World of X

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Twilight

von Mona

Kapitel 1

Wie oft lag ich wohl wach in meinem Bett, seit jenem schicksalhaften Maitag vor ungefähr einem halben Jahr an dem sich mein Leben komplett verändern sollte? Wie oft hatte ich mich gefragt, ob es so etwas wie das Schicksal tatsächlich gab. Ob wirklich alles, was einem in seinem Leben wiederfährt bis ins Detail vorausgeplant ist. Jeder Schmerz, jeder Kummer, jede Freude, jedes Glück. Wäre der Mensch dann nicht nur ein Spielball in der Hand einer göttlichen Macht? Was dann mit der Freiheit und der Selbstbestimmung des Menschen? Oder sollte der Mensch sein Leben durch sein Verhalten beeinflussen können? Was hatte ich dann aber falsch gemacht? Was hatte Scully falsch gemacht? Hatte sie es etwa verdient so jung zu sterben?

Fragen über Fragen, die jede Nacht wie eine Bohrmaschine mein Gehirn nach Antworten durchbohrten und mich um den Schlaf brachten. Hätte ich es ändern können? Hätte ich nicht auf sie hören sollen? Hätte ich dann aber als Freund nicht völlig versagt?

Manchmal schwirrten diese Gedanken so stark durch meinen Kopf, dass ich es ohne Schmerzmittel nicht mehr ausgehalten habe. Skinner hatte mich beurlaubt. Er sagte, ich könne jeder Zeit zurückkehren, wenn es mir besser ging. Die Frage war nur, ob ich es dann tatsächlich konnte, ob ich dieses Büro je wieder betreten könnte, wo mich alles an sie erinnerte, ob ich diesen Job ohne sie überhaupt machen konnte.

Wie sollte man arbeiten, wenn man kaum schlafen konnte und, wenn man es einmal geschafft hatte einzuschlafen kurze Zeit später durch immer dieselben schrecklichen Bilder aufgeschreckt wurde. Immer wieder sah ich Scullys Wagen die Landstraße entlang fahren. Hörte ihre Stimme, wie sie leise die Songs mitsingt, die im Radio laufen. Dann beginnt es auf einmal schrecklich zu regnen. Ich hörte wie die Tropfen auf das Dach ihres Autos prasseln, wie sich die Scheibenwischer hin und her bewegen. Wie in Zeitlupe sehe ich dann dieses Reh vor Scullys Wagen springen. Sie weicht instinktiv aus und prallt gegen den entgegenkommenden Truck. Sie hat keine Chance. Ihr Wagen überschlägt sich mehrmals und kommt schließlich auf einem Acker zum liegen. Immer wieder habe ich diese Bilder wie einen Film vor meinem inneren Auge ablaufen sehen. Immer wieder sah ich ihr blutüberströmtes Gesicht auf dem Lenkrad liegen. Und immer noch prasselt der Regen auf das Auto.

Was die Phantasie eines Menschen doch alles für Bilder produzieren kann! Ich war bei dem Unfall selbst nicht dabei, weiß alles nur durch die Rekonstruktion der Polizei und doch sah ich diese Bilder, als wäre ich selbst dabei gewesen, als hätte ich neben Scully im Wagen gesessen. Was hatte sie wohl in dem Moment gedacht, als sie erkannte, dass sie dem LKW nicht ausweichen können würde. Dachte sie an den Tod? Dachte sie an das Reh, dem sie damit sein Leben gerettet hatte? Dachte sie vielleicht an mich, oder an etwas völlig anderes?

Jede Nacht sah ich diesen Film aufs Neue. Jede Nacht hörte ich mein Handy erneut klingeln:



„Mulder“, meldete ich mich in der Hoffung Scullys Stimme am anderen Ende des Apparates zu hören, die mich fragte, ob wir unseren freien Tag nicht zusammen verbringen könnten.



„Mulder, hier ist Skinner“, meldete sich stattdessen die Stimme des Assistant Directors.



„Sir? Was gibt’s, dass Sie mich persönlich anrufen? Fällt unser freier Tag mal wieder ins Wasser? Scully wird nicht begeistert sein!“, witzelte ich noch.



„Mulder, es ist etwas passiert“, druckste er herum.



„Sir?“, fragte ich alarmiert.

„Was ist los?“



„Agent Scully hatte einen Autounfall. Es sieht nicht gut aus.“



Für einen Moment schien die Zeit stehen zu bleiben, meine Atmung und mein Herz auszusetzen. Die Worte wiederholten sich in Zeitlupe vor meinem inneren Ohr.



„Mulder? Sind Sie noch da?“, holten mich Skinners Worte in die Realität zurück.



„Ja, Sir. In welchem Krankenhaus ist sie?“, fragte ich, fast schon panisch.



„Washington Memorial. Sie wird gerade operiert.“



„Ich bin sofort da.“



Ich knallte den Hörer auf die Gabel, schlüpfte in meine Regenjacke und stieg in mein Auto. Wie ein Irrer raste ich durch die Straßen Washingtons. Heute bezeichne ich es als ein Wunder, dass ich keinen Unfall verursachte, geschweige denn nicht mal geblitzt wurde. Doch ich konnte Skinners Worte einfach nicht vergessen: *Agent Scully hatte einen Unfall. Es sieht nicht gut aus*. Wie schlecht war *nicht gut* jetzt tatsächlich? Würde sie nicht mehr arbeiten können? Würde sie vielleicht entstellt sein? Würde sie vielleicht gerade in diesem Moment, in dem ich die Unfallstation betrat um ihr Leben kämpfen?

Ich steuerte geradewegs auf Skinner zu, der in einem der Stühle auf dem Gang saß.



„Wie geht es ihr?“, fragte ich besorgt.



„Sie wird immer noch operiert.“



„Sir, sagen Sie mir die Wahrheit. Wie schlimm ist es?“



Skinner sah mich nur kurz an und senkte dann den Kopf. Diesen Blick werde ich nie vergessen.



„Die Ärzte befürchten, dass sie es nicht schaffen wird.“



Das war der nächste Satz, der wohl für ewig in meinem Gedächtnis verankert sein wird.

*Die Ärzte fürchten, dass sie es nicht schaffen wird*.

Wie konnte das sein? Wie konnte sich das Leben von einer Sekunde zur anderen nur so ändern? Vor einer halbe Stunde hatte ich mich noch auf meinen freien Tag gefreut, hatte gehofft, dass Scully mich anrufen würde, um ihn mit mir zusammen zu verbringen. Und jetzt saß ich hier und hoffte, sie überhaupt noch einmal lebend wiederzusehen. Eine Millisekunde, die Zeit eines Wimpernschlages, hatte mein Leben - Scullys Leben - völlig verändert.



Ich ließ mich neben Skinner in den Stuhl fallen und starrte vor mich hin. Das Wasser tropfte von meiner Jacke und sammelte sich am Boden in einer kleinen Pfütze. Es war mir unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Nur Fetzen durchflossen mein Gehirn. Erinnerungen, Sorgen, Angst, dann doch wieder ein Funken Hoffnung. Scully würde bestimmt nicht aufgeben. Sie war eine Kämpferin. Zu dieser Zeit ahnte ich noch nicht, dass sie bald das Unmögliche von mir fordern würde.

Ich blickte immer wieder auf die Uhr. Die Zeit schien zu verrinnen. Jede Sekunde in der die Tür zum OP nicht aufging und eine Schwester mit der Schreckensbotschaft heraustrat, war so unendlich wertvoll. Gleichzeitig wollte man endlich Gewissheit haben. Irgendwann, ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit bereits vergangen war, hielt ich es nicht mehr aus. Ich wäre fast in den OP gestürmt, hätten Skinner und ein Pfleger mich nicht aufgehalten und wieder zur Vernunft gebracht. Aber die Zeit verlor hier einfach jede Dimension. Eine Sekunde kam mir vor wie eine Minute, eine Minute wie eine Stunde.

Endlich kam eine Ärztin.



„Wie geht es ihr?“, fragte ich und sprang auf.



„Sie hat es überlebt, aber ihr Zustand ist noch kritisch. Sie hat schwere innere Verletzungen und ist noch nicht bei Bewusstsein. Auch ihr Herz ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Sie wird wohl nie mehr Sport machen, oder sich sonst sehr anstrengen dürfen. Wir haben sie in ein künstliches Koma versetzt, um ihr die Schmerzen zu ersparen. Sie wird wohl erst in den nächsten Tagen aufwachen. Erst dann können wir weiteres sagen. Am besten, Sie fahren nach Hause und ruhen sich erst mal aus.“



Ich musste die Worte der Ärztin erst mal verdauen. Scully kämpfte hier um ihr Leben und ich sollte nach Hause fahren?



„Kommen Sie, Mulder, ich bringe Sie nach Hause. Hier können Sie sowieso nichts tun“, bot mir Skinner an.



„Nein, Sir. Ich bleibe hier. Ich möchte sie nicht alleine lassen.“



„Wie Sie wollen. Rufen Sie mich an, wenn es etwas Neues gibt.“



Ich nickte. Dann fragte ich die Ärztin nach Scullys Zimmer. Sie schickte mich auf die Intensivstation. Dort konnte ich durch ein großes, gläsernes Fenster in ihr Zimmer sehen. Der Anblick erschreckte mich. Sie hatte einen Kopfverband und war an eine Vielzahl von Maschinen angeschlossen. Auf ihren Lippen saß ein Atemgerät, in ihre Nase führten mehrere Schläuche und ihre Handgelenke waren mit Puls - und Blutdruckmessgeräten und einigen Infusionen verbunden. Ich konnte sehen wie sich ihr Brustkorb hob und senkte und das EKG - Gerät ihre Herzfrequenz auf dem Monitor abbildetet. Solange das so blieb, war alles in Ordnung.



Inzwischen war es Abend geworden. Ich hatte mir einen Stuhl in den Gang vor das Zimmer gestellt. Dort saß ich und ließ den Monitor nicht aus den Augen. Da das regelmäßige Zucken aber auch eine beruhigende Wirkung hatte, konnte ich meine Müdigkeit schon bald nicht mehr bekämpfen und fiel in einen unruhigen Schlaf. Mehrer Male wachte ich auf, sei es vom Regen der immer noch gegen die Scheiben prasselte, oder weil ich dachte das monotone Pfeifen des Beatmungsgerätes nicht mehr zu hören. Doch schon bald fiel ich immer wieder in den Schlaf zurück.

Die nächsten Tage verbrachte ich im Krankenhaus. Für kurze Zeit wurde mir erlaubt zu Scully ins Zimmer zu gehen. Natürlich nur mit Kittel, Mundschutz und Haube. Dann setzte ich mich neben ihr Bett und hielt ihre Hand. Ihr Zustand blieb unverändert. Ob das ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen war, konnte ich nicht sagen.

Ich schlief kaum und ernährte mich von Kaffee und Sandwiches, die es in der Kantine zu kaufen gab. Am dritten Tag nach der OP hielt ich es nicht mehr aus. Ich fuhr nach Hause und musste unbedingt ein wenig schlafen. Aus dem „ein wenig“ wurden geschlagene 22 Stunden. Mein Körper musste sich die verlorene Energie zurückholen. Dann stellte ich mich unter die Dusche, zog frische Kleidung an und fuhr wieder ins Krankenhaus.

Einige der Geräte waren inzwischen entfernt worden. Das Atemgerät und ein paar der Infusionen. Als ich die Schwester darauf ansprach, sagte sie mir, dass sich Scullys Zustand soweit verbessert hatte, dass man auf diese Geräte verzichten konnte und dass sie heute wohl aufwachen würde. Endlich einmal eine gute Nachricht. Von diesem Moment an bewegte ich mich den ganzen Tag nicht von ihrem Bett weg. Ich wollte bei ihr sein, wenn sie zu sich kam. Wenn ich müde wurde legte ich meinen Kopf auf die Bettkante und döste ein bisschen. Aber ich ließ nie ihre Hand los. Plötzlich, es war schon spät am Abend, wurde ich geweckt. Zuerst wurde mir gar nicht bewusst wodurch. Dann hob ich ruckartig meinen Kopf und sah Scully an. Jetzt wusste ich, was es war. Ihr Finger hatte gezuckt.



„Scully?“, flüsterte ich sanft.



Ihr Kopf bewegte sich ein paar Mal sanft hin und her und ihre Augenlider zuckten. Dann schlug sie langsam die Augen auf. Zuerst schweifte ihr Blick durch den Raum um dann auf meinem Gesicht hängen zu bleiben.



„Hey, weilen Sie auch wieder unter den Lebenden?“, witzelte ich.



Scully wollte wahrscheinlich grinsen, doch stattdessen verzog sich ihr Gesicht zu einer schmerzvollen Grimasse. Ihre Lippen waren so spröde und ausgetrocknet, dass sie wohl zusammengeklebten.



„Ich denke, ich hole die Schwester“, flüsterte ich ihr zu und drückte den Klingelknopf.



Wenig später kamen auch schon zwei Frauen in Schwesterntracht hereingeeilt. Nachdem ich erzählte, was passiert war, schickten sie mich sofort raus, um ein paar Untersuchungen durchzuführen. Ich ging vors Krankenhaus, um etwas frische Luft zu schnappen. Außerdem musste ich Skinner anrufen. Er würde sich über diese Neuigkeit bestimmt auch freuen. Es regnete immer noch in Strömen. Ich fragte mich, wann das endlich mal wieder aufhören würde. Schließlich war es mitten im Frühling. Die Luft war durch den vielen Regen aber erfrischender und sauberer als sonst. Nachdem ich Skinner Bescheid gegeben hatte, machte ich mich wieder auf den Rückweg zu meinem Stuhl vor Scullys Zimmer. Der Vorhang am Fenster war noch zugezogen. Ein Zeichen dafür, dass die Schwestern immer noch mit der Untersuchung beschäftigt waren. Wahrscheinlich hatten sie auch noch einen Arzt dazu gerufen.

So tat ich das, was ich in den letzten Tagen schon die ganze Zeit getan hatte – warten.



Und das setzte sich auch durch die nächsten Tage fort. Die Schwestern sagten, dass alles in Ordnung sei und dass Scully jetzt viel Ruhe brauchte. Es wurde zahlreiche Untersuchungen und Tests an ihr durchgeführt. Ihr Zustand schien sich zu verbessern. Sie war zwar noch schwach, doch konnte man jeden Tag länger mit ihr reden. Und die Zeit, als sie schlief verbrachte ich neben ihrem Bett. Bald wurde der Verband um ihren Kopf entfernt und durch ein einfaches Pflaster ersetzt. Äußerlich sah man ihr kaum mehr etwas von ihrem Unfall an.



Wie sehr ich mich irrte, sollte ich am Tag darauf erfahren. Ich war in der Nacht mal wieder zu Hause gewesen, um mich etwas auszuschlafen. Als ich dann gegen Mittag Scullys Zimmer betrat, dachte ich zuerst, dass sich ihr Zustand weiter verbessert hätte. Sie saß erstmals seit ihrem Unfall wieder aufrecht im Bett. Doch, schon als ich das Zimmer betrat, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Sie wandte ihren Kopf nicht zu mir, um mich mit einem „Hey, Mulder“ zu begrüßen, sondern blickte mit starrem Blick aus dem Fenster und schien vom Regen in seinen Bann gezogen zu sein.



„Scully?“, fragte ich vorsichtig.



Erst jetzt drehte sie langsam ihren Kopf zu mir. Sie war immer noch sehr blass und dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. Doch da war noch etwas. Es lag ein Ausdruck in ihrem Blick, den ich nicht deuten konnte. Doch er machte mir Angst.

Ohne nur ein Wort zu sagen, setzte ich mich in den Stuhl neben ihrem Bett und sah sie erwartungsvoll an. Ich wartete darauf, dass sie begann mir zu sagen, was los war, doch sie sah mich nur an und ließ dann langsam ihren Kopf sinken.



„Scully, was ist denn los?“, fragte ich nun leise und voller Sorge und sah ihr dabei direkt in die Augen.



„Mulder,. . . ich . . .“, begann sie, doch brach gleich wieder ab. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Dann schluckte sie einmal und atmete tief durch.



„Mulder,... ich.... ich werde sterben“, brachte sie dann hervor, wobei die letzen Silben aber irgendwie völlig untergingen.



Es traf mich fast wie ein Blitz. Die Gefühle, welche ich bei diesem Satz empfand kann ich nicht einmal heute richtig beschreiben. Es war einerseits, als würde mein Kopf in tausend Stücke zerspringen, als würde man mich abwechselnd in kochendes und fast gefrorenes Wasser tauchen und andererseits doch so unwirklich, dass ich mich fragte, ob ich mir das alles nicht nur eingebildet hatte. Ein Blick in Scullys Gesicht, sagte mir, dass es leider nicht so war.

Für ein paar Sekunden war meine Kehle wie zugeschnürt, ich hatte das Gefühl weder atmen, noch schlucken, geschweige denn etwas sagen zu können. Erst allmählich kehrten diese Funktionen zurück.



„Scully,....“, begann ich, wusste aber dann nicht wie ich weitermachen sollte.



Ich hoffte, dass sie jederzeit das Lachen anfangen und sagen würde „reingefallen“. Gleichzeitig war mir aber auch bewusst, dass Scully über so ein ernstes Thema nie Witze machen würde.

Das Schweigen zwischen uns wurde langsam bedrückend. Doch was sollte man schon zu jemandem sagen, der einem gerade unterbreitet hatte, das er sterben würde. Die einzige Frage, die mir ständig durch den Kopf schwirrte war die nach dem warum.



„Warum?. . . Ich meine, . . .Ihnen ging es doch besser?“, stotterte ich dann.



Scully antwortete nicht. Stattdessen fiel sie mir urplötzlich um den Hals. Ich nahm sie in die Arme und drückte sie fest an mich. Das war auch das einzige, was ich in diesem Moment hätte tun können. Sie schluchzte und krallte sie an mir fest. Ich strich über ihr Haar und wollte nur für sie da sein. Der Gedanke, dass das vielleicht das letzte Mal in meinem Leben war, dass wir uns so nah waren, machte mir eine ungeheure Angst. Scully war das wichtigste, das ich auf dieser Welt hatte. Sie war wichtiger, als mein eigenes Leben. Hätte nicht ich diesen Unfall haben können? Alles hätte ich dafür getan, dass Scully weiterleben könnte.

Nach wenigen Minuten löste sich Scully aus meiner Umarmung und setzte sich zurück ins Bett. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und begann dann zu sprechen:



„Sie haben es bei einer Untersuchung festgestellt“, sagte sie dann mit zittriger Stimme.

„Bei der OP mussten sie mir eine Niere entfernen. Sie war zu sehr geschädigt. Das ist ja auch noch nicht schlimm! Normal kann man mit einer Niere leben, aber . . . Aber bei der Blutuntersuchung ist herausgekommen, dass auch diese nicht mehr richtig arbeitet. Wahrscheinlich war das schon vor diesem Unfall der Fall und ich habe es nicht gemerkt. Das einzige, was mir helfen könnte ein einigermaßen normales Leben zu führen ist eine sofortige Nierentransplantation. Doch der Unfall hat mein Herz zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Es pumpt nicht mehr so stark wie früher. Die Ärzte meinen, dass so eine schwere Operation nicht zu verantworten wäre. Nicht jetzt, und auch nicht später. Und was das schlimmste ist: ich weiß, dass sie Recht haben. Das einzige, was mir bleibt ist mein ganzes Leben, angeschlossen an diese verdammte Dialysegerät zu verbringen“, rief sie und schlug auf den viereckigen Kasten neben ihrem Bett, in dem ihr Blut zirkulierte und der mir bisher noch gar nicht aufgefallen war.



Ich sah sie schweigend an. Ich hatte zwar ihre Worte gehört, doch immer noch nicht begriffen. Wieso sollte sie deshalb sterben?

Als hätte ich diese Frage laut gestellt, gab sie mir darauf eine Antwort. Und zwar eine, die ich nie vergessen werde. Noch nie hatte mich jemand durch eine Bitte in derartige Gefühls – und Gewissenskonflikte gebracht, wie Scully.



„Mulder“, sagte sie dann leise, hob den Kopf und sah mir in die Augen.

„Ich möchte Sie um etwas bitten. Ich weiß,... was ich da von Ihnen verlange ist..... fast unmöglich..... Trotzdem hoffe ich, dass Sie mich verstehen.... und mir helfen werden.“



Ich sah sie nur an. Tausend Gedanken schossen mir damals durch den Kopf. Was konnte Scully von mir wollen, das sie so unmöglich fand? Sie musste doch wissen, dass ich so gut wie alles für sie tun würde. Doch auf das, was Scully von mir verlangte, wäre ich nie gekommen. Umso erschreckender war es für mich.



„Mulder, ich möchte, dass....Sie...., dass Sie mir helfen zu sterben.“



Was Worte doch für Gefühle in einem Menschen auslösen können, wenn sie völlig unerwartet gesagt werden und die Bitte, die sie stellen auch noch so abwegig erscheint. Ich wusste wieder nicht, ob ich mir das alles nicht nur eingebildet hatte, ob ich selber schon durchdrehte. Ich zuckte zusammen, als ob mir jemand einen heftigen Schlag auf den Kopf versetze. Die Zeit schien stehen zu bleiben und ich starrte Scully nur mit weit aufgerissenen Augen an. Ein Magen schien sich zu einem riesigen Klumpen zusammenzuziehen und mein Herz, im wahrsten Sinne des Wortes, in die Hosentasche zu fallen. Für einen Moment war ich nicht fähig auch nur irgendetwas zu denken, zu fühlen, oder zu sagen. Mein Gehirn schien keine Möglichkeit zu finden, diese Worte zu verarbeiten. Als meine Denkvorgänge langsam wieder begannen abzulaufen, war ich mir sicher, dass ich mich verhört haben musste. Das konnte einfach nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein. Das konnte Scully nicht von mir verlangen.

Ein Blick in ihre Augen, belehrte mich aber eines besseren. Sie waren so voll Entschlossenheit und so voller Bitte, dass mir klar wurde, dass mir meine Ohren keinen Streich gespielt hatten.



„Nein, .... Scully,.....das..... das kann ich nicht“, flüsterte ich dann fassungslos.

„Das können Sie nicht im Ernst von mir verlangen!“
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