World of X

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Prophecy

von Steffi Raatz

Kapitel 1

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THE VOICE



Prolog

New York City, Manhatten - 07.07.

"Lady, sind Sie in Ordnung? Sie sehen so aus, als bräuchten Sie Hilfe.", Der Portier des Hilton Hotel stützte die junge Frau am Ellenbogen und sah sie forschend an.

"Nein, nein, mir geht es gut. Aber hätten Sie zufällig ein Telefon? Ich muss dringend jemanden anrufen,", erwiderte sie erschöpft und hielt sich mit einer Hand dankbar am Portier fest.

"Sicher, folgen Sie mir. Einen Stuhl könnten Sie allerdings auch gebrauchen", er lächelte er besorgt.

"Ja, doch, das wäre sehr nett. Ich spüre meine Beine kaum noch."

Er half ihr die Treppen hinauf und brachte sie in einen kleinen Pausenraum für die Angestellten. Dann stellte er ihr das Telefon vor die Nase und einen Becher mit heißem Kaffee. Sie nahm beides dankend entgegen und während sie den Kaffee trank, merkte sie erst, wie die Kälte von ihren Gliedern Besitz ergriffen hatte. Ihre Beine fühlten sich an, wie mit Blei gefüllt und ihr Rücken begann unerträgliche Schmerzsignale auszusenden. Sie hatte viel zu lange in der winterlichen Kälte verbracht, aber eigentlich war das egal. Sie musste dringend jemanden anrufen. Sie musste eine wichtige Information weitergeben. Urplötzlich glomm Angst in ihr auf. Was, wenn ihre Warnung zu spät kam? Was, wenn alles umsonst gewesen war? Sie griff zum Telefon und wählte eine Nummer, die sie schon lange auswendig kannte.

Nach wenigem Tuten hörte sie ein Klicken in der Leitung und eine sehr vertraute Stimme. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihre Lippen. Es war also noch nicht zu spät.

Sie atmete tief durch und gab ihre Informationen weiter: "Hallo... Skinner, hier ist Agent Scully. Es hat begonnen..."





Einige Wochen früher...

Washington D.C., J. Edgar Hoover Gebäude - 27.05.

Der Tag war grau und verregnet. Einer dieser Tage, an denen man sich am liebsten im Bett verkroch und den ganzen Tag nicht aus seinem Mauseloch hervorkam.

So oder so ähnlich wäre es auch Fox Mulder ergangen, wäre da nicht ein Anruf aus dem FBI - Hauptquartier gekommen, der ihn in Alarmbereitschaft versetzt hatte. Im Eiltempo raste er die Stufen des J. Edgar Hoover Gebäudes hinauf, nahm keine Rücksicht auf Wachmänner oder andere Agenten und bahnte sich seinen Weg in Windeseile durch die Korridore in die Pathologie, von wo er seinen Anruf erhalten hatte.

Die Flügeltüren rauschten mit Schwung auf und prallten an die seitlichen Wände. Das in den Flügeltüren befindliche Fensterglas klirrte verdächtig, hielt aber der Erschütterung stand.

"Scully, wo ist es?"

Agent Scully, Mulders langjährige Partnerin und Vertraute blickte von der Leiche vor sich auf und musterte ihren Partner kritisch. Ihre Augen waren müde und mit Rändern unterlaufen und doch war ein aufgeregtes, sehr waches Glitzern darin zu erkennen, als sie hinter sich griff und ein kleines verschlossenes Reagenzglas zur Hand nahm.

Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Bahre mit dem Toten umrundete und ihrem Partner das Reagenzglas entgegenhielt.

"Ist es das?", fragte Mulder ehrfürchtig und nahm ihr den Behälter aus den Händen.

Sie nickte: "Definitiv!"

"Ich glaube es noch gar nicht. So lange schon haben wir danach gesucht!" Er hielt das Glas gegen das Licht und betrachtete die flüssige Masse im Inneren erstaunt, wissend und doch mit einer gewissen Angst.

"Es hat mich nicht angegriffen, daher nehme ich an, dass es nicht mehr lebt... wenn man überhaupt von Leben bei dieser Substanz sprechen kann", kommentierte sie und zog langsam ihre Latexhandschuhe aus.

Er winkte ab: "Ob lebend oder nicht, dies ist endlich der Beweis."

Sie lächelte. Ja, sie hatten endlich den Beweis für all ihre Verschwörungstheorien gefunden. Lange hatten sie nach einem Weg gesucht, diese Dinge zu beweisen und wie viel Mühe hatte es sie gekostet, einen Infizierten unbeobachtet in die Pathologie des FBIs zu schleusen. Scully wusste, sie hatten ein sehr großes Risiko auf sich genommen, als sie das getan hatten. Wie leicht hätte das ganze FBI verseucht werden können, wie leicht hätte das Konsortium wieder alles zu nichte machen können und doch hatten sie es endlich geschafft. Die Arbeit hatte sich endlich gelohnt.

Sie betrachtete die klebrige schwarze Masse im Reagenzglas und spürte den Schauer der Erregung über ihren Rücken kriechen. Dieses Risiko hatte sich wahrlich gelohnt.

"Wem werden wir diesen Beweis vorlegen?"

Mulders Stimme ließ sie aus ihrem Freudentaumel in die Realität zurückkehren und der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ja, wem sollten sie diese Substanz zeigen? Wem sollten sie die Wahrheit erzählen? Konnten sie denn überhaupt noch jemandem vertrauen?

"Vielleicht mir...?", ertönte eine Stimme hinter Mulder und ließ die beiden Agenten zusammen zucken.

"Skinner... was führt Sie hier in die Pathologie?" Scully versuchte Ruhe zu bewahren, während ihr Partner das Reagenzglas in seiner Jackentasche verschwinden ließ.

"Agent Mulder, Agent Scully. Guten Morgen! Ich könnte Sie eigentlich auch fragen, was Sie hier machen. Es ist 4.00 Uhr früh. Ihr Dienst beginnt doch eigentlich erst gegen 8.00 Uhr und ich wüsste nicht, dass es irgendeinen besonders brisanten Fall gäbe, der Ihren Aufenthalt in der Pathologie um diese Uhrzeit rechtfertigen würde."

Scully sah ihren Partner Hilfe suchend an, doch der zuckte nur mit den Schultern und erschien ebenso ratlos wie sie. Skinner nahm ihnen die Entscheidung ab, als er die Flügeltüren hinter sich schloss und einen forschenden Blick auf den Korridor warf, bevor er sich wieder seinen beiden Agenten widmete.

"Ich brauche Ihre Hilfe, Agents. Gestern Abend gegen 23.00 Uhr erhielt ich einen Anruf. Ich habe die Stimme nicht erkennen können, aber ich weiß, dass ich diese Stimme ernst zu nehmen habe."

Mulder und Scully blickten sich fragend an. Was versuchte Skinner ihnen zu sagen?

"Ich wurde gewarnt vor einer Prophezeiung. Derjenige sagte mir weder um was für eine Prophezeiung es sich handeln würde und von wem. Ich weiß nur mit absoluter Sicherheit, dass diese Stimme ernst zu nehmen ist. Und nun kommt meine Bitte. Finden Sie heraus, was vor sich geht", erläuterte Skinner und sah seine beiden Agenten bittend an.

Scully fand als erste ihre Worte wieder: "Wie lautet die Prophezeiung? Ich meine, wir benötigen doch Hinweise."

"Wie gesagt, Agent Scully, ich weiß es nicht. Der Wortlaut ist mir unbekannt. Ich habe nur erfahren, dass es um die Apokalypse geht, den Untergang der Menschheit. Schauen Sie mich jetzt nicht so entgeistert an, Agents. Ich habe selbst an den Worten des Anrufers gezweifelt, doch diese Stimme warnte mich am Ende des Gesprächs, diese Warnung nicht zu unterschätzen und ich glaube demjenigen, so verrückt es Ihnen erscheinen mag!", schloss Skinner seinen Satz.

Die beiden Agenten tauschten erneut Blicke aus und ihnen beiden ging exakt dasselbe durch den Kopf.

"Ähm... wir haben da etwas gefunden und wir denken, es könnte damit zusammenhängen", begann Scully und nickte in Mulders Richtung, der das Reagenzglas aus seiner Jackentasche fischte.

"Es handelt sich hierbei um das schwarze Öl - sicherlich sagt Ihnen dieser Begriff etwas, oder?", brachte Mulder sich ein und hielt das Glas in Skinners Richtung.

Ehrfurchtsvoll nahm dieser den Gegenstand entgegen und betrachtete die Substanz. Es war das erste Mal, dass er diese Substanz zu sehen bekam. Bisher hatte er nur in Berichten von Mulder und Scully darüber gelesen und diese Dinge mit Skepsis betrachtet, doch jetzt wo er es in den Händen hielt, wurde ihm die Bedeutung dieser Entdeckung bewusst.

"Die Substanz scheint tot zu sein... ich weiß, es klingt merkwürdig, aber bisher zeugte das schwarze Öl immer von einem merkwürdigen Eigenleben, wenn wir es zu Gesicht bekamen. Dass es hier so völlig regungslos und scheinbar tot in dem Reagenzglas schwimmt, als sei es nur eine kleine Pfütze normalen Öls, gibt uns nach Ihrer Ausführung über eine Prophezeiung und die Apokalypse ganz eigene Schlüsse auf", kommentierte Scully.

Skinner sah sie nachdenklich an: "Und die wären?"

"Was, wenn das mit der Apokalypse, dem Ende allen Seins, wahr ist. Vielleicht haben wir immer falsch vermutet und die Invasion der Aliens für die Apokalypse gehalten. Vielleicht sind es aber gar nicht die Aliens. Vielleicht haben die auch unter der Prophezeiung zu leiden und die Leblosigkeit dieser Substanz ist nur ein kleiner Hinweis darauf. Was, wenn wir bisher nicht die wirkliche Gefahr gesehen haben?"

Scully sah ihren Partner zum ersten Mal nicht skeptisch an, sondern versuchte sein Gesagtes zu verstehen und zu glauben.

"Wenn das wahr ist, Mulder", Skinner reichte Scully die Substanz und fuhr sich nachdenklich über die Stirn, "dann müssen wir es mit etwas weitaus Mächtigerem zu tun haben, als der vorausgesagten Invasion. Etwas für uns noch unbegreiflichen."

Scully verstaute die Substanz in einem Kühlbehälter und verschloss diesen. Kalte Schauer liefen ihren Rücken hinab, während sie die Unterhaltung weiter verfolgte. Konnten ihre ärgsten Alpträume noch übertroffen werden?

"Können Sie uns etwas über die Stimme sagen, Skinner?", wandte sich Mulder an seinen Vorgesetzten.

"Sie war männlich, sehr tief und ich könnte schwören, dass es sich um einen älteren Menschen gehandelt hat, doch da mag ich mich auch verschätzen. Sicher ist nur, dass es absolut ruhig war am anderen Ende. Keine Straßengeräusche, kein Atmen, kein Fernseher, nichts... es gab nur diese Stimme."

Scully fuhr sich durch das Haar. "Ich schätze das wird reichlich schwierig. Es gibt Hunderte von Prophezeiungen und ebenso gut, könnte es auch ein übler Scherz gewesen sein. Ich will nicht abstreiten, dass wir eine Entdeckung gemacht haben, die mich dazu zwingt, gewisse Dinge zu glauben", sie sah Mulder unverwandt an, "aber ich denke, wir sollen vorsichtig sein und dem Ganzen noch nicht all zu viel Bedeutung zumessen."

"Vor allem sollten wir versuchen, möglichst wenige Menschen darüber in Kenntnis zu setzen", fügte Skinner hinzu und betrachtete seine beiden Agenten forschend.
"Unsere eigene kleine Verschwörung sozusagen", lächelte Mulder verhalten, während er Skinner zustimmte.

"Ich bin mit Ihnen einer Meinung", richtete sich auch Scully an Skinner.

Dieser fuhr sich ein weiteres Mal nervös über die Stirn. "Okay, dann kümmern Sie sich um diese Prophezeiung und ich werde versuchen, etwas über diese Stimme herauszubekommen."

Mulder und Scully nickten und sahen Skinner hinterher, der die Pathologie verließ.

"Was halten Sie davon, Mulder?", fragte sie skeptisch und streifte ihren Kittel ab.

"Wir sollten versuchen diese Prophezeiung ausfindig zu machen und dabei sehr vorsichtig vorgehen. Ich weiß noch immer nicht ganz genau, auf welcher Seite Skinner steht", erwiderte Mulder und öffnete die Flügeltüren.

Scully rauschte an ihm vorbei und fühlte ihr Herz rasen. Wenn nur etwas ihrer Unterhaltung der Wahrheit entsprach, musste sie ihr ganzes Weltbild über Bord werfen und leider sah es so aus, als würde dies geschehen. Sie wünschte sich verzweifelt, nie diese Entdeckung gemacht zu haben.

Wenn der Preis der Wahrheit, Angst war, dann wollte sie nie die Wahrheit herausfinden.
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