Cupid One
Zu dieser Story wurde ich durch Werbung zu der TV-Serie ‘Cupid’ inspiriert. Zwar habe ich sie noch nie gesehen, aber die Serie sieht interessant aus. Jeremy Piven ist sehr niedlich.
„Geh in Liebe, mein Freund.” – ‚The Seducer’ von Dawson E. Rambo
Der Mann sieht wirklich absolut alltäglich aus. Normal groß und genauso durchschnittlich gebaut. Das Gesicht weder sonderlich ausdrucksvoll noch irgendwie besonders hässlich. Seine Augen und Haare sind braun. Er trägt einen Freizeitanzug und er hat ein strahlendes Lächeln.
Eigentlich gehe ich nicht in Bars, das ist ein Grundsatz, und schon gar nicht alleine. Ich hasse es, allein zu trinken, und die Typen, die man hier für gewöhnlich antrifft, taugen nicht zu einer anspruchsvollen Konversation, und sind weder umgänglich noch besonders intelligent. Durch Mulder bin ich wohl zu verwöhnt, was andere Männer betrifft. So verrückt wie es sich auch anhören mag, es ist wahr. Niemand weckt mein Interesse so, bringt mich gelegentlich auch mal um den Verstand oder macht mich so wütend, wie er. Ihn zu lieben ist sicher nicht die klügste, wohl aber die beste Entscheidung meines Lebens. Selbst wenn er es niemals erfahren wird.
Aber dieser Mann, der nur einige Hocker von mir entfernt sitzt, lässt mich die Sache nochmals überdenken. Auch wenn es nur für eine Nacht ist...
Warum? Ich bin mir nicht sicher. Da ist etwas beruhigendes, Vertrauen erweckendes in seiner Normalität. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass sein Lächeln nicht anzüglich, sondern einfach nett ist. Dass er mich nicht von oben bis unten mit schmachtenden Blicken bedeckt, noch meinen Hintern abcheckt. Er sitzt einfach da, nippt immer wieder mal an seinem Drink, steckt sich gelegentlich eine Brezel in den Mund und sieht sich die Endspiele im Fernseher, der über der Bar hängt, an. Er verbringt seine Zeit, so wie jeder andere gewöhnliche Mann.
Wann immer sich unsere Blicke treffen, lächelt er mir zu. Einfach nur ein Lächeln. Ein absolut natürliches, harmloses ‚Ist-es-nicht-toll-die-Cubs-gewinnen’ Lächeln.
Ich bin überwältigt. Ich weiß nicht wieso, aber ich bin... überwältigt. Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich ihm nähern kann, oder ob ich es überhaupt tun sollte. Bei meinem momentanen Glück ist er möglicherweise ein Serienmörder oder ein Kinderschänder. Aber auf der anderen Seite hat er solch ein nettes Lächeln.
Ich sehe wieder von meinem Drink auf, und stelle fest, dass er sich auf den Hocker neben mich gesetzt hat.
„Gesehen, die Cubbies liegen vorn?“ fragt er mich.
„Ich bin gerne für die Unterlegenen.“
„Es ist ihr Jahr.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Bier.
Ein dreifacher Treffer und der Mann applaudiert, so wie viele andere Gäste in der Bar. Auch ich spende Beifall, doch ich denke, wenn Mulder das jetzt sehen könnte, würde er bestimmt lachen: Ich in Jeans und T-Shirt in einer Sportlerkneipe, in der ich mir ein Baseballspiel ansehe und Bier trinke. Mulder hat seine eigene Vorstellung über mich, die ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann, und nach diesem Image stehe ich über solchen Dingen wie Sport und sich erleichtern. Es ist lächerlich, es ist witzig; aber es frustriert mich gleichzeitig.
Ich kam hier her, um von Mulder wegzukommen, und was mache ich? Ich kann nicht aufhören, an ihn zu denken. Willkommen in meinem Leben!
Schließlich meint der Mann zu mir, „So, wo ist denn Ihre andere Hälfe an diesem schönen Freitagabend?“
Ich lache vor Überraschung über seine direkte Frage und erwidere, „Ich habe keine, deshalb bin ich wohl auch hier.“
„Ein so hübsches Ding wie Sie?“ Er schüttelte den Kopf. „Schrecklich.“
Ich sollte verärgert sein. Normalerweise wäre ich es auch, doch er sagt es so, dass es wie ein Kompliment klingt, und nicht abwertend.
Dankbar darüber, dass er nicht auch noch ‚kleines’ hinzugefügt hat, lächle ich und nippe an meinem Bier. „Tragisch, aber wahr.“
„Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine Frau wie Sie so ganz allein ist auf der Welt. Da gibt es doch bestimmt jemanden. Vielleicht ist er nicht in der Stadt.“
„So, was für eine Art Frau bin ich denn?“
„Nun ja, Sie wissen schon. Attraktiv. Intelligent. Fan der Verlierer.”
„Wie können Sie sagen, dass ich intelligent bin?”
Er deutet auf mein T-Shirt. Ah. Ich vergaß, das Johns Hopkins Physik Club Shirt hat mich wohl verraten.
„Außer Sie haben es sich geliehen, um sich den Gescheiten zu erkennen zu geben, so wie es meiner Ansicht nach wohl auch andere intelligente Menschen tun.“
„Es gehört mir.“
„So sind Sie also. Erzählen Sie mir doch ein wenig von dem gut aussehenden, beneidenswerten Kerl, der ganz offensichtlich der Grund ist, weshalb Sie hier sind.“
Ich musterte ihn für einen Moment. „Was für eine Tour soll das denn werden?“
„Das sollte keine schlechte Anmache sein... Ich hoffe Sie sind jetzt nicht enttäuscht?“
„Nein... nein.“ Na ja, ein bisschen vielleicht.
„Also? Da ist doch jemand, oder? Sagen Sie schon.“
Ich nicke seufzend. „Es gibt jemanden, ja. Er hat alles. Intelligent, gut aussehend, gefühlvoll. Aber auch ruhelos, in sich versunken und extrem unsicher.“
„Aber verehrt er den Boden, auf dem Sie gehen? Das ist die entscheidende Frage.“
„Das macht er. Der Boden auf dem ich gehe, die Luft die ich atme. Und deswegen, mein Freund, würde er mich nie mit Sex beflecken wollen.“
„Ah, ich verstehe. Für ihn stehen Sie wohl über den Dingen.“
„Das denkt er.“
„Das wird nicht einfach werden. Egal wie schwierig es werden könnte, wollen Sie es trotzdem versuchen, sich ihm zu nähern?“
Ich mustere ihn wieder, als die Gäste in der Bar wegen eines weiteren Homeruns applaudieren.
„Wer sind Sie? Ich meine es ernst. Wer zum Teufel sind Sie?“
„Es tut mir leid.“ Er streckt mir seine Hand entgegen. „Eric Ross.“
Ich schüttle seine Hand, „Dana Scully. Aber das beantwortet noch lange nicht meine Frage.“
„Ich bringe Liebende zusammen. Ich schätze, Sie können mich als Kuppler betrachten.“
„A-ha.“ Ich nippe an meinem Bier, „Interessante Art zu leben.“
„Oh, das ist nicht alles, was ich in meinem Leben tue, es ist lediglich ein Teil davon.“
„Warum?“
Er lächelt wieder. Es hatte denselben Effekt auf mich, wie die Stimme meiner Mutter am Telefon oder wenn ich es mir auf der Couch bequem mache und unter meine wärmste Decke kuschele oder wenn Mulder mich anlächelt.
„Weil ich gerne Menschen sehe, die verliebt sind.“
Ich sehe ihn mit gerunzelter Stirn an. Er sieht gerne Leute die verliebt sind. Was für ein merkwürdiger, beinahe unheimlicher Kerl.
„In Ordnung,“ sage ich schließlich. „Das ist großartig. Ich denke, ich gehe jetzt besser.“ Ich stehe von meinem Hocker auf und beginne, meine Jacke anzuziehen.
„Gehen Sie noch nicht. Bitte. Ich möchte Ihnen wirklich helfen. Setzen wir uns doch an einen Tisch, dann können wir in Ruhe darüber reden.“
Ich sollte das nicht tun, denke ich, aber ich nicke trotzdem. Es gibt nur einen Menschen, mit dem ich über Mulder reden kann – meine Mutter – und es ist nicht gerade sehr angenehm, mit meiner Mutter über ihn zu sprechen. Sie mag ihn, aber es fällt mir schwer mit ihr über Liebe und Leidenschaft zu sprechen.
Ich sollte möglicherweise auch nicht mit einem völlig Fremden darüber reden. Aber dieser Eric Ross... Etwas in seiner Art bringt mich dazu, mit ihm zu reden. Vielleicht liegt es ja daran, dass er gewillt ist, mir zuzuhören.
Wir gehen mit unserem Bier an einen Tisch, weg von der Bar und dem Fernseher.
„Erzählen Sie mir von Ihrem Freund,“ meint er dann, als wir uns hingesetzt haben.
„Wir arbeiten zusammen. Dort haben wir uns auch kennen gelernt. Und es geht sehr... tief. Eine solch tiefgehende Freundschaft habe ich noch nie zuvor erlebt. Möglicherweise fühle ich deshalb so. Es ist so viel zwischen uns, wie könnten wir uns da nicht lieben?“
„Genau,“ meint Eric und nickt. Er sitzt mit dem Rücken zum Fernseher und dreht sich nicht einmal um, um hineinzusehen. Erstaunlich.
„Sie wollen ihm also ihre Liebe zeigen...“
“Irgendwie schon.” Ich schmunzle. „Der Grund, aus dem ich ihm damals zugeteilt wurde, war, dass ich ihn ausspionieren sollte. Doch ich war so von seiner Arbeit begeistert; ich stellte mich auf seine Seite, was unsere Vorgesetzten wenig begeisterte. Sie wollten, dass ich seine Arbeit als Quatsch entlarve und behaupte, dass er gefährlich sei. Doch das ist er nicht. Er ist ... ruhelos. Und besessen von seiner Arbeit. Er ist einfach genial.“
Eric lächelte mich wieder an.
„Die haben Sie geschickt, um ihn zu vernichten, und haben ihm stattdessen eine Verbündete gesandt.“
„Im Grunde genommen. So sehe ich es jedenfalls. Das war deren größter Fehler und für mich der größte Segen.“
„Und wo liegt das Problem?“
„Sagen Sie mir zuerst noch etwas: Sind Sie ein Psychologe?“
„Nein. Ich verstehe lediglich die Natur der Menschen.“
„Sie müssen Psychologie oder etwas Ähnliches studiert haben.”
„Ich bin einfach nur ein wenig herumgekommen. Also was hält Sie zurück?“
„Na schön... wie schon gesagt, hat er diese Vision von mir...“ Ich halte inne und versuche, ein Wort zu finden, dass es erklären könnte. „Als ob ich eine Heilige wäre. Seine Retterin. Manchmal ist es schön, das für ihn zu sein, aber an manchen Tagen wünschte ich... er würde mich einfach als eine Frau erkennen und sehen.“
„Mit allen Schwierigkeiten und der Leidenschaft und Schwäche einer normalen Frau.“
„Genau.“ Ich nippe wieder an meinem Bier. „Er sagte einmal zu mir, dass ich ihn zu einem ganzen Menschen machen würde.“
„Das ist schön,“ meint er sanft. „Was haben Sie darauf gesagt?“
„Ich habe geweint. Ich küsste ihn. Auf eine Art... Ich küsste seine Stirn.“ Ich merke, wie sich meine Augen wieder mit Tränen füllten, als ich daran zurück denke. „Die Sache ist die, dass wir seitdem nie darüber gesprochen haben. Wir wollten uns küssen, aber wir wurden unterbrochen und seitdem haben wir nicht mehr darüber geredet.“
„Weshalb nicht?“ fragt Eric, und hält meine Hand zärtlich fest.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Angst, er hat Angst, was soll ich noch sagen? Ich weiß, dass er mich liebt. Ich hoffe er weiß, dass ich ihn auch liebe, aber es ihm tatsächlich zu sagen ... Ich fürchte mich davor,“ gebe ich schließlich zu. „Was, wenn es nicht gut geht? Würden wir uns dann wieder lieben können, im platonischen Sinne, meine ich?“
Eric prustet vor Lachen. „Meine Güte. Glauben Sie das wirklich? Nennen Sie mir eine Beziehung zwischen zwei Liebenden, die sich niemals berührt haben, und dennoch glücklich waren.”
Ich denke einen Augenblick darüber nach, und sage dann, „Ich kenne keines.“
„Freundschaft ist etwas Wunderbares,” meint Eric. „Das glaube ich wirklich. Es gibt Menschen, für die eine tiefe Freundschaft reiner ist, und deshalb erstrebenswerter als eine Liebesbeziehung. Aber daran glaube ich nicht einen Moment. Kennen Sie klassische Mythologie?“
„Etwas, warum?“
„Wissen Sie warum die Griechen verschiedene Götter für Liebe und Heirat hatten?“
„Nein.“
„Weil für sie Liebe gefährlich war. Wie eine Krankheit, eine Raserei. Eine Ehe war sicher. Aber natürlich waren die Ehen in den gehobenen Kreisen letztendlich auch ohne Liebe. Der Zweck einer Frau war es, Kinder zu gebären oder ein Objekt der Begierde zu sein. Was natürlich ausschließlich Sex bedeutet.“
„Okay, und?“
„Heutzutage gibt es diese Unterschiede nicht mehr.“ Er grinst und verdreht die Augen. „Mehr noch. Die Leute in der Jerry Springer Show scheinen Probleme mit dem Begriff zu haben.“
„Ich verstehe immer noch nicht ganz wovon Sie reden.“
„Dass Liebe sicher ist. Dass es keine Dummheit ist. Fühlen Sie sich sicher durch die Liebe zu Ihrem Freund?“
Wieder muss ich eine Weile über seine Worte nachdenken. „In gewisser Weise schon. Ich möchte ihn nicht verlieren. Ich habe mehr Angst davor ihn zu verlieren, als ihn zu lieben, aber es ist eine große Angst.“
„Okay, von äußeren Einflüssen mal abgesehen, ist es sicher, Mulder zu lieben?”
„Ja. Ja, das ist es.“ Ich stelle mein Bier wieder ab und schaue Eric an. „Ich habe seinen Namen nie erwähnt.“
„Oh – doch das haben Sie. Sie sagten sein Name sei Mulder. Ein ungewöhnlicher Name.“
„Nein, habe ich nicht. – Wer zum Teufel sind Sie?“ Ich stehe so plötzlich auf, dass mein Hocker dabei umfällt. „Spionieren Sie uns nach? Für wen arbeiten Sie?“
„Dana, Dana,“ meint Eric und hebt beruhigend seine Hände nach oben. „Beruhigen Sie sich. Ich spioniere Ihnen nicht nach. Ich arbeite für niemanden. Setzten Sie sich. Ich sage Ihnen die Wahrheit, bitte setzten Sie sich wieder. Ich schwöre, ich habe nicht die Absicht, Ihnen oder Mulder Schaden zuzufügen, in keiner Weise.“
Ich hebe meinen Stuhl wieder auf und setze mich. „Sie haben fünf Minuten.“
„Ich bin Cupido.“
Ich starre ihn an. „Sie spinnen doch.”
„Ich kann es Ihnen beweisen. Der nächste Schlagmann – was für einen Schlag soll er als nächstes machen?“
„Einen Double.“
„Okay, passen Sie auf.” Er sieht nicht auf den Bildschirm, er nickt nicht mit dem Kopf, er wackelt nicht mit der Nase oder irgendetwas in der Richtung. Der Werfer holt aus, der Schlagmann schwingt den Schläger, trifft und schafft es bis zur zweiten Base, während der Spieler an der Dritten es bis zur Homebase schafft. Eric dreht sich zu mir um und lächelt schadenfroh.
„Und? Das beweist absolut gar nichts. Cupido ist ein blindes nacktes Baby mit Flügeln, das weiß doch jeder.”
„Zunächst mal ist es ein Engel. Wenn Sie auf die Erzählungen über die Engel schauen, werden Sie sehen, dass ich inzwischen zu einem erwachsenen Mann heran gewachsen sein muss. Meine Frau Psyke, zum Beispiel.“
„Ich kenne diese Geschichte nicht.“
„Oh, sie machte meine Mutter eifersüchtig, und deshalb opferten ihre Leute sie der Bestie auf dem Berg – welche ich war – und ich habe mich in sie verliebt und wir haben geheiratet. Aber sie hat nie wirklich erfahren wer ich war, zumindest nicht am Anfang. Also habe ich ihr gesagt, dass sie mich nicht sehen darf. Sie hatte diese gehässigen Schwestern, die ihr einredeten ich sei ein Monster. Eines Nachts, als ich schlief, kam sie mit einer Lampe um mich zu sehen. Ich wurde wach durch das Flackern des Lichts und musste sie wieder fort schicken.“
„Weshalb?“
Er blinzelte einen Augenblick in meine Richtung.
„Ich musste es einfach tun. Ich war gezwungen ihre Liebe zu prüfen, für mich und meiner Mutter wegen, die dann besser über sie denken sollte. Psyke hatte drei Prüfungen zu bestehen: Sie musste Wasser in einem Sieb transportieren, sie musste einen Berg Getreide zählen ohne dabei eines zu vergessen und sie müsste Schönheit von der Königin des Todes erlangen. Sie hat die Prüfungen bestanden und ist jetzt eine Göttin.“ Er sucht nach seinem Geldbeutel, „Möchten Sie ein Bild von ihr und den Kindern sehen?“
„Nein, nicht nötig.“ Spitze! Ich habe hier einen hochgradig Verrückten vor mir. „So, wenn Sie also ein Gott sind, was verschlägt Sie dann in einer Freitagnacht, wie dieser, in so eine Spelunke?“
„Sie sind hier. Ich wollte mit Ihnen reden.“
„Mit mir... Sie kommen also vom Olymp oder woher auch immer, nur um mit mir zu reden.“
„Tatsächlich leben wir nicht mehr im Olymp. Nun ja, eine zeitlang haben meine Frau und ich in Olympus, Washington gelebt, zu unserem persönlichen Spaß.“
„Okay. Ich werde jetzt aber wirklich gehen.” Ich stehe erneut auf.
„Dana, bitte warten Sie. Sie wissen, dass Sie an mich glauben.“
„Ich glaube nichts von dem, was Sie mir erzählt haben. Cupido? Also bitte. Sie sind die Personifizierung der Gefühle, eine mythologische Entschuldigung für Liebe auf den ersten Blick.“
„Vielleicht. Oder ich bin der Gott der Liebe, der versucht Ihnen ein paar Tipps zu geben, weil ich es gerne sehe wenn Menschen sich lieben. Und ich mag Sie. Ich mag Mulder. Und ich würde es wirklich gerne sehen, wenn Sie beide endlich aufhören würden im Kreis zu gehen.“
Ich starre ihn an. Das ist einfach zu unglaublich. Cupido. Na gut. Ich lege meine Hände auf den Tisch und sage, „Okay. Ich gebe Ihnen eine Chance. Ich gehe jetzt und werde zu Mulder fahren. Und das erste was er zu mir sagen soll ist ... ist ‚Wollen Sie chinesisch essen?’, möglicher Weise glaube ich Ihnen dann.“
„’Wollen Sie chinesisch essen?’“ wiederholt er und lächelt. „Okay. Viel Glück, Dana.“
„A-ha.“ Ich ziehe meine Jacke über und lege einen Fünfer auf den Tisch. Ich verlasse die Bar und rufe mir ein Taxi.
Während der Fahrt zu Mulder wundere ich mich über mich selbst. Ich fahre zu Mulder ohne einen wirklichen Grund, nur um mir selbst etwas zu beweisen, was ich schon längst weiß. Was soll ich ihm sagen? „Da war dieser Typ in der Bar und er erzählte mir er sei Cupido und deshalb bin ich hier...“
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und erwäge dem Fahrer zu sagen, er soll umdrehen. Es ist verrückt. Ich bin nicht verrückt. Ich bin eine logische, rationale Person, die schlichtweg verliebt ist.
Also, warum kämpfe ich dagegen an?
Wovor habe ich solche Angst?
Wir halten vor Mulders Apartmenthaus, ich steige aus und bezahle den Fahrer. Ich stehe einen Augenblick auf dem Bürgersteig, fahre mir mit den Händen durch die Haare und gehe dann ins Haus und nehme den Fahrstuhl zu seiner Etage.
Ich klopfe an seine Tür und warte.
Ich weiß nicht, ob er überhaupt zu Hause ist. Für gewöhnlich beschattet er jemanden oder er leiht sich einen Film aus, oder er verschwendet sein Geld für Pornographie. Er tut einfach das, was er immer tut.
Die Tür öffnet sich und ich schaue zu Mulder auf, der mich anlächelt, während er sein Telefon am Ohr hält. Er bedeutet mir, ich solle herein kommen und meint, „Ich bin hungrig – Wollen Sie chinesisch essen?“
Meine Augen weiten sich und ich kann kaum sprechen. Ich nicke und schaffe es gerade so, ein „Okay“ heraus zu bekommen.
Zu dieser Story wurde ich durch Werbung zu der TV-Serie ‘Cupid’ inspiriert. Zwar habe ich sie noch nie gesehen, aber die Serie sieht interessant aus. Jeremy Piven ist sehr niedlich.
„Geh in Liebe, mein Freund.” – ‚The Seducer’ von Dawson E. Rambo
Der Mann sieht wirklich absolut alltäglich aus. Normal groß und genauso durchschnittlich gebaut. Das Gesicht weder sonderlich ausdrucksvoll noch irgendwie besonders hässlich. Seine Augen und Haare sind braun. Er trägt einen Freizeitanzug und er hat ein strahlendes Lächeln.
Eigentlich gehe ich nicht in Bars, das ist ein Grundsatz, und schon gar nicht alleine. Ich hasse es, allein zu trinken, und die Typen, die man hier für gewöhnlich antrifft, taugen nicht zu einer anspruchsvollen Konversation, und sind weder umgänglich noch besonders intelligent. Durch Mulder bin ich wohl zu verwöhnt, was andere Männer betrifft. So verrückt wie es sich auch anhören mag, es ist wahr. Niemand weckt mein Interesse so, bringt mich gelegentlich auch mal um den Verstand oder macht mich so wütend, wie er. Ihn zu lieben ist sicher nicht die klügste, wohl aber die beste Entscheidung meines Lebens. Selbst wenn er es niemals erfahren wird.
Aber dieser Mann, der nur einige Hocker von mir entfernt sitzt, lässt mich die Sache nochmals überdenken. Auch wenn es nur für eine Nacht ist...
Warum? Ich bin mir nicht sicher. Da ist etwas beruhigendes, Vertrauen erweckendes in seiner Normalität. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass sein Lächeln nicht anzüglich, sondern einfach nett ist. Dass er mich nicht von oben bis unten mit schmachtenden Blicken bedeckt, noch meinen Hintern abcheckt. Er sitzt einfach da, nippt immer wieder mal an seinem Drink, steckt sich gelegentlich eine Brezel in den Mund und sieht sich die Endspiele im Fernseher, der über der Bar hängt, an. Er verbringt seine Zeit, so wie jeder andere gewöhnliche Mann.
Wann immer sich unsere Blicke treffen, lächelt er mir zu. Einfach nur ein Lächeln. Ein absolut natürliches, harmloses ‚Ist-es-nicht-toll-die-Cubs-gewinnen’ Lächeln.
Ich bin überwältigt. Ich weiß nicht wieso, aber ich bin... überwältigt. Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich ihm nähern kann, oder ob ich es überhaupt tun sollte. Bei meinem momentanen Glück ist er möglicherweise ein Serienmörder oder ein Kinderschänder. Aber auf der anderen Seite hat er solch ein nettes Lächeln.
Ich sehe wieder von meinem Drink auf, und stelle fest, dass er sich auf den Hocker neben mich gesetzt hat.
„Gesehen, die Cubbies liegen vorn?“ fragt er mich.
„Ich bin gerne für die Unterlegenen.“
„Es ist ihr Jahr.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Bier.
Ein dreifacher Treffer und der Mann applaudiert, so wie viele andere Gäste in der Bar. Auch ich spende Beifall, doch ich denke, wenn Mulder das jetzt sehen könnte, würde er bestimmt lachen: Ich in Jeans und T-Shirt in einer Sportlerkneipe, in der ich mir ein Baseballspiel ansehe und Bier trinke. Mulder hat seine eigene Vorstellung über mich, die ich allerdings nicht ganz nachvollziehen kann, und nach diesem Image stehe ich über solchen Dingen wie Sport und sich erleichtern. Es ist lächerlich, es ist witzig; aber es frustriert mich gleichzeitig.
Ich kam hier her, um von Mulder wegzukommen, und was mache ich? Ich kann nicht aufhören, an ihn zu denken. Willkommen in meinem Leben!
Schließlich meint der Mann zu mir, „So, wo ist denn Ihre andere Hälfe an diesem schönen Freitagabend?“
Ich lache vor Überraschung über seine direkte Frage und erwidere, „Ich habe keine, deshalb bin ich wohl auch hier.“
„Ein so hübsches Ding wie Sie?“ Er schüttelte den Kopf. „Schrecklich.“
Ich sollte verärgert sein. Normalerweise wäre ich es auch, doch er sagt es so, dass es wie ein Kompliment klingt, und nicht abwertend.
Dankbar darüber, dass er nicht auch noch ‚kleines’ hinzugefügt hat, lächle ich und nippe an meinem Bier. „Tragisch, aber wahr.“
„Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine Frau wie Sie so ganz allein ist auf der Welt. Da gibt es doch bestimmt jemanden. Vielleicht ist er nicht in der Stadt.“
„So, was für eine Art Frau bin ich denn?“
„Nun ja, Sie wissen schon. Attraktiv. Intelligent. Fan der Verlierer.”
„Wie können Sie sagen, dass ich intelligent bin?”
Er deutet auf mein T-Shirt. Ah. Ich vergaß, das Johns Hopkins Physik Club Shirt hat mich wohl verraten.
„Außer Sie haben es sich geliehen, um sich den Gescheiten zu erkennen zu geben, so wie es meiner Ansicht nach wohl auch andere intelligente Menschen tun.“
„Es gehört mir.“
„So sind Sie also. Erzählen Sie mir doch ein wenig von dem gut aussehenden, beneidenswerten Kerl, der ganz offensichtlich der Grund ist, weshalb Sie hier sind.“
Ich musterte ihn für einen Moment. „Was für eine Tour soll das denn werden?“
„Das sollte keine schlechte Anmache sein... Ich hoffe Sie sind jetzt nicht enttäuscht?“
„Nein... nein.“ Na ja, ein bisschen vielleicht.
„Also? Da ist doch jemand, oder? Sagen Sie schon.“
Ich nicke seufzend. „Es gibt jemanden, ja. Er hat alles. Intelligent, gut aussehend, gefühlvoll. Aber auch ruhelos, in sich versunken und extrem unsicher.“
„Aber verehrt er den Boden, auf dem Sie gehen? Das ist die entscheidende Frage.“
„Das macht er. Der Boden auf dem ich gehe, die Luft die ich atme. Und deswegen, mein Freund, würde er mich nie mit Sex beflecken wollen.“
„Ah, ich verstehe. Für ihn stehen Sie wohl über den Dingen.“
„Das denkt er.“
„Das wird nicht einfach werden. Egal wie schwierig es werden könnte, wollen Sie es trotzdem versuchen, sich ihm zu nähern?“
Ich mustere ihn wieder, als die Gäste in der Bar wegen eines weiteren Homeruns applaudieren.
„Wer sind Sie? Ich meine es ernst. Wer zum Teufel sind Sie?“
„Es tut mir leid.“ Er streckt mir seine Hand entgegen. „Eric Ross.“
Ich schüttle seine Hand, „Dana Scully. Aber das beantwortet noch lange nicht meine Frage.“
„Ich bringe Liebende zusammen. Ich schätze, Sie können mich als Kuppler betrachten.“
„A-ha.“ Ich nippe an meinem Bier, „Interessante Art zu leben.“
„Oh, das ist nicht alles, was ich in meinem Leben tue, es ist lediglich ein Teil davon.“
„Warum?“
Er lächelt wieder. Es hatte denselben Effekt auf mich, wie die Stimme meiner Mutter am Telefon oder wenn ich es mir auf der Couch bequem mache und unter meine wärmste Decke kuschele oder wenn Mulder mich anlächelt.
„Weil ich gerne Menschen sehe, die verliebt sind.“
Ich sehe ihn mit gerunzelter Stirn an. Er sieht gerne Leute die verliebt sind. Was für ein merkwürdiger, beinahe unheimlicher Kerl.
„In Ordnung,“ sage ich schließlich. „Das ist großartig. Ich denke, ich gehe jetzt besser.“ Ich stehe von meinem Hocker auf und beginne, meine Jacke anzuziehen.
„Gehen Sie noch nicht. Bitte. Ich möchte Ihnen wirklich helfen. Setzen wir uns doch an einen Tisch, dann können wir in Ruhe darüber reden.“
Ich sollte das nicht tun, denke ich, aber ich nicke trotzdem. Es gibt nur einen Menschen, mit dem ich über Mulder reden kann – meine Mutter – und es ist nicht gerade sehr angenehm, mit meiner Mutter über ihn zu sprechen. Sie mag ihn, aber es fällt mir schwer mit ihr über Liebe und Leidenschaft zu sprechen.
Ich sollte möglicherweise auch nicht mit einem völlig Fremden darüber reden. Aber dieser Eric Ross... Etwas in seiner Art bringt mich dazu, mit ihm zu reden. Vielleicht liegt es ja daran, dass er gewillt ist, mir zuzuhören.
Wir gehen mit unserem Bier an einen Tisch, weg von der Bar und dem Fernseher.
„Erzählen Sie mir von Ihrem Freund,“ meint er dann, als wir uns hingesetzt haben.
„Wir arbeiten zusammen. Dort haben wir uns auch kennen gelernt. Und es geht sehr... tief. Eine solch tiefgehende Freundschaft habe ich noch nie zuvor erlebt. Möglicherweise fühle ich deshalb so. Es ist so viel zwischen uns, wie könnten wir uns da nicht lieben?“
„Genau,“ meint Eric und nickt. Er sitzt mit dem Rücken zum Fernseher und dreht sich nicht einmal um, um hineinzusehen. Erstaunlich.
„Sie wollen ihm also ihre Liebe zeigen...“
“Irgendwie schon.” Ich schmunzle. „Der Grund, aus dem ich ihm damals zugeteilt wurde, war, dass ich ihn ausspionieren sollte. Doch ich war so von seiner Arbeit begeistert; ich stellte mich auf seine Seite, was unsere Vorgesetzten wenig begeisterte. Sie wollten, dass ich seine Arbeit als Quatsch entlarve und behaupte, dass er gefährlich sei. Doch das ist er nicht. Er ist ... ruhelos. Und besessen von seiner Arbeit. Er ist einfach genial.“
Eric lächelte mich wieder an.
„Die haben Sie geschickt, um ihn zu vernichten, und haben ihm stattdessen eine Verbündete gesandt.“
„Im Grunde genommen. So sehe ich es jedenfalls. Das war deren größter Fehler und für mich der größte Segen.“
„Und wo liegt das Problem?“
„Sagen Sie mir zuerst noch etwas: Sind Sie ein Psychologe?“
„Nein. Ich verstehe lediglich die Natur der Menschen.“
„Sie müssen Psychologie oder etwas Ähnliches studiert haben.”
„Ich bin einfach nur ein wenig herumgekommen. Also was hält Sie zurück?“
„Na schön... wie schon gesagt, hat er diese Vision von mir...“ Ich halte inne und versuche, ein Wort zu finden, dass es erklären könnte. „Als ob ich eine Heilige wäre. Seine Retterin. Manchmal ist es schön, das für ihn zu sein, aber an manchen Tagen wünschte ich... er würde mich einfach als eine Frau erkennen und sehen.“
„Mit allen Schwierigkeiten und der Leidenschaft und Schwäche einer normalen Frau.“
„Genau.“ Ich nippe wieder an meinem Bier. „Er sagte einmal zu mir, dass ich ihn zu einem ganzen Menschen machen würde.“
„Das ist schön,“ meint er sanft. „Was haben Sie darauf gesagt?“
„Ich habe geweint. Ich küsste ihn. Auf eine Art... Ich küsste seine Stirn.“ Ich merke, wie sich meine Augen wieder mit Tränen füllten, als ich daran zurück denke. „Die Sache ist die, dass wir seitdem nie darüber gesprochen haben. Wir wollten uns küssen, aber wir wurden unterbrochen und seitdem haben wir nicht mehr darüber geredet.“
„Weshalb nicht?“ fragt Eric, und hält meine Hand zärtlich fest.
„Ich weiß es nicht. Ich habe Angst, er hat Angst, was soll ich noch sagen? Ich weiß, dass er mich liebt. Ich hoffe er weiß, dass ich ihn auch liebe, aber es ihm tatsächlich zu sagen ... Ich fürchte mich davor,“ gebe ich schließlich zu. „Was, wenn es nicht gut geht? Würden wir uns dann wieder lieben können, im platonischen Sinne, meine ich?“
Eric prustet vor Lachen. „Meine Güte. Glauben Sie das wirklich? Nennen Sie mir eine Beziehung zwischen zwei Liebenden, die sich niemals berührt haben, und dennoch glücklich waren.”
Ich denke einen Augenblick darüber nach, und sage dann, „Ich kenne keines.“
„Freundschaft ist etwas Wunderbares,” meint Eric. „Das glaube ich wirklich. Es gibt Menschen, für die eine tiefe Freundschaft reiner ist, und deshalb erstrebenswerter als eine Liebesbeziehung. Aber daran glaube ich nicht einen Moment. Kennen Sie klassische Mythologie?“
„Etwas, warum?“
„Wissen Sie warum die Griechen verschiedene Götter für Liebe und Heirat hatten?“
„Nein.“
„Weil für sie Liebe gefährlich war. Wie eine Krankheit, eine Raserei. Eine Ehe war sicher. Aber natürlich waren die Ehen in den gehobenen Kreisen letztendlich auch ohne Liebe. Der Zweck einer Frau war es, Kinder zu gebären oder ein Objekt der Begierde zu sein. Was natürlich ausschließlich Sex bedeutet.“
„Okay, und?“
„Heutzutage gibt es diese Unterschiede nicht mehr.“ Er grinst und verdreht die Augen. „Mehr noch. Die Leute in der Jerry Springer Show scheinen Probleme mit dem Begriff zu haben.“
„Ich verstehe immer noch nicht ganz wovon Sie reden.“
„Dass Liebe sicher ist. Dass es keine Dummheit ist. Fühlen Sie sich sicher durch die Liebe zu Ihrem Freund?“
Wieder muss ich eine Weile über seine Worte nachdenken. „In gewisser Weise schon. Ich möchte ihn nicht verlieren. Ich habe mehr Angst davor ihn zu verlieren, als ihn zu lieben, aber es ist eine große Angst.“
„Okay, von äußeren Einflüssen mal abgesehen, ist es sicher, Mulder zu lieben?”
„Ja. Ja, das ist es.“ Ich stelle mein Bier wieder ab und schaue Eric an. „Ich habe seinen Namen nie erwähnt.“
„Oh – doch das haben Sie. Sie sagten sein Name sei Mulder. Ein ungewöhnlicher Name.“
„Nein, habe ich nicht. – Wer zum Teufel sind Sie?“ Ich stehe so plötzlich auf, dass mein Hocker dabei umfällt. „Spionieren Sie uns nach? Für wen arbeiten Sie?“
„Dana, Dana,“ meint Eric und hebt beruhigend seine Hände nach oben. „Beruhigen Sie sich. Ich spioniere Ihnen nicht nach. Ich arbeite für niemanden. Setzten Sie sich. Ich sage Ihnen die Wahrheit, bitte setzten Sie sich wieder. Ich schwöre, ich habe nicht die Absicht, Ihnen oder Mulder Schaden zuzufügen, in keiner Weise.“
Ich hebe meinen Stuhl wieder auf und setze mich. „Sie haben fünf Minuten.“
„Ich bin Cupido.“
Ich starre ihn an. „Sie spinnen doch.”
„Ich kann es Ihnen beweisen. Der nächste Schlagmann – was für einen Schlag soll er als nächstes machen?“
„Einen Double.“
„Okay, passen Sie auf.” Er sieht nicht auf den Bildschirm, er nickt nicht mit dem Kopf, er wackelt nicht mit der Nase oder irgendetwas in der Richtung. Der Werfer holt aus, der Schlagmann schwingt den Schläger, trifft und schafft es bis zur zweiten Base, während der Spieler an der Dritten es bis zur Homebase schafft. Eric dreht sich zu mir um und lächelt schadenfroh.
„Und? Das beweist absolut gar nichts. Cupido ist ein blindes nacktes Baby mit Flügeln, das weiß doch jeder.”
„Zunächst mal ist es ein Engel. Wenn Sie auf die Erzählungen über die Engel schauen, werden Sie sehen, dass ich inzwischen zu einem erwachsenen Mann heran gewachsen sein muss. Meine Frau Psyke, zum Beispiel.“
„Ich kenne diese Geschichte nicht.“
„Oh, sie machte meine Mutter eifersüchtig, und deshalb opferten ihre Leute sie der Bestie auf dem Berg – welche ich war – und ich habe mich in sie verliebt und wir haben geheiratet. Aber sie hat nie wirklich erfahren wer ich war, zumindest nicht am Anfang. Also habe ich ihr gesagt, dass sie mich nicht sehen darf. Sie hatte diese gehässigen Schwestern, die ihr einredeten ich sei ein Monster. Eines Nachts, als ich schlief, kam sie mit einer Lampe um mich zu sehen. Ich wurde wach durch das Flackern des Lichts und musste sie wieder fort schicken.“
„Weshalb?“
Er blinzelte einen Augenblick in meine Richtung.
„Ich musste es einfach tun. Ich war gezwungen ihre Liebe zu prüfen, für mich und meiner Mutter wegen, die dann besser über sie denken sollte. Psyke hatte drei Prüfungen zu bestehen: Sie musste Wasser in einem Sieb transportieren, sie musste einen Berg Getreide zählen ohne dabei eines zu vergessen und sie müsste Schönheit von der Königin des Todes erlangen. Sie hat die Prüfungen bestanden und ist jetzt eine Göttin.“ Er sucht nach seinem Geldbeutel, „Möchten Sie ein Bild von ihr und den Kindern sehen?“
„Nein, nicht nötig.“ Spitze! Ich habe hier einen hochgradig Verrückten vor mir. „So, wenn Sie also ein Gott sind, was verschlägt Sie dann in einer Freitagnacht, wie dieser, in so eine Spelunke?“
„Sie sind hier. Ich wollte mit Ihnen reden.“
„Mit mir... Sie kommen also vom Olymp oder woher auch immer, nur um mit mir zu reden.“
„Tatsächlich leben wir nicht mehr im Olymp. Nun ja, eine zeitlang haben meine Frau und ich in Olympus, Washington gelebt, zu unserem persönlichen Spaß.“
„Okay. Ich werde jetzt aber wirklich gehen.” Ich stehe erneut auf.
„Dana, bitte warten Sie. Sie wissen, dass Sie an mich glauben.“
„Ich glaube nichts von dem, was Sie mir erzählt haben. Cupido? Also bitte. Sie sind die Personifizierung der Gefühle, eine mythologische Entschuldigung für Liebe auf den ersten Blick.“
„Vielleicht. Oder ich bin der Gott der Liebe, der versucht Ihnen ein paar Tipps zu geben, weil ich es gerne sehe wenn Menschen sich lieben. Und ich mag Sie. Ich mag Mulder. Und ich würde es wirklich gerne sehen, wenn Sie beide endlich aufhören würden im Kreis zu gehen.“
Ich starre ihn an. Das ist einfach zu unglaublich. Cupido. Na gut. Ich lege meine Hände auf den Tisch und sage, „Okay. Ich gebe Ihnen eine Chance. Ich gehe jetzt und werde zu Mulder fahren. Und das erste was er zu mir sagen soll ist ... ist ‚Wollen Sie chinesisch essen?’, möglicher Weise glaube ich Ihnen dann.“
„’Wollen Sie chinesisch essen?’“ wiederholt er und lächelt. „Okay. Viel Glück, Dana.“
„A-ha.“ Ich ziehe meine Jacke über und lege einen Fünfer auf den Tisch. Ich verlasse die Bar und rufe mir ein Taxi.
Während der Fahrt zu Mulder wundere ich mich über mich selbst. Ich fahre zu Mulder ohne einen wirklichen Grund, nur um mir selbst etwas zu beweisen, was ich schon längst weiß. Was soll ich ihm sagen? „Da war dieser Typ in der Bar und er erzählte mir er sei Cupido und deshalb bin ich hier...“
Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und erwäge dem Fahrer zu sagen, er soll umdrehen. Es ist verrückt. Ich bin nicht verrückt. Ich bin eine logische, rationale Person, die schlichtweg verliebt ist.
Also, warum kämpfe ich dagegen an?
Wovor habe ich solche Angst?
Wir halten vor Mulders Apartmenthaus, ich steige aus und bezahle den Fahrer. Ich stehe einen Augenblick auf dem Bürgersteig, fahre mir mit den Händen durch die Haare und gehe dann ins Haus und nehme den Fahrstuhl zu seiner Etage.
Ich klopfe an seine Tür und warte.
Ich weiß nicht, ob er überhaupt zu Hause ist. Für gewöhnlich beschattet er jemanden oder er leiht sich einen Film aus, oder er verschwendet sein Geld für Pornographie. Er tut einfach das, was er immer tut.
Die Tür öffnet sich und ich schaue zu Mulder auf, der mich anlächelt, während er sein Telefon am Ohr hält. Er bedeutet mir, ich solle herein kommen und meint, „Ich bin hungrig – Wollen Sie chinesisch essen?“
Meine Augen weiten sich und ich kann kaum sprechen. Ich nicke und schaffe es gerade so, ein „Okay“ heraus zu bekommen.
Rezensionen