World of X

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Hanuman

von Steffi Raatz

Kapitel 4

***

Joe´s Sunrise Cocktails - Scully fand absolut nicht, dass hier die Sonne aufging. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, aber diese kleine Bar hatte trotzdem ein gewisses Etwas. Vielleicht war es aber auch nur die Tatsache, dass sie hier mit Mulder saß und das ausnahmsweise mal privat.

"Dieser Fall ist sehr merkwürdig!" begann er und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

Sie betrachtete den Inhalt ihres Glases.

"Diesmal musst du doch auch spüren, dass da etwas mehr hinter steckt," redete er weiter.

"Mehr?" fragend blickte sie auf.

"Eine Verschwörung!" platzte es aus ihm heraus, "Überleg doch mal, wieso hat Masters plötzlich Anweisung, Beweismittel verschwinden zu lassen!?"

Sie zuckte mit den Schulter, auch wenn ihr das nicht so gleichgültig war, wie sie tat.

"Wollten wir den Fall nicht für einen Abend hinter uns lassen?"

Sie prostete ihm zu und nahm einen kleinen Schluck ihres Bieres.

Mulder betrachtete sie amüsiert. Scully ein Bier trinken zu sehen, war kein alltäglicher Anblick und irgendwie fand er es interessant.

Zur Abwechslung hatte sie ihren Blazer abgelegt, ihre Bluse trug sie etwas offenherziger und ihre ganze Haltung war entspannt und locker. Es war doch erstaunlich, wie das einen Menschen verändern konnte.

Er griff sich ebenfalls sein Bier und prostete ihr zu. Vielleicht war es ganz gut, mal nicht über den Fall zu sprechen. Er regte sich viel zu schnell auf.

Sie schenkte ihm ein erschöpftes, dennoch bezauberndes Lächeln, während sie ihm versuchte klar zu machen, dass er etwas Schaum an der Oberlippe hatte.

Er begriff nicht, was sie ihm andeuten sollte und kaum hatte er sich versehen, wischte sie ihm den kleinen Schaumbart selbst fort.

Mulder erstarrte in seiner Haltung, als ihre Finger sein Gesicht berührten und blickte ihr tief in die Augen. Auch Scully schien wie gebannt.

Mit einer sanften Geste nahm er ihre Hand und gab ihr einen Kuss auf die Innenfläche. Scully zuckte zusammen.

"Du hast mich mal wieder vor einer Blamage gerettet!" bekannte er plötzlich mit einem humorvollen Unterton.

"Mal wieder!" übernahm sie seinen humorvollen Unterton und entspannte sich sichtlich. Mit einem beschwörenden Blick richtete sie sich wieder an ihn:

"Dafür bekomme ich aber mein nächstes Getränk von dir spendiert!"

Er nickte und winkte den Barkeeper herbei.

"Ähm, Mulder..." räusperte sie sich.

"Ja?" erstaunt sah er sie an.

"Würdest du jetzt meine Hand loslassen?" Sie zerrte ein wenig an ihrer Hand, um ihm verständlich zu machen, dass er sie noch immer fest hielt.

"Oh..."

"Ich bin mal kurz..." Sie machte eine flüchtige Geste mit ihren Händen Richtung Toiletten als sie wieder frei war und zog von dannen.

Mulder blickte ihr hinterher und begutachtete ihre Rückseite, als sich plötzlich eine grazile Brünette zwischen sein Blickfeld und Scully drängte.

Langsam ließ er seinen Blick aufwärts zu ihrem Gesicht gleiten, bis er schließlich in ein grünes Paar Augen blickte.

*Smaragde!* war sein erster Gedanken.

"Darf ich mich setzen?" Ihre Stimme hatte einen rauchigen, sehr erotischen Touch.

"Gerne!" räusperte sich Mulder und begutachtete das wunderschöne Paar Beine, als sie sich neben ihm auf dem Barhocker niederließ und diese übereinander schlug.

"Rauchen Sie?"

Sie zog ein kleines Silberetui aus ihrer Handtasche und sah ihn auffordernd an.

"Nein."

Er blickte sie fasziniert an, ihr ganzer Körper schien eine einzige Herausforderung zu sein.

"Einen Bourbon bitte!" raunte sie dem Barkeeper zu und widmete sich dann wieder Mulder zu.

Dieser hatte hinter der Unbekannten Scully entdeckt und ihren fragenden Blick registriert.

Sie umrundete die beiden und setzte sich wieder auf ihren Barhocker. Mulder's Blick folgte ihr. Angenehm erheitert registrierte Scully, dass er sie anstarrte und die hübsche Asiatin links liegen ließ.

Tamaras Augen funkelten. Welch ein Mann. Doch wer war die prüde Rothaarige neben ihm? Konnte sie ihr gefährlich werden? Wohl kaum.

Sie merkte, dass sie sich getäuscht hatte, als das Zielobjekt ihrer Begierde plötzlich nur noch Augen für die kleine unscheinbare Rothaarige hatte.

Wut entbrannte in ihr.

Erst hatte sie bei diesem Masters keine Chance gehabt, weil ihr seine Sekretärin, dieses blonde Miststück im Wege war. Tamaras Mundwinkel zuckten. Na, das hatte sich schon erledigt.

Und nun lief sie bei diesem Mannsbild gegen eine Mauer.

Diese Rothaarige war also doch nicht zu unterschätzen. Ihre Wirkung auf diesen Mann war wesentlich stärker als vermutet.

Tamara versuchte ein weiteres Mal ihr Glück und ließ ihre schlanken, grazilen Beine beim Herumdrehen auf dem Hocker rein zufällig seinen Rücken berühren.

Es wirkte; er sah sich zu ihr um.

Sie warf ihm einen flammenden Blick zu und spürte diese reizvolle Spannung, die sich zwischen ihnen aufbaute. Aber sie spürte noch mehr.

Sie entdeckte an ihrem Gegenüber eine Eigenschaft, die sie erschauern ließ, denn es war eine ihrer eigenen Eigenschaften - er lag auf der Lauer wie eine Raubkatze. Ein ebenbürtiger Gegner für sie!

Wer ihn sich zum Feind machte, der würde einen gefährlichen Gegner haben, dachte sie.

Sie musste diesen Mann einfach besitzen!

Mulder spürte dieses eigenartige Gefühl von Gefahr, als er dieser Unbekannten in die Augen blickte.

Vorsichtig beugte er sich zu seiner Partnerin: "Scully, kennst du die Brünette?"

"Nein, sollte ich? Die Asiatin meinst du, nicht wahr?" murmelte sie ein wenig mürrisch.

"Scully, eifersüchtig?" trietzte er sie.

"Wir sind weder liiert, verlobt noch verheiratet, wieso sollte ich?" entgegnete sie und rechnete mit irgendeinem Kommentar von Mulder, doch der betrachtete sie nur forschend.

Sie griff sich schnell ihr Glas und trank einen Schluck, um sich abzulenken.

"Wieso fragst du nach ihr? Wenn du sie kennenlernen möchtest, dann sprich sie an," forderte Scully ihn unverfroren auf und war auf seine Antwort gespannt.

"Nein, eigentlich habe ich nicht das Bedürfnis sie kennenzulernen. Sie ist mir sogar ein wenig unheimlich!" erwiderte er mit einem Seitenblick auf den schlanken Körper der Asiatin.

"Unheimlich?" Scully schmunzelte, "du siehst ja auch schon in jeder Person was unheimliches!"

"Du bist mir allerdings am unheimlichsten!" flachste Mulder und spürte unversehens Scully's Faust an seinem Oberarm.

"Autsch, hey, was hab ich dir getan?" er grinste.

"Du kannst es nicht lassen, mich aufzuziehen, nicht wahr?" zischte sie, jedoch nicht ohne einen amüsierten Ausdruck im Gesicht.

"Nein.... oh du ärgerst dich immer so schön!" lachte er, ihre Faust ein weiteres Mal abwehrend.

"Ich glaube, Mulder, deine asiatische Bekanntschaft ist gegangen!" bemerkte Scully nach einem Rundumblick.

Mulder ließ seinen Blick schweifen und musste Scully zustimmen. Aber es gefiel ihm irgendwie nicht. Irgend etwas merkwürdiges würde noch passieren, das spürte er ganz genau.

***

Es war dunkel in Masters Büro. Nur eine kleine Lampe auf dem Schreibtisch erhellte den Fleck, wo er sass und sich Notizen machte.

"Sie haben die Informationen für sich behalten?"

Er schreckte auf und blickte in die Dunkelheit.

"Ja, ich habe alle Informationen für mich behalten!" entgegnete er in die Dunkelheit. Er kniff die Augen zusammen und versuchte seinen ungebetenen Gast ausfindig zu machen.

Eine kleine Flamme, als sein Gast sich eine Zigarette anzündete, erhellte dessen Gesicht schemenhaft.

Masters wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte, aber er war sich sicher, dass derjenige sehr wichtig für seine Zukunft war.

"Geben sie mir die Unterlagen!"

Er sah die Hand, die sich aus der Dunkelheit zu ihm herüber streckte. Mit einem Griff in die Schublade zog er die geforderte Akte hervor und reichte sie seinem Gegenüber.

"Und nun die Kopie!" ertönte es erneut aus dem Dunkeln.

Masters zuckte zusammen. Niemand hatte von dieser Kopie gewusst, niemand ausser den beiden Agenten aus Washington, denen er die Kopie überlassen hatte.

Woher wusste also dieser Fremde davon?

"Welche Kopie?"

Richard Masters entschloss sich den Ahnungslosen zu spielen.

Sein Gegenüber reagierte nicht auf seine Frage und hielt weiterhin die Hand fordernd in seine Richtung.

Abermals zog Masters eine Akte aus seiner Schublade - sie war identisch mit dem Original.

Gut, dass er für alle Fälle zwei Kopien erstellt hatte. Niemand würde ahnen, dass er das zweite Exemplar bereits an die Agenten aus Washington weitergegeben hatte.

***

Er hatte dem Fremden Verschwiegenheit garantieren müssen. Was war ihm auch anderes übrig geblieben. Er war sich ziemlich sicher, dass er nicht lebend aus seinem Büro herausgekommen wäre, hätte er nicht seine völlige Loyalität geschworen. Er wusste zwar immer noch nicht so genau, wem er das geschworen hatte, aber solange er dabei am Leben blieb, war ihm das herzlich egal.

Er kramte seinen Wagenschlüssel aus der Jackentasche und versuchte das vereiste Schloss zu öffnen.

"Richard Masters..." hauchte eine Stimme dicht an seinem Ohr.

Erschrocken wirbelte er herum und sah sich der unbekannten Asiatin gegenüber, die ihn bereits in der Bar angesprochen hatte.

"Wir hatten eine Verabredung, vergessen?" säuselte sie und bedachte Masters mit einem koketten Blick.

Er erinnerte sich vage daran, dass er eine Verabredung hatte sausen lassen, weil er mit Natascha...

Er musste jeglichen Gedanken verdrängen. Es ging einfach nicht anders. Wiedermal würde er gedanklich bei ihr landen und sich Vorwürfe machen.

"Ist Ihr Stuhl noch ganz?" lächelte seine Unbekannte und berührte sacht seinen Rücken.

Die Erinnerung an diese Szene schoss abrupt in sein Gedächtnis. Peinlich berührt versuchte er den Schlüssel wieder ins Wagenschloss zu bekommen.

"Sie haben mich sitzen lassen!" Ihre Stimme war ein wenig verärgert, erkannte Masters.

Bestimmt aber freundlich nahm er sie beim Arm und führte sie einen Meter von seinem Wagen fort: "Hören Sie, ich bin nicht mit Ihnen ausgegangen, weil ich etwas besseres vor hatte!"

"Besser als das?"

Sie schlang unvermittelt ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn mit einer feurigen Leidenschaft, der er nicht widerstehen konnte.

Lächelnd ließ sie ihn wieder los und genoss ihren Triumph über sein Gefühlsleben sichtlich.

Masters bekam kein Wort heraus.

"Steht unsere Verabredung wieder?" Sie blickte ihn verschwörerisch an.

"Ich..." schluckte er, zu keinem vernünftigen Satz mehr fähig.

Mit einem weiteren Kuss zog sie ihn näher an seinen Wagen, öffnete geschickt die Tür und schob ihn auf den Fahrersitz.

Verblüfft sah er sie an.

Zwinkernd reichte sie ihm seinen Schlüssel, den sie - er wusste nicht wie - an sich genommen hatte.

Mit schnellen Schritten hatte sie den Wagen umrundet und auf dem Beifahrersitz Platz genommen.

Masters startete das Fahrzeug und fuhr los. Wohin und was ihn erwarten würde, konnte er sich nicht im geringsten ausmalen.

***

Tamara ließ sich geschmeidig vom Bett herunter und wanderte mit grazilen Schritten zur Küche. Mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht drehte sie den Wasserhahn auf und hielt ihre Hände unter das Wasser. Rot floss es weiter in den Abfluss.

"So ein Mist!" hörte man sie fluchen.

"Hör doch auf zu jammern, das hätte jedem passieren können!"

Masters schlich sich vorsichtig um die Ecke und betrachtete den Körper der schönen Asiatin.

Sie bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick. Natürlich das hätte jedem passieren können, aber nicht ihr. Einem Profikiller misslang einfach kein Mord!

Sie ließ ihren Blick wieder auf die Stelle an seinem Körper gleiten, wo sie ihn verletzt hatte.

"Schmerzt es sehr?" fragte sie ihn mehr maulig als wirklich interessiert. Er bemerkte ihre Wut nicht.

"Ein wenig..."

Blut quoll aus der Stelle am Nacken, wo ihn die Scherbe der Sektflasche getroffen hatten. Eigentlich hätte er nicht mehr hier stehen sollen.

"Richard..." setzte sie an.

"Tamara, du kannst nichts dafür! Und nun ruf bitte einen Arzt, ja?" entgegnete er, sie nicht zu Wort kommen lassend und drehte ihr den Rücken zu.

Sein Fehler!

Tamara nutzte ihre Chance und griff sich das grobschlächtige Küchenmesser.

Sie brauchte nur zwei Schritte, stieß ihm das Messer in den ungeschützten Rücken und durchbohrte ihn förmlich. Masters schnappte nach Luft. Er spürte die kalte Klinge nach innen dringen, spürte den unerträglichen Schmerz in seinem Rücken und seiner Brust.

Er konnte das nicht wirklich erleben. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck, unfähig ein Wort herauszubringen, drehte er sich zu Tamara um, die das Messer wieder aus seinem Rücken gezogen hatte und nun blutgetränkt in ihren Händen hielt.

"Tut mir leid Richard, ich habe meine Aufträge!" lächelte sie und zuckte mit den Schultern.

Erstaunt sah er sie an, während er seine Kraft weichen fühlte. Noch stand er aufrecht und konnte ihr in die Augen blicken.

"Ich fand es wirklich nett mit dir, aber nun folge endlich deiner reizvollen Sekretärin!" Master hob eine Augenbraue. Sie hatte also Nataschas Tod auf dem Gewissen. Und dieser Person hatte er sich hingegeben. Jetzt wurde Masters einiges klar, doch zu spät. Tamaras Arm schnellte vor und er spürte zum zweitenmal das kalte Metall in seinem Körper.

Sein Blut lief an ihm herab. Er konnte fühlen wie all seine Wärme und Kraft aus ihm wichen.

Unter unglaublichen Schmerzen sackte er auf die Knie und hielt sich an Tamaras Beinen fest, ehe sie ein weiteres, endgültiges Mal zustieß...

***

"Auftrag erledigt?" tönte eine Stimme neben ihr.

"Masters weilt nicht mehr unter den Lebenden!" erwiderte sie mürrisch.

"Warum so unzufrieden?"

Sie wusste, er hatte weder Gefühle noch ein Gewissen, also holte sie lieber gleich aus, statt sich auf Diskussionen einzulassen.

"Du hast mir verschwiegen, wer er ist!" Demonstrativ hielt sie eine Art Steckbrief hoch.

"Ich habe dir gesagt, er ist gefährlich!" zischte ihr Gegenüber, schien aber ansonsten nicht großartig berührt.

Tamara schüttelte sauer ihren Kopf. Wie konnte man ihr bei solch einem Auftrag nur Informationen unterschlagen.

"Wenn du willst, dass ich in Zukunft weiter für dich arbeite, musst du dir ganz gewaltig was einfallen lassen. Auf diese Tour mach ich jedenfalls nicht weiter!"

Sie war in Rage, wusste nicht genau, was sie sagte. Vielleicht war es ihr auch wirklich egal. Aber auf jeden Fall hatte sie ihren Gegenüber entzürnt und so etwas durfte nicht geschehen.

Er wusste, sie war unwahrscheinlich stark und unverwundbar... zumindest noch... aber er würde sie noch zur Strecke bringen.

Mit einem schnellen Griff - schneller als man für seine Statur und sein Alter vermutet hätte - hatte er eine kleine Dose hervorgezogen und deren Inhalt in Tamaras Gesicht gesprüht.

Sie war unverwundbar, lachte ihr Auftraggeber, aber nicht resistent gegen Betäubungsgas. Ihr Körper erschlaffte und sackte auf den Boden und aus ihrer Hand glitt das Stück Papier, welches sie eben noch so demonstrativ in der Hand gehalten hatte.

Er hob den Steckbrief auf und betrachtete ihn. Ein fast freundlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, dann zerriss er ihn und Agent Fox Mulder's Steckbrief landete in der Kanalisation von New York...

***

"Könnte es sein, dass du einen kleinen Schwips hast?" Mulder griente breit, während er seinen Zimmerschlüssel herauskramte.

"Na, nicht mehr oder weniger als du?" lachte sie und ließ ihren Zimmerschlüssel unbeabsichtigt fallen.

Mulder ging mit ihr in die Hocke um ihn aufzuheben und ihre beider Köpfe stießen unvermittelt zusammen. Scully kippte nach hinten weg, landete auf ihrem Allerwertesten und rieb sich die Stelle am Kopf, wo sie mit Mulder ins Gehege gekommen war. Mulder hingegen, hatte es nicht so hart getroffen, er richtete sich wieder auf und sah sich suchend nach Scully's und nach seinem Schlüssel um, den er zu guter Letzt auch noch verloren hatte.

Scully hielt beide triumphierend in die Höhe und grinste ihren Partner frech an: "Suchst du das?"

"Du!" schmunzelte er und reichte ihr seine Hände, um ihr aufzuhelfen.

Dankbar ergriff sie die dargebotenen Hände und ließ sich mit einem Ruck hochziehen. Doch der Schwung war etwas zu viel und sie stolperte über ihre eigenen Füße und direkt in Mulder's ausgebreitete Arme.

"Wow, du bist heute aber stürmisch!" murmelte er mit einem verhangenen Blick und umschloss sie mit seinen Armen.

Scully hielt gespannt die Luft an.

Er neigte seinen Kopf zu ihr hinab und näherte sich ihrem Gesicht gefährlich. Instinktiv schloss sie die Augen. Ihr Herz schien zu zerspringen. Sie konnte seinen alkoholisierten Atem riechen. Er war ihr sehr nah.

Mit einem Male ging eine Tür auf dem Korridor auf und eine ältere Dame mit Lockenwicklern schimpfte irgendetwas wie: "Habt ihr jungen Leute überhaupt keinen Anstand mehr?" und schlurfte wieder in ihr Zimmer zurück.

Mulder hatte abrupt den Kopf gehoben und die kauzige Alte verwirrt angesehen, während Scully an seine Brust gelehnt in ein furchtbar albernes Kichern gefallen war.

Schließlich fiel auch Mulder in Scully's Kichern ein und drückte sie währenddessen noch fester an sich.

***

"Morgen..."

Sie hörte die verschlafene Begrüßung von ihrem Partner, gedachte jedoch nicht, die Augen zu öffnen.

Erschrocken riss sie Bruchteile von Sekunden später doch die Augen auf und starrte Mulder an, der neben ihr im Bett lag und die Augen noch geschlossen hielt.

"Mulder!" entfuhr es ihr in einer sehr hohen Tonlage, während sie sich das Laken um ihren Körper schlang und aus dem Bett aufsprang.

Auch er hatte abrupt die Augen offen und starrte ihr Manöver entgeistert und schließlich begreifend an. Auch ihn hielt nichts mehr im Bett.

"Was hast du hier zu suchen!" fluchte sie und zog das Laken um ihren Körper noch fester.

"Moment..." er sah sich kurz suchend im Zimmer um, "das ist mein Zimmer!"

"Oh..." hauchte sie verstört.

Als sie sich dessen bewusst wurde, dass sie ihn anstarrte, errötete sie und blickte auf den Boden vor sich.

"Scully, ich..." Mulder brachte kein weiteres Wort heraus.

Just in diesem Augenblick klingelte sein Handy.

Er sah sie an und deutete auf seine Jacke, wo sein Handy zu liegen schien. Scully winkte ihn ungeduldig hin, war jedoch auf seine Erklärung für das Ganze sehr gespannt.

Nachdem er das Gespräch beendet hatte, sah er seine Partnerin schluckend an.

"Was?" Sie hatte seine Reaktionen am Telefon bemerkt und wusste, dass es nichts gutes bedeuten konnte.

"Masters wurde umgebracht!"

Jetzt musste auch sie schlucken. Das war das letzte was sie zu gedenken gewagt hatte.

Sie blickte Mulder mit großen Augen an, während er auf sie zu kam: "Der Mörder scheint es auf jeden abgesehen zu haben, der mit dem Fall zu tun hat."

"Sieht so aus," murmelte er unruhig und zog Scully ohne Aufforderung in seine Arme.

Sie wollte protestieren, aber es war genau das, was sie im Moment brauchte und so schmiegte sie sich kommentarlos in seine schützenden Arme...

***

Es war nur eine knappe halbe Stunde seit dem Anruf vergangen, da trafen sie bereits bei Masters Wohnung ein.

Jeder andere Mord hätte sie nicht so mitgenommen und getroffen, aber Masters hatten sie persönlich kennengelernt und obwohl er von irgendwelchen Leuten unter Druck gesetzt worden war, hatten sie ihn gemocht - der eine mehr, der andere weniger.

"Agent Scully, Agent Mulder!"

Eine bekannte Stimme hinter ihnen, veranlasste sie, sich umzudrehen. Es war keine wirkliche Überraschung, als Assistant Direktor Skinner sich zu ihnen gesellte.

"Man sollte annehmen, die New Yorker haben ihre eigenen Leute für solche Sachen!" bemerkte Mulder mehr beiläufig ohne einen Blick oder Gruß für seinen Vorgesetzten.

"Masters war ein alter Freund von mir!" entgegnete Skinner trocken und schritt zwischen den beiden hindurch zur Wohnungstür.

"Es ist doch erstaunlich, wer alles mit wem befreundet, liiert oder im Bett war!" brummte Mulder und erntete dafür Scully's patentierten Blick.

"Was?!" zischte er sie an und wurde sich dann darüber klar, dass es bei ihnen zur Zeit nicht anders aussah. Er machte eine abwehrende Handbewegung und folgte Skinner in Masters Wohnung.

"Äußerst delikat!" murmelte Scully und besah sich die Leiche von Masters. Drei Stiche - ziemlich präzise gesetzt - hatten ihn vermutlich innerhalb kürzester Zeit getötet.

Er hatte sein Opfer gekannt, so viel stand fest. Niemanden hätte er sonst so dicht an sich mit einem Küchenmesser rangelassen.

Scully verfrachtete das Messer in eine Plastiktüte und streifte sich anschließend die Handschuhe von ihren Händen.

"Irgendwas wurde hier gesucht!" erklärte Mulder mit einem Blick auf das Durcheinander in Masters Arbeitszimmer.

"Er hatte Geschlechtsverkehr bevor er starb," warf Scully ein und erhielt einen wenig überraschten Blick von ihrem Partner.

"Er kannte sie also." Seufzend reichte Mulder ihr eine Akte.

Als sie diese aufschlug, sah sie erstaunt zu ihrem Partner auf: "Eine Akte über uns?"

"Sehr interessant, nicht wahr?"

"Dein Steckbrief fehlt, Mulder!" Scully blickte ihn groß an.

"Ich fürchte ja," erwiderte er mit einem Seitenblick auf Skinner.

Scully folgte Mulder's Blick: "Glaubst du, er hat was damit zu tun?"

Er nahm ihr die Akte wieder aus den Händen und schüttelte den Kopf: "Nein, ich denke Skinner hat herzlich wenig mit der Sache zu tun. Die Frage ist, ob es stimmt, dass er Masters Freund war und wenn, warum er deshalb hier ist?"

Scully nickte. Merkwürdig kam ihr das schon vor.

"Hast du das Wort gelesen, dass Masters mit seinem Blut auf den Boden geschrieben hat?" Er verzog sein Gesicht: "Wie in kitschigen Kriminalfilmen... aber clever!"

Sie zuckte mit den Schulter: "Aber was soll dieses Wort bedeuten? HANUMAN?"

"Ich weiß nicht, aber irgendwie kommt es mir bekannt vor."

"Dann finde heraus, woher es dir bekannt vorkommt!" zischte sie und sah ihrem Partner fest in die Augen, "und anschließend klären wir unser kleines Fiasko!"
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