World of X

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...and Heaven starts to cry...

von Steffi Raatz

Kapitel 2

Während ihrer Fahrt hatte es wieder zu nieseln angefangen. Scully parkte den Wagen unweit vom Tor, so daß sie nicht all zu weit zu laufen hatten und hoffte, ihre Jacke würde die Nässe abwehren.

Mulder öffnete die Wagentür und eine unangenehme Kälte strömte in den Wagen. Scully hatte das Bedürfnis, gar nicht erst auszusteigen, aber so kamen sie ja schließlich nicht weiter. Sie öffnete also ebenfalls ihre Tür und trat in die feuchtkalte Luft hinaus. So schnell wie ihre Jacke die Feuchtigkeit aufgesogen hatte und diese bis auf ihre Haut durchdrang, konnte sie gar nicht die Knöpfe schließen, also stoppte sie bei der Hälfte und folgte ihrem Partner, der sich bereits dem Tor näherte.

Ein recht großes Schild *Bissiger Hund* war am Maschendraht befestigt und wirkte nicht unbedingt einladend auf die beiden Agenten. Doch Mulder, wie er nun einmal war, ließ selbst das außer Acht und öffnete das Tor.

Scully hörte fast schon das Fletschen von Zähnen und wildes Gebell, da hatte ihre Partner bereits den Hof betreten.

Mit einem erschreckten Aufschrei sprang sie zur Seite, als tatsächlich ein Hund um die Ecke geschossen kam, doch sie hatte sich schnell wieder gefangen und bedachte das dämliche Grinsen ihres Kollegen mit einem ihrer patentierten Blicke: "Das ist nicht komisch, Mulder!"

"Sie hätten sich sehen sollen," lachte er und schnitt eine Grimasse, die angeblich ihren Gesichtsausdruck nachstellen sollte.

"Ich habe mich erschrocken, das ist alles!" brachte sie zwischen ihren Zähnen hervor und begann innerlich ganz langsam von zehn an rückwärts zu zählen, um sich zu beruhigen.

"Ach, geben Sie es doch zu, Sie haben das Schild gelesen und gedacht, daß eine blutrünstige Bulldogge Sie anfallen würde."

Scully sah ihn an und vermutete, daß das Grinsen sich unterdessen in sein Gesicht eingebrannt hatte. So lange konnte doch kein Mensch eine solche Visage ziehen.

"Mag sein, daß ich wegen dem Schild ein wenig Angst hatte, aber wäre diese Angst nicht eigentlich berechtigt?" erwiderte sie und ihr Blick sprach Bände.

Mulder betrachtete den kleinen Mischling, der auf den Hinterpfoten vor Scully auf und ab hüpfte, um Streicheleinheiten zu bekommen: "Ist er nicht süß?"

Scully kniff den Mund zusammen, als dieses dämliche Grinsen auf Mulders Gesicht noch breiter wurde: "Wollten wir nicht Ihrer Theorie auf den Grund gehen?"

"Wollen Sie ihn denn nicht streicheln?" erwiderte Mulder lediglich mit hochgezogenen Augenbrauen und ging gar nicht auf ihre rhetorische Frage ein.

Das war zuviel. Mit erhobenen Hauptes und im Stechschritt eilte sie an Mulder vorbei.

Dieser folgte ihr immer noch grinsend, während sie sich in ihrem Kopf wüste Mordgedanken zurecht legte.

"Hey, Sie!" Scully hatte noch nicht einmal zehn Meter zurück gelegt, da hörte sie auch schon eine warnende Stimme aus dem Inneren des Bürocontainers. Sie nahm an, daß es sich um den Besitzer des Schrottplatzes handelte und holte ihren FBI-Ausweis hervor. Daß sie damit einen groben Fehler begangen hatte, stellte sich heraus, als die ersten Schüsse fielen.

Scully und Mulder zuckten zusammen, duckten sich und suchten Schutz hinter einigen Autowracks und Autoteilen.

"Wir scheinen hier nicht sehr beliebt zu sein," brummte Mulder.

Scully sah, wie er seine Waffe zog und drückte sie ihm sanft nach unten: "Hören Sie auf, die werden wir hier garantiert nicht brauchen!"

"Sind Sie jetzt auch noch unter die Hobbypsychologen gegangen? Ich dachte Täterprofile sind meine Spezialität!" erwiderte er.

"Wir haben hier doch keinen Serientäter vor uns!" zischte sie ein wenig wütend, weil er ihr mal wieder nichts zutraute.

Er schielte um die Ecke und zog grade noch rechtzeitig den Kopf wieder ein, um nicht von einer Kugel getroffen zu werden: "Na ja, wenn er jeden so begrüßt, kann man ihn ja schon fast als Serientäter bezeichnen."
Scully bleckte die Zähne und gab nur einen Knurrlaut von sich. Das war doch mal wieder typisch Mulder.

"FBI! Hören Sie auf zu schießen!" schrie dieser in einer reinen Verzweiflungstat und zuckten daher auch nur mit den Schultern, als ihr skeptischer Blick ihn traf.

"Sie können mir gar nichts beweisen!" erklang die Stimme des Schrottplatzbesitzers aus dem Bürocontainer.

Scully und Mulder sahen sich fragend an.

"Wir sind nicht wegen Ihnen hier," Scully schaute zurück auf das große Werbeschild mit der Aufschrift *Ben Tucker's Alteisen* und sah Mulder an, während sie weiter sprach, "Mr. Tucker, wir wollen das Auto besichtigen, das die Polizei gestern hierher gebracht hat."

Mulder und Scully lauschten. Es war ruhig geworden, die Schüsse waren verklungen.

Vorsichtig streckte Mulder den Kopf um die Ecke. Ben Tucker war nicht zu sehen.

"Meinen Sie, der schießwütige Alte hat sich beruhigt?" er sah sie fragend an.

Sie zuckte nur mit den Schultern und steckte ihre Waffe wieder ein, die sie vorsichtshalber auch gezogen hatte.

"Das Autowrack?" ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen und Scully machte zum zweiten mal in den letzten zehn Minuten einen erschrockenen Satz nach hinten.

Ihr Herz raste und sie hielt sich demonstrativ eine Hand auf die Brust.

"Noch so einen Schreck und ich bekomme einen Herzklabaster!" japste sie nach Luft ringend.

"Mr. Tucker?" Mulder sah den älteren Mann abschätzend an.

"Jo!" entgegnete dieser seelenruhig, "das Autowrack?"

Mulder nickte, doch Scully, die sich wieder beruhigt hatte, sah ihn fragend an: "Wrack? Sie meinen sicherlich nicht den Wagen, den wir meinen!?"

Ben Tucker streifte die Agentin jedoch lediglich mit einem grimmigen Blick, der Mulder ein wenig an Scullys Patentblick erinnerte und erstaunlicher Weise auch bei ihr die entsprechende Wirkung hatte.

Sie stockte in ihrem Satz und sah ihren Gegenüber verblüfft an.

Mulder hob die Hände abwehrend, als dessen Blick auch ihn streifte. Nein, er wollte die Aussage des Alten nicht in Frage stellen. Seine Vermutungen gingen schließlich in ungefähr diese Richtung.


***


Scully mußte schlucken, als sie den Wagen sah.

"Sind Sie sich sicher?" richtete sie ungläubig ihre Frage an den alten Tucker.

"Ich bin vielleicht alt, aber nicht senil, Ms. Sully!" brummte er gekränkt. Sie unterließ es aus Taktgefühl, ihn zu korrigieren, was ihren Namen anging.

Mulder hingegen war ganz in seinem Element. Während sein Kopf im Inneren des Wagens verschwand, stürzte er sich in eine These nach der anderen.

Jede seiner Vermutungen schien abstruser als die voran gegangene. Scully verdrehte die Augen und faßte sich an die Stirn.

Verdammt, ihr Partner hatte so verdammt Recht gehabt. Der Wagen war völlig ausgebrannt, obwohl die Leiche keine einzige Verbrennung hatte.

Wie war das möglich?

Chief Shore tauchte plötzlich auf und die beiden Agenten vermuteten nichts gutes.

"Ben, alles klar? Hast Du den FBI-Agenten auch keinen Ärger gemacht?" er klopfte dem Schrottplatzbesitzer freundschaftlich auf die Schulter.

Scully verdrehte erneut die Augen und machte eine wegwerfende Geste mit ihrer Hand. Mulder sah nicht einmal auf. Sein Kopf steckte noch immer im Inneren des Autowracks.

"Was sucht er da?" Shore trat neben Scully und sah fragend zu ihrem Partner.

"Wenn ich das nur wüßte..." murmelte sie unhörbar für den Chief und lächelte ihn dann gequält an.

"Vermutlich Reste irgendwelcher magischen oder extraterrestrischen Substanzen," griff sie Mulders Thesen auf und hoffte, Shore würde es schlucken.

"Ist er öfters so?" Shores Frage traf sie überraschend.

"Meistens," erwiderte sie ehrlich und sah wieder zu ihrem Partner, "aber man gewöhnt sich dran."

"Sie haben heute morgen einen so rationalen Eindruck auf mich gemacht, Agent Scully," Shore fuhr sich durchs Haar, "glauben Sie den Mist eigentlich, den er da erzählt?"

"Ich will nicht sagen, daß ich daran glaube, aber da er bei 90% aller Fälle den richtigen Riecher hat, schließe ich diese Möglichkeit zumindest nicht aus! Ich dachte, Sie glauben auch an solche Dinge?" konterte Scully.

Mulder sah auf. Hätte sie jetzt nicht so etwas sagen müssen wie *Aber natürlich glaube ich Agent Mulder!*? Jetzt war er doch ein wenig gekränkt.

Er wischte sich den Dreck von der Hose und begegnete ihrem skeptischen Blick. Okay, er sollte sich mit dem zufrieden geben, was er bekam. Seufzend ging auf die beiden zu.

Shore lächelte, beantwortete aber nicht ihre Frage. Eigentlich lächelte der Chief ständig. Mulder kam das sehr suspekt vor.

"Chief!" er reichte ihm die Hand und sah ihn fragend an.

Shore betrachtete die ihm dargereichte Hand einen Augenblick, unschlüssig, ob er sie ergreifen sollte, dann ergriff er sie doch: "Agent Mulder, irgendwas gefunden?"

Mulder bleckte die Zähne: "Sagen Sie, ist das Auto nach oder während des Unfalls ausgebrannt?"

"Während, wieso?" entgegnete er.

Der Chief schien sich die Leiche nicht angesehen zu haben oder er war ein sehr schlechter Beobachter. Mulder war erstaunt, daß ihm nichts aufgefallen war.

"Weil wir ein ausgebranntes Fahrzeug haben und eine Leiche, die nicht eine Verbrennung vorweist," erklärte der Agent erstaunt.

"Spontane Selbstheilung?" platzte es aus Shore heraus und Scully schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Mulder zog die Augenbrauen hoch und registrierte amüsiert die Reaktion seiner Partnerin. Als ihre Blicke sich trafen, waren sie sich in ihrer Meinung über den Chief ziemlich einig - Vollidiot!

"Bei einer Toten?" unkte Mulder und schüttelte verzweifelt den Kopf.

"Ähm... ja..." stockte der Chief und versuchte sogleich seine peinliche Misere zu überspielen, "weshalb ich eigentlich hier bin..."

Scully und Mulder sahen sich an. Jetzt kam das dicke Ende.

"Es hat sich an exakt der selben Stelle ein neuer Unfall ereignet. Diesmal ist ein Lastwagen in die Mauer gefahren und hat ein wenig mehr Schaden angerichtet. Die Leiche des 13jährigen Fahrers haben wir sofort in den Obduktionsraum gebracht, wenn Sie also..." er sah Scully fragend an, doch diese mußte erst einmal schlucken.

"Ein 13jähriger Fahrer?" ihr Partner wirkte erstaunt.

"Der Vater war im Drugstore, um etwas für die Fahrt einzukaufen und da muß der Junge auf den Fahrersitz geklettert sein. Wir wissen es nicht genau. Der Vater des Jungen hat nur noch gesehen, wie sein Lastwagen sich in Bewegung setzte und auf die Mauer zu raste. Er hat nichts mehr unternehmen können," Shore wischte sich die Stirn ab. Auch ihn schien die Sache sehr mitgenommen zu haben.

"Genau die selbe Situation wie bei Marty O'Donell!" stellte Mulder interessiert fest.

Scully sah ihn an. Er war schon wieder dabei, in seinem Kopf eine neue These aufzustellen. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck ganz genau. In Mulder arbeitete es.

Zwei Unfälle, die fast gleich abliefen und auch noch an ein und dem selben Ort passierten, das gab wirklich Grund zu Spekulationen.

Scully dachte daran, wie sie im Wagen auf Mulder gewartet hatte. Es war genau der selbe Ort gewesen, doch ihr war nichts passiert. Jedoch erinnerte sie sich an einen kurzen, fast verschwindend kleinen Augenblick, in dem sich ihre Nackenhaare in die Höhe gestellt hatten. Sie hatte fürchterliche Angst empfunden, obwohl es keinen Grund dafür gegeben hatte.

Scully trat zur Seite und zog Mulder ein Stück mit sich. Wenn sie ihm schon anvertrauen wollte, daß sie eine merkwürdige Erfahrung gemacht hatte, dann sollte der Chief es wenigstens nicht mitbekommen.

"Mulder, wir haben doch heute morgen auf der Herfahrt kurz vor dem Drugstore gehalten, erinnern Sie sich?" sie sah ihn abwartend an.

"Ja, sicher, ich habe Ihnen Croissants gekauft," erinnerte er sich, "wieso kommen Sie jetzt darauf?"

"Genau vor diesem Drugstore sind die Unfälle passiert," erklärte sie in der Hoffnung, er würde von selbst begreifen, worauf sie zu sprechen kommen versuchte.

"Das ist mir durchaus klar, aber worauf wollen Sie hinaus?"

Er schien nicht zu begreifen, was sie wollte. Scully seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust: "Sie haben doch bestimmt darüber nachgedacht, daß es kein Zufall sein kann, daß zwei Unfälle gleicher Art an ein und dem selben Ort geschehen?!"

Er zog die Augenbrauen hoch und schmunzelte: "Nein, ehrlich gesagt nicht, aber eine nette Vermutung, Scully. Ich hätte so etwas nur nicht von Ihnen erwartet."

Sie biß sich auf die Zunge und strafte ihn mit einem giftigen Blick. Da hatte sie den Salat. Jetzt machte sie sich wirklich zum Affen.

"Aber was wollten Sie mir jetzt so wichtiges sagen?" er verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie abwartend an.

Scully seufzte erneut: "Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich vor Ihnen lächerlich mache, ich habe heute morgen für einen kleinen Augenblick ein ganz merkwürdiges Gefühl gehabt. Sie waren gerade im Drugstore und ich saß allein im Wagen. Plötzlich ergriff mich ein Gefühl der Panik und ich wäre am liebsten geflüchtet, doch dann stiegen Sie wieder zu mir in den Wagen und der Moment war so schnell vergangen, wie er gekommen war."

Mulder sah zu Shore hinüber, ehe er sich ihr wieder widmete: "Ich halte Sie nicht für verrückt oder so, Scully, nur damit Sie das wissen..."

Sie lächelte ironisch, verkniff sich aber einen Kommentar.

"... wissen Sie, was ich denke?" vervollständigte er seinen Text.

"Sie werden es mir sicherlich gleich erzählen," erwiderte sie und erntete ein Grinsen.

"Das kann kein Zufall sein!"

Scully hätte ihn am liebsten erschlagen: "Mulder! Bitte!"

"Nein," er lachte, "ganz ehrlich, wir sollten ins Stadtarchiv fahren und nachsehen, ob sich an diesem Ort bereits in den letzten Jahren Unfälle ereignet haben."

"Gut, Sie fahren ins Archiv," erwiderte sie trocken, "ich fahre mit Shore ins Leichenschauhaus und sehe mir die Leiche an."

"Mit Shore?" seine Stimme klang irgendwie angewidert.

Sie grinste nur breit und ließ ihn stehen: "Das wird bestimmt lustig!"
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