World of X

Das älteste Archiv für deutsche Akte-X Fanfiction

Arachnophobia - The Second Edition

von XFilerN

Kapitel 4

In der Wüste Nevadas, nahe der verendeten Rinder



Es war dunkel in der Höhle. Überall hingen Spinnenweben und vertrocknete Grasbüschel von den Wänden und der Decke herab. In einem abgelegenen Teil der Höhle lagen Kokons aus Waben, die von den Jungtieren herbei geschafft worden waren. Sie versorgten ihre Mutter, ihre Königin, regelmäßig mit Nahrung.

Durch die Vielzahl ihrer Augen, sah sie ihr Umfeld wie durch ein Periskop. Ihre dicken, langen und behaarten Beine stapften unsanft über die Kokons. Sie griff mit ihren Zangen nach einem davon und verschlang den Kokon mit samt dem Inhalt. Wie Ameisen, so klein, wuselten ihre Nachkommen aufgeregt um sie herum, doch sie ließ sich nicht von ihnen stören und fraß weiter.







Mitten in der Nacht, im Haus der Daniels



Scully schlug die Augen auf, rieb sie und lauschte in die Nacht. Irgendetwas hatte sie geweckt, doch sie vernahm kein Geräusch. Sie setzte sich aufrecht hin und schaltete das Licht neben dem Bett ein. Argwöhnisch und auch ängstlich wanderten ihre Blicke durch das Zimmer, doch sie konnte nichts sehen und nichts hören, außer dem seichten schnarchen der Männer, die unten schliefen.

Plötzlich glaubte sie etwas an ihren nackten Beinen zu spüren. Das Gefühl verstärkte sich mit jeder Sekunde. Es fühlte sich an, als würde etwas an ihr hinaufkrabbeln. Sie griff nach der Decke, schluckte einige Male hart, atmete dann tief ein und schlug das Laken beiseite.

Blankes Entsetzen lag auf ihrem Gesicht als sie die vielen unzähligen Spinnen aller Arten an sich hoch krabbeln sah. Kalter Angstschweiß rann aus ihren Poren, als sie wie paralysiert auf die Tiere starrte, die sich ihrer bemächtigten. Dann stieß sie einen markerschütternden Schrei aus, der die Stille der Nacht durchschnitt, und versuchte sich von den Spinnen zu befreien. Sie schlug wild um sich und fühlte, wie sie von ihnen gebissen und angegriffen wurde. Sie waren einfach überall...



Agent Mulder fuhr erschrocken herum, brauchte einige Momente bis er seine Orientierung wieder fand und stand dann schnell auf. Wieder hallte ein Hilfeschrei durch das Haus. Willmore und Amibi wurden nun auch wach. Mulder nahm seine Waffe und lief die Treppen hinauf, zum Schlafzimmer, von wo die entsetzlichen Schreie Scullys kamen. Mit einem kräftigen Tritt stieß er die verriegelte Tür auf. Amibi und Willmore folgten ihm und blieben vor dem Schlafzimmer stehen.

Er machte das Licht an und sah seine Partnerin, die sich im Bett hin und her wälzte.

Die beiden Männer gingen wieder nach unten, um Agent Scully peinliche Augenblicke zu ersparen, während Mulder zu ihr rannte. Sie war schweißgebadet. Ihr Shirt klebte klamm an ihrem Körper.

„Scully... Scully, wachen Sie auf... Scully!", schrie er sie an und schüttelte sie unsanft.

Schließlich öffnete sie die Augen und wich entsetzt zurück. Tränen der Furcht und Verzweiflung rannen ihre Wangen entlang, als Mulder sie fest in seine Arme schloss, um sie zu beruhigen.

„Schhh, schon gut, Scully. Ich bin hier, ich bin bei Ihnen, schhh...", versuchte er sie zu trösten.

Wie eine Ertrinkende, die sich an einem Rettungsring festkrallt, klammerte sich Scully an Mulders Hals fest. Ihre Nägel bohrten sich Halt suchend in die Haut seines unbekleideten Rückens, als sie bitterlich weinte.

„Schhh... ist ja gut. Sie haben nur geträumt, Scully", versuchte er, mit sanfter Stimme, weiter seine Partnerin zu beruhigen. Sie schluchzte und wurde von ihren Weinkrämpfen geschüttelt.

„Da... da waren... überall... Spinnen. Sie... sie wollten... wollten mich...", entkam es ihr stockend.

„Es war nur ein Traum, nur ein Traum", murmelte er wiederholt in Scullys Haar, bis sie sich langsam wieder fasste. Fürsorglich und zärtlich nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und strich ihre Tränen mit den Daumen weg.

Sie fühlte sich so elend von Mulder wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Allerdings war ihr bewusst, dass er es nur gut meinte und sich um sie sorgte.

Nach einiger Zeit, die sie schweigend dagesessen hatten, meinte Mulder: „Sie sollten wieder versuchen zu schlafen, Scully. Wir haben morgen wieder viel zu tun und ich brauche Sie ausgeruht und fit."

Ihr war klar, dass ihr Partner im Recht war und sie schämte sich dafür, dass er sie eben hatte trösten müssen. Es wunderte sie nicht einmal, dass er sie wie ein Kleinkind zu beruhigen versuchte, wenn sie sich wie eines aufführte und wegen eines albernen Traums zu weinen begann. Das Zittern ihrer Hände wurde schwächer und auch ihr Herzschlag normalisierte sich langsam wieder.

„Danke, Mulder", sagte sie schließlich und zog die Decke wieder an sich.

„Kein Problem. Falls wieder etwas sein sollte, Scully, rufen Sie mich einfach." Mulder erhob sich wieder von dem Bett und ging auf die Tür zu.

Zunächst wollte sie ihm noch etwas sagen, doch sie behielt es letztlich doch lieber für sich. Sie sah ihm einfach nach, wartete bis er das Licht wieder aus und die Tür geschlossen hatte. Zögerlich stand sie auf und ging zum Badezimmer hinüber, um sich das Gesicht mit angenehm kühlem Wasser zu erfrischen.

Sie sah sich selbst in die Augen, durch den kleinen alten Spiegel der über dem Waschbecken hing. „Was wunderst du dich, wenn er dich so behandelt als seiest du aus Porzellan?" Die Frau, die ihr entgegen blickte hatte gerötete Augen und Wangen, der Beweis für ihre Schwäche, die sie erneut in Mulders Gegenwart hinter ihrer Fassade hatte hervortreten lassen.





Am nächsten Morgen



Sie kam sich so unendlich dämlich vor nach der letzten Nacht. Zögernd stand sie am Treppenansatz und sammelte ihren Mut, um Mulder gegenüber zu treten, dem sie wieder einmal bewiesen hatte, dass sie doch nur eine Frau war, die den Schutz eines Mannes brauchte. Und in dieser von Männern dominierten Welt war es das Letzte ihnen das auch noch zu bestätigen. Und nichts anderes war ihr gestriger Ausbruch gewesen.

Seufzend straffte sie die zierlichen Schultern und stieg die Treppen hinab. Im Wohnbereich saßen die Männer bei Kaffee und Toast beisammen und unterhielten sich angeregt. Jedoch stoppten sie augenblicklich, als sie Scully bemerkten.

„Hey“, grüßte Mulder sie schlicht. „Kaffee?“ Er wollte ihr nicht das Gefühl geben, dass es irgendwas gab, dessen sie sich schämen müsste. Er kannte sie inzwischen lange und gut genug, um zu wissen, wie unangenehm ihr das gestrige Verhalten sein musste.

„Gern“, erwiderte sie schlicht und setzte sich auf den freien Sessel. „Worum ging es eben?“ Scully sah Willmore und Amibi an, die ihren Blick entgegneten.

Amibi sah kurz zu Willmore, dann wieder zu Scully. „Mulder hat von dieser Höhle erzählt, die er und Willmore gestern gefunden haben. Er sagte, er hätte seltsame Geräusche gehört. Und wir haben überlegt, ob wir da heute noch mal hingehen und dem nachgehen sollten.“

„Ja, aber Amibi hier hält das für Zeitverschwendung“, ließ sich Craig Willmore vernehmen und lehnte sich auf der Couch zurück.

„Weil es sich dabei nicht um Spinnen gehandelt haben kann. Die Geräusche, die sie von sich geben“, erklärte er und sah dabei Scully an, „sind derart leise, dass das menschliche Ohr sie nicht vernehmen kann. Ein Geräusch, wie es Mulder beschrieb, würde bedeuten…“

„…dass die Spinne übernatürlich groß sein muss“, schloss Mulder die Erklärung des Zoologen ab und reichte Scully gleichzeitig eine Tasse Kaffee. „Und das hält unser Wissenschaftler für absolut unmöglich.“

„Jedoch ist für uns nichts unmöglich“, sagte Scully und trank einen Schluck des heißen Kaffees. „Haben Sie keinen Zucker rein?“, fragte sie Mulder plötzlich und deutete auf den Kaffee.

„Ein Stück.“

„Ich brauche heute wohl mehr“, meinte Scully und stand auf, um noch etwas Zucker in das koffeinhaltige Getränk zu tun. Der Kaffee kam ihr ungewöhnlich bitter vor an diesem Morgen. Vielleicht war er auch einfach nur etwas stärker, als der, den Mulder sonst im Büro machte, überlegte sie und schloss damit den Gedankengang, ehe sie zu den Männern zurückkehrte.

„Also?“, erkundigte sich Mulder und blickte zu seiner Partnerin auf. „Was ist Ihre Meinung?“

„Zu der Höhle?“ Er nickte und Scully ließ sich mit der Antwort Zeit, bis sie wieder saß. „Sie würden sich doch ohnehin nicht von mir aufhalten lassen. Wenn Sie meinen, dass es da was nachzusehen gilt, dann tun Sie es.“

Mulder sah zu Amibi, der die Schultern zuckte. „Ich komme nicht mit. Ich will hier noch ein wenig die Gegend erkunden und ein paar Dinge untersuchen“, sagte Amibi schließlich.

„Scully?“ Mulder sah zu ihr hinüber.

„Keine Chance“, sagte sie ablehnend. „Untersuchen Sie die Höhle des Unbekannten allein.“

„Ich bin dabei“, meinte schließlich Willmore. „Allein sollten Sie nicht gehen.“

„Gut, dann also wir beide als Team. Soll mir recht sein“, erwiderte Mulder, verbarg seine Enttäuschung darüber, dass weder Scully noch Amibi mitgehen wollten jedoch schlecht.





Irgendwo in der Wüste Nevadas



Fünf Teenager hatten sich ein paar schöne Tage machen wollen, um dem Alltagsleben zu entfliehen und den Abschluss der Highschool zusammen zu feiern, ehe sich ihre Wege ins Erwachsenenleben trennen würden. Zudem wollten sie einen netten Urlaub in der Wildnis Nevadas machen, der jedoch auch etwas abenteuerlicher sein durfte. Sie waren sich wohl bewusst, dass es in der Wüste so manche gefährlichen Tiere gab, doch das erhöhte nur den Reiz daran. Susanne und Jackie, die Freundinnen von Malcolm und Rusty, löschten die Glut des Lagerfeuers, während die Jungs und Rustys kleiner Bruder Steve die Schlafsäcke und den übrigen Proviant zusammen packten. Als die Sonne aufgegangen war und sie aufwachten, wollten sie die noch angenehme Temperatur ausnutzen, um ihre Tour fortzusetzen.

„Also Jungs, seid ihr soweit?“, fragte Jackie und schnappte sich ihren Rucksack.

„Yap, wir können los“, antwortete ihr Freund, ging auf sie zu und nahm ihre Hand. Malcolm und sie gingen ihren Freunden voraus, als sie ihre geplante Route weiter fortsetzten. Sie wollten noch weiter, noch tiefer ins Innere Nevadas. Die Jungs versprachen sich eine Art Abenteuer-Wildnis-Urlaub von dem Trip in die Wüste, während die Mädchen ihnen einfach nahe sein wollten, ohne die sonst so lästige Aufsicht der Eltern.





Auf der Farm der Daniels



Mulder saß auf der Veranda, vor sich liegend einen Rucksack, zwei Flaschen Wasser, einen Snack in Form von Müsliriegeln, eine Taschenlampe, Ersatzbatterien, zwei 9mm Magazine und in der Hand hielt er seine Waffe, die er eben gereinigt und überprüft hatte. Er sicherte die Waffe und steckte sie in das Holster, das sich wie einen Gürtel um die Hüfte trug. Stück für Stück packte er die Utensilien in seinen Rucksack, als er plötzlich aus weiter Ferne eine Stimme zu hören glaubte.

Sofort wurde er aufmerksam und blickte sich in der Gegend um, sah jedoch nichts Ungewöhnliches. Erst als er erneut die Stimme hörte, diesmal auch von etwas näher, konnte er in weiter Entfernung etwas sehen, das sich auf ihn zu bewegte. Nach nur wenigen Sekunden wurde die Erscheinung deutlicher und er eilte von der Veranda herunter, lief der Person entgegen. Je näher Mulder der Person kam, desto deutlicher wurde sie und er verstand auch endlich, was sie rief. Das Mädchen, das ihm entgegen rannte, strauchelte, fing sich jedoch ab, ehe sie hinfallen konnte. Sie schrie aus Leibeskräften um Hilfe.

„Oh, Gott! Hilft mir den keiner! HILFE!“ Eine junge Frau, mit langen braunen Haaren, stolperte direkt auf ihn zu. Sie weinte und flehte um Hilfe. Mulder ging ihr noch weiter entgegen, bis sie schließlich vor Erschöpfung in seinen Armen zusammenbrach.

Sie begann augenblicklich die Fassung zu verlieren und stammelte weinend etwas vor sich hin, das Mulder akustisch nicht verstehen konnte.

„Schhh, ganz ruhig... Beruhigen Sie sich“, sprach er mit leiser Stimme auf die Frau ein, während er sie zum Haus zurück führte. Sie sah sich immer wieder nervös um und zitterte am ganzen Leib, als sei sie auf der Flucht vor jemand oder etwas gewesen, das ihr einen unglaublich großen Schrecken eingejagt hatte.

„Sie...sind alle – tot. Malcolm... – Diese Monster haben sie alle getötet“, stammelte sie immer noch nach Atem ringend.

„Wer ist tot? Was für Monster?“, fragte Mulder nach und brachte die junge Frau ins Haus. Sie weinte immer noch und konnte sich nicht beruhigen. Mulder sah sie voller Mitleid, aber auch einem gewissen Maß an Neugierde, an. „Setzen Sie sich, Miss, ich mache Ihnen erst mal einen Tee. Sie müssen sich beruhigen...“

Zitternd setzte sie sich an den Tisch, an den Mulder sie führte. Er begann einen Tee zuzubereiten, während er nachhakte: „Jetzt erzählen Sie mir bitte noch mal ganz in Ruhe was geschehen ist?“

„Was ist den passiert?“, fragte Samuel, der sich zu ihr an den Tisch setzte und Mulder fragend ansah. Die fremde Stimme hatte ihn von seinen Untersuchungen abgelenkt und er wollte nachsehen, wem die Stimme gehörte.

„Sie kam eben vollkommen verstört auf das Haus zugelaufen und erzählte was von irgendwelchen Monstern und jemandem namens Malcolm. Alle seien tot. Keine Ahnung“, erklärte Mulder und zuckte die Schultern, da er selbst auf Antworten von dem Mädchen wartete, dessen Namen er noch nicht einmal in Erfahrung bringen konnte.

Das Mädchen stellte sich den Männern schließlich mit Namen Susanne vor und begann allmählich zu erzählen, was ihr und ihren Freunden zugestoßen war. Sie erzählte davon, dass sie und ihre Freunde an einer Höhle vorbei gekommen seien, die sich ihre männlichen Begleiter unbedingt hatten näher ansehen wollen. „Malcolm sagte, wir Mädchen sollen draußen bleiben, wenn wir uns nicht hinein trauten und schließlich blieb nur ich vor der Höhle zurück. Es war wie ein Instinkt, der mich abhielt hineinzugehen und egal wie sehr ich es auch versuchte die anderen abzuhalten, sie wollten nicht auf mich hören.“ Sie machte eine kleine Pause und nahm die Tasse Tee entgegen, die Mulder ihr reichte. Sie blickte in die neugierigen Gesichter der Männer und fuhr nach einem Schluck des heißen, wohltuenden Getränks fort zu erzählen. „Ich hörte nach einigen Minuten entsetzliche Schreie und wartete einige Sekunden lang darauf, dass sie wieder aus der Höhle kamen, aber nach und nach erstickten die Schreie und…“ Samuel legte ihr eine Hand auf die Schulter, als die Erinnerung schwer auf ihr zu lasten begann und Susanne wieder den Tränen nahe war. „Malcolm kam schließlich als einziger aus der Höhle gelaufen, aber er war…“ Sie wagte kaum weiter zusprechen. „… überall auf ihm waren Spinnen. Riesige, haarige Spinnen. Und er schrie. Er schrie wie ich noch nie zuvor jemanden schreien hörte.“ Susanne wischte sich Tränen aus den Augen und schluckte schwer. „Ich konnte ihm nicht helfen. Ich wagte es nicht… ich ließ ihn im Stich, nahm die Beine in die Hand und rannte. Ich weiß nicht wie lange ich rannte, aber…“

Mulder nahm sich einen der Stühle, drehte ihn herum, sodass sich die Lehne am Tisch befand und ließ sich darauf sinken. Gerade als er ihr eine Frage zur weiteren Erläuterung stellen wollte, ergriff der Wissenschaftler das Wort.

„Wie sahen diese Spinnen denn aus, Susanne?“, wollte Samuel wissen. „Also wie genau. Wie große, welche Farben hatten sie…“

Sie schluckte erneut hart bei dem Gedanken daran. „Etwa so groß wie meine ausgestreckte Hand waren sie und ganz... sie waren haarig. Braun, fast schwarz.“

Samuel sah sie erstaunt an und dann nachdenklich zu Mulder hinüber. „Kommst du kurz mit raus?“, bat er den Agenten schließlich. Mulder nickte und sie verließen das Haus.



„Mulder, das, was das Mädchen schildert, verstehe ich nicht. Die Spinnen, die sie beschreibt, sind keine schwarzen Witwen, dass müssen Taranteln oder Vogelspinnen sein. Du hast doch die schwarze Witwe gesehen, die sind wesentlich kleiner und nicht haarig. Was zum Teufel geht hier nur vor?“

„Haben diese Spinnen möglicherweise das selbe Toxin?“, fragte Mulder entgegen, anstatt zu antworten.

Samuel schüttelte den Kopf und setzte sich auf die Schaukel. „Nein, na ja ein sehr ähnliches Toxin. Aber Taranteln oder auch Vogelspinnen sind nicht sehr gefährlich für einen Menschen. Ihre Bisse kommen den Stichen von Wespen gleich. Sie werden nur ihrer Größe wegen in Horrorfilmen immer als die gefährlichsten dargestellt. Allerdings besaß auch diese schwarze Witwe, deren Toxin Scully überprüfte, wesentlich mehr Gift als es normal der Fall ist. Vielleicht ist das hier ebenfalls so. Wenn ja, dann sollte ich mich dransetzen und ein Antiserum entwickeln, das dem Toxin entgegenwirkt.“

Mulder nickte zustimmend und ging wieder ins Haus zurück. Samuel folgte ihm und setzte sich wieder an den Tisch zu Susanne. „Miss, können Sie mir das Fell der Spinnen genauer beschreiben? War es schwarz oder doch eher bräunlich? Hatten die Spinnen möglicherweise rötliche Flecken an den Beinen?“

Susanne sah ihn verwundert an und dachte dann sorgfältig nach. „Ich... weiß es nicht mehr. Ich... es ging alles so schnell. Ich wollte nur noch weg...“

„Wenn ich Ihnen ein paar Bilder zeige, könnte das Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen?“, hakte Samuel weiter nach. Er musste einfach mehr über die Spezies erfahren. Ohne zu wissen um welche Spinnen es sich handelte, konnte er unmöglich ein Serum erstellen.

„Schon möglich...“, erwiderte Susanne und verzog bei dem Gedanken daran das Gesicht.

Mulder setzte sich nun auch hin, als Samuel seine Fachbücher zur Hand nahm und der jungen Frau einige Exemplare zeigte.



Craig Willmore hörte das Gemurmel von Mulder und Amibi und schließlich auch die Stimme einer unbekannten Person, als er aus dem Badezimmer im oberen Stock kam. Vom Treppenabsatz aus konnte er sehen, dass es sich tatsächlich nicht um Agent Scullys Stimme handelte. Eine junge Frau saß am Tisch, flankiert von Mulder und Amibi. Neugierde packte ihn und er ging die Stufen hinab.

„Hallo“, grüßte er schließlich und nahm auf dem letzten freien Stuhl am Tisch Platz.

Mulder stellte Willmore die junge Frau vor und erklärte ihm knapp was geschehen war und was Susanne zu ihnen geführt hatte.

Susanne blätterte angewidert, wegen der vielen Bilder, in den einzelnen Fachbüchern, um Samuel kurz darauf seine Vermutung zu bestätigen. „Die hier“, sagte sie mit zitternder Stimme und zeigte auf das Bild. „So sahen die Spinnen aus, die auf Malcolm waren.“

Amibi und auch Mulder nickten ihr zu. Sie hatte eine der größten Spinnen identifiziert. „Theraphosa leblondi“, erklärte Samuel knapp. „Diese Vogelspinne erreicht eine Länge von 7,5cm. Mit ausgestreckten Beinen können die Weibchen eine Spannbreite von 25cm erlangen. Kurz gesagt, Leute, das ist die größte uns bekannte Spinne der Welt. Eine Rotknievogelspinne, um präzise zu sein. Das ist genau das, was Scully und ich anhand der Autopsie befürchtet hatten.“ Samuel sah sich eingehend die angespannten Gesichter seiner Kollegen an. „Das könnte noch verdammt interessant werden. Mit dieser Art ist nicht zu spaßen. Und wenn sie tatsächlich in Scharen angreifen, müssen wir uns schnell etwas einfallen lassen, damit wir nicht machtlos gegen sie sind. Der Biss von einer oder zwei dieser Spinnen ist noch recht harmlos, aber wenn es sich hoch summiert, haben wir ein nicht unwesentlich großes Problem.“

Mulder sah Samuel fragend an. „Was könnten wir schon groß tun?“

„Ja, wie sollen wir uns verteidigen?“, wollte nun auch Willmore wissen, der sich die ganze Zeit über nicht zu Wort gemeldet hatte. Und auch Susannes Blicke hafteten fragend an Samuel.

Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was wir tun sollen. Wir dürfen diese Tiere keinesfalls ausrotten.“ Er hielt einen Moment inne, bevor er nachdenklich fortfuhr: „Was ich aber auf jeden Fall tun kann und auch tun werde, ist ein Serum gegen das Neurotoxin zu entwickeln. Dann könnten wir uns eventuell gegen die Bisse immunisieren und uns gegen die Theraphosa verteidigen.“

„Wirkt das auch hundertprozentig?“, hakte Willmore nach. Ihm und auch Mulder war diese Sache nicht ganz geheuer.

„Es ist die einzige Idee, die ich momentan habe...“, gab Samuel Stirn runzelnd zu und vermied es absichtlich Willmores Frage zu beantworten. Was er aber auf jeden Fall tun wollte, war eine ausführliche Verhaltensstudie an diesen Exemplaren durchzuführen. Schließlich musste es einen plausiblen Grund dafür geben, dass diese Spinnen nicht mit mehr ihren gewöhnlichen Nahrungsquellen auskamen. Mäuse, Vögel und andere Kleintierarten gab es hier in der Wüste wahrlich genug. Samuel wollte unbedingt herausfinden, was diese Tiere dazu antrieb. Er könnte berühmt werden, würde er eine aufschlussreiche Studie darüber veröffentlichen.

Er könnte als Entdecker einer praktisch neuen Spezies von Vogelspinnen in die Geschichte eingehen. Samuel warf einen Blick auf das Exemplar in seinem Buch, auf das Susanne gezeigt hatte. Seine Blicke hafteten mit einer ausgesprochen starken Faszination an diesem Bild, die wohl keiner seiner Freunde jemals verstehen oder nachvollziehen konnte. Diese Geschöpfe waren für ihn, jedes seiner Art, etwas ganz besonderes. Sie waren nicht wie andere Insekten. Sie waren nützlich und unglaublich schön. Jedes ihrer Netze ein Kunstwerk für sich. Sie waren vollkommene Wesen in seinen Augen.

Mulder hatte die geistige Abwesenheit von Samuel Amibi bemerkt und ließ ihn in seinen Gedanken. Er wandte sich Susanne zu. „Sie sollten sich ein bisschen ausruhen. – Ich werde Ihnen das Schlafzimmer zeigen. Meine Partnerin wird sicher nichts dagegen haben.“ Susanne versuchte krampfhaft zu lächeln, doch der Schock saß noch zu tief. Sie nickte einfach nur zaghaft und folgte Mulder, der sie hinauf zum Schlafzimmer führte.



„Scully, sind Sie hier drin?“, fragte Mulder, nachdem er an die Badezimmertür geklopft hatte, die direkt ans Schlafzimmer angrenzte.

„Ja“, kam die rasche Antwort, ehe sich die Tür öffnete und Scully herauskam. „Ich hab mich nur frisch gemacht.“ Hinter Mulder tauchte plötzlich ein fremdes Gesicht auf und Scully sah ihren Partner fragend an.

„Scully, das ist Susanne. Susanne, das ist meine Partnerin Agent Dana Scully.“

„Hallo?“, grüßte das Mädchen knapp und Scully nickte lediglich.

„Susanne kam vor einigen Minuten hier an, haben Sie das nicht mitgekriegt?“, wollte Mulder wissen. Es verwunderte ihn ein wenig, dass Scully nicht ebenfalls wie Willmore zu ihrer kleinen Unterhaltung hinzugekommen war.

„Ich hab geduscht und mich umgezogen“, erklärte Scully. „Was hab ich verpasst?“

In weniger als fünf Minuten fasste Mulder Susannes Geschichte zusammen und Scully hörte ihm aufmerksam zu. Ihr Blick glitt, während Mulder erzählte, immer wieder zu Susanne, der die Angst immer noch im Gesicht stand. Schließlich endete Mulder seine Erzählung.

„Und was haben Sie jetzt vor?“, fragte Scully nach, obwohl sie glaubte die Antwort auf die Frage bereits zu kennen.

„Wir gehen trotzdem zu der Höhle oder sollte ich sagen, jetzt erst recht?“ Er grinste voller Vorfreunde und Scully verstand wieder einmal nicht, warum Mulder immer so wild auf Abenteuer war. Konnte er denn nicht die Gefahr sehen, die von dieser Höhle auszugehen schien?

„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Mulder?“

„Wir müssen uns das ansehen, Scully. Es ist unser Job. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Amibi diesmal auch nichts aufhält und er mitkommen wird. Sie können ja hier bei Susanne bleiben und warten, bis wir zurückkommen.“

„Und was ist, wenn Sie nicht zurückkommen? Wenn Ihnen, Willmore und Amibi ebenfalls etwas zustößt? Ich bin nicht wild darauf Sie oder einen der anderen in ein paar Stunden zu obduzieren, Mulder“, sagte Scully mit deutlich schriller werdender Stimme. Sein Egoismus machte sie an manchen Tagen derart wütend, dass sie ihren Ärger nur schwer unterdrücken konnte. „Sie brauchen jede erdenkliche Unterstützung.“

„Heißt das etwa, Sie kommen mit?“ Mulder hob erstaunt die Brauen und blickte Scully mit unterdrücktem Lächeln an. Der Triumph stand ihm praktisch ins Gesicht geschrieben, was Scully nur noch mehr ärgerte.

„Ich hab dafür was gut“, erwiderte sie mit leicht zusammen gekniffenen Augen. An das Mädchen gewandt, meinte die Agentin: „Agent Willmore soll Sie nach Hause bringen, Susanne. Wir werden uns in der Zwischenzeit die Höhle etwas genauer ansehen.“

Susanne nickte Scully dankbar zu. Sie war froh nicht wieder zu der Höhle zurückgehen zu müssen.
Rezensionen