World of X

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...and Heaven starts to cry...

von Steffi Raatz

Kapitel 1

Ein lauer Wind pfiff durch die Straßen. Nieselregen bildete einen feinen feuchten Film auf Fenstern und Scheiben. Eine ungemütliche Kälte fraß sich durch Türen und Fenster, ließ den Tag noch unfreundlicher erscheinen. Eine Krähe gab ihren Klagelaut von sich, ließ ihn durch die leer gefegten Straßen hallen. Trübes grau verwehrte jeglichen Blick auf den unheilschwangeren Himmel. Es war Winter in Cancoon City.



*1*


Das Quietschen der Scheibenwischer lähmte jeden Gedanken. Der Becher Kaffee in ihrer Hand war längst erkaltet, brachte die Kälte in ihr zurück. Sie zitterte, jedoch nicht vor Kälte, sondern vor unglaublicher Angst. Ihr Mann war vor zwanzig Minuten in den kleinen Drugstore gegangen, um nach einer Tankstelle zu fragen. Eileen hatte ihn gebeten, regelrecht angefleht, er möge weiterfahren, doch er hatte nicht auf sie gehört.

Die Straßen waren leer gefegt. Keine Menschenseele war zu sehen oder zu hören. Es machte ihren Argwohn größer. Die tiefsitzende Angst erklomm ihr Innerstes und nahm Besitz von ihr. Etwas war dort draußen. Etwas, was sie weder sehen, noch beziffern konnte, aber sie spürte es instinktiv. Von Panik ergriffen, kletterte sie hinter das Lenkrad und versuchte hektisch den Wagen zu starten.

Marty verließ den Drugstore, als er das Stottern des Motors vernahm. Er begriff nicht so schnell, was eigentlich geschah, dann stürmte der Wagen mit seiner Frau am Steuer schon vorwärts. Rufen und Winken nutzte nichts, seine Frau hörte ihn nicht. Er konnte nur noch entsetzt mit ansehen, wie sie die Kontrolle über den Wagen verlor und in eine Mauer unweit seiner Position preschte. Die Flammen, die kurz darauf aus dem Motorraum schossen, nahmen ihm jede Sicht.

"Eileen..." gellte sein Schrei durch den Nebel, doch seine Frau konnte ihn nicht mehr hören.



*2*


Mit einem unzufriedenen Brummen schlug er seinen Mantelkragen hoch und wischte sich die Feuchtigkeit aus seinem Gesicht. Er war ganz und gar nicht in Weihnachtsstimmung und verfluchte alles und jeden, der ihn an diese Gegebenheit erinnerte. Seine Partnerin hingegen, betrachtete fasziniert die Auslagen des Kaufhauses, während sie in ihren Hot Dog mit Senf und ohne Zwiebeln biß.

"Woher kommt Ihre Abneigung gegen Weihnachten?"

"Scully, lassen Sie mich ja mit diesem Schwachsinn in Frieden! Weihnachten, wenn ich das schon höre!"

"Aber Sie können auch sonst so schön sentimental sein! Warum nicht auch an Weihnachten?"

Scully wischte sich die Hände an der Papierserviette ab und blickte noch einmal sehnsüchtig auf die Auslagen des Kaufhauses.

"Weil ich diesen Weihnachtsstreß grauenhaft finde. Was soll das alles? Das ist doch nur noch die reinste Halsabschneiderei. Wen interessiert denn noch wirklich Weihnachten?"

Er steckte beide Hände in die Manteltaschen, zog seinen Kopf in den Kragen und starrte seine Partnerin kopfschüttelnd an. Sie war ganz vertieft in die Weihnachtsdekoration des Geschäftes, hatte ihm vermutlich nicht einmal mehr ganz zugehört. Auch sie war eine von denen, die sich von der Konsumgesellschaft mitreißen ließen. Ihm würde das nicht passieren, er war dagegen gefeit. Es gab keine Familie, die sich um ihn scharrte, keine Kinder, die nach Geschenken quengelten, kein Kaufzwang, denn da gab es niemanden, dem er was schenken konnte. Vielleicht hätte er eine Kleinigkeit für Scully gekauft, aber sie war sowieso wie jedes Jahr bei ihrer Familie. Also feierte er Weihnachten erst gar nicht. Er würde Weihnachten vermutlich vorm Fernseher sitzen und sich Pornos ansehen oder er war gar nicht zu Hause und würde in seinem Büro alte Aktenberge durch sortieren. Jedenfalls würde er wohl kaum feiern.

"Aber Mulder, es ist doch das Fest der Liebe, des Friedens und der Zweisamkeit."

"Versuchen Sie nicht, mir irgend etwas schmackhaft zu machen! Sie sitzen vermutlich wieder bei Ihrer lieben Familie und werden gemästet und mit Liebe überschüttet. Ich kann ja verstehen, daß Ihnen etwas an diesem Fest liegt, aber ich werde mich dem nicht ergeben!"

Scully schüttelte enttäuscht den Kopf. Sie hatte mehr von ihrem Partner erwartet. Gerade wo sie die letzten Jahre auch nicht so begeistert von Weihnachten gewesen war, hatte sie dieses Jahr gehofft, daß Mulder wenigstens ein wenig in Weihnachtsstimmung geriet.

"Kommen Sie doch einfach mit." Sie wußte, ihre Familie würde sie dafür hassen. Nun gut, ihre Mutter vermutlich nicht, sie mochte Mulder. Ihr Bruder allerdings würde ihr an den Hals springen. Bill konnte ihren Partner nicht leiden. Vermutlich würde es ein nicht all zu fröhliches Fest werden, wenn Bill und Mulder zusammen trafen - schnell verwarf sie den Gedanken wieder.

"Zu Ihnen? Mit Ihrer Familie feiern? Sie wissen, ich mag Ihre Mutter, aber mit Ihrem Bruder unter einem Dach? Er wird mich vermutlich umbringen!"

Ja, genau das hatte sie eben auch gedacht und trotzdem war sie bitter enttäuscht, daß er ihr Angebot so schnell abwies. Er hatte sich ja nicht einmal Bedenkzeit eingeräumt. Scully seufzte unterdrückt. Aber irgendwie mußte sie ihren Partner doch davon überzeugen können, daß Weihnachten ein schönes Fest war, an dem man vielleicht auch sich selbst einen kleinen Gefallen tat. Sie starrte auf die Auslagen im Schaufenster und schnippte mit den Fingern. Ja, das war es, sie würde ihren Partner noch in Weihnachtsstimmung versetzten. Jetzt sofort und auf der Stelle. Sie hatte eine wunderbare Idee. Just im gleichen Augenblick klingelte ihr Handy. Scully verfluchte das kleine schwarze Gerät und hätte beinahe einen bissigen Kommentar abgegeben, als sie Skinners Stimme am anderen Ende der Leitung vernahm. Wie immer rief er genau im richtigen Augenblick an. Scully hörte etwas von einem Fall in Cancoon City, dringendem Einsatz und keine Rücksicht auf Weihnachten, dann drückte sie Mulder das Handy in die Hand und starrte leise vor sich hin fluchend auf die Weihnachtsdekoration des Kaufhauses.

"Scully...ich schätze wir müssen nach Cancoon City."

"Mh..." brummte sie und ließ ihren Blick auf die Dekoration gerichtet. Es war der 22. Dezember - unter Garantie würden sie über die Feiertage in Cancoon City festhängen. Dieser Fall würde nicht innerhalb von Stunden erledigt sein. Sie konnte sich also Weihnachten mit der Familie abschminken.

"Scully, wollen wir?" Er spürte ihren Unmut der Sache gegenüber, aber es war nun mal ihr Job. Sie waren beide unverheiratet. Von ihnen konnte man erwarten, daß sie an Feiertagen oder Wochenenden ihren verheirateten Kollegen die Arbeit abnahmen.



*3*


Die Scheibenwischer quietschten, hinterließen einen schmierigen Film auf der Windschutzscheibe und gaben ihr den Rest. Eine fröhliche Weihnachtsmannfigur grinste sie von der gegenüberliegenden Straßenseite an und bimmelte ununterbrochen mit seinem Glöckchen. Scully hatte das dringende Bedürfnis zu schreien. Cancoon City war eine kleine adrette Bilderbuchstadt, die einem trotz der tristen Regenschauer immer noch dieses wunderbare Weihnachtsflair von heiler Welt und fröhlichen Kindern vermitteln konnte. Während Scully das Klingeln des Glöckchens und das heitere Lachen der Gruppe Grundschüler zu ignorieren versuchte, beobachtete sie die Mauer gegenüber. Schrammspuren und davor ein verwüstetes Blumenbeet - vermutlich war dieser schreckliche Unfall dort passiert. Scully bestand auf einen Unfall. Nichts in der Welt würde sie dazu bringen, daran zu glauben, daß es sich um eine paranormale Gegebenheit gehandelt hatte. Ihr Partner, ja der, der würde nicht nur fest daran glauben, sondern auch noch von ihr verlangen, es ebenso zu glauben. Aber sie war sich nicht mal mehr sicher, ob sie überhaupt noch an die Konstitution Weihnachten glauben konnte. Wieso sollte sie dann ausgerechnet an Paranormales glauben? Ihre Finger trommelten gereizt auf der Armatur des Wagens. Mulder ließ sich für ihren Geschmack zu viel Zeit bei der Nachfrage nach dem Weg. Vermutlich wären sie schneller gewesen, sie wären auf gut Glück einfach drauf los gefahren. So schwer konnte der Weg zum Sheriff-Departement ja nun nicht sein. Plötzlich lief ihr ein kalter Schauer den Rücken hinab und das Gefühl von Gefahr tauchte in ihrem Nacken auf. War ihrem Partner etwas geschehen und deshalb dauerte das Ganze so lange? Ihre Hände wurden feucht vor Nervosität. Panik staute sich auf. Dann hörte sie Schritte. Die Panik, die sich so abrupt aufgebaut hatte, verschwand mit einem Male. Scully kam nicht mehr dazu, darüber nachzudenken, woher dieses merkwürdige Gefühl gekommen war. Sekundenbruchteile später öffnete Mulder die Fahrertür und ließ sich mit zwei Bechern Kaffee und einer zwischen die Zähne geklemmten Tüte neben seiner Partnerin im Sitz nieder.

"Nhem'si mi' d' Tüte aus'n Mnd."

"Was haben Sie gesagt?" Scully lächelte. Ihr Partner gab ein wirklich sehr merkwürdiges Bild ab. Er schickte ihr einen bösen Blick, den sie mit einem herzhaften Lachen kommentierte und drückte ihr die Kaffeebecher in die Hand. Dann zog er die Tüte zwischen seinen Zähnen heraus: "Ich habe gesagt..."

"Schon gut, ich hatte sie ja verstanden." Sie lächelte und stellte einen der Becher auf die Ablage. Ihre Finger umschlossen den heißen Becher, während köstlicher Kaffeeduft in ihre Nase stieg. Mulders beleidigter Blick traf sie. Ohne darauf zu achten, nahm sie ihm die Tüte aus der Hand und warf einen Blick hinein. Mit gerümpfter Nase sah sie wieder auf: "Donuts mit Schockoladenüberzug."

Jetzt lächelte er, griff in seine Jackentasche, kramte eine weitere kleine Tüte hervor und reichte sie seiner Partnerin: "Ich weiß, deshalb bekommen sie ja frische warme Croissants."

"Sie wissen, wie Sie eine Frau glücklich machen können." Ein glücklicher Seufzer entrang sich ihrer Kehle, als ihr der Duft der Croissants in die Nase stieg. Mulders Augen hafteten an ihrem Gesicht - wie sie die Augen genießerisch schloß, sich dieses unvergleichlich zauberhafte Lächeln auf ihren Lippen formte und ihr kleines Näschen sich in niedlichster Weise kraus zog. Es waren die glücklichsten Momente in seinem Leben, wenn er diesen Gesichtsausdruck bei ihr sah. Besonders dann, wenn er ihn auf irgendeine Weise hervor gerufen hatte.

"Ich kenne aber noch mehr Methoden, eine Frau glücklich zu machen!" Der Schalk saß ihm im Nacken. Als Scully ihre Augen öffnete, erkannte sie es sofort und sie war in keinster Weise schockiert durch seine Aussage, sondern eher erwartungsvoll gespannt.

"Et voilá!" Aus seiner anderen Jackentasche zückte er einen Schokoladenweihnachtsmann und hielt ihn freudestrahlend seiner Partnerin entgegen. Scullys Weihnachtsfrust war für einen Augenblick vergessen. Es war so bezaubernd, daß er daran dachte, sie in Weihnachtsstimmung zu bringen, wo er selbst doch so ein Weihnachtsmuffel war.

"Damit Weihnachten nicht ganz ins Wasser fällt." Er lächelte. Glücklich beugte sie sich vor und gab ihrem Partner einen Kuß auf die Wange.

"Noch mehr solcher guter Taten und ich vergesse, daß wir einen Fall zu lösen haben." Sie strahlte ihn an und begann ihren Schokoladenweihnachtsmann auszuwickeln.

"Oh...das wollen wir ja nicht, nicht wahr?" zwinkerte er vergnügt, während er den Wagen startete.


***


Das Sheriff-Department lag nicht unweit der Unfallstelle, dennoch wirkte die Gegend hier großstädtischer und weitaus belebter. Mehrere größere Einkaufsmärkte säumten die Straße. Ganz in der Nähe hörte man das lebendige Lachen von Kindern auf einem Schulhof. Das neue Krankenhausgebäude strahlte in grellem Weiß, als die Sonne durch die Wolken brach.

Das Sheriff-Department war ein flaches, einstöckiges Gebäude aus Klinkersteinen mit blauen Fensterrahmen. Vor dem Gebäude standen vier Streifenwagen und zwei Motorräder. Es gab auf jeder Seite des Einganges ein kleines sauberes Blumenbeet, auf denen momentan zwar nichts wuchs, welche aber mit Tannenzweigen bedeckt waren. Der Eingang war über einen dreistufigen Aufgang erreichbar. Scully kam unwillkürlich in den Sinn, daß es in Cancoon City vermutlich keine Behinderten geben durfte. Zwei uniformierte Beamte kamen den beiden Agenten entgegen und hoben die Hand zum Gruß. Wäre nicht vor wenigen Tagen dieser mysteriöse Unfall geschehen, hätte man Cancoon City für eine kleine perfekte Stadt halten können.

Die Innenräume des Gebäudes waren nett und freundlich ausgestattet. Mulder hoffte nur, die Beamten würden ebenso freundlich sein, wenn sie hörten, warum die beiden Agenten hier waren. Ein großer, gutaussehender Mann in einem hellen Flanellanzug steuerte direkt auf sie zu. Es gab keine Fragen, es war, als hätte man sie bereits erwartet.

"Guten Morgen. Sie müssen die beiden Agenten vom FBI in Washington sein. Mein Name ist William Shore." Er reichte erst Scully die Hand, dann schüttelte er Mulders mit einem Lächeln. Mulder grübelte noch, ob er William Shore nett oder unsympathisch finden sollte, während Scully bereits hinter dem Chief das Büro betrat. Ein Blick auf Scullys bezauberndes Lächeln, als der Chief ihr einen Kaffee anbot, ließ ihn dazu tendieren, ihn eher unsympathisch zu finden. Scully hingegen, entschied sich, William Shore als sehr interessante Person einzustufen.

William Shore erläuterte in einer einstündigen Besprechung, wie man dazu gekommen sei, daß ausgerechnet Mulder und Scully auf den Fall angesetzt werden sollten. Er begann eine Grundsatzdiskussion mit Scully über die Wahrscheinlichkeit einer paranomalen Erscheinung, die scheinbar nicht enden wollte. Nachdem die beiden Kontrahenten in ein weitaus hitzigeres Wortgefecht fielen, begann Mulder doch gewisse Sympathien für seinen Mitstreiter zu entwickeln. Der Chief war scheinbar ebenso von der Existenz von Paranormalem überzeugt wie er selbst.

"Wo finde ich die Leiche?" zischte Scully, die im Hinterkopf bereits Mordgedanken formte. Chief Shore war sicherlich ein sehr angenehmer Mensch, sein hartnäckiges Bestehen auf die Existenz von Paranormalem brachte die Agentin jedoch zur Weißglut.

"In der Leichenhalle des Krankenhauses. Wenn Sie möchten, stelle ich jemanden ab, der Sie hinüber bringt." Sein selbstgefälliges Lächeln ging Scully gegen den Strich. Noch ehe Mulder etwas sagen konnte, hatte sie die Begleitung abgelehnt und stolzierte aus seinem Büro. Mulder zuckte lediglich amüsiert mit den Mundwinkeln. Ihm war es recht, wenn es ausnahmsweise mal nicht er war, der die Debatten mit ihr führte.


***


"Was haben Sie festgestellt?" Neugierig begutachtete Mulder eines der Geräte in der Autopsiehalle, während seine Partnerin sich gerade die Hände wusch.

"Eigentlich nur die typischen Symptome eines ganz normalen Autounfalles. Wenn man mal davon absieht, daß ihr Mann meinte, sie wäre geradewegs auf die Mauer zu gefahren." Ihre Stimme klang gedämpft, der Wasserhahn rauschte und eigentlich hörte er ihr nur mit halbem Ohr zu. Das Gerät vor seiner Nase war viel zu interessant. Scully betrachtete ihren Partner kopfschüttelnd, während sie ihre Hände abtrocknete. So war ihr Partner manchmal - neugierig wie ein kleines Kind. Aber sie lächelte und wiederholte ihren Satz noch mal, bis sie merkte, daß ihr Partner ihn geistig registriert hatte.

"Kommen Sie, Mulder?" Scully griff nach ihrer Jacke und öffnete demonstrativ die Tür. Ihr Partner war immer noch mit dem Gerät beschäftigt. Erst als sie ihn am Ärmel zu fassen bekam und das Licht ausschaltete, reagierte er. Ein dumpfes Brummen stieg aus seiner Kehle und zeugte von seiner Unzufriedenheit. Viel lieber hätte er dieses Gerät weiter begutachtet. Scully schüttelte mit einem leichten Anflug von Gereiztheit den Kopf.


***


Sie hatten bereits den Parkplatz des Krankenhauses erreicht, als Mulder in seinem Kopf durcharbeitete, was Scully ihm über die Leiche der Frau erzählt hatte.

"Scully, sagten Sie gerade, daß die Leiche einem ganz normalen Unfallopfer entspricht?"

Ihre Finger trommelte entnervt auf dem Autodach, während sie ihn von oben bis unten begutachtete. Um seine Frage noch mal zu betonen, hob er die rechte Augenbraue und blickte seine Partnerin unverwandt an.

"Das war natürlich ein Scherz, Mulder! Man, sagen Sie mal, hören Sie mir denn überhaupt nicht zu?" Aus ihrer gereizten Stimme folgerte Mulder, daß das, was er gleich sagen würde, alles wieder Wett machen würde.

"Keine Brandwunden?"

Und er lag richtig. Scully sah ihn erstaunt an und brachte kein Wort mehr heraus. Ihre Gedanken kreisten wie wild. Er konnte regelrecht sehen, wie sie Schritt für Schritt alle Unterlagen im Kopf durchging, wie sie die Autopsie im Geiste wiederholte und verzweifelt nach dem Grund für seine Frage suchte.

"Und?" Diesmal war er es, der mit trommelnden Fingern über den Wagen zu seiner Partnerin blickte.

"Brandwunden?" Sie sah ihn verwirrt an.

"Brandwunden! Marty O'Donell hat ausgesagt, daß kurz nach dem Aufprall Stichflammen aus dem Wagen kamen," rezitierte er den Zeugenbericht, "dementsprechend müßten ja auch Brandwunden an der Leiche zu finden sein."

Scully schüttelte den Kopf und ging in Gedanken noch einmal den Unfallbericht und die Autopsie durch. Wenn es etwas gab, was sie haßte, war es, irgendwas zu übersehen.

"Wenn ich mich richtig erinnere, dann sagte O'Donell etwas über Stichflammen, aber im Bericht der Feuerwehr stand nichts über ein Übergreifen der Flammen auf den Innenraum. Eileen O'Donell hat an ihrem Körper keine Brandwunden und somit ist das Ganze nicht ungewöhnlich," versuchte Scully gegen zu argumentieren, doch Mulder gab sich damit nicht ganz so leicht zufrieden.

"Wir können auf Nummer Sicher gehen. Fahren wir doch einfach zum hiesigen Schrottplatz und sehen uns den Wagen an. Dann wissen wir, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege." Er sah sie forschend an und in seiner Stimme schwang ein wenig der Wettstreit mit, den die beiden immer wieder um paranormale Gegebenheiten führten.

"Und was bitte, ist Ihre Vermutung?" Scully schloß den Wagen auf und stieg ein.

Mulder tat es ihr auf der gegenüber liegenden Wagenseite gleich und begegnete ihrem fragenden Blick im Inneren erneut.

"Ich vermute mal, daß wir einen völlig ausgebrannten Wagen finden werden!"

"Kaum möglich. Wenn Sie sich die Leiche auch nur einmal angesehen hätten, dann wüßten Sie..." Scully sprach nicht zu ende, denn ihr Partner schüttelte nur den Kopf.

"Sie wissen, daß ich Recht habe, Mulder! Sie wissen es!"

"Warum können Sie nicht einmal Vertrauen zu mir haben, Scully?" Mulders Worte trafen sie hart. Natürlich hatte sie Vertrauen zu ihm, doch sie hatte die Leiche gesehen, untersucht und nichts entdeckt, was auf ein Feuer hätte schließen lassen können, warum sollte sie dann annehmen, daß der Wagen gebrannt hatte?

"Das hat doch nichts mit Vertrauen zu tun!" versuchte sie zu erklären, "aber..."

"Sehen Sie? Da geht es schon los. Aber..."

"Mulder, ich..."

"Es ist Ihre verdammte Rationalität, die keine andere Meinung zu läßt," Mulder klang wirklich verletzt, aber er vergaß, daß er auch seine Partnerin sehr verletzte.

Sie war doch gar nicht so starrsinnig wie er behauptete, oder etwa doch?

"Okay," sie holte tief Luft, "dann fahren wir jetzt zum Schrottplatz."


***
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