brian, verdammt, was ist los?”

Erst jetzt fiel ihr zum ersten Mal richtig bewusst auf, dass Brian die Angewohnheit hatte hektisch auf seinem Kugelschreiber herumzuklickern, wenn er nervös war. Merkwürdig eigentlich, dass ihr das vorher nie aufgefallen war, denn dieses Geräusch konnte einen in den Wahnsinn treiben.



Brian Connor hatte im Grunde so einige Macken und Eigenarten, die aber niemand als tatsächlich störend empfand. Im Gegenteil konnte er sie sogar zu seinem Vorteil nutzen, da die meisten diese Besonderheiten als liebenswert empfanden. Überdies war Connor sehr „pflegeleicht” im Umgang mit anderen Menschen, konnte sich gut und schnell anpassen und war sowohl als selbstständig Arbeitender wie auch im Team ein Profi.

Susanne selbst hatte sich schnell mit ihm anfreunden können und hatte bald zu ihm das engste Verhältnis von all ihren Kollegen entwickelt. Obwohl es ihr immer sehr schwer gefallen war Vertrauen zu anderen Leuten aufzubauen, hatte er es mit der Zeit vermocht, es ansatzweise zu gewinnen. Ihr Verhältnis würde zwar nie zu einer wirklich intensiven Freundschaft werden können, dafür hatte sich Susanne im Laufe der Jahr einfach ein viel zu großes Misstrauen Menschen gegenüber angewöhnt, aber es beruhte auf viel Sympathie und gegenseitigem Respekt. Sie bewunderte Connors Intelligenz und sein immenses Auffassungs- und Schlussfolgerungsvermögen und arbeitet aus dem Grund sehr gerne mit ihm zusammen.



Connor leerte mit einem letzten Schluck seine Tasse und fuhr sich nervös durch sein kurzes rötliches Haar, bevor er sich wieder fing und zu reden begann.

„Nun gut, ich will nicht groß um den heißen Brei herumreden. Ich denke ich habe dich lange genug auf die Folter gespannt“, begann er und sein Blick wanderte zu Susanne.

Er nickte nachdenklich, bevor er fortfuhr. „Gegen 23 Uhr letzte Nacht ist bei der Polizei ein Anruf eingegangen. Am anderen Ende war die aufgeregte Stimme einer Frau namens Gabrielle Anthony zu hören. Sie ist Professor Mansons Nachbarin und das schon seit vielen Jahren. Sie meldete einen lauten Schuss gehört zu haben... er kam aus Peters Haus!”

Susanne stockte der Atem. Sie spürte die Gänsehaut auf ihrem Körper. Ungläubig, aber wortlos schüttelte sie den Kopf. Connor seufzte schwer.

„Sicherheitshalber hat die Polizei einen Streifenwagen vorbeigeschickt. Als die Haustür auf vielfaches Klingeln hin nicht aufgemacht wurde, haben die Polizisten sie gewaltsam aufbrechen müssen. Sie fanden Professor Manson in der Küche.... er lag auf dem Küchenboden, umgeben von einer riesigen Blutlache.“

Brian schloss einen Moment die Augen, um die aufkommenden Tränen zu bekämpfen.

„Ist er... ist er ermordet worden?”, fragte Susanne mit zitternder Stimme.

Connor schüttelte den Kopf.

„Nein, soweit man das bisher sagen kann nicht. Es deutet alles auf einen Selbstmord hin!”

Einen Moment herrschte eine unangenehm beklemmende Stille zwischen den beiden und schließlich war es wieder Connor, der zu reden begann.

„So wie die Polizei es mir mitteilte, hat Peter sich durch einen Kopfschuss selbst getötet. Die Waffe lag dicht neben seinem toten Körper... sie trug seine Fingerabdrücke, ganz eindeutig.”

Er hoffte auf ein Kommentar, aber Susanne schwieg bedrückt...







Samstag, 3.Februar

20.56 Uhr

Susanne Modeskis Wohnung
Nicholasville, Kentucky





Ihre Wohnung war dunkel und still, als Susanne Modeski endlich nach Hause kam. Sie schaltete das Licht an und ging hinüber ins Wohnzimmer, um die Fenster zu öffnen. Es war unangenehm heiß und stickig...



Sie spürte, wie die Müdigkeit sich während der Heimfahrt in ihr breit gemacht hatte und ließ sich erschöpft auf das Sofa fallen. Schlaf, das hätte sie jetzt bitter nötig gehabt. Susanne konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal richtig ausgeschlafen hatte.



Doch auch jetzt würde sie wieder keinen Schlaf finden können. Nicht nach Prof. Mansons Selbstmord. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und flüsterte zu sich selbst „Das ist unfassbar...”

Susanne fuhr sich übermüdet mit der Hand durch ihr blondes Haar und über die Augen. Viele zusammenhangslose Gedanken spukten in ihrem Kopf herum, doch da sie keinen davon in eine bestimmte Richtung lenken konnte, beschloss sie sich abzulenken. Sie ging zu ihrer Stereo Anlage, schaltete sie an und fischte eine ganz bestimmte CD heraus. Die ersten Takte

von Madonnas „Gone” erklangen und Susanne schloss einen Augenblick genüsslich die Augen. Sie liebte dieses Lied. Zu den ruhigen Gitarrenklängen und Madonnas sanfter Stimme konnte sie richtig gut entspannen und abschalten.





Selling out
is not my thing
Walk away
I won’t be broken again
I’m not
I’m not what you think



Letting go
Is not my thing
Walk away
Won't let it happen again
I'm not
I'm not very smart
Rezensionen