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Richtung Nirgendwo - Im blauen Hotel

von Nicole Perry

Kapitel 3

Der Lärm aus dem Restaurant war gedämmt aufgrund der Entfernung und die schwere Holztür zwischen den Räumen bot einigermaßen Ruhe. Der Mann holte seine Morleys aus der Innentasche seines Mantels hervor, schüttelte eine heraus und griff nach seiner Streichholzschachtel. Er war im Begriff, das Streichholz anzuzünden, als eine kühle Stimme ihn unterbrach.

"Bitte."

Das eine Wort reichte aus, um ihn seine Zigarette und die Streichhölzer weglegen zu lassen. Er nickte und nahm auf dem angebotenen Stuhl Platz. Misstrauisch betrachtete er den Mann, der ihm gegenüber in dem ledernen Armsessel saß.

Er war ziemlich groß und gut gebaut. Sein Haar war dunkel und seine Haut hatte einen olivfarbenen Ton. Seine Augen waren schwarz und mandelförmig, fast asiatisch. Er trug einen schwarzen Anzug über einem schwarzen Hemd und hatte überraschend schlanke Hände. Er besaß eine gewisse geradezu beängstigende Ruhe. Eine Ruhe in seinen Bewegungen, die deutlich und bedacht war.

Er war lediglich unter einem Namen bekannt, Christophe, und als er den Mann so anstarrte, wünschte er sich, die Zigarette doch angezündet zu haben.

"Alles ist in bester Ordnung", sagte Christophe in demselben kühlen Ton. "Ich werde sicher bald eine Antwort für Sie haben."

Der Mann nickte abermals, erfreut über die guten Nachrichten in dieser Angelegenheit. Es war nicht seine Entscheidung gewesen, sich an Christophe zu wenden, aber er respektierte seine Befehle und er wusste, dass Christophe ohnehin die beste Alternative war. Und, was noch wichtiger war, Christophe und seine Männer konnten, anders als das FBI, kontrolliert werden - zwar nicht durch ihn selbst, aber immerhin.

"Gut", sagte er. "Sie werden zufrieden sein. Die Zeit wird knapp, und wir können es uns nicht leisten, Spielchen zu spielen."

"Ich verstehe", erwiderte Christophe und fixierte den Mann vor sich. "Richten Sie ihnen aus, dass sie bald haben werden, was sie suchen."

Der Mann war im Begriff aufzustehen, als er von einer Frage Christophes aufgehalten wurde. "Wie lauten die Befehle, sobald die Objekte sichergestellt werden?"

"Beseitigen Sie sie." Der Mann hielt inne, eine Hand an der Tür des kleinen dunklen Zimmers. "Finden Sie heraus, ob die Information an Dritte weitergegeben worden ist und beenden Sie es dann. Sprechen Sie sich ab, es ist uns egal. Machen Sie jedenfalls ihren Job."

"Betrachten Sie es als erledigt."

Mit dieser Bestätigung verließ der Mann das Treffen und griff wieder nach der Zigarettenpackung, als die Tür hinter ihm in die Angel fiel.





Mulder seufzte und massierte mit müden Fingern seine Schläfen. Die Wörter schwirrten vor seinen Augen, eine endlose Reihenfolge von Ausdrücken, von denen er nicht das Bedürfnis hatte, sie näher zu verstehen. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, dass Scully bei ihm wäre. Es verbrachte heute den dritten Tag in der Bücherei, er blätterte Seiten um Seiten durch und machte sich Notizen. Es war unglaublich zeitaufwendig, aber sie hielten es beide für zu gefährlich, wenn sie ihn begleiten würde. Allein war er unauffälliger. Zusammen würden sie Aufsehen erregen.

Er zwang sich dazu, sich auf die Seiten zu konzentrieren und weiter Listen der Substanzen zu schreiben. Dilocaine, Dilomine, Dilosyn, las er murmelnd vor sich hin. Dobutamine, Dolocene, Dolophine... Die Worte vermischten sich in einem einzigen Klumpen. Er verlor rasch den Überblick, den er unbedingt behalten musste. Scully war sich sicher, dass der Name auf den sorgfältig beschrifteten Flaschen mit "D" begann, aber Mulder war sich da nicht mehr so sicher. Seine vorherigen Ergebnisse waren auch nicht besonders aufschlussreich gewesen, aber da hatte er noch nicht nach so vielen Kriterien gesucht. Dieses Mal hatte Scully vorgeschlagen, er solle einfach eine Liste aller Medikamente schreiben, die mit "D" begannen, die er finden konnte, um so unter bestimmten Gesichtspunkten zu suchen. Grimmig biss er die Zähne zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Aber es half nichts.

Er schob das Buch zur Seite und griff nach einem anderen, kleineren Buch, als er sich umsah. Er schlug die Seite auf, die er markiert hatte und las weiter.

"Corneale Lichtdurchlässigkeit weist auf den Grad der Vernarbung des Augengewebes hin. Es gibt viele Faktoren, die zu diesem beitragen können. Besonders gut sind sie zu bestimmen, wenn das Gewebe verbrannt wurde, einer starken Lichtquelle oder Hitze ausgesetzt worden ist. In seltenen Fällen, in denen das Ausmaß der Verletzungen nicht sehr groß ist, ist es bereits vorgekommen, dass sich das Gewebe regeneriert hat. In den meisten Fällen jedoch bleibt das Gewebe lichtundurchlässig und die Augenmuskeln beginnen schnell, sich zurückzubilden."

Mulder fuhr mit dem Finger über die Zeilen und speicherte sie in seinem Gedächtnis. Fast am Ende des Absatzes fand er etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte, und er schrieb die Textstelle in seinen Notizblock.

"In einigen Fällen konnte Erfolg verbucht werden, indem man die Zurückbildung der Augenmuskeln verhinderte. Bei Hornhauttransplantationen wird die Hornhaut durch Spendergewebe ersetzt. Obwohl diese Verfahrensweise relativ neu ist, sind in vielen Fällen bereits erstaunliche Resultate erzielt worden, unter anderem von Herrn Dr. Robert Bard, einem Pionier in Laserchirurgie."

Mulder sah von dem Text auf und blickte auf die Uhr. Er musste bald gehen und er wollte die letzten Minuten nutzten, um die Liste der Medikamente durchzugehen, auf die der Text verwies. Er zögerte und stand dann mit seinem beschriebenen Blatt in der Hand auf.





Auf einmal schien die Arbeit doch noch interessant zu werden. Karen legte das rosafarbene Lesezeichen auf die Seite ihres Psychologiebuches und sah zu, wie er näher kam. Sie nahm ihre metalleingefasste Brille ab, legte sie hinter sich auf den Tisch und fuhr sich mit einer Hand durch ihr kastanienfarbenes Haar, in der Hoffnung, dass ihr Verhalten nicht so offensichtlich war, wie sie dachte.

Er war der interessanteste Mann, dem Karen in den sieben Monaten, in denen sie hier arbeitete, begegnet war. Sie hatte den Job in der Bibliothek mit der Aussicht angenommen, dass ihr ein gut bezahltes Nichtstun nicht nur die Möglichkeit geben würde zu lernen, sondern auch intelligente Männer aus Gelehrtenkreisen zu treffen.

Getroffen hatte sie sie, Dutzende sogar. Bücherwürmer mit Hornbrillen, die ihren Büchereiausweis voller Stolz wie ein Abzeichen mit sich herumtrugen. Sie wünschte sich, sie würde Englisch studieren oder Jura oder vielleicht etwas in romantischer Richtung, wie Philosophie oder Altphilologie. Zwar hatte sie bei abendlichen Einladungen zum Kaffee nie nein gesagt, aber keiner von den Männern hatte sie wirklich je interessiert. Bis jetzt.

Er hatte etwas an sich, das über seine Oxford-Hemd-und-Jeans-Bekleidung hinausging. Sein Bart war etwas dunkler als seine braunen Haare und ihr war aufgefallen, dass er von Zeit zu Zeit blinzelte, während er las. Sie fand es lustig, dass er zu eitel war, um sich eine so offensichtlich bitter nötige Brille anzuziehen. Andererseits, dachte sie, kann er sich bei dem Gehalt eines Studenten vielleicht gar keine leisten.

Er kam mit festen Schritten auf sie zu. "Hallo", sagte er mit einem höflichen Lächeln. "Wären Sie vielleicht so freundlich, mir einen Artikel zu bringen?"

"Sicher", antwortete sie und strich sich eine widerspenstige Strähne ihres roten Haars hinters Ohr. Sie merkte, dass er sie dabei beobachtete und fühlte das Blut in ihre Wangen schießen. "Haben Sie die Referenznummer?"

Er antwortete zuerst nicht, sondern sah sie nur an, doch dann fasste er sich. "Ja, hier", sagte er und reichte ihr einen Zettel.

Karen war noch nie so froh gewesen, im hinteren Teil des Raumes verschwinden zu müssen wie jetzt. Der Typ gefiel ihr wirklich sehr. Es war lächerlich -- sie hatte sich in einen Kerl verguckt, den sie bloß dreimal in der Bibliothek gesehen hatte. Sie wusste nicht einmal, wie er hieß. Sie schüttelte den Kopf und tippte die Nummer des Artikels, den er haben wollte, in den Computer. Einige Minuten später kehrte sie mit den ausgedruckten Seiten in der Hand zurück. Er stand an der Theke und wartete auf sie.

"Studieren Sie Psychologie?" fragte er, als sie wiederkam und deutete auf das aufgeschlagene Buch hinter der Theke.

"Ja", antwortete sie. "Sechstes Semester."

"Sieht nach einem guten Kurs aus", sagte er und sie nickte.

Karen wollte ihr kurzes Gespräch noch nicht beenden und warf einen Blick auf die Blätter, die sie in der Hand hielt. "'Fortschritte in der Hornhauttransplantation'", las sie. "Basiert auf Untersuchungen von Dr. Robert Bard am Jules Stein Institut für Augenkunde, UCLA."

Er wirkte ein wenig nervös, sagte aber nichts, sondern streckte nur seine Hand nach den Blättern aus.

"Das verstehe ich nicht", sagte sie zwanglos. "Wie lautet Ihre These?"

"Wie bitte?" Verwirrung stand in seinen braunen Augen.

"Ihre These", wiederholte sie und bereute ihre Frage augenblicklich, weil es verriet, dass sie ihn die ganze Zeit genau beobachtet hatte. "Ich meine... Sie haben die ganze Zeit diese Sachen über Medikamenten gelesen... und jetzt das hier. Ich sehe da keine Verbindung."

Er starrte sie an und Karen sah etwas Dunkles und Trauriges in seinen Augen, das sie nicht deuten konnte. Er blinzelte und das Dunkle verschwand. Anstelle dessen trat etwas, das eher nach ruhiger Entgegennahme aussah.

"Zwei unterschiedliche Projekte", sagte er und entzog ihr die Unterlagen. "Danke für Ihre Hilfe."

"Kein Problem", erwiderte sie und sah ihm nach, als er wieder seinen Platz an dem Tisch einnahm.

Karen nahm wieder ihr Psychologiebuch zur Hand und gab vor, den Stoff für die morgige Prüfung zu wiederholen anstatt ihn zu beobachten, tief in dem Artikel versunken, den er von ihr bekommen hatte.

Kurze Zeit später verließ er die Bücherei, ganze drei Stunden vor Ende ihrer Schicht. Sie seufzte, als seine schlanke Gestalt aus der Tür verschwand. Sie wünschte, sie könnte ihm folgen, und sie hoffte, dass er bald wiederkommen würde.





Das ältere Ehepaar aus der Wohnung gegenüber kam ihm gerade entgegen, als Mulder zurückkam. Er vermied Augenkontakt und nickte ihnen im Vorbeigehen kurz zu. Als er die Tür öffnete, war er überrascht, als ihm der Geruch von Essen in die Nase stieg.

Er schloss die Tür und machte das Licht an. "Scully?"

"Hier!" kam die Antwort und er ging in die Küche. Obwohl das Licht aus war, wurde die Küche noch durch die untergehende Sonne erhellt und er erstarrte bei dem, was er sah.

Scully stand neben dem kleinen Tisch mit einem Glas in jeder Hand, die sie offensichtlich zu den beiden Tellern stellen wollte, die auf dem Tisch waren. Sie lächelte in seine Richtung, aber er nahm es kaum wahr, denn seine Augen klebten an dem Herd hinter ihr. Die Gasflammen unter dem Kochtopf waren alarmierend hoch und sie erreichten schon fast das Geschirrtuch, das daneben hing.

Mulder war augenblicklich neben dem Herd. Er riss das Tuch vom Haken und stellte den Brenner mit einer hastigen Bewegung niedriger. "Scully --" sagte er scharf, als er herumfuhr und sie ansah. "Was machst du denn da?"

"Abendessen", antwortete sie und stellte vorsichtig die Gläser ab. "Was ist denn los?"

"Du hast fast das ganze Haus in Brand gesetzt!" Er nahm einen tiefen Atemzug, um sich wieder zu fassen. "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?"

Sie antwortete nicht sofort, und als sie es tat, war ihre Stimme wie zugeschnürt. "Ich habe gedacht, dass ich dazu in der Lage bin, eine Suppe aufzuwärmen und ein paar Sandwichs zu machen."

Mulder blickte sich in der Küche um. Auf dem Tisch verstreut standen einige Dosen und andere Behälter, und er sah die Sandwichs, die etwas schief auf einem Tablett neben der Spüle balancierten. Aber seine Aufmerksamkeit galt anderen Dingen.

Der Dosenöffner, mit dem sie die Suppe geöffnet hatte

Das Messer, mit dem sie das Brot geschnitten hatte.

Die Flammen, die immer noch niedrig auf dem Herd brannten.

Er malte sich alle möglichen Katastrophen aus, aber trotzdem versuchte er, seine Stimme ruhig zu halten. "Natürlich bist du das, Scully, aber --"

Sie schnitt ihm abrupt das Wort ab. "Hör auf, mich zu bemuttern, Mulder. Ich bin kein kleines Kind."

Ihm blieb das Wort im Halse stecken und sah sie zum ersten Mal wirklich an. Sie trug ein langes geblümtes Kleid und eines seiner Hemden, die viel zu weiten Ärmel hochgekrempelt. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und er konnte deutlich ihre Wut hinter ihren zusammengebissenen Zähnen sehen.

Er versuchte es noch einmal, viel vorsichtiger diese Mal. "Ich weiß..."

"Nein, weißt du nicht." Ihre Worte waren kalt, sie schienen den ganzen Raum einfrieren zu wollen. "Du weißt *überhaupt* nichts!"

"Scully, bitte." Er trat einen Schritt auf sie zu, in der Hoffnung, sie zu beruhigen. "Hör mir zu, bitte, ich..."

"Hör auf -- hör auf damit -- halt die Klappe!" Scully wehrte ihn mit wild umher schlagenden Armen ab. "Ich kann es nicht mehr hören, Mulder! Du hast *keine* Ahnung, wie das ist. Du hast *keine* Ahnung, was ich durchmache!"

Mulder stand völlig still, erstarrt durch ihre Worte.

"Weißt du, wie das ist, Mulder, wenn man auf der Straße nichts sehen kann? Hast du eine Ahnung, wie das ist, wenn man völlig hilflos ist und von anderen abhängig, die dir bei allem helfen müssen?" Sie wich zurück und stieß dabei gegen den Tisch, worauf eines der Gläser klirrend zu Boden fiel.

Der Lärm erschreckte sie und er sah, dass sie die Ursache des Lärms suchte. Sie schrie vor Qual und Schmerz und Mulder wusste, dass sie sich am Rande der Hysterie befand. "Ich hasse es, Mulder. Hörst du? Ich Hasse Es!"

Er ging auf sie zu und versuchte, ihren Arm zu fassen, aber sie wich fort und schrie. "Ich hasse diese Dunkelheit, ich hasse sie!" Sie erreichte die Anrichte und fuhr mit wild suchenden Fingern über die Oberfläche, bis sie das Tablett mit den Sandwichs fand. Sie riss es vom Tisch und knallte es auf den Boden. "Ich *hasse* es, so schwach zu sein!" Sie fuhr weiter über die Theke und schmiss alles auf den Boden, das ihr in die Finger kam. "Ich *hasse* es, so verletzlich zu sein! Ich *hasse* es, die ganze Zeit so eine Angst zu haben!"

Scully erreichte das Ende der Anrichte und bevor Mulder sie stoppen konnte, riss sie in einem Schwung den Suppentopf vom Herd. Ihre Hand klatschte gegen das heiße Metall und sie schrie vor Schmerz als siedendheiße Flüssigkeit sich auf dem Boden um sie ausbreitete.

"Scully!"

Er schrie sie an, er versuchte, sie aus ihrer Panik zu reißen. Er griff nach ihr, aber er hielt sie nur für einen Moment fest, bevor sie sich aus seinem Griff herauswand und ins Wohnzimmer stolperte.





Irgendwie schaffte sie es, aus der Küche zu kommen, bevor ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie sank zu Boden und schlang die Arme um ihre Knie. Ihr Schluchzen hallte unerträglich laut in ihren Ohren, als sie ihr Gesicht in ihren Knien vergrub. Ihre rechte Hand tat weh, aber es half ihr, ihre Selbstbeherrschung wiederzufinden.

Sie hörte, wie er ins Wohnzimmer kam, aber sie bewegte sich nicht. Seine Schritte kamen näher, bis er genau neben ihr stand. Dann fühlte sie, wie er ihr die Hand auf die Schulter legte.

"Scully, bitte", begann er, doch die Sorge in seiner Stimme weckte wieder ihre Wut und sie schüttelte ihn ab.

"Geh bloß weg von mir!"

Er sagte nichts, und sie hoffte, dass der schrille Ton geholfen hatte. Sie merkte, wie er sich neben sie auf den Boden setzte, aber er versuchte nicht wieder sie anzufassen.

"Scully... ich glaube, du hast dir die Hand verbrannt", sagte er sanft. "Las mich mal sehen... bitte."

Seine Worte waren weich und es lag etwas darin, das sie fast dazu brachte, zu tun wofür er sie bat, aber ihre Wut war noch nicht ganz gewichen. "Nein", keifte sie zwischen ihrem Schluchzen. "Ich will nicht, dass du überhaupt noch irgendwas tust."

"Scully..."

"Ich meine es ernst, Mulder." Sie setzte sich aufrecht hin und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. "Ich will nicht, dass du mir Essen machst... oder meine Klamotten aussuchst... oder irgendwas. Ich will es nicht... Ich will es nicht... Ich will es nicht!"

Trotz ihrer Versuche konnte Scully nicht aufhören zu weinen, und ihre Wut wandelte sich schnell in Verlegenheit. Sie fühlte seine Hand auf ihrem Handgelenk und dieses Mal ließ sie ihn gewähren. Er strich über ihre Handfläche und sie zuckte. Dann fühlte sie etwas Kaltes und Nasses an ihrer Hand und sie erkannte an dem Stoff, dass es das Geschirrtuch aus der Küche war.

"Ich glaube, es ist nicht so schlimm", hörte sie ihn sagen als er provisorisch ihre Hand verband. "Aber das wird den Schmerz etwas lindern."

Sie nickte und zog ihre Hand wieder auf ihren Schoß. "Danke." Und nach einem Moment fügte sie leise hinzu, "Es tut mir leid."

Sie hörte ihn seufzen und er war so nahe, dass sie es fast spüren konnte. "Nein, Scully", sagte er. "Mir sollte es leid tun."

"Warum?"

"Wegen allem", antwortete er und der Kummer in seiner Stimme berührte sie zutiefst. "Ich habe dich im Stich gelassen, und ich habe versucht, es wieder gut zu machen. Ich... ich glaube, dass ich aus lauter Angst, dich wieder im Stich zu lassen, dich so -- kontrolliere. Ich will nicht, dass dir noch irgend etwas passiert."

Sie hörte nur einen einzigen Ausdruck von dem, was er sagte. Einen Ausdruck, der in ihrem Hirn widerhall und der endlich ihre Tränen trocknete. Sie drehte sich zu ihm. "Was meinst du damit -- du hast mich im Stich gelassen?"

Er schwieg, und sie fand seine Hand mit ihrer unverletzten und drückte sie. "Mulder? Sag es mir."

"Das Labor", sagte er leise. "Ich wusste, es war eine Falle. Du hättest nie reingehen dürfen. Ich hatte versprochen, dich zu beschützen und ich -- ich habe versagt."

"Oh, Mulder." Sie zögerte und suchte nach Worten, um auszudrücken, was sie sagen wollte. "Es lag nie in deiner Verantwortung, mich zu beschützen. Außerdem hast du es versucht. Du hast mich gewarnt, du bist mir sogar da hinein gefolgt. Ich habe bloß..." sie verstummte und hob reuevoll die Schultern. "Ich war wie besessen, Mulder. Ich war mir so sicher, dass ich recht hatte. Ich war nicht mehr in der Lage, auf irgend jemanden zu hören. Es gab nichts, das du hättest tun können."

"Aber wenn ich nur bei dir gewesen wäre, hätte ich..."

"Hättest du *was*, Mulder?" fragte sie, aber als er nicht antwortete, fuhr sie fort. "Es gibt nichts, das du hättest tun können. Ich habe mir das selbst eingebrockt." Scully schwieg wieder aus Angst das zu sagen, was sie so lange für sich behalten hatte. Aber es war, als ob der Wall zwischen ihnen gebrochen war, und sie wollte ihm alles sagen.

"Mulder", begann sie, "in dieser Explosion sind Menschen umgekommen. Unschuldige Menschen -- und ich -- es war meine Schuld. Vielleicht... vielleicht verdiene ich es ja."

"Nein!" explodierte er. "Du hast nichts getan, um so etwas zu *verdienen*, Scully! Denk so was nicht!" Seine Worte waren fest, aber sie konnte das Zittern darunter hören. "Niemand verdient so etwas, Scully.... am wenigsten du."

"Oh, Mulder." Sie hob ihre Hand an sein Gesicht und fühlte, dass seine Wange feucht war. Sie erkannte mit Schrecken, dass er weinte.

"Weißt du denn nicht..." sagte er in heiserem, gebrochenen Flüstern. "Wenn ich... ich würde *alles* tun... ich würde *alles * dafür geben... wenn... wenn es dir dein Augenlicht zurückgeben würde... wenn es dich wieder heilen würde."

Überwältigt durch den Schmerz und die Trauer in seinem leisen Geständnis, legte sie ihre Arme um ihn und zog ihn ganz nah an sich heran. Sie fühlte, wie er auch seine Arme um sie legte und wie er durch die Macht der Tränen, die ihn schüttelten, zitterte. Wieder fing sie an zu weinen. Sie presste ihre Stirn an seine, seine Haut warm und weich an ihrer. Das plötzliche Verlangen, ganz nah bei ihm zu sein und ihn zu trösten, überkam sie, und sie strich sanft mit ihren Lippen gegen seine.

Stop!! Haltet den Bus an!!! Da sind sicher ein paar NoRoMos hinten drin, die aussteigen wollen... Sorry, Leute -- Ich weiß, ich hätte am Anfang von diesem Teil eine Warnung schreiben müssen, aber ich konnte meine Drama-Hand einfach nicht dazu bewegen. ;-) Außerdem denke ich, dass ich die Szene auch für die größten Carter-Anhänger früh genug geschnitten habe, oder? Jedenfalls möchte ich mich entschuldigen, wenn sich jemand ärgern sollte -- die Story ist eine Geschichte für sich! Wenn Ihr trotzdem noch weiterlesen möchtet, die Teile 4-12 werden gleichzeitig gepostet.

Ich möchte mich bei der Gelegenheit bei Brian bedanken, der mir seine Medizin-Bücher ausgeliehen hat und sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten. Du bist der Beste! :-) Und jetzt, rein in die Höhle des Löwen...
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