World of X

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A day without rain

von Kjaelle

Kapitel 3

Die kalte Novembersonne stand am Himmel und ließ einen schmalen Streifen in Scullys Wohnzimmer in einem wundervollen Goldton erstrahlen. Sie lächelte, denn sie hatte das Gefühl, dass es wieder bergauf gehen würde. Dann stand sie auf, um zu duschen und sich gut anzuziehen und vor allen Dingen wollte sie sich schminken und sich wieder wie die wertvolle Dana Katherine Scully fühlen, die sie war. Danach wollte sie Dr. Parenti anrufen und ihn über seinen Trugschluss aufklären. Aber es war ihr noch immer unverständlich, wie die Tatsache, dass sie ein Kind erwartete, ihr den Lebensmut innerhalb von Sekunden wiedergeben konnte. Nachdem sie geduscht hatte, suchte sie sich Kleider aus dem Schrank, aber sie war vorsichtig bei jeder Bewegung, da ihre Rippen bei jeder falschen Bewegung schmerzten. Sie wollte auf keinen Fall etwas anziehen, was sie immer trug, also blieben alle dunklen Sachen im Schrank. Sie entschied sich für eine beigefarbene Jeans und einen lila Pullover. Schöne, schlichte Sachen, doch als sie bemerkte, dass sich die Jeans schwerer als sonst schloss, musste sie lächeln. Ja, sie musste ja auch schon in der neunten Woche sein und da diese Jeans schon immer etwas eng gewesen war, war es verständlich, dass sie nun nicht mehr so gut passte. Der Pullover betonte ihre Figur und beim Blick in den Spiegel musste sie lächeln. Dort stand nicht die Dana Scully der letzten Tage, sondern eine glückliche junge Frau, die bald ihr erstes Kind zur Welt bringen sollte. Gerade als sie mit allem fertig war, klingelte es an der Tür und sie wusste, dass es Mulder sein musste. Lächelnd öffnete sie und Mulder traute seinen Augen kaum. Dort stand nicht das zitternde Mädchen von heute Morgen, sondern eine selbstbewusste Frau, die ihn angrinste. „Komm rein“, meinte sie und er trat ein und lächelte ebenfalls. „Du siehst gut aus“, meinte er nach einer kurzen Pause und Scully nickte. „Irgendwie hat diese Nachricht mich verändert“, meinte sie und schaute ihn fragend an. Gerade wollte sie fragen, was Skinner gesagt hatte, da begann er schon. „Ich muss mit einem Team nach Louisiana um dort das Verschwinden einer Schulklasse aufzuklären.“ Scully nickte und musterte ihn dann weiter fragend. „Wer ist noch in dem Team?“ Mulder lächelte, „Farrah Karacuwee, Lasse Jansen und Ron Meyer.“ „Gute Wahl, Karacuwee ist gut und Jansen ist nett, okay, Meyer ist etwas ernst, aber auch okay.“ Sie gab ihr nüchternes Urteil ab und Mulder lächelte. Das war seine alte Scully, die so bezaubernd aussah. „Kommst du zurecht?“ Scully schaute ihn nickend an. „Ja, ich komme zurecht, es geht mir wieder gut und dieser Typ hat es nicht geschafft mich zu zerstören.“ Mulder nickte, doch er war noch immer besorgt, da er wusste, wie leicht die Hochstimmung umschlagen konnte. Wie leicht konnten die alte Angst und der alte Scham zurückkehren? Würde sie bald wieder weinend am Boden sitzen? Unfähig etwas zu tun? „Rebecca ist da, falls du jemanden brauchst.“ Scully verdrehte die Augen. „Ich weiß, aber ich bin kein kleines Kind mehr, ich kann allein auf mich aufpassen.“ Sie standen noch immer im Flur, aber da Mulder sowieso bald los musste, war es nicht so schlimm. Scully hatte die Hände vor der Brust verschränkt und schaute ihn scharf an. „Ja, natürlich nicht. Ich bin doch nur besorgt, weil du meine Freundin bist und ich nicht möchte, dass dir etwas passiert. Aber ich bin noch immer der Ansicht, dass du mit jemandem darüber reden solltest, was passiert ist. Aber nicht mit Rebecca.“ Zuerst wollte Scully ihm eiskalt die Kurzform dessen an den Kopf werfen, was sie erlebt hatte, aber sie wusste, dass sie das emotional noch nicht durchgehalten hätte, aber das mit Rebecca verblüffte sie doch. „Warum nicht?“ Mulder schüttelte den Kopf und schaute auf den Boden, „Es ist ihr auch passiert. Und es ist noch nicht so lange her.“ Scully nickte verstehend. „Klar, ich bin nicht die Erste, der das passiert ist. Aber Rebecca?“ Mulder nickte, zog Scully zu sich und legte seinen Arm um sie. Ihr Kopf lag an seiner Brust und sie wusste, dass das nur ihre Abschiedumarmung war. „Pass auf sich auf. Okay?“, flüsterte er und sie nickte und antwortete dann wahrheitsgemäß, „Ich kann aber nichts essen. Noch nicht.“ Mulder nickte und legte seine Hand in ihren Nacken. Ihre Haut führte sich so warm und sanft an. „Okay.“ Dann ging er und Scully blieb nachdenklich zurück.



Nun blieb sie allein in ihrer Wohnung und schaute raus. Der Himmel hatte sich wieder zugezogen und bald würde es wieder anfangen zu regnen, aber das störte sie im Moment nicht so besonders und deswegen schnappte sie sich ihr Telefon und schaute in ihren Laptop, da dort die Telefonnummer von der Praxis des Dr. Parenti stand. Sie fühlte sich aber unwohl bei der Sache, da sie nicht wusste, wie Dr. Parenti reagieren würde. So, wählte sie seine Nummer und sprach kurz mit ihm persönlich. Er meinte, dass das völlig unmöglich sei, aber sie solle, doch heute Nachmittag um 16.15 Uhr herkommen. Scully war erleichtert, als sie das Telefon auflegte und nun musste sie wirklich lächeln. Sie wusste, dass sie schwanger war und daran gab es, für sie, nichts mehr zu rütteln. Sie dachte daran, dass Mulder ihr gesagt hatte, dass sie unbedingt etwas essen musste, aber sie hatte seit jener Nacht kein Bedürfnis Nahrung aufzunehmen. Ja, sie trank genug, aber etwas zu essen? Nein, dass wollte sie nicht. Auch wenn sie nicht genau wusste warum. Es waren noch vier Stunden, bis sie weg musste und so entschloss sie sich, ein bisschen laufen zu gehen. Sie liebte es, es war ihre Art sich frei zu fühlen. Also zog sie sich ihre Joggingschuhe an, sowie ihre Sport Sachen und eine leichte Jacke, die so überhaupt nicht elegant aussah. Sie machte die Tür zu und ging aus dem Haus, die kühle Luft stieß ihr entgegen und sie rannte in Richtung eines kleinen Parks, der Park in dem sie Rebecca das erste Mal getroffen hatte. Normalerweise fuhr sie zum Laufen raus aus D.C. in einen Wald, doch sie wollte nicht erst im Auto sitzen und so rannte sie los, auch wenn ihre Rippen bei jedem Schritt bebten und sie sich fragte, warum sie das überhaupt machte. Sie lief schneller als sonst und sie keuchte schon nach ein paar Metern, aber sie hörte nicht auf, da sie sich jetzt verausgaben müsste, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Der festgetretene Sandweg knirschte unter ihren Schritten und dann, gerade als sie in ihrer schnellsten Phase war, öffnete der Himmel seine Schleusen und es begann zu gießen. Ja, dies war kein normales Regnen mehr. Der Regen klatschte nur so auf sie hinab, aber sie ließ sich nicht beirren, es war, trotz der Schmerzen, die sie empfand, wunderschön. Der Regen durchnässte sie innerhalb kürzester Zeit völlig, doch es war ich egal. Sie lief weiter, immer weiter, als würde sie davon rennen. Vor ihren Gedanken und vor der Realität. Plötzlich mischten sich der Regen mit ihren Tränen. Ja, sie rannen ihren Wangen herunter und sie schmeckte das salzige Wasser. Doch sie lächelte dabei. Dieser Lauf hatte etwas Reinigendes. Die Gedanken fielen von ihr ab, obwohl sie wusste, dass sie wiederkehren würden, doch das war ihr, als sie vollkommen nass wieder Zuhause war, vollkommen egal. Sie schälte sich aus ihren nassen Sachen und stellte sich wieder unter die Dusche. Das heiße Wasser rann über ihre Haut und hinterließ kleine, glitzernde Tropfen, die dann weiter liefen. Scully musste lächeln, ganz unbewusst, denn das erste Mal seit Tagen, hatte ihr Verstand wieder die Kontrolle über sie. Und der Verstand sagte ihr, dass sie sich nicht dafür zu schämen brauchte, was mir ihr passiert war. Es war passiert, aber deswegen würde sie sich nicht ihr Leben zerstören lassen. Nicht von diesem Mann und auch niemand anders konnte es zerstören, da es ihr Leben war. Und irgendwie schien es ihr im Moment auch gar nicht mehr so unangenehm Dr. Parenti zu sagen was passiert war. Es war passiert und es hatten schon hunderttausende Frauen vor ihr erlebt. Doch dieser Moment, ein Moment der Klarheit, würde vorübergehen und dann würden Verwirrung und Zweifel wiederkehren. Deswegen war es wichtig, dass sie diesem Augenblick höchste Aufmerksamkeit schenkte, was sie auch nach bestem Wissen und Gewissen tat. Dann zog sie sich wieder etwas formeller, da sie nun ihren Arzt aufsuchen würde.



Normalerweise hasste Scully es bei Dr. Parenti im Wartezimmer zu sitzen, da es ihr immer so vor kam, als würden diese glückliche Ehefrauen mit ihren Babybäuchen oder mit sabbernden Babys, sie mitleidig anschauen, da sie das alles nicht hatte, weil sie sich dazu entschlossen hatte mit Fox Mulder zu arbeiten und nicht den Weg einer durchschnittlichen Frau ging. Die einen Beruf erlernt und dann irgendwann in den Zwanzigern ihren Traummann kennen lernt, mit dem sie dann ein bis zwei Kinder bekommt und von dem sie sich, wenn die Kinder schon etwas älter sind, wieder trennt. Doch Scully war jetzt fünfunddreißig und hatte weder einen Traummann noch irgendwelche Kinder. Okay, die Sache mit dem Traummann war eine Sache für sich, sie wusste, dass sie Mulder liebte, und sie wusste auch, dass sie von ihm geliebt wurde. Aber sie war sich nicht sicher, dass es eine echte romantische Liebe war, denn früher hatte Scully nichts als rein freundschaftliche Liebe für ihn empfunden. Damals waren sie fast wie Bruder und Schwester miteinander umgegangen, doch seit einiger Zeit, wuchs eine Art von sexueller Spannung zwischen ihnen, die nicht zu leugnen war. Sie wusste einfach nicht, was sie fühlen sollte, aber, da war sie sich ganz sicher, mit einem Mann zu schlafen, kam für sie in nächster Zeit nicht in Frage. Obwohl, dass noch sehr freundlich ausgedrückt ist. Ja, sie ekelte sich davor, wieder von einem Mann auf sexuelle Weise berührt zu werden, da sie das Geschehene noch lange nicht überwunden hatte, obwohl sie im Moment so weit war, dass sie sich ihr Leben von diesem Mann nicht zerstören ließ. Es war passiert und es würde seine Zeit brauchen, aber im Moment zeigte sie sich nach Außen hin wieder als eine normale Frau.



Es gibt viele Arten von Liebe,

aber es gibt mindestens genauso viele Arten

sie zu zeigen.



Eine Stimme holte sie aus ihren Überlegungen zurück, denn sie wurde von Dr. Parenti ins Behandlungszimmer gerufen und sie erinnerte sich daran, wie es war, als sie, die junge Dana Katherine Scully das erste Mal beim Frauenarzt gewesen war. Damals war sie viel nervöser als jetzt gewesen, aber das war vergangen und sie wusste auch, dass dieser Moment niemals zurückkehren würde.

Dr. Parenti wies ihr den Sessel vor seinem Schreibtisch zu und musterte sie forschend. „Wie geht es Ihnen, Miss Scully?“ Scully zuckte zusammen und dann verkniff sie sich ein Grinsen, das aus heiterem Himmel kam. Wieso wussten immer alle über sie bescheid? „Dr. Bernstein hat mit Ihnen geredet?“, war ihre berechtigte Gegenfrage. Parenti nickte. „Ja, wir Mediziner tauschen uns über unsere Patienten aus, was aber nur zu Ihrem Vorteil geschieht, Miss Scully.“ Scully nickte. Ein Privatleben und Dinge, die wirklich privat waren, gab es für sie nicht mehr, seit sogar ihr Büro überwacht worden war. Von Mulders Wohnung ganz zu schweigen. „Sie denken also, dass sie schwanger sind, Dana?“ Er wechselte die Anrede, was Scully aber nicht störte. „Ich denke, dass ich es weiß. Es ist im Krankenhaus gestestet worden und der Test ist nun wirklich sehr, sehr sicher.“ Mit dem letzten Satz kam ein Lächeln auf ihre Lippen. Parenti nickte, „Ich werde es mir mal ansehen.“



Parenti untersuchte sie schnell und geradlinig und Scully war sehr froh darüber, dass er keine Bemerkung darüber machte, was geschehen war. Er nahm es hin und machte nur seinen Job, wofür Scully ihm sehr dankbar war. „Sie wissen, dass in vier, fünf Tagen die Fäden aus der Naht gezogen werden müssen.“ Sie wusste das, aber dennoch ließ es sie erschaudern, aber zum Glück hatte sie die Erinnerung gut verdrängt, denn ansonsten wäre sie hier und jetzt in Tränen ausgebrochen, da sie sonst den Schnitt des kalten Metalls in ihr, hätte fühlen können.

„Ja, natürlich weiß ich das!“, gab sie etwas patzig zurück und Parenti musste kurz lächeln. Ärzte sind die schlimmsten Patienten. „Von hier sieht eigentlich alles gut aus, aber lassen sie mich noch ein Ultraschall machen.“ Scully nickte musste sich nun auf eine Liege im Nebenraum legen. Das kalte Gel bereitete ihr eine Gänsehaut, aber sie wollte es jetzt wissen. Ihr Blick galt einzig und allein dem Bildschirm und da, gerade als sie sich auf eine größten Enttäuschungen ihres Lebens gefasst gemacht hatte, sah sie ihn, einen Embryo in der neunten Woche. Sie strahlte und es war ihr, als hätte ihr jemand eine zweite Chance gegeben, die Chance aus dem Leben der FBI Agentin auszubrechen und einfach nur glücklich zu sein. „Herzlichen Glückwunsch, Dana!“, meinte Dr. Parenti leise, denn war erstaunt, wie sich die sonst so spröde Dana Scully sich so leise und doch so wundervoll freuen konnte. „Es sieht gesund aus.“ Lächelte er ihr zu und sie nickte, war aber mit den Gedanken schon ganz wo anders. Jetzt war es wirklich real. Ein Kind, sie Dana Katherine Scully würde Mutter werden.



Scully strahlte noch immer, als sie wieder fertig und formal angezogen vor dem Schreibtisch von Meryl Ewen, der Sprechstundenhilfe von Dr. Parenti saß, die mit ihr die Formalitäten durchging. Scully wusste das meiste zwar schon, aber sie hörte Meryl trotzdem zu. „Hier sind ein paar Broschüren über die Schwangerschaft. Sie wissen zwar das meiste schon, aber schaden kann es nicht.“ Scully nickte und nahm die Broschüren und ihren ausgestellten Mutterpass, doch Meryl behielt sie noch ein Sekunde da. „Sie haben einen sehr gefährlichen Job, Dana, Sie sollten nicht zögern es dem FBI zu erzählen.“

Scully mochte solche Tipps nicht. Wusste sie nicht selbst am besten, was gut für sie war? Warum wollten ihr immer alle Leute sagen, was sie zu tun hatte. Ihr Bruder Bill, der sie für verrückt hielt, weil sie noch immer mit Mulder arbeitete, obwohl der ihr, seiner Meinung nach, ihr „normales“ Leben genommen hatte. Doch warum sollte sie auch normal sein? Sie war noch nie „normal“ gewesen, aus dem einfachen Grund, dass sie sich in der achten Klasse lieber mit Mathematik beschäftigt hatte, als über die neuesten Make up Kreationen zu unterhalten. Was ist schon normal? Das, was einundfünfzig von hundert machen? Und die anderen neunundvierzig sind dann unnormal? Oder wie soll das gehen? Dann war da noch Mulder, der ihr gern sagte, was sie zu tun hatte. Und jetzt eben die Arzthelferin von Dr. Parenti. Toll, sie meinten es zwar alle nur gut, aber es nervte sie trotzdem.



Die nächste Woche verlief gut für Scully. Sie ging ein paar Mal mit Clara auf den Spielplatz und hatte ansonsten ihre Ruhe. Sie las massenweise Bücher über die Schwangerschaft und ruhte sich einfach aus. Es war die perfekte Woche dazu, da es immer weiter regnete und sie keine große Lust verspürte in den kalten Regen nach draußen zu gehen und sich wieder nass regnen zu lassen. Aber sie war irgendwie glücklich. Die Freude auf das Kind ließ die Erinnerung jener Nacht verblassen und sie hoffte, dass diese niemals zurückkehren würde. Aber im selben Augenblick wusste sie auch, dass sich so etwas nicht auf immer und ewig einsperren ließ. Irgendwann würde es wieder hoch kommen, und dann würde es schlimmer sein, als in den letzten Tagen. Aber sie wollte sich ihre Kraft und ihre gute Stimmung nicht dadurch verderben lassen, dass sie zu einer Therapeutin rannte, die dann versuchte, das Geschehene mit ihr zu bewältigen. Allerdings hatte sie sich noch nicht dazu durchringen können, wieder etwas zu essen. Sie wusste nicht, warum sie nichts essen konnte, aber beim bloßen Gedanken daran, wurde ihr schlecht. Rebecca, der sie von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte und die sich königlich für Scully freute, hatte ihr gesagt, dass sie dünner geworden war und dass sie wieder anfangen sollte ordentlich zu essen. Ja, Rebecca hatte gut zu reden, sie kannte den Schmerz nicht, den Scully durchlebte. Oder war das nur Scullys Wahrnehmung? Sie telefonierte täglich mit Mulder, doch der Fall kam irgendwie nicht voran und Mulder hatte die Vermutung, dass es alles nur eine Fälschung war wovon die anderen Agenten aber nichts wissen wollten. Er freute sich für sie, da sie im Moment so zufrieden war und auf eine gewisse Weise, fühlte er sich als wäre er der Vater des Kindes. Ja, auf biologische Weise war er es auch, aber so, ganz normal? Im Grunde fand er es von Scully nicht richtig, dass sie ein Kind bekam, obwohl sie eigentlich keinen „echten“ Vater für das Kind hatte. Denn ein Kind braucht beide Elternteile und nicht nur die Mutter. Mulder selbst wusste das nur zu gut, da er seit dem Verschwinden von Samantha sozusagen keinen Vater mehr gehabt hatte. Die Telefonate waren nickt besonders persönlich, doch Scully wusste, dass Mulder nur darauf wartete, dass sie ihm etwas von ihren persönlichen Gefühlen in Bezug auf, ja eigentlich, alles, erzählen würde. Doch das würde so nicht funktionieren. Scully war keine Frau, die sich anderen Menschen leicht öffnete und persönliche Dinge besprach sie am Telefon schon gar nicht. Scully hatte ihrer Mutter auch noch nichts von ihrer Schwangerschaft erzählt, da sie damit bis nach der zwölften Woche warten wollte. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es noch nicht richtig war, mit ihrer Mutter darüber zu reden. Sie brauchte Zeit, um zu überlegen, wie sie das später eigentlich machen wollte. Wollte sie weiter an den X-Akten arbeiten und das Kind zu einer Tagesmutter oder in eine Kinderkrippe geben? Oder wollte alles ganz anders machen? Sie wusste es nicht.





Das einzige, was ich wirklich weiß, ist, dass ich nichts weiß.

(Sokrates)



Scully hatte sie Woche allein gut verlebt und war nun bereit wieder zur Arbeit zu gehen. Ja, sie freute sich schon darauf, wieder zu arbeiten. Mulders Fall würde sich noch über ein oder zwei Wochen hinziehen und in dieser Zeit, würde sie wahrscheinlich hauptsächlich Autopsien durchführen und vielleicht würde sie sogar Zeit haben das Büro aufzuräumen, auch wenn das Mulder ganz und gar nicht gefallen würde. Ja, es war sein Büro, aber da sie da auch arbeitete, hatte sie ja wohl ein Recht auf einen ordentlichen Arbeitsplatz. Aber vermutlich würde sie sowieso keine Zeit dazu haben, da Skinner ihr wohl genug zu tun geben würde. Soeben war sie vor Skinners Büro angekommen und da er sie erst um 9.15 Uhr erwartete und es 9.10 war, unterhielt sie sich noch etwas mit Skinners Sekretärin Kim Cook. Sie war durchaus nett, aber sie fand Mulder und Scully schon immer etwas merkwürdig. Sie unterhielten sich über triviale Dinge, wie das Wetter, bis Skinner aus dem Büro trat und sie kopfschüttelnd anschaute. „Sie können reinkommen, Agent Scully“, meinte er ruhig und Scully nickte. „Ja, Sir, ich dachte nur, dass Sie mich erst in fünf Minuten erwarten würden.“ Scully sprach sehr förmlich und wenn Nelson, Rebeccas Sohn, daneben gestanden hätte, dann hätte er sich über soviel Respekt und Anstand kaputt gelacht. Skinner schüttelte den Kopf und ließ Scully vor ihm eintreten. „Er ist nicht hier“, sagte er kurz angebunden und sie schaute ihn erst fragend an und nickte dann. „Wegen diesem Typ hätte ich nicht gewartet, Sir. Außerdem würde man den Rauch schon draußen riechen“, witzelte sie ein wenig und Skinner lächelte. Sie setzten sich und Skinner musterte sie. Er versteckte seine Besorgnis gut, aber Scully durchschaute ihn, sagte jedoch nichts dazu. Solle er doch denken, was er wolle. „Sie werden zunächst die Autopsie an einem Mordopfer machen. Es ist nichts Weltbewegendes“, sagte er steif und Scully nickte, als er ihr die Akte gab. Sie schaute sich die Akte kurz an und merkte, wie Skinner sie noch immer anschaute. Sein Blick war gemischt, zum einen spiegelte sich Anerkennung in ihm, aber auf der anderen Seite mischten sich Besorgnis und Ärger. Er merkte sehr genau, dass es Scully nicht gut ging und dass sie abgenommen hatte, sie war regelrecht abgemagert und versuchte ihre Augenringe und ihre Blässe mit genügend Make up zu vertuschen. Doch Skinner kannte solche Tricks und Scully konnte ihm, in dieser Beziehung, nichts vormachen.

„Warum arbeiten Sie schon wieder, Scully? Es ist gerade mal zweieinhalb Wochen her.“ Scully verstand genau, was er meinte, wollte es aber nicht verstehen. „Ich verstehe das nicht, Sir, es ist doch besser für das FBI, wenn ich arbeite, oder? Was haben Sie dagegen?“ Skinner schüttelte den Kopf, „Ja, Sie haben Recht, Agent Scully, aber ich verkörpere nicht nur das FBI. Ich bin zwar ihr Vorgesetzter, aber ich bin auch ein Mensch, der sich um das Wohl seiner Mitmenschen sorgt.“ Seine Augen funkelten und Scully wusste, dass sie ihm unrecht getan hatte. Ja, er war ein Mensch und er war vielleicht sogar ihr Freund. „Ich weiß.“ Sie schaute ihn an und Tränen waren in ihre Augen gestiegen, Tränen, die sie nicht ausleben wollte. Tränen, die sie nicht zulassen konnte. Ihr Gesichtsausdruck war schmerzlich und wissend. Sie wusste, dass Skinner sich Sorgen um sie machte, und sie wusste auch, dass es eigentlich viel zu früh war, um wieder zu arbeiten, aber sie hatte keine andere Wahl. Sie brauchte ihre Arbeit um wieder normal zu funktionieren und eigentlich brauchte sie auch Mulder. Aber er war nicht da und sie musste es ohne ihn schaffen. Das war ihre Aufgabe, die sie zu bewältigen hatte. Am liebsten hätte Skinner ihr gesagt, dass sie wieder Nachhause gehen sollte, um wieder gesund zu werden. Aber er wusste, dass es ein psychisches Problem war und es würde einer strebsamen Frau wie Scully nichts nützen, wieder nach Hause zu gehen. Mulder könnte ihr helfen, aber er war nicht da und Scully stand nun vor ihm und hatte ihm noch etwas zu sagen, das sah er ihr an. „Ich muss ihnen noch etwas mitteilen, Sir, es ist etwas Erfreulicheres.“ Plötzlich kam das Lächeln zurück auf ihre Lippen und ihre Augen wirkten glücklich. „Ich bin buchstäblich gezwungen es Ihnen zu sagen.“ Skinner ließ sie ausreden und fragte nicht zwischen, drängte sie nicht dazu, zum Punkt zu kommen, denn er wollte ihre empfindliche Stimmung nicht zerstören. Das Strahlen in ihren Augen nahm unbekannte Formen an. „Ich bin schwanger, Sir.“ Sie grinste und wartete schon fast genüsslich seine Reaktion ab, seinen Boss so zu überraschen hatte man doch nicht alle Tage. Sie konnte sehen, wie Skinner schluckte und seinen Blick für ein paar Sekunden senkte dann nickte er. „Ja, ich freue mich für Sie.“ Er war überrascht, und freute sich ehrlich für sie, aber in seinem Blick lag auch Besorgnis, denn er hatte das komische Gefühl, dass noch mehr auf Scully zukommen würde. Es war die Freude, jemanden anzusehen, der im Moment vollkommen glücklich war. Scully nickte und lächelte. „Ein Wunder der Medizin und der Technik, Sir.“ Sie wunderte sich über sich selbst, da sie ihm so eine offene Antwort gab, sie hatte nicht mal Mulder etwas von der Behandlung erzählt, aber Skinner erzählte sie nun, dass ihre Schwangerschaft ein Wunder der Technik war. Wohin sollte das nur führen? Skinner nickte, „Klar, also werden sie in den nächsten… Wie viele Monate? Keine besonders gefährlichen Fälle bekommen und Observationen sind für Sie gestrichen.“ Scully schlug gelassen die Beine übereinander, „Circa die nächsten einunddreißig Wochen, Sir. Und vielen Dank.“ Sie wollte aufstehen, doch Skinner hielt sie mit einer besorgten Frage zurück. Ihn machte das formelle gequatschte Scullys langsam wahnsinnig. „Kommen Sie, Dana! Sie können mir doch nicht erzählen, dass alles okay ist. Dass es Ihnen nicht gut geht, würde jedes kleine Kind erkennen. Ich sehe doch, dass Sie abgenommen habe und versuchen ihre Blässe unter genügend Make up zu verstecken. Können Sie mir bitte erklären, was das soll?“ Er hatte seine Stimme etwas angehoben, schrie sie aber nicht an, da er ein gutes Maß gefunden hatte. Scully zuckte zusammen. Sie war in letzter Zeit nicht gewohnt, dass so jemand mit ihr sprach, jeder hatte sich zurückgenommen und war freundlich zu ihr gewesen. Aber Skinner knallte ihr die Tatsachen auf den Tisch, wofür sie ihm auch nicht böse war. Nur erschrocken, da sie versuchte ihre augenblickliche Essstörung zu verdrängen, genauso wie das, was in jener Nacht geschehen war. Scully schaute starr auf den Schreibtisch und wieder stiegen ihr ein paar Tränen in die Augen. Sie weinte nun im Büro des Assistant Directors. Wie tief war sie nur gesunken? Das waren die Vorwürfe, die sie sich selber machte, ihr aber kein anderer machen würde. Doch sie weinte nicht mal. Nur sie sah sich selbst als Heulsuse, niemand sonst. „Ich weiß“, meinte sie vorsichtig und Skinner sah die Tränen, die an ihren Wimpern hingen. „Aber es geht weder Sie noch irgendjemand anders etwas an. Es ist meine Sache, was ich mache.“ Skinner schüttelte den Kopf und schaute sie fast mitleidig an. „Ja, es geht mich wirklich nichts an, aber es kann keinem Chef egal sein, dass seine Mitarbeiterin sich kaputt macht. Das darf niemandem egal sein. Und es ist mir nicht egal.“ Skinner sprach nun sanfter mit ihr, wenn Scully wüsste, was er gemacht hatte, um an ein Heilmittel für ihren Krebs heranzukommen, dann würde sie anders von ihm denken. Außerdem war er auch ein Mensch, dem auch etwas an seinen Mitmenschen lag. Er mochte Scully und Mulder und es war ihm verdammt nicht egal, dass Scully im Moment kurz davor war, sich selbst aufzugeben. „Ich bin Ihr Freund, Dana, bitte vergessen Sie das nicht.“ Scully nickte und meinte dann schärfer als beabsichtigt. „Aber es ist meine Angelegenheit und ich muss alleine damit klarkommen.“ Scully war eine durchaus starke Frau, aber sie war nie nur annähernd bereit eine Schwäche zuzugeben. Etwas wie, „Oh, das kann ich nicht so gut“, kam ihr nie über die Lippen und sie tat ihm leid, weil sie einfach nicht bereit war, sich helfen zu lassen. Skinner kannte nur einen Mann, mit dem sie vielleicht reden würde, doch dieser Mann war gerade in Louisiana und suchte eine Horde von Schulkindern. Dann kam Skinner plötzlich eine schreckliche Idee. Was wäre, wenn das alles nur ein abgemachter Plan wäre? Wenn man Mulder absichtlich weggelockt hätte, um Scully zu schwächen? Und um irgendetwas zu erreichen, das Skinner sich noch nicht vorstellen konnte, aber er behielt den Gedanken im Hinterkopf.



Nachdem Scully die Autopsie gemacht hatte, wollte sie nur noch nach Hause. Ihr war kalt und sie hatte das Gefühl, dass sie jeden Moment zusammenbrechen könnte. Sie fühlte sich ausgelaugt, emotional wie auch körperlich und sie wusste nicht, woher das kam. Normalerweise war eine Autopsie zwar anstrengend, aber sie hatte sich noch nie so erschlagen danach gefühlt. Es hatte ihr mehr zu schaffen gemacht, als sie jemals zugeben würde. Im Grunde war sie abgestumpft, wenn sie etwas Schreckliches sah, aber heute ging es ihr durch Mark und Bein. Es war, als hätte sie ihren mentalen Schutz verloren, einen Schutz, den sie sich über Jahre, und seit frühester Kindheit an, aufgebaut hatte. Ein Schutz, der dazu da war nicht verletzt zu werden. Aber nun fuhr sie nach Hause, und sie spürte, wie sie zitterte, als sie ins Auto einstieg. Das konnte doch nicht war sein!

Dann fuhr sie nach Hause.



Rebecca saß gemütlich in Claras Kinderzimmer und las ihr und Elias „Die Kinder aus Bullerbü“ vor. Clara hatte ihren Kopf auf ihrem linken Knie, während Elias sich an ihre rechte Seite kuschelte. Das Licht war gedämpft und Rebecca saß gegen Claras Bett gelehnt. Sie streichelte Clara über ihre blonden Haare, wohlwissend, dass diese schon fast eingeschlafen war, während Elias unbedingt weiterlesen wollte. Ja, die beiden konnten schon lesen. Aber was ist schöner, als wenn die eigene Mutter einem etwas vorliest? Rebecca lächelte und schaute zu Elias, der sich so friedlich an sie schmiegte. Und während des Lesens, dachte sie an Scully. Sie würde es wahrscheinlich niemals erleben, dass sich ihre Kinder an sie kuschelten und sie ihnen etwas vorlas. Ja, sie war schwanger, aber Rebecca wusste, dass das, wenn alles den „normalen“ Weg nahm, auch ihre letzte war. Scully war nicht unbedingt der Typ, der mehr als ein Kind bekommen würde. Sie arbeitete und außerdem war sie schon fünfunddreißig. Ja, Rebecca war nur ein Jahr älter, aber sie hatte auch mit zweiundzwanzig ihr erstes Kind bekommen. Und nun würde sie Zwillinge bekommen. Ja, diese Welt war ungerecht. Aber genauso wenig, wie Scully es sich vorstellen konnte, immer für vier Kinder dazusein, genauso absurd war es für Rebecca, Leichen aufzuschneiden. Rebecca hatte zwar mal gelernt, wie man Autopsien durchführte, aber da war sie knapp sechzehn gewesen und auch wenn sie nichts davon vergessen hatte, so hoffte sie, dass sie es niemals anwenden müsste. Doch jetzt las sie ihren Jüngsten etwas vor und war mit Liebe und Hingabe dabei. Über ihr, im zweiten Stock, hörte sie Imme, wie sie in ihrem Zimmer Cello spielte und das sanfte Spiel auf dem tiefen Instrument trug dazu bei, dass Rebecca sich wohl fühlte. Nelson schaute wahrscheinlich mit Vincent fern und so waren alle versorgt, bis auf Oma Betty, die im dritten und letzten Stock wohnte. Das Haus war sehr groß, aber da Rebecca wusste, dass sie noch mindestens zwei Kinder bekommen würde, war es angemessen.

Gerade, als sie Clara ins Bett legte und ihr noch einen Gute Nacht Kuss gab, um dann auch Elias in sein Zimmer, das nebenan lag, zu bringen, klingelte das Telefon in ihrem Zimmer, das auch auf dieser Etage lag. „Geh allein ins Bett, okay, Lias?“ Elias nickte. „Sagst du mir aber bitte Tschüss, wenn du wieder wegmusst?“, fragte er eindringlich und Rebecca nickte.

Dann spurtete sie in ihr Zimmer und nahm den Hörer ab. Es war eine abhörsichere Leitung. „Ja, hier ist Rebecca Parker?“ Sie hörte eine freundliche Männerstimme, „Hier ist Dylan. Wie geht es dir?“, fragte er und Rebecca antwortete schnell, „Es geht mir gut, ich bin schwanger. Aber das ist nicht der Grund aus dem du mich angerufen hast.“ „Herzlichen Glückwunsch. Nein, das ist nicht der Grund. Du bist doch mit dieser Dana Scully befreundet, ich habe eben ein Gespräch abgehört. Ihr Baby ist in Gefahr.“ Rebecca schüttelte den Kopf, „Was wollen „die“ denn von ihrem Baby?“ Dylans Stimme war sachlich, aber Rebecca lief kalter Schweiß über den Rücken. Was wollte man Dana eigentlich noch alles antun? „Sie wollen es wegmachen.“ Rebecca atmete tief durch. „Wo ist sie?“ „Sie wollen ihr auflauern, wenn sie aus dem Büro kommt.“ Sie schaute auf die Uhr, es war viertel vor sieben und so lange würde sie heute nicht arbeiten. „Okay, vielen Dank, Dylan, ich werde jetzt sofort losfahren.“ Dann hörte sie wieder seine besorgte Stimme, „Ruf doch lieber die Polizei, Rebecca. Bringe dich und dein Kind nicht unnötig in Gefahr.“ Rebecca verdrehte die Augen, „Bye, Dylan“.



Scully fuhr in Richtung Georgetown und die Tränen liefen ihre Wangen hinunter. Es war zuviel, viel zu viel. Ja, Mulder hatte Recht, sie konnte erst wieder richtig arbeiten, wenn sie wieder zu sich selbst gefunden hatte, wenn sie wieder die starke Dana Katherine Scully war. Doch im Moment wusste sie selbst nicht, wer, oder was sie war. Augenblicklich war sie nämlich eine Frau, die die Wahrheit, die Tatsachen verdrängte. Sie verdrängte es einfach. Die Vergewaltigung und ihre Essstörung, das einzige, was sie an sich heran ließ, war ihre Schwangerschaft, die Licht in die Dunkelheit brachte. Plötzlich merkte sie, dass ein weißer, großer Transporter immer hinter ihr her fuhr und sie nicht aus den Augen ließ. Und auch das Auto vor ihr war schon seit sie auf die Hauptstraße gefahren war, da. Was hatte das zu bedeuten? Was wollte man von ihr. Sie wusste es nicht. Als sie abbiegen wollte, drängte man ihr Auto in eine andere Straße, und wenn sie gut drauf gewesen wäre, hätte sie sich den Wagen in den Weg gestellt, doch nicht heute. Das silberne Auto vor ihr bremste, nachdem sie etwas aus D.C. rausgefahren waren. Sie verriegelte die Türen und zog ihre Waffe, doch es war schon zu spät, jemand hatte sich an ihren Wagen herangepirscht und die Tür geöffnet. Sie hatte es nicht bemerkt, da die Dunkelheit ihn geschützt hatte. Es war ein dunkler Weg, nah am Waldrand und Scully fragte sich noch immer, was diese Leute von ihr wollten. Der Mann war groß und kräftig und zog sie aus dem Auto. Sie konnte sich nicht wehren, da sofort ein anderer Mann kam und ihr die Waffe aus der Hand schlug. Es war so surreal, wieder hatte sie dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit. Wieder konnte sie sich nicht bewegen, aber nun wurde sie in den weißen Transporter getragen.



Nein. Nicht schon wieder, warum hilft mir denn keiner? Warum passiert das mit mir? Ich will das nicht. Ich will nicht schwach sein. Was wollen sie? Mein Baby? Bitte tut meinem Baby nichts! Ich will nicht, dass ihm etwas geschieht. Ich will doch nur ein gutes Mädchen sein. Warum? Warum? Nein.



Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und sie zitterte am ganzen Leib. „Was wollen Sie?“, schrie sie, doch niemand antwortete ihr. Die Männer trugen sie grob, aber sie hatte keine Kraft sich zu wehren. Sie war in den letzten Wochen so schwach geworden. Ihr Körper hatte jede kräftige, weibliche Form verloren, da sie über zehn Kilo verloren hatte und nur noch einundvierzig Kilo wog. Sie, die eigentlich immer eine weibliche Figur gehabt hatte, sah nun aus, wie ein Skelett und mental ging es ihr noch schlechter. Sie war nicht mehr sie selbst, die war nur eine schwache Kopie von der starken Frau, die noch bis vor kurzen gewesen war. Sie weinte und Tränen rannen ihre Wangen herunter.



Ein dunkelhäutiger Mann hielt sie fest, während ein anderer sie auf der Liege festschnallte. Sie hatte keine Kraft mehr, um sich zu wehren und auch nicht, um um Hilfe zu schreien. Sie lag einfach da und war geschockt. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr war schwindelig. Dann sah sie eine blonde Frau, die ihr eine Spritze in den Po gab und sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Diese Menschen wollten ihr das Baby nehmen. Die Frau hatte sie nur lokal anästhesiert, was hieß, dass sie wären der ganzen Prozedur wach sein würde.



Scully war festgeschnallt und konnte sich nicht bewegen, sie wollte auf keinen Fall, dass man ihr das Baby nahm. Es war so unschuldig, so zart und vielleicht hatte gerade dieses Kind eine große Zukunft, vielleicht. Aber aus rein rationaler Sicht war es nur ein Zellklumpen, dessen Herz aber schon seit drei Wochen schlug. Aber für Scully war es mehr als das, für sie war es die Erfüllung eines Traumes und die Hoffnung auf eine bessere Welt, in der sie endlich ihr Glück finden würde. Doch das sollte nun zerstört werden. Eine Frau zog ihr den Rock, die Strumpfhose und den Slip aus. Scully merkte, dass dieser Transporter von innen eher wie ein OP aussah und sie atmete tief durch, obwohl sie wusste, dass sie gleich sowieso das Bewusstsein verlieren würde. Vielleicht würde sie auch sterben, was ihr aber im Moment keine Angst machte. Zu oft hatte ihr der Tod schon im Nacken gesessen. Wenn sie sterben sollte, dann würde sie eben sterben, aber dieses unschuldige Kind. Dann sah sie den Schlauch, der ihr das Baby nehmen sollte. Sie schluckte und erinnerte sich daran, wie sie in der neunten Klasse, im Rahmen eines Aufklärungsprojekt, ein Referat über Abtreibungen gehalten hatte, und sie zu dem Schluss gekommen war, dass man aufpassen sollte, damit man so etwas nie brauchen würde. Aber jetzt würde es gegen ihren Willen gemacht werden und es kam ihr vor, als würde sie ein zweites Mal vergewaltigt werden, nur das die Folgen hier noch schlimmer waren. Dieses war die Absaug-Methode und sie wusste es. Als der Arzt den Schlauch in sie einführte und sie es auf eine groteske Weise trotz der Betäubung spürte, strömten ihr die Tränen aus den Augen. Tschüss, mein Baby. Tschüss Hoffnung. Tschüss, du qualvolle Welt. Dann verlor sie das Bewusstsein und am liebsten wäre sie mit ihrem Baby gestorben.



(Das sollte reichen, denn alles andere wäre jetzt überflüssig und ich würde es nervlich auch gar nicht durchstehen. Draußen ist wundervolles Wetter. Meine Schwestern sitzen draußen und quatschen und ich beschreibe eine Abtreibung, das ist so komisch, aber ich will es ja so.)



Rebecca zog sich eine Jacke über und verabschiedete sich von Vince, der sie nicht fragte, wohin sie gehen wollte, was auch keinen Sinn hätte, denn Rebecca würde es ihm sowieso nicht sagen, da er sonst versuchen würde, sie aufzuhalten. Sie rannte noch einmal rüber zu Scullys Wohnung und klingelte, aber es war keiner da, da ihr Auto auch nicht anwesend war. Dann ging sie hinaus und setzte sich in ihren quietschgrünen VW Lupo, um zum FBI Hauptquartier zu fahren, um Scully zu suchen. Dann erinnerte sich an ihr Kennwort, mit dem sie bei allen Regierungseinrichtungen als Sondermitarbeiterin registriert war. Das Kennwort war Grinsekatze. Rebecca hatte sich das Wort nicht ausgesucht, aber irgendwie war sie ganz zufrieden damit, zumal sie auch Prinzessin Leia hätte heißen können. Sie rief also mit dem Handy beim FBI an und ließ sich, dank ihres Kennworts runter ins X- Akten Büro durchstellen, doch dort war niemand. Rebecca bekam Angst und sie zitterte wieder, aber sie empfing keine Gefühle von Scully, was entweder ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Sie parkte ihr Auto und rannte so schnell wie möglich ins J. Edgar Hoover Building, um sie zu suchen. Rebecca wusste, dass das irgendwie keinen Sinn machte, aber aus einem morbiden Gefühl heraus, wollte sie zuerst im Gebäude nachsehen und sich Verstärkung holen, denn allein würde sie sie niemals finden, das wusste sie. Sie ging also zur Wache und holte ihren Sondermitarbeiterausweis hervor sowie das Kennwort und die Wache, ein junger Mann, ließ sie sofort durch.

Rebecca war schon einmal in diesem Gebäude gewesen und kannte sich eigentlich gut aus, doch die Wache, wies ihr eine weitere Wache zu, die aufpassen sollte, dass sie alles so schnell wie möglich fand. Rebecca war dankbar dafür, aber sie hatte auch das Gefühl, dass man sie kontrollieren wollte. So begleitete sie ein junger Mann, mit auffälligen dunklen Augen. „Was suchen Sie, Miss Parker?“, fragte er freundlich und Rebecca antwortete, „Nun, eigentlich suche ich Agent Scully, aber die ist schon weg, oder?“ Der Mann, nickte, „Ja, was ist denn?“ Rebecca schüttelte den Kopf, „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Agent Ryan, aber ich muss mit Assistant Director Skinner sprechen. Ryan nickte und führte sie zu Skinners Büro. „Sie haben Glück, Miss Parker, er ist noch da.“ Rebecca schenkte ihm ein dankendes Lächeln und ging dann schnurstracks zu Skinners Büro. Sie klopfte an die Tür und wartete, bis er sie herein bat, dann legte sie los, wie sie es immer tat. „Hören Sie mir jetzt ganz genau zu. Ich bin Sonderagentin „Grinsekatze“ und ich habe Grund zu der Annahme, dass das Leben von Agent Dana Scully in höchster Gefahr ist.“ Skinner kannte die Namen der Sonderagenten mit Decknamen, die nur in brenzligen Situationen vorbeischauten, auswendig, aber er hatte erst einen oder zwei von ihnen getroffen. Aber diese Frau hatte etwas Flehendes an sich, als würde ihr wirklich etwas daran liegen, dass es Scully gut ging. Ihre blonden Schulterlangen Haare und die blaugrünen Augen, strahlten eine derartige Wahrhaftigkeit aus, die wohl niemand leugnen konnte und Skinner war nah daran, sich auf den ersten Blick in diese zauberhafte Frau zu verlieben, doch er sah den Ring an ihrem Finger und die Art, wie sie ganz unbewusst die Hände auf den Bauch gelegt hatte, machte ihm klar, dass diese junge Frau, er konnte ihr Alter nicht schätzen, da sie so jung war, ihre Augen aber eine andere Sprache sprachen, schon vergeben war und bald Mutter werden würde. Aber er wusste, dass der Mann, der dieses Mädchen zur Frau hatte, sich glücklich schätzen musste, obwohl sie keine Figur hatte, die man, nach den normalen Maßstäben, als attraktiv betrachten könnte. Skinner fasste sich aber nach einigen Sekunden wieder, es ging um Scullys Leben? „Was ist mit Agent Scully?“, fragte er sachlich und Rebecca schüttelte den Kopf. „Starten Sie eine Suche, ich werde es Ihnen dann alles erklären. Sie müssen nach einem weißen Transporter suchen.“ Skinner glaubte der „Kleinen“, telefonierte schnell herum und benachrichtigte die Polizei während Rebecca daneben stand und ihn anschaute. Ja, er strahlte eine ganz natürliche Art von Autorität aus und wirkte absolut reif und bedacht. Sie mochte ihn auf den ersten Blick, aber sie war verheiratet und außerdem würde sie Vince, der sie abgöttisch liebte, so etwas nie antun. Nach etwa zehn Minuten schaute er zu Rebecca und meinte dann, „Sie suchen sie. Würden sie mir bitte erklären, warum?“ Rebecca schüttelte kurz den Kopf. „Sie haben doch gelernt, dass man die Anweisungen einer Nicknameagentin nicht hinterfragen sollte“, meinte sie grinsend und Skinner lächelte kurz. „Kommen Sie, wir werden jetzt Scully suchen? Sie haben in ihrer Wohnung schon geschaut?“ Rebecca nickte. „Ja, beeilen wir uns. Ich heiße übrigens Rebecca Parker, Sie brauchen mich also nicht Grinsekatze zu nennen.“ Skinner nickte, „Wie ich heiße, wissen sie sowieso schon.“ Rebecca nickte und fuhr sich mit ihrer Zunge über ihre roten Lippen, „Ja, das ist einer der Vorteile, wenn man Grinsekatze heißt.“ Was tat sie da eigentlich? Sie flirtete mit einem fremden Mann, der mit Sicherheit zehn Jahre älter war als sie. Aber sie spürte die Spannung zwischen ihnen und auch er schien sie zu spüren. Da strich sie ihre Haare zurück und Skinner wusste nicht, was er fühlen sollte, aber eins war sicher, in dem Moment, als sie ihn jetzt auch noch schüchtern anlächelte und die glänzenden Haare sich um ihre Finger schlangen, war es um ihn geschehen. Er hatte sich in sie verliebt. Doch er ließ es sich nicht anmerken, immerhin war er ja kein Teenager mehr. Rebecca lächelte. „Sie kommen mit mir, Miss Parker.“, meinte er förmlich und sie nickte, „Okay, wenn Sie das meinen.“ Er konnte den neckischen Ton in ihrer Stimme hören und lächelte in sich hinein. Sie folgte seinem schnellen Schritt in die Tiefgarage und den letzten Teil bis zum Auto liefen sie und sie setzte sich auf den Beifahrersitz. Dann fuhren sie los. „Sie kennen Agent Scully?“, fragte er nach einer Weile und Rebecca nickte. „Ja, wir sind befreundet. Diese Leute, die Sie auch kennen, wollen ihr ihr Baby nehmen.“ Auf einmal schaute Skinner sie scharf an, „Sind Sie sich sicher?“. Rebecca nickte traurig, „Ja, sehr sicher. Meine Quelle ist zuverlässig und glauben Sie mir, dass ist nun wirklich das letzte, was ich mir für sie wünsche.“ Skinner nickte, schwieg aber. Er genoss es ins geheim mit dieser Frau im Auto zu sitzen. In seinen Augen, war sie wunderschön und sie übte den Reiz des Verbotenen auf ihn aus. Auch wenn er noch mehr für sie empfand. Bisher hatte er nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt, aber jetzt wusste er nicht mehr, was er überhaupt glauben sollte. Sicher, er hatte seine Frau Sharon geliebt, wie man eben seine Frau liebt, aber dieses Mädchen war etwas Besonderes und mit Sicherheit keine Frau für eine Nacht. Das wusste er, aber er wusste auch, dass sie verheiratet war und bald Mutter werden würde und wie aus einem Traum fragte er sie, „Sie sind schwanger, oder?“ Rebecca schaute ihn bewundernd an. „Ja, woher wissen Sie das?“ Skinner schaute sie ernst an. „Ich habe gesehen, dass Sie ganz unbewusst ihren Bauch geschützt haben, als Sie in meine Büro reingestürzt sind“, meinte er sachlich und sie lächelte wieder. Und schaute dann auf die Straße, überlegte wo sie sie nur hingebracht haben könnten, denn sie war sich sicher, dass es schon vorbei war, da Dylan sie eigentlich immer erst im letzten Augenblick anrief. „Was denken Sie? Werden wir sie hier finden?“, fragte sie nach einer Weile, als sie schon eine halbe Stunde in Washington D.C herumgefahren waren. Skinner schüttelte den Kopf. „Nein“, gab er zerknirscht zu, „als sie entführt worden ist, haben sie sie ins Krankenhaus gebracht.“ Rebecca nickte. „Ja, sie wollen sie nicht töten, aber es gibt viele Krankenhäuser hier.“ Er nickte, „Fahren wir zum Washington Memorial.“. „Meinen Sie wirklich, dass die immer so an ihren Mustern hängen und nie etwas anders machen?“, fragte sie bohrend und Skinner lächelte sie an. Sie stellte auch wirklich alles in Frage. „Nein, aber die Erfahrung ist das einzige, was wir im Moment haben.“

Sie lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster, ihr Blick war nachdenklich und sie schaute in die Dunkelheit. „Was wollen die damit bewirken, dass sie ihr auch noch ihr Baby nehmen?“, dachte sie laut und Skinner antwortete. „Eigentlich müssten Sie mir das beantworten können.“ Rebecca schüttelte den Kopf. „Kann ich auch, es geht natürlich um die X- Akten. Nachdem sie immer wieder geöffnet und wieder geschlossen wurden, wollen sie Scully auf diesem Weg zum Aufhören zwingen, da Mulder dann auch nicht weitermachen würde…“ Skinner glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, hier plauderte eine Frau die Geheimnisse aus, die so sorgsam gehütet wurden. „Ich glaube das nicht, Miss Parker, was wollten Sie mir sagen?“ Rebecca schüttelte den Kopf, „Ich habe Ihnen schon zuviel gesagt“, wimmelte sie ihn ab. „Nein, eigentlich gefährdet die Arbeit an den X-Akten nur die Arbeit von Spenders Konsortium, aber das wirkliche Projekt der Regierung, dem Projekt, dem ich angehöre, gefährdet es keineswegs. Wenn wir die X-Akten schließen, dann tun wir das nur zur Sicherheit, der Agenten, die daran arbeiten. Denn unsere Arbeit lässt sich nicht mehr allzu lange verstecken.“ Skinner nickte. „Ich habe auch schon viel gesehen, aber ich glaube Ihnen nicht.“ Rebecca grinste schnippisch. „Müssen Sie auch nicht.“ Dann lächelte sie wieder, bis plötzlich Skinners Handy die Stille unterbrach. Er nahm ab und sprach ein paar Sekunden, er legte wieder auf. „Sie haben sie an einer Straße nah am Wald gefunden. Ihr Zustand ist kritisch.“ Rebecca nickte und schaute nach unten. „Sie bringen sie hierher ins Washington Memorial.“ Sie nickte wieder und sein Gesicht war wieder vollkommen ernst. „Müssen wir Agent Mulder informieren?“, fragte sie leise und Skinner schaute sie überrascht an. „Er ist in Louisiana, er wird nicht so schnell hier sein.“ Rebecca nickte. „Ich weiß. Aber er ist der einzige Mensch, der ihr helfen kann, damit klar zu kommen. Wahrscheinlich ist er auch der einzige Mensch, den sie sehen will.“ Er nickte, „Ja, das weiß ich auch, aber ich denke, wir sollten ihre Mutter benachrichtigen.“ „Ja, ich übernehme das“, meinte sie ruhig und Skinner fragte sich, ob Zuhause keiner auf sie wartete. „Rufen Sie Mulder an?“ Skinner nickte und so tätigten beide ihre Anrufe.

Danach gingen die beiden in die Eingangshalle des Krankenhauses und Skinner erkundigte sich nach Scully. Die Schwester am Eingang sagte ihm nur, dass er noch zu warten habe und sie gerade operiert wurde. „Wie hat Mulder reagiert?“, fragte Rebecca nach einer Weile und Skinner stellte eine Gegenfrage. „Sie kennen ihn wirklich, oder?“ Sie lächelte und schaute ihn dann aus ihren großen Augen an. „Ja, ich kenne ihn sehr gut.“ Skinner nickte und wunderte sich über dieses Mädchen, was für Geheimnisse kannte sie noch? „Wie Mulder eben reagiert, wenn Scully im Krankenhaus ist; sehr besorgt und er kommt schnellstmöglich hierher.“ Sie schaute kurz nach unten, um ihm dann fest in die Augen zu sehen. „Sie müssen hier nicht warten.“ Er schüttelte den Kopf, „Doch, das muss ich.“ Dann schwiegen sie wieder.





Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern

Des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

So nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern,

Aus deiner guten und geliebten Hand.



(Aus „Von guten Mächten“, Dietrich Bonhoeffer)



Scully erwachte langsam und sie stellte fest, dass sie schon wieder in einem Krankenhausbett lag. Sie schaute sich um und erblickte niemanden, doch sie hörte Stimmen im Flur. Sie kannte alle vier Stimmen und dann lächelte sie unwillkürlich, weil Mulder sich mal wieder mit Skinner stritt. Aber sie achtete nicht so genau darauf, denn sie hatte noch immer große Schmerzen und wagte kaum sich zu drehen. Und dann erinnerte sie sich daran, was passiert war. Das Baby. Am liebsten hätte sie vor Schmerz geschrieen, die seelische Pein war viel, viel schlimmer, als der körperliche Schmerz und sie erinnerte sich noch an ihren letzten Gedanken, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. Wäre sie doch bloß mit dem Baby gegangen. Sie wusste, dass dieser Wunsch falsch war, da es Leute auf dieser Welt gab, die sie liebten, aber das hatte im Moment nicht so viel Gewicht.



„Ich muss jetzt zu ihr“, Mulder war aufgebracht und schaute spitz in die Runde. Skinner focht die Diskussion mir ihm aus, während Rebecca und Schwester LaTrice daneben standen und sich, trotz der schrecklichen Lage, ein Grinsen verkneifen mussten. Ja, die beiden stritten sich wirklich wie zwei Kleinkinder, was sie Frauen, die beide eigene Kinder hatten, nur allzu gut sehen konnten. Es war schon zehn Uhr Morgens am nächsten Tag und Rebecca müsste jetzt eigentlich Deutschunterricht geben, aber sie hatte in der Schule und zu Hause angerufen, so dass sich alles geklärt hatte. Nur Vincent hatte ihr vorgeworfen, dass sie unverantwortlich mit ihrer Schwangerschaft umging. Ja, das würde bei einer normalen Frau auch stimmen, aber nicht bei Rebecca. Sie war für extreme Situationen geschaffen worden und sie brauchte eigentlich sowieso nur zwei Stunden Schlaf, bis auf die Zeit, in der sie schwanger war, da wurde sie allmählich wieder zu einer normalen Frau, aber sie war noch immer ungewöhnlich belastbar. Mulder schaute Skinner noch immer wütend an, bis Rebecca schließlich dazwischen ging. „Du sollst da noch nicht rein, Fox, weil du ihre Verletzung noch nicht kennst.“ Mulder fauchte sie wütend an und wenn Skinner und LaTrice nicht daneben gestanden hätten, dann hätte Mulder sie geschüttelt, um endlich eine Antwort aus ihr heraus zu bekommen. Doch Rebecca sprach seelenruhig weiter. „Beruhige dich erst mal.“ „Was ist mit ihr?“, schrie er sie an und kam gefährlich nahe auf sie zu. „Du und Maggie Scully, ihr werdet gleich mit Dr. Bernstein reden. Gedulde dich so lange.“ Doch Mulder wollte sich nicht gedulden, denn er war fertig mit den Nerven. Erst der lange Flug und er hatte seit etwa fünfzig Stunden nicht mehr geschlafen. Außerdem mischte sich Rebecca immer in alles ein. Am liebsten wäre er in Scullys Zimmer gerannt und hätte sich zu ihr gesetzt, ihr gut zugeredet und ihr gesagt, dass alles wieder gut werden würde. Aber Skinner, Rebecca und Schwester LaTrice hinderten ihn daran. Er wollte zu ihr, und das wollte er mehr als alles andere. So schubste er Rebecca mit einem sehr heftigen Stoß beiseite und sie flog auf den kalten Fußboden und blieb einen kurzen Moment besinnungslos liegen. LaTrice beugte sich zu Rebecca herunter und reichte ihr die Hand, damit sie wieder auf die Beine kam. Rebecca biss die Zähne zusammen. Sie spürte etwas Warmes ihr Bein herunterlaufen. Es war nur eine geringe Menge Blut, aber sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Dann ergriff sie LaTrices Hand, sie wusste, dass sie, wenn sie sich jetzt nicht schnellstens Zuhause ins Bett legte und die nächsten Tage auch dort blieb, eine Fehlgeburt erleiden würde. Das war ihr schon einmal passiert und sie hatte echt keine Lust darauf, dass noch einmal zu erleben. „Geht es?“, fragte sie und Rebecca schüttelte den Kopf.

Während LaTrice sich um Rebecca kümmerte, ging Skinner auf Mulder zu und funkelte ihn böse an. „Was haben Sie sich dabei gedacht, Mulder?“, meckerte er ihn in einem gemäßigten Tonfall an. Er wäre noch fortgefahren, wenn nicht Margaret Scully am Ende das ganzen aufgetaucht wäre. Sie sah sehr müde und abgehetzt aus und sie kam, als sie Mulder und Skinner sah, schneller auf sie zu und als sie vor ihm stand, fragte sie flehend, „Wie geht es meiner Tochter?“ Mulder schaute sie fragend an, und genau in dem Moment wurden sie von Dr. Bernstein gerufen. Rebecca blieb mit Skinner und LaTrice zurück. „Was haben Sie?“, fragte LaTrice noch einmal. „Ich bin schwanger und wenn ich mich nicht so schnell wie möglich hinlege, dann bekomme ich eine Fehlgeburt. Ich bin sehr hart auf den Bauch gefallen und ich merke das.“ LaTrice nickte. „Sie können sich hier erst mal untersuchen lassen“, schlug sie vor, aber Rebecca schüttelte den Kopf. „Nein, ich will nach Hause.“ Skinner nickte. „Ich fahre Sie.“ Sie lächelte dankbar, während LaTrice sich wieder an die Arbeit machte.



Mulder kannte Dr. Benstein ja schon und Maggie schaute ihn groß an, sie war eine starke Frau, aber im Moment hoffte sie, dass Dana genug Stärke besaß, um mit all dem fertig zu werden. Sie wusste von der Schwangerschaft ihrer einzigen Tochter, der Tochter, die ihr noch verblieben war. Mulder schaute sie ernst an und er sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Dr. Bernstein begann. „Miss Scully ist mit starken Blutungen hier eingeliefert worden. Irgendjemand hat bei ihr eine illegale Abtreibung durchgeführt, ist aber nicht zum Ende gekommen, da die Polizei sehr schnell vor Ort war und wenn sie später eingeliefert worden wäre, dann wäre sie an inneren Blutungen gestorben. Sie ist außer Gefahr und wir haben sogar ihre Gebärmutter retten können, aber der Embryo war schon abgegangen, als sie hierher gebracht wurde.“ Mulder hatte Tränen in den Augen und hatte das Gefühl, dass er zerspringen würde. Das konnte doch nicht wahr sein. Nicht schon wieder, und was sollte das letztendlich bringen? Er wusste es nicht, aber er konnte sich halbwegs vorstellen, wie es ihr jetzt ging. Es war das Schrecklichste, was sie je innerhalb so kurzer Zeit erlebt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sie damit umgehen würde und auch Maggie plagten die gleichen Gedanken. „Kann ich sie sehen?“, fragte Mulder und Bernstein nickte. Maggie bedankte sich und folgte Mulder. „Ich hasse diese Menschen, die ihr das antun!“, zischte und am liebsten hätte Maggie geantwortet, dass sein Hass Dana nicht helfen würde, aber sie behielt es für sich, da es keinen Sinn machte mit einem wütenden Fox William Mulder zu streiten.



My rival’s downfall is my own disgrace,

I look on the enemy and see Krishna´ s face.

Sri Aurobindo



Mulder betrat Scullys Krankenzimmer und sah die Leere in ihren Augen, die sich ihnen entgegenreckten und sie begrüßten. „Hi, Mum. Hi, Mulder“, meinte sie abwesend und Mulder kam zu ihr und küsste sie sanft auf die Wange. Doch sie lächelte nicht. „Du weißt, was dir passiert ist?“, fragte er, während Maggie sachte ihre Hand nahm und sie ganz fest drückte. Sie nickte und schaute zu ihrer Mutter. „Ich weiß es“, murmelte sie und Mulder stiegen Tränen in die Augen. Doch er erreichte sie nicht, da sie ganz woanders war. Es war noch anders, als nach der Vergewaltigung, denn jetzt war sie ganz weggetreten, sie antwortete zwar auf die Fragen, die man ihr stellte, aber sie war nicht da. Sie war an einem besseren Ort und Maggie und Mulder hatten das Gefühl, dass sie sich auf und davon machte. Ihr Körper war da und sie würde so auch normal weiterleben können, aber die echte Dana Scully, das, was sie ausmachte, war weg. Verloren gegangen in dem Chaos des Leidens, dass in ihrem Kopf herrschte. Es war nickt mehr sie, und Mulder kam es vor, als läge ihre Hülle dort und Teile ihres Verstandes dort, aber nicht sie.





Skinner und Rebecca gingen zu seinem Auto, er stützte sie und sie unterdrückte bei jedem Schritt ein Aufstöhnen, da ihr jeder Tritt wehtat und sie keine wegleidige Tussi war. Skinner hatte seinen Arm um ihre Taille gelegt und half ihr so, während er durch die Bluse die weiche, warme Rebecca fühlen konnte. Das Bild hingegen, wie die beiden so gingen, sah sehr lustig aus, da Rebecca vierzig Zentimeter kleiner war als Skinner. Doch was die anderen dachten, war ihnen ziemlich egal. Skinner half ihr ins Auto und fuhr dann sehr vorsichtig in Richtung Georgetown. „Seien Sie nicht böse auf ihn, er hatte in dem Moment nur Scully im Kopf“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen. „Bin ich nicht. Ich kenne Fox, er liebt sie mehr als alles andere und ich hätte mich nicht dazwischen stellen sollen.“ Skinner schüttelte den Kopf. „Sie würden eine hervorragende Agentin abgeben, Miss Parker.“ Sie lächelte. „Rebecca reicht schon. Danke, aber mein Status reicht mir schon. Außerdem ist es mir viel wichtiger Mutter zu sein.“ Skinner schaute sie schüchtern an. „Okay, Rebecca, dann bin ich aber Walter.“ Sie nickte. „Sicher doch.“ Er lächelte etwas und schaute sie dann fragend an. „Haben Sie schon ein Kind?“ Rebecca fing an zu lachen, es war ein glückliches lachen, das sie aber bald wieder einstellen musste, da das Lachen ihr wehtat. „Sie können mich nicht zuordnen, oder Walter?“, fragte sie zurück und er lächelte. „Ihr Alter kann man nicht schätzen. Aber ich denke, dass Sie Mitte zwanzig sind.“ Sie schüttelte verwundert den Kopf. „Bitte? Ich bin Mitte dreißig und ich habe vier Kinder.“ Er schaute sie überrascht an. Verarschte sie ihn nur? „Wirklich?“ Sie nickte wieder und lächelte ihm dann aufmunternd zu. „Ja, ich habe vier Kinder. Zwei Jungen und zwei Mädchen und wenn ich mich Zuhause hinlege und das jetzt wieder in Ordnung kommt, dann habe ich in sieben Monaten sechs Kinder.“ Er schaute sie ungläubig an. Oh Gott, in was für eine Frau hatte er sich nur verliebt. Eine Mutter, die glücklich verheiratet war und sowieso kein Interesse an ihm hatte. Oder irrte er sich? Doch sie lächelte ihm zu, als wüsste sie davon, was er für sie empfand.



Zwei Wochen später



Scully war aus dem Krankenhaus entlassen worden und war vollkommen in sich zurückgezogen. Sie wusste nicht, warum sie überhaupt noch lebte, denn für sie machte das Leben im Moment keinen Sinn mehr. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt und dabei konnte ihr auch kein Mulder helfen, sie wusste, dass sie letztendlich allein damit fertig werden musste. Nun saß sie auf ihrem Sofa in ihrer Wohnung, Mulder war bei ihr und hielt sie im Arm, doch sie empfand dabei nichts mehr. Sie spürte die Berührung, doch die Magie, die Geborgenheit, die sie sonst immer bei seinen Umarmungen gefühlt hatte, war nicht mehr da. Es war als wären alle Gefühle aus ihr geflohen und hätten nichts als Leere hinterlassen. Rebecca war auch anwesend sie saß auf einem Sessel und schaute Scully an. Scully hatte alle zu sich eingeladen, um ihnen etwas zu sagen. Auch ihrer Mutter und Imme war auch anwesend. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn Bill und Charles auch dabei gewesen wären, aber sie waren beide auf See und hatte keine Zeit für die Probleme ihrer Schwester. „Ich muss euch allen, die es noch nicht wissen, etwas sagen. Ich werde für eine Zeit wegfahren, denn ich bin nicht mehr ich selbst.“ Mulder schluckte und Maggie schaute ihre Tochter überrascht an. Beide wussten, wie viel Kraft es sie gekostet hatte, sich einzugestehen, dass sie Hilfe brauchte. „Du kannst doch hier bleiben, Dana, hier ist seine Familie und hier sind deine Freunde.“ Scully schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nicht, Mom, ich muss weg aus dieser Stadt und aus diesem Land. Ich brauche Abstand von allem hier.“ Mulder schaute sie traurig an. „Und wo wirst du hingehen?“ Sie schaute zu Rebecca und diese nickte. „Ich werde in Rebeccas Ferienwohnung nach Norddeutschland fahren.“ Jetzt verstanden Maggie und Mulder die Welt nicht mehr. „Aber du kannst doch überhaupt kein Deutsch!“, war Maggies Antwort, doch Mulder wusste, dass sie von ihrem Entschluss nicht abzubringen war. Sie brauchte diese Zeit und auch dieses neue Leben. Sie musste zuerst wissen, was sie wollte, bevor sie etwas machte. Denn eines war sicher, Dana Scully würde ein neues Leben beginnen und ob die X-Akten und er dazugehören würden, dass wusste niemand. „Imme wird übrigens mit kommen“, redete sie weiter und Imme strahlte, sagte jedoch nichts. Die Ferienwohnung lag auf einem Gut, das Rebeccas Cousin gehörte und dort war es echt märchenhaft. Da keiner von ihnen Scully hätte allein fahren lassen und Imme sich in Deutschland sowieso Zuhause fühlte, war es Scullys eigene Idee gewesen, dass Imme mitkommen sollte und so würde sie auch immer sein Stück Mulder bei sich haben.



Who can say

Where the road goes

Where the day flows

-only time

And who can say

If your love grows

As your heart chose

-only time



Who can say

Why your heart sighs

As your love flies

-only time

And who can say

Why your heart cries

When your love lies

-only time



Who can say

When the roads meet

That your love might be

In your heart

And who can say

When the day sleeps

If the night keeps

All your heart



Night keeps all your heart



Who can say

If your love grows

As your heart chose

-only time

And who can say

Where the road goes

Where the day flows

-only time



Who knows- only time

Who knows- only time



(Enya, Only Time)
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