World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Metamorphose

von Andrea Muche

Kapitel 2

Er wollte auch nicht mitkommen, als sie in die Gerichtsmedizin ging, um die gefundenen Überreste näher zu untersuchen. Er setzte sie nach einer Fahrt, die sie größtenteils in komplettem Schweigen zugebracht hatten, nur ab und fuhr mit unbekanntem Ziel weiter. Sie verstand, dass er nicht dabei sein wollte. Die Untersuchung von Toten oder auch nur von Knochen konnte einem zu nahe gehen, wenn die Leiche vor einem nicht ein Unbekannter gewesen war, sondern jemand, dem man nahegestanden hatte: ein Familienmitglied, ein guter Freund, ein Ehepartner. Mulders Reaktion war also nur zu verständlich, wenn dort auf dem Tisch seine Frau lag, wie er behauptete. Was aber doch eigentlich nicht sein konnte! Da war der fehlende Vermerk über eine Heirat. Da war das anscheinend hohe Alter dieser Frau zum Todeszeitpunkt. Und doch...

Sie hatte Mulders Reaktion gesehen, sein Gesicht. Er war hochgradig verstört. Es war unbestreitbar, dass er die Ringe wiedererkannt hatte. Oder glaubte, sie wiedererkannt zu haben, wie auch immer all das zusammenhängen mochte. Er hatte völlig sicher geklungen, als er ihren Namen und ihr Geburtsdatum genannt hatte. Und seine Augen hatten wie tot in ihren Höhlen gelegen, seine Stimme sich monoton angehört.

Sie kannte die Anzeichen für Schock, und als Medizinerin war ihr äußerst unwohl dabei, ihren langjährigen Partner nun mit unbekanntem Ziel alleine auf der Straße zu wissen. Mit ihrem Vorschlag, einen Arzt oder vielleicht auch den FBI-Psychologen aufzusuchen, war sie jedoch auf taube Ohren gestoßen. „Ich muss mit der Gewissheit eines Verlustes fertigwerden“, hatte er so präzise analysierend wie scheinbar emotionslos darauf nur gesagt, „das ist eine natürliche Reaktion, kein Fall für einen Seelenklempner.“ Womit er im Prinzip recht hatte. Viel wohler wäre ihr allerdings dabei gewesen, wenn er eine Trauerreaktion gezeigt hätte, anstatt über sie zu philosophieren. Oder wollte er nur, dass sie, Scully, nicht sah, wie er trauerte, eine vermeintliche Schwäche zeigte? Sie erinnerte sich, dass sie Tränenspuren auf seinem Gesicht gesehen hatte, als sie ihm nachgegangen war. Doch mit ihr wollte er eindeutig nicht über seine Empfindungen reden. Oder darüber, wieso er nie über eine angebliche Frau gesprochen hatte. Genau genommen redete er überhaupt äußerst selten über sein Gefühlsleben, wie ihr mit einem Mal auffiel.

„Und dabei dachte ich, wir stehen uns nahe“, murmelte Scully leise zu sich selbst. Oder wollte er gerade deswegen nicht mit ihr darüber reden? Schließlich reagierte sie auch auf Diana irgendwie... nun ja, man konnte es unter Umständen wohl eifersüchtig nennen. Doch schon, als sie das dachte, wurde sie wütend. Diana Fowley war schließlich ein Miststück, das war ja wohl etwas anderes! – Nun. Und wer war diese Unbekannte? Scully blickte auf die zerschmetterten Knochen hinunter und sah nichts als Fragezeichen vor ihrem geistigen Auge. Wer lag hier vor ihr? Es brachte ihr im Moment nichts, über Mulders Reaktionen nachzudenken. Sie musste versuchen, diesen Knochen ihr Geheimnis zu entlocken.



Der Assistent klopfte an die Scheibe und wartete darauf, dass Scully sich umdrehte und ihm winkte, bevor er die Tür zum Autopsieraum öffnete und den Kopf nach drinnen steckte. Die rothaarige Agentin konnte es schon an seinem bedauernden Blick ablesen, was er ihr sagen würde.

„Kein Vergleichsmaterial?“, fragte sie.

„Kein Vergleichsmaterial.“

„Aber es ist eine Heather O’Carroll vermisst?“

„Yep. Geboren am 18. Dezember 1967 in Irland, verschwunden im Mai 1986. Wir haben weder ein Zahnschema noch DNA-Vergleichsmaterial.“

„Nicht, dass uns ein Zahnschema gerade wirklich viel helfen würde...“ Scully sah kurz auf die zerschmetterten Knochen hinunter, dessen Zähne in keinem Kiefer mehr saßen, sondern wie hingestreute Kiesel wirkten.

Der junge, blonde Assistent zuckte die Schultern.

„Wo hat man sie zuletzt gesehen?“

„In Österreich.“

„Ach?“

„Ja, steht so in der Akte. Als nach ihr gesucht wurde, sagte ein Pfarrer dort, er habe sie kurz zuvor getraut.“

„Wer hat sie als vermisst gemeldet? Ihr Mann?“ Was würde nun wohl kommen?

„Nein. Ihr Vater. Er vermutete eine Entführung. Sie könne nicht freiwillig gegangen sein, weil sie genau wisse, dass dann ein Unglück geschehen würde.“

„Eine merkwürdige Aussage.“

„Ja. Die junge Frau war volljährig, nichts deutete auf eine Entführung hin. Einem erwachsenen Menschen steht frei, zu gehen, wohin immer er möchte, die Polizei hat damals keinen zwingenden Handlungsbedarf gesehen. Ich weiß nicht, wie der österreichische Pfarrer von der Suche des Vaters erfahren hat, aber er hat sich jedenfalls gemeldet und von der Trauung berichtet.“

„Wen hat sie geheiratet?“

„Keine Ahnung. Der Pfarrer sprach von einem Amerikaner, der Name wurde jedoch nicht mitnotiert.“

„Eine amtliche Notiz gibt es nicht? Hochzeiten müssen doch irgendwo registriert sein.“

„Tja... ich weiß auch nicht. Entweder hat nie jemand weiter nachgefragt. Oder es sind Unterlagen verlorengegangen. Wobei ich nicht weiß, ob es sein kann, dass ein Standesamt einfach so Heiratsdokumente verliert.“

„Da es offensichtlich eine kirchliche Heirat war, müsste sie auch in den Kirchenbüchern stehen“, sagte Scully.

Der Assistent stutzte. Dann lächelte er leicht. „Ach ja, Sie sind ja selbst katholisch, nicht?“

„Ja. Den Namen des Pfarrers haben wir aber, oder?“

„Yep. Habe Ihnen alles ausgedruckt und zu Ihrem Büro geschickt.“

Mulders Büro, korrigierte Scully im Stillen. Mulder, dem ihr katholischer Glaube immer ein wenig suspekt war. Und ausgerechnet er sollte kirchlich geheiratet haben?! Dieser Fall wurde immer absurder.

„Danke.“

Der Assistent nickte und verschwand wieder. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.

Scully ließ erneut ihren Blick über die Knochen schweifen, verzweifelt auf eine Eingebung hoffend, was hier passiert war. Aber es kam keine. Sie wusste nur, dass es an diesem Skelett offenbar keinen einzigen Knochen gab, der nicht gebrochen war. Etliche sogar -zigfach. Der Brustkorb war komplett flachgedrückt, die Rippen bestanden aus lauter einzelnen, leicht gebogenen Bruchstücken. Die Wirbelsäule lag in sich verdreht, der Schädel in einzelnen Fragmenten, manche Stellen des Skeletts sahen schon fast wie zermahlen aus. Wieder fiel Scully als Vergleich nur jemand ein, der in eine Steinwalze oder unter eine Dampframme geraten war.

Das heißt... eine andere Möglichkeit gab es wohl schon noch, doch die war nicht weniger hässlich, und sie hatte bislang selbst über das Aussehen des Ergebnisses nur in Büchern über das Mittelalter gelesen und es nie mit eigenen Augen gesehen: die Foltermethode des Räderns. Angeblich brach diese Folter dem Opfer jeden einzelnen Knochen im Leib. Doch konnte selbst diese Art des Tötens so gründlich sein wie das, was sie hier sah? Es würde sogar schwierig werden, die -zigmal gebrochenen Knochen für eine Messung richtig zusammenzupuzzeln, um wenigstens als erstes einmal das Geschlecht halbwegs sicher zu bestimmen. Der Durchmesser der Ringe deutete allerdings auf Frauenfinger hin.

Sie nahm den Ehering auf und drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand. Wie Mulder gesagt hatte, stand dort innen eine zarte Gravur. Es waren nur drei Buchstaben. Fox.



„Wann werde ich mit dem Herrn Pfarrer denn sprechen können?“ Die Haushälterin hatte ihr schon fast sämtliche Pflichten ihres Dienstherrn aufgezählt, von der Krankenkommunion angefangen über den Besuch im Kindergarten, dessen Träger die Kirche war, bis hin zur Betreuung der Rosenkranzmeditation, nur um deutlich zu machen, wie wenig abkömmlich er für solche merkwürdigen Anfragen aus den USA war.

„Nun, da ist natürlich auch noch der Abendgottesdienst...“

„Sagen Sie ihm einfach, es ist wichtig, ja? Geben Sie ihm bitte meine Nummer, er soll mich zurückrufen.“ Entnervt legte Scully auf.

Auf dem Bildschirm vor ihr flimmerten die Daten des einstigen Vermisstenfalls, wenn man ihn denn so nennen wollte. „Geboren 1967“, murmelte die rothaarige Agentin vor sich hin.

„Wie kann das sein?“ Die Knochen, die sie untersucht hatte, waren nicht nur -zigmal gebrochen, sondern auch generell porös gewesen. Was von den Zähnen und dem Gebiss übrig war, wirkte verkümmert, Finger- und Fußnägel zeigten ebenfalls Gewebeabbau, die Handknochen erschienen deformiert. Hätte sie keinen Hinweis auf eine mögliche Identität, wäre sie noch immer davon ausgegangen, ein rund 80 Jahre altes Opfer vor sich zu haben, die Knochen einer Greisin. Es sei denn... „Progerie?“, murmelte Scully zu sich selbst. Diese Krankheit ließ Menschen fünf- bis zehnmal schneller altern, bereits kleine Kinder wirkten wie Greise, ihre Körper und auch ihre Knochen wiesen alle möglichen Erscheinungen auf, die typisch für hohes Alter waren.

Allerdings sprach etwas anderes auch klar gegen diese Theorie. Menschen mit Progerie starben in der Regel mit rund 13 Jahren an Herzinfarkt, das Erwachsenenalter erreichte praktisch keiner. Heather O’Carroll war zum Zeitpunkt ihres Verschwindens jedoch volljährig gewesen. Außerdem hätte es Mulder ja wohl erwähnt, wenn er eine Progerie-Patientin kurz vor deren offensichtlichem Tod geheiratet hätte, oder?

Andererseits hatte Fox Mulder ihr gegenüber augenscheinlich so einiges zu erwähnen vergessen – seine gesamte Ehe an und für sich, zum Beispiel. Sie musste ihn so bald wie möglich sprechen. Allerdings hatte sie im Augenblick nicht einmal die leiseste Ahnung, wo er überhaupt war. Erreichen konnte sie ihn nicht, sein Mobiltelefon war ausgeschaltet, und zu Hause ging er ebenfalls nicht an den Apparat. Sie machte sich auch Sorgen um ihn. Der Fund der Knochen hatte ihn eindeutig schwer erschüttert.

Aber konnten die Knochen überhaupt jene sein, die er in ihnen vermutete? Das Alter stimmte einfach nicht. Jedoch hatte Mulder die Ringe eindeutig sofort erkannt, und sein Name war im Ehering eingraviert, genau wie er gesagt hatte. Wenn die auf dem Grillplatz verscharrten Knochen nicht die von Heather O’Carroll waren, wie kamen dann ihre Ringe dorthin? Und wo war sie selbst? Keine Theorie ergab einen Sinn.

Das Telefon klingelte.

„Scully.“

„Sie sind die Frau vom FBI, die angerufen hat?“

„Ja. Wer ist dort? Pfarrer Feiler?“

„Ja. Sie rufen wegen Erica an?“

„Wer ist Erica? Nein, eine Heather O’Carroll, die 1986 vermisst gemeldet wurde, soll damals bei Ihnen geheiratet haben.“

„Jaja, das ist schon richtig. Erica. Das war ihr Name hier bei uns; das heißt Heather auf Deutsch, wissen Sie?“

Natürlich, jetzt fiel es ihr wieder ein. In allen Violett-Tönen leuchtende Heidelandschaft tauchte vor Scullys geistigem Auge auf. Calluna vulgaris, aus der Familie der Ericaceae. – Heather. Und noch etwas wurde ihr bewusst. Auf dem Ring, der ihr im Büro aus dem Regal gefallen war, hatte Erica gestanden. War dieser Ring das Gegenstück zu „Fox“ Mulders – sie sog hart die Luft ein – Ehering?! Und das Foto? Gehörte es zu dem Ring oder nicht? Zeigte es die unbekannte Mrs. Fox Mulder?!

„Sie haben sie gut gekannt?“ Dass der Pfarrer sie beim Vornamen nannte und ihren Kosenamen wusste, sprach eindeutig dafür.

„Ja“, sagte der Mann im fernen Österreich und klang nun traurig. „Ja, das habe ich. Sind Sie sicher, dass sie tot ist?“

„Wir haben keine Vergleichs-DNA. Aber ihr...“ Sie zögerte. „...Mann hat ihre Ringe erkannt.“

„Dann haben Sie mit William gesprochen?“

„William?“

„William Mulder. Erica hat ihn immer Fox genannt, aber das war wohl auch nur ein Spitzname.“

„Nein, ist es nicht. Aber er kann seinen ersten Vornamen eigentlich nicht ausstehen.“

„Weiß er, wann er sie getötet hat? Und was er geträumt hat? Ist die Katastrophe schon passiert?“

War der Mann nun vor Trauer verwirrt – oder schlicht irre? Was er da stammelte, ergab nicht den geringsten Sinn!

„Sorry? Wovon sprechen Sie eigentlich? Getötet...? Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass Mulder...?! Und was für eine Katastrophe? Soweit ich weiß, hat der Vater der jungen Frau auch von einem Unglück geredet, aber ich kann Ihnen nicht folgen.“

„Sprechen Sie mit William. Er wird es ihnen erklären.“

Das glaube ich im Moment irgendwie kaum, dachte Scully genervt.

„Sie wissen aber, worum es geht?“

„Ja, deswegen habe ich die beiden ja auch getraut. Andere ebenso. Wir dachten, es könnte sie retten. Und die Welt. Wir haben uns geirrt.“

„Die junge Frau hatte nicht zufällig Progerie, oder?“

„Pro...was? Nein. Sie hatte nur den sehnlichsten Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden. Deswegen wollte sie ihren Fox auch unbedingt heiraten, in der Hoffnung, das drohende Unheil zu bannen und mit ihm glücklich zu werden.“ Scully konnte ihn seufzen hören.

„Was mich zu einer anderen Frage bringt. Ich kann keinerlei Informationen darüber finden, dass Fox Mulder je verheiratet war. Die Behörden-Computer führen ihn immer als ledig.“

„Nun, das liegt wohl daran, dass die beiden nie auf einem Standesamt waren.“

„Bitte?“

„Sie haben nur katholisch geheiratet. Sie wollten vor Gott Mann und Frau sein. Der Staat war nicht wichtig.“

„Aber... Ich dachte, in Deutschland hätten sie zunächst nach dem Gesetz heiraten müssen, bevor man sie kirchlich getraut hätte...?“

„Das stimmt. Aber Sie vergessen, dass wir hier in Österreich sind. Sie wollten keine zivile, sondern nur eine rein kirchliche Ehe, und so sind sie bei mir gewesen. Abgesehen davon, dass ich ein entfernter Verwandter von Erica bin.“

Das erhellte nun immerhin zum Teil Mulders mysteriöse Ehe, die es staatlicherseits offiziell nicht gab. Allerdings konnte sie sich weder einen Grund für eine katholische Hochzeit ihres Partners vorstellen – noch einen dafür, warum er, wenn er verheiratet war, niemals von seiner Frau gesprochen hatte, die ein Vermisstenfall war. Wie seine Schwester. Der Gedanke kam Scully ganz plötzlich. Hatte er geglaubt, auch seine Frau an die Außerirdischen verloren zu haben? Aber von seiner Schwester hatte er doch erzählt. Warum also nicht von seiner Frau? Gab es noch ein anderes, noch dunkleres Geheimnis ihres Partners?

Ihr fiel wieder ein, dass der Pfarrer von „sie getötet“ gesprochen hatte. Aber das konnte er doch nicht ernst gemeint haben? Mulder wäre niemals imstande, einen Menschen zu töten, sie kannte ihn viel zu gut, als dass sie ihm so etwas jemals zutrauen könnte.

Oder kannte sie ihn doch nicht? Sie hatte ja nicht einmal von seiner Hochzeit gewusst. Sie biss sich auf die Lippen. Vielleicht sollte sie einmal die Einsamen Schützen fragen. Die kannten sich ja auch in Sachen „Zuckerschneckchen“ bestens aus.

Aber bestimmt hatte sich der Pfarrer nur versprochen. Englisch war nicht seine Muttersprache. Und er schien ihr generell sehr verwirrt zu sein. Jedenfalls konnte sie allem, was er gesagt hatte, nicht extrem viel Sinn entnehmen.

„Danke, Vater. Ich melde mich wieder, wenn ich weitere Fragen haben sollte.“ Sie legte auf. In Wahrheit tanzten in ihrem Kopf die Fragen zwar im Prinzip gerade Ringelreihen, aber sie hatte keine Ahnung, welche davon sie dem Priester stellen sollte, um eine Antwort zu bekommen, die auch irgendeinen Sinn zu ergeben schien. Außerdem hatte er ihr ja geraten, Mulder zu fragen. Der nicht erreichbar war.

Scully nahm den Telefonhörer wieder auf und klemmte ihn sich zwischen Ohr und Schulter, während sie mit der linken Hand nach einer anderen vom Bildschirm auf einen Zettel notierten Telefonnummer angelte, die sie mit ihrer rechten eintippte. Sie hörte es am anderen Ende der Welt in einer irischen Polizeistation klingeln.



„Aber das ist doch ewig her!“ Der irische Polizeibeamte hörte sich reichlich fassungslos an, als Scully ihr Anliegen vorgetragen hatte. „Und ein erwachsener Mensch kann fortgehen, wenn er das möchte. Damit wurde über dem angeblichen Vermisstenfall vermutlich auch schon wieder der Deckel geschlossen.“

„Aber es wäre noch irgendwie herauszufinden, was damals notiert wurde? Die Vermisstenanzeige erstattet haben müsste der Vater von Heather O’Carroll. Könnten Sie nicht in Ihrem Computer einmal nachsehen, bitte?“

Am anderen Ende der Leitung blieb es einen Moment still, dann war ein verlegenes Husten zu hören. „Ähm... naja, also... Diese alten Fälle sind nicht im Computer, Ma’m. Wir sind hier in Irland. Auf dem Land. Damals... äh... hatten wir hier noch keinen Computer, sondern eine Schreibmaschine, bei der ständig die F-Taste hängengeblieben ist, und ein Telefon an einem Ziehharmonika-Arm, das sich zwei unserer Männer teilen mussten.“

„Sind die maschinengetippten Akten noch irgendwo?“

Wieder ein Zögern. „Ja... schon. Aber nicht mehr alphabetisch geordnet. In dem Jahr, als das überraschende Winterhochwasser kam, mussten wir auf die Schnelle unser Archiv bergen, es hat sich jeder nur noch wahllos irgendwelche Unterlagen gegriffen. Wir wollten sie wieder richtig sortieren, sobald mal jemand genügend Zeit dazu hätte. Mhm. Das ist seitdem nur noch nicht vorgekommen.“

Scully wollte lieber nicht wissen, wie lange das zurücklag – und wie stressig wohl der Alltag in einer kleinen, irischen Landpolizeistation sein mochte. Sonst würde ihr vermutlich noch in aller Ausführlichkeit erzählt, wie schwierig es war, die Gefahren der Verkehrsknotenpunkte zu entschärfen, etwa an Stellen, an denen von rechts eine Herde Schafe über die Straße laufen könnte, während links Hunde, Hühner und Kinder unterwegs waren. Am Ende gab es gar noch eine Kreuzung.

„Obwohl, jetzt, wo ich drüber nachdenke... O’Carroll, sagen Sie?“

„Ja“, seufzte Scully und hoffte, er möge sich tatsächlich an etwas erinnern. Dann würde sie sogar den bösen Verdacht mit den ländlichen Verkehrsgefahren zurücknehmen.

„Mhm. Es gab hier in der Nähe mal so einen Sekten-Spinner. Der hieß O’Carroll. Er hat eine Menge Blödsinn erzählt, einschließlich der Behauptung, eigentlich adeliger Abstammung zu sein. Alles Quatsch, natürlich. Ich glaube, er hat gleichzeitig auch etwas von einer Blutlinie bis zurück zu Jesus gefaselt. Kein guter, irischer Katholik war der. Jesus und eine Blutlinie, bah! Von Endzeit und hereinbrechenden Katastrophen und all solchem Quark hat er auch erzählt. Dass sie Wächter wären, und ihre Töchter wie We... wie Vesu... Vesta... wie Vestalinnen, das war es, glaube ich, was er sagte. Diese Priesterinnen wie im alten Rom, wissen Sie? Wobei... also, er hat das nur als Vergleich gesagt, und gemeint, es sei nicht genau wie im alten Rom, denn die Jungfrauen hüteten nicht das Feuer, sondern hielten das Schicksal des Menschengeschlechts in ihren Händen... Und so weiter und so fort. Und glauben Sie es oder nicht: Er hatte doch tatsächlich einen ganzen Haufen Anhänger um sich geschart. Hier, bei uns, im guten, alten, gläubigen Irland, wo man entweder katholisch ist oder tot.“

Scully schluckte. Tot? Machte der Polizist Witze? Was er über die Kirche sprach, klang ja fast genauso verrückt wie das, was Sekten-Führer O’Carroll angeblich gesagt hatte. – Wenn man allerdings an die immer wieder aufflammenden Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten in diesem Teil der Welt dachte, der irgendwie nicht wirklich ganz in der Neuzeit angekommen zu sein schien, dann hatte er vielleicht nicht einmal so unrecht. Und wenn Heather O’Carroll aus diesem Milieu kam und mit Mulder durchgebrannt war, erschien es nicht mehr so unlogisch, dass das Mädchen auf einer katholischen Heirat bestanden haben würde. Und ihr wäre die Kirche wichtig gewesen, nicht das Standesamt.

„Hatte er eine Tochter namens Heather?“, fragte Scully. „Und Sie sagten ,gab‘. Ist er denn nicht mehr da?“

„Nein, hat seine Zelte schon vor Jahren abgebrochen. Ihm waren wohl plötzlich die Anhänger weggelaufen. Oder auch diese sogenannten Jungfrauen. Irgend so was. Und plötzlich waren alle weg. Vielleicht hat sie ja auch ein Ufo abgeholt, ich glaube, davon hat er irgendwann auch mal geredet.“

„Was war mit einer Tochter?“, insistierte die Agentin.

„Ach so, ja. Doch, ja, ich glaube, er hatte eine Tochter. Die war auch plötzlich weg. – Moment bitte.“

Scully hörte Getuschel, die Sprechmuschel wurde mit der Hand zugehalten. Dann war der Mann wieder da. „Es steht ein Kollege hinter mir, der sagt, er glaubt, er weiß, was Sie meinen. Ich war damals offenbar im Urlaub.“

Und augenscheinlich redeten die einzelnen Mitglieder der Polizeiwache nicht unbedingt miteinander darüber, was so alles während ihrer Absenzen losgewesen war.

Inzwischen hatte der Hörer gewechselt. „Hallo, hier ist Finn. Sie wollen etwas über damals wissen, als Frank O’Carroll brüllend hier hereingestürmt ist und seine Tochter Heather als vermisst melden wollte?“

„Melden wollte? Ich dachte, das hätte er getan? Wir haben darüber sogar bei uns etwas herausfinden können.“

„Ja, schon. Aber eigentlich ist es nur weitergegeben worden wegen Frank O’Carroll. Wegen seiner Sekte. Er war dabei, völlig paranoid zu werden. Wir haben ihm erklärt, dass er seine Tochter nicht als vermisst melden kann, wenn er nicht hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Ein erwachsener Mensch kann schließlich weggehen mit wem er will. Offenbar war wohl ein Mann hinter der ganzen Geschichte.“

Mulder.

„Der Vater hat hier auf der Polizeiwache einen Tobsuchtsanfall bekommen. Wie wir das meinten, dass wir nichts unternehmen würden, und das Höllengericht werde uns alle strafen, wir hätten ja keine Ahnung, was für eine Katastrophe wir damit auslösten. Heather sei eine Wächterin gewesen und damit verantwortlich für die Menschheit, und niemals sei sie aus eigenem Antrieb gegangen, weil sie ganz genau wisse, was sie damit auslösen würde. Und ganz zuletzt...“, er lachte leicht, „kam doch tatsächlich auch noch der Satz, seine Heather sei doch eine Jungfrau. – Als ob eine nicht verheiratete, anständige Irin irgendetwas anderes sein könnte! Fragen Sie mich mal, wie meine Hochzeitsnacht war...“

Scully musste unweigerlich schmunzeln. Noch ein wenig breiter zog sich ihr Grinsen, als sie sich ihren langjährigen FBI-Partner in einer Hochzeitsnacht mit einer Jungfrau vorstellte. Ausgerechnet Mulder, der sich, wie sie wusste, immer mal wieder gerne einen scharfen Porno reinzog und vermutlich sämtliche möglichen und unmöglichen Stellungen der gesamten abendländischen Liebeskunst auswendig konnte...!

Der Gedanke an die Frau auf dem Foto in Mulders Büro und die zerschmetterten Knochen auf ihrem Tisch ließen sie allerdings schlagartig wieder ernst werden. All das war nicht wirklich zum Lachen. Sie beschrieb die Frau auf dem Bild.

„Ja“, sagte der irische Polizist, „das klingt zumindest nach Heather O’Carroll.“

„Kennen Sie auch einen Fox William Mulder? Er war vermutlich der Mann, mit dem sie weggegangen ist.“

„Mhm. Nein. Aber wie gesagt: Es war für uns ja auch kein Vermisstenfall.“

„Wenn sie den Mann geheiratet hat: Wüssten Sie einen Grund dafür, warum sie das in Österreich getan haben sollte? Bei einem Pfarrer namens Feiler?“

„Naja, jedes Land wäre wahrscheinlich so gut gewesen wie das andere, nur weit genug weg von ihrem verrückten Alten. Aber... doch, ja, es gab eine Verbindung nach Österreich. Ich kann mich erinnern, dass er öfter über einen vom Glauben abgefallenen Großcousin gesprochen hat, der in Österreich zu Hause war. Der hieß, glaube ich, Feiler.“

„Na, dann kann es ja wohl kaum dieser Feiler gewesen sein. Oder warum sollte er einen Mann Gottes für einen nichtgläubigen Menschen halten?“

„Sie vergessen, dass O’Carrolls Lehre kaum der katholische Glaube war.“

„Handelte es sich eigentlich um den Ableger irgendeiner bekannten Sekte, was er da betrieb?“

„Nein, nicht wirklich. Es war eine Mischung aus allem, wenn Sie mich fragen.“

„Und man hat nie wieder etwas von den Leuten gehört?“

„Nein. Vielleicht sitzt O’Carroll inzwischen irgendwo in der Psychiatrie. Würde mich nicht wundern. Oder er ist völlig durchgeknallt und hat sich selbst ins Jenseits befördert, wie immer er sich dieses auch vorstellen mag.“

„Ich danke Ihnen vielmals.“

Bedrückt legte Scully auf. Einerseits sah sie nun etwas klarer – andererseits aber auch wieder überhaupt nicht. Wenn Heathers Vater eine Sekte leitete, der sie entkommen wollte, war es nicht ganz abwegig, dass sie sich an Mulder gewandt haben würde – wie auch immer sie von ihm erfahren hatte. Er hatte in seinem Studium in England sich schließlich mit Okkultem und Sekten befasst. Dass sie auf einer katholischen Heirat bestanden haben würde, wenn sie mit einem Mann durchgebrannt war, ergab auch Sinn. Ebenso, dass sie dazu nach Österreich gegangen wären, da ein Verwandter dort Priester war. Vielleicht hatten andere aus der Sekte ebenfalls diesen Weg beschritten, sowohl die Polizei als auch der Pfarrer hatten von mehreren Frauen gesprochen. Von denen der Pfarrer sagte, er habe geglaubt, sie gerettet zu haben. Wovor gerettet? Vor der ewigen Verdammnis, wenn sie bei ihrem Sektenglauben geblieben wären? Aber dann wäre mit ihrer Heirat doch alles in Ordnung gewesen. Der Priester jedoch hatte von einem Irrtum gesprochen. Und es hatte ihn offenbar kein bisschen überrascht, dass Heather augenscheinlich tot war.

Vielmehr schien er sogar... damit gerechnet zu haben. Und damit, dass Mulder ein Mörder sein könnte. Jedenfalls hatte sich das so angehört. Sie schüttelte sich beim bloßen Gedanken daran. Und wie war die Frau wirklich zu Tode gekommen? Folter? Dass der Partner, dem sie seit Jahren völlig vertraute, in dessen Hand schon oft ihr Leben gelegen hatte, gleichzeitig ein Sadist sein, eine ihr völlig unbekannte Seite haben könnte, dieser Gedanke war absolut grauenerregend. Sie musste an Fälle denken, in denen Sexualmörder nach der Tat geheiratet, Kinder bekommen und ein völlig unauffälliges, biederes, bürgerliches Leben geführt hatten – bis eines Tages nach vielen Jahren plötzlich doch die Polizei vor der Tür stand. Nicht selten waren die Ehefrauen dieser Männer völlig ahnungs- und fassungslos. Wie konnte jemand, mit dem man verheiratet war, jemand, den man bis ins Innerste zu kennen glaubte, jemand, der einen zärtlich berührte und liebevoll zu den Kindern war, ein eiskalter Mörder sein? Der mit einer anderen Frau nicht zärtlich umgegangen war, sondern sie beispielsweise vergewaltigt und, aus Angst vor Entdeckung, sie anschließend mit einer Zaunlatte erschlagen hatte?

Reagierte Mulder nicht wegen eines Verlustes so eigenartig – sondern wegen einer grauenvollen Tat in der Zeit, bevor sie ihn kannte? Alles wehrte sich in Scully und sträubte sich gegen so eine Vorstellung. Nein, nein, nein!! Das konnte nicht sein! Das durfte nicht... Nein, es konnte nicht wahr sein! Sie war sich völlig sicher. Mulder ein Mörder? Niemals! Aber wieso war er nicht hier? Wieso sprach er nicht mit ihr? Wieso hatte sie von seiner Ehe, seiner Frau, nicht das Mindeste gewusst?! Kannte sie ihn? – Kannte sie ihn nicht?

„Blödsinn“, sagte sie dann laut zur Abwehr dieser Gedanken zu sich selber. „Ich kenne Mulder, und so einen Mist glaube ich nicht!“

Dann fiel ihr der Teil mit der Katastrophe wieder ein. Der Priester hatte von einer Gefahr für die Welt gesprochen – genau wie Heathers Vater, nach dem, was der Polizist erzählt hatte. Wie hatte der sie noch einmal genannt? Wächterinnen, wie eine Art Vestalinnen.

Im alten Rom waren Vestalinnen Jungfrauen, die im Tempel über die ewige Flamme wachten. Sie durften nicht heiraten und sich nicht mit einem Mann einlassen. Taten sie das doch, wurden sie, soweit Scully wusste, lebendig eingemauert. Warum? Weil sonst der schreckliche Zorn der Götter alle träfe? Soweit Scully wusste, hatten sich die Vestalinnen bisweilen allerdings geschickt herausgeredet, um nicht bestraft zu werden. – Hatten nicht immer wieder einmal welche, die sich hatten schwängern lassen, behauptet, der Göttervater selbst sei es in Tarnung gewesen, der sie verführt habe? Jeder wusste, dass dem mächtigen Herrn nicht zu widerstehen war, selbst von der tugendhaftesten Jungfrau nicht. Was folgerichtig nicht zum Tod der Jungfrau, sondern zur Verehrung ihres Kindes führte. Und keine Katastrophe war hereingebrochen. Außer, natürlich, vielleicht letztlich der Untergang des Römischen Reiches...

Scully seufzte. All diese Gedanken brachten sie nicht weiter. Zumal im Normalfall Mulder derjenige mit den brillant-verrückten Ideen war. Und in diesem speziellen Fall wusste er offenbar eine ganze Menge über die Hintergründe. Der Pfarrer hatte gesagt, sie solle Mulder fragen. Doch wo war ihr Partner bloß?

Wieder wählte sie sein Mobiltelefon an. „The called party is currently not reachable“, erklang die unpersönliche Stimme der Mailbox aus dem Hörer. Scully legte auf.



„Na los doch, Freunde, nun macht schon auf.“ Scully trat von einem Fuß auf den anderen, den Blick abwechselnd auf den Türspion und die Überwachungskamera gerichtet. Sie war sich ziemlich sicher, dass die Einsamen Schützen zu Hause waren. Sie waren so gut wie immer zu Hause und folgten offensichtlich treu dem Motto, dass es sich nicht lohnte, auch nur einen Schritt vor die Tür zu tun für eine Story, die man genauso gut im Internet recherchieren konnte. Und damit die böse Welt möglichst auch nur auf dem Bildschirm zu ihnen kam, war ihr Wohn-Bunker abgesichert wie Fort Knox.

Endlich hörte die FBI-Agentin, wie sich jemand auf der anderen Seite der Tür zu schaffen machte, Schlüssel gedreht, Ketten gelöst und Riegel zurückgeschoben wurden. Frohike streckte seinen Kopf einen Moment nach draußen, spähte kurz nach rechts und links, zog Scully dann am Ärmel rasch nach drinnen, knallte die Tür wieder zu, sicherte und verschloss sie und drehte sich erst danach zu ihr um: „Hallo, Scully.“ Langly und Byers sahen nur kurz auf und murmelten „Hi!“, bevor sie sich wieder den offensichtlich viel interessanteren Darstellungen widmeten, die sie auf ihrem Computerschirm sahen.

„Wo ist Mulder?“, fragte Frohike. „Hat er diesen Pete selbst schon gefunden?“

„Pete? Welchen Pete?“ Offenbar wussten die drei etwas, das sie nicht wusste. „Wann war Mulder denn hier?“

Jetzt hatte sie auch das Interesse der beiden anderen. „Heißt das, er ist inoffiziell unterwegs? Angeblich ist es doch ein Fall von euch beiden.“ Byers beäugte sie skeptisch. „Dann müsste seine FBI-Partnerin aber doch eigentlich auch wissen, worum es geht, oder?“

„Hängt dieser Pete oder wie immer er heißt, mit Heather O’ Carroll zusammen?“

„Heather O’Carroll? Wer soll das denn nun wieder sein?“

„Auch Erica genannt?“

Sie schüttelten die Köpfe. „Nein. Keine Frau. Dein Partner wollte, dass wir versuchen, den Aufenthaltsort eines bestimmten Mannes herauszubekommen. Da sind wir gerade dran. Anhand gewisser Parameter lässt sich ja auch ohne ein Meldegesetz ziemlich eingrenzen, in welchem Areal sich ein Gesuchter möglicherweise aufhält. Wenn man weiß, wonach man suchen muss, natürlich.“ Langlys Gesichtsausdruck wirkte selbstgefällig. Sie hielten sich offenbar für die einzigen, die wussten, wie so etwas ging. Bisweilen hatten sie allerdings auch recht mit der Einschätzung ihrer Computerkünste.

„Ihr kennt Mulder doch schon ziemlich lange und auch reichlich gut.“

„Ja, das könnte man so sagen.“

„Hat er euch eigentlich jemals seine Frau vorgestellt?“

„Seine was?!“

„Wann habt ihr ihn kennengelernt?“

„Och, das ist ewig her. 1989, glaube ich.“

„Es war auf einer Computerausstellung in Baltimore.“

„Und wir dachten eigentlich erst, er wäre der Böse.“

Wieder durchlief Scully ein Schauder. Nein. Das war einfach nicht möglich!

„Damals war er noch in der Abteilung für Gewaltverbrechen.“ Wie meistens redeten sie alle drei durcheinander.

„Er hat nie von einer Frau gesprochen?“, fragte Scully.

Sie sahen sie mitleidig an. „Oh doch, Schätzchen. Er hat von einer ganzen Menge Frauen gesprochen.“

„Allerdings von keiner, mit der er verheiratet gewesen wäre oder die er zu ehelichen gedacht hätte.“

„Ich dachte ja später eine zeitlang, er würde sich diese Diana schnappen. Mhm.“ Frohike leckte sich die Lippen, als würde er an ein leckeres Gericht erinnert. „Wirklich ein Zuckerschneckchen.“

„Ich habe eigentlich nie verstanden, warum das nichts geworden ist, ihr?“

Allgemeines Kopfschütteln. Scully unterdrückte den Impuls, den dreien mitzuteilen, was sie von „Zuckerschneckchen“ hielt.

„Vielleicht ja deswegen nicht, weil er verheiratet war“, bemerkte sie schließlich trocken.

„Nein, nein, nein, nein, nein. Das war er definitiv nie.“

Scully seufzte. „Das habe ich auch gedacht.“

„Also, in der ganzen Zeit, die wir ihn kennen, war er eindeutig nie lange genug mit einer Frau zusammen, um sie geheiratet zu haben“, zogen die Schützen Bilanz, „das wüssten wir.“

„Und davor?“

„Wir haben ihn gecheckt, erinnert ihr euch? Damals, auf der Computermesse.“

„Ja, und auf dem Schirm stand ledig. Daran erinnere ich mich hundertprozentig.“

„Von einer Ehefrau hat er auch nie etwas erzählt.“

„Keine Erica oder Heather erwähnt?“

„Nein.“

„Nie.“

„Nein. – Obwohl...“ Langly blickte grübelnd vor sich hin.

Scully sah ihn aus ihren blauen Augen intensiv an. „Obwohl was?“

„Naja...“ Langly versuchte, ihrem Blick auszuweichen und Unterstützung seiner Freunde zu bekommen. „Also, jetzt, wo ich drüber nachdenke, fällt mir ein, dass Mulder einen Ring getragen hat. Könnt ihr euch nicht mehr erinnern? Er hat damals doch einen Ring getragen. Immer.“

„Einen Ehering?“

„Wäre schon möglich. Jedenfalls an dem Finger, an dem man einen Ehering trägt. Und es war so ein runder, glatter, goldener... Also, vielleicht war es ja auch kein Ehering.“

„Klar doch“, merkte Scully sarkastisch an. „Männer tragen ja ständig glatte, goldene Ringe.“

„Ja, jetzt, wo du es sagst...“ Byers nickte, in Gedanken noch bei Langlys Erwähnung des Ringes.

„Bis er dieses Zuckerschneckchen getroffen hat“, fügte Frohike überflüssigerweise an. „Also, da trug er definitiv keinen Ring mehr.“

Scullys Augen verengten sich. Sie war angesäuert und drehte sich zum Gehen. „Vielen Dank, Jungs. – Würde mich jetzt vielleicht freundlicherweise irgendeiner von euch wieder rauslassen?!“
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