World of X

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Teufelskreis

von XS

Chapter 1

Mitternacht.

Alleine dieses Wort und der Blick auf die Uhr, der ihr gesagt hatte, daß es jetzt zwölf Uhr war, ließen Tränen in ihre Augen steigen.

Als sie weinend in ihre Wohnung zurückgekehrt war, hatte sie sich tieftraurig, wütend und bitter enttäuscht auf ihr Bett gelegt. Sie hatte ihren Kopf in ihren Armen vergraben und hatte bei dem Geruch seines Parfums noch mehr heulen müssen.

Es war erst später Nachmittag gewesen, aber die Tränen hatten sie müde gemacht, so daß sie bereits nach wenigen Minuten eingeschlafen war, ohne es zu merken.

Und jetzt war sie aufgewacht. Sie konnte beinahe spüren, wie aufgequollen ihr Gesicht vom ganzen Weinen war. Und als sie auf die Uhr schaute, stiegen neue Tränen in ihr auf.

Mitternacht.

Mulder war inzwischen sicher wieder zu Hause eingetroffen, hatte den Brief gefunden und war zu seiner Verabredung gegangen.

Jetzt flossen erneut die Tränen. Sie hätte nie gedacht, daß es sie so mitnehmen könnte, daß Mulder sich mit einer anderen traf. Das hatte er schließlich auch schon früher getan. Und damals war es ihr doch auch egal gewesen...

Damals war es anders gewesen. Sie hatte sich noch nicht eingestanden, daß sie in liebte. Und trotzdem war da immer dieser Schmerz gewesen, der an ihr nagte.

Namen, Ereignisse, Fälle gingen ihr durch den Kopf. Detective Angela White, Dr. Bambi Beerenbaum, Agent Diana Fowley...

Sie hatte immer einen Stich gespürt. Und jetzt, da sie sich endlich eingestanden hatte, daß sie ihn liebte, mußte sie erfahren, daß sie nicht die einzige war. Und das traf sie jetzt natürlich doppelt schlimm.

Ein Bild blitzte einmal kurz vor ihrem inneren Auge auf. Sie sah sich rennen. Sie rannte und wurde langsam immer schneller. Sie war gehend gestartet und hatte eine lange Zeit ihre Geschwindigkeit beibehalten. Und erst zum Schluß des Rennens - ja, sie lief wohl in einem Rennen mit - hatte sie ihr Laufen beschleunigt. Und jetzt war sie beinahe an der Ziellinie angelangt und eine Schlucht erstreckte sich vor ihr. Jemand sagte ihr, daß fünf Minuten zuvor die darüberführende Brücke in die Schlucht gestürzt sei. Und jetzt schien sie selber in diese Schlucht zu stürzen und fand dabei nirgendwo Halt. Sie fiel immer weiter.

Und dieses Bild spiegelte so erschreckend klar und deutlich die Situation, in der sie sich befand, wider, daß sie wieder anfing zu weinen. Wieso hatte sie auch nicht früher angefangen zu rennen? Dann hätte sie die Schlucht überqueren können.

Sie schloß die Augen und wünschte sich, die Uhr zurückstellen zu können. Vielleicht drei Monate, vielleicht drei Jahre. Und dann würde sie anfangen zu rennen. Auch wenn sie wußte, wie unmöglich ihr Wunsch war, gab sie sich diesem Traum hin und schlief wieder ein, um in unruhige Träume zu verfallen...

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0:10 Uhr

Mulder trat aus seiner Dusche und warf sich ein Handtuch über. Es tat so gut nach einem so stressigen Tag wie heute, eine heiße Dusche nehmen zu können. Obwohl er todmüde gewesen war, als er etwa 20 Minuten zuvor seine Wohnung betreten hatte, hatte er der Verlockung einer heißen Dusche nicht nachgeben können. Und jetzt fühlte er sich frisch und ausgeruht und hatte nicht das Bedürfnis sofort schlafen zu gehen. Aber andererseits hatte er morgen frei und wollte nicht den ganzen freien Tag verschlafen, nur weil er heute zu spät ins Bett gegangen war. Er griff nach seiner Uhr, die er beim Hereinkommen auf den kleinen Tisch in seinem Bad geworfen hatte. Mit einer Hand trocknete er sich die Haare ab, daher achtete er nicht darauf, wonach er griff. Er tastete einige Sekunden vergeblich auf der Oberfläche herum und berührte schließlich einen Zettel. Seine Sinne waren sofort in Alarmbereitschaft versetzt. Das Handtuch, mit dem er eben noch sein Haar abgetrocknet hatte, schlang er sich um die Hüften und er griff nach dem Zettel. Vielleicht war einer seiner Informanten hier gewesen. In seiner Wohnung... Mulder schauderte und warf einen Blick auf den Zettel.

Hallo Liebes,

ich liebe Dich so sehr, Darling,

triff mich um Mitternacht

Er konnte nicht glauben, was er dort las und ließ seine Augen noch mehrere Male über die wenigen Zeilen wandern. Als er endlich glauben konnte, daß dieser Zettel mit diesen Worten wirklich existierte, arbeitete sein Gehirn weiter. Es war keine Unterschrift unter dem Brief, aber Mulder zweifelte nicht einen Augenblick daran, von wem seiner Meinung nach der Brief stammte. Es gab nur eine Person, die ihn geschrieben haben konnte und er lächelte. Auch wenn es bereits nach Mitternacht war, mußte er dorthin; er konnte sie nicht enttäuschen. Schnell zog er sich an, nahm seine Autoschlüssel und warf einen schnellen Blick auf seine Uhr.

0:25 Uhr.

Ja, er war spät dran, aber er konnte ja erklären, wieso er so spät kam. Die Hauptsache war doch, daß er überhaupt da sein würde...

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Mulder zog seine Appartementtür zu, schloß sorgfältig ab und drehte sich um. Er sah direkt in zwei eisgraue Augen, die ihn musterten.

„Wo willst Du denn noch hin?“

Die Stimme klang genauso stechend wie die Augen, die jetzt ihren Blick auf seine Hände richteten.

„Ah, wie ich sehe, hast Du meine Nachricht doch erhalten.“

Mulder sah auf den Zettel, den er in der Hand hielt. Tausende Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er fühlte sich plötzlich so leer und kraftlos.

Als er wieder aufschaute, sah er die Lippen auf sich zukommen und reagierte reflexartig. Er stieß die Person von sich.

„Diana! Nein!“

Er fühlte sich überrumpelt, aber der leichte Anflug von Wut, der ihn überfiel, ließ ihn Kraft schöpfen.

„Aber ich dachte...“

Er ließ sie nicht ausreden.

„Dann solltest Du nicht so viel denken. Aber wenn Du’s genau wissen willst: ich habe fest damit gerechnet, daß der Zettel von einer anderen Person stammt...“

„Aber...“

„Und jetzt gib mir bitte den Schlüssel, mit dem Du in meine Wohnung gekommen bist. Ich werde nicht zweimal bitten...“

Böse funkelte Diana Fowley ihn an. Dann griff sie wütend in ihre Tasche und ließ den Schlüssel in Mulder’s ausgestreckte Hand fallen.

„Du willst Krieg? Dann bekommst Du ihn...“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand schließlich im Fahrstuhl.

Mulder starrte auf seine Hand, in der der Schlüssel lag.

*Du willst Krieg? Dann bekommst Du ihn...*

Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Er wußte zu genau, welche mächtigen Freunde Diana besaß.

Seufzend drehte er sich wieder um und betrat seine Wohnung , nachdem er nur einen Schritt vor die Tür gegangen war.

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Sie war wieder aufgewacht. Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihr Gefühl, nicht lange geschlafen zu haben.

1:19 Uhr.

Sie hatte einen Alptraum gehabt, an den sie sich aber nicht mehr erinnern konnte. Sie wußte, daß sie jetzt erst einmal nicht mehr schlafen können würde. Sie war zu aufgewühlt. Der letzte Nachmittag und der Traum waren zu aufreibend gewesen. Beim Gedanken an den Nachmittag stiegen wieder neue Tränen in ihr auf. Unwirsch wischte sie sie weg. Sie würde jetzt gerne wissen, was er machte...

Nein. Sie wollte es lieber nicht wissen. Sie konnte sich zu genau denken, was er gerade tat. Sie mußte sich irgendwie ablenken. Ihr Blick fiel auf ihr Tagebuch, das auf ihrem Nachttisch lag. Normalerweise verstaute sie es in einer Schublade, aber nach dem letzten Eintrag, in welchem sie sich über ihre Gefühle klargeworden war, war sie sofort zu seiner Wohnung gegangen.

Sie las nicht, was sie zuvor geschrieben hatte. Sie wußte, daß es hoffnungsvoll klingen würde. Zu hoffnungsvoll nach der Enttäuschung, die sie erlebt hatte. Sie schlug eine Seite um und fing an, zu schreiben. Ohne recht nachzudenken reihte sie die Worte aneinander.

„Ich habe heute geweint. Wieder. Und dabei ist mir etwas klargeworden. Ich war niemals besonders stark. Aber wenn ich aus Trauer zusammenzubrechen drohte, dann hatte ich jemanden, auf den ich mich verlassen konnte und der mich wieder aufgebaut hat. Und dieser jemand warst Du. Ja. Du warst immer für mich da, wenn ich Dich brauchte. Und jetzt bist Du nicht da. Ich weine, weil Du nicht da bist, nicht bei mir sein und mich trösten kannst. Und die Tatsache, daß niemand für mich da ist, der mich so zu trösten weiß, wie Du, macht es noch schlimmer. Und dann weine ich noch mehr. Und dann wird mir klar, daß ich Dich brauche, wie die Luft zum Atmen. Mir wird klar, daß ich nicht mehr ohne Dich leben kann und will. Mir wird klar, daß ich Dich über alles liebe. Und dann weine ich noch mehr, weil ich es Dir nicht früher gesagt habe und ich es Dir jetzt immer noch nicht sagen kann. Ich weine, weil der Schmerz einfach zu groß ist. Ich kann ihn nicht länger ertragen. Nicht alleine. Aber ich habe keinen, der mir etwas von diesem Schmerz abnehmen könnte, außer Dir. Und Du kannst nicht bei mir sein. Und wenn Du es wärst, dann wäre der Schmerz nicht da den Du lindern könntest. Du bist meine einzige Rettung aus diesem Teufelskreis. Und nur eines kann für den Moment den Schmerz ein wenig lindern: Die Gewißheit, daß ich Dich liebe!“

Sie setzte den Stift ab und wischte die Tränen weg, was eigentlich unsinnig war, denn die meisten Tränen waren bereits auf das Papier getropft. Sie wollte das Buch gerade zur Seite legen, als sie durch ein kräftiges Klopfen an ihrer Tür erschrocken zusammenfuhr.

*Wer konnte das sein?“*

Sie wischte schnell die letzten Tränen weg und ging zur Tür. Sie war so neugierig und immer noch so aufgewühlt, daß sie erst, als sie das Sofa streifte, bemerkte, daß sie noch immer ihr Tagebuch in der Hand hielt.

Wieder ein Klopfen. Noch kräftiger, wenn auch noch nicht aufdringlich. Kurz entschlossen legte sie das Buch auf ihr Sofa. Um diese Uhrzeit würde sie ohnehin niemanden mehr in ihre Wohnung lassen. Sie sah durch den Spion und wich erschrocken zurück.

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