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Beyond the Truth

von XFilerN

Kapitel 2

~* 2 *~





Innenstadt von Seattle, am Samstagmorgen



Das Radio dröhnte in voller Lautstärke, als Dana Scully zusammen mit ihrer Tochter auf der Suche nach einem Parkplatz, durch die Stadt fuhr. Sie trommelte den Rhythmus der Instrumente auf dem Lenkrad nach, ihre Tochter und sie sangen zusammen mit Garth Brooks ‚Standin’ outside the Fire’.

Nach zehn Minuten hatten sie endlich eine Parklücke, am Straßenrand in der Nähe der Hudson Street gefunden. Dana stieg aus und löste den Sicherheitsgurt ihrer Tochter und hob sie aus dem Kindersitz. Sie gingen um den Wagen herum, zum Kofferraum und nahmen den Einkaufskorb heraus, indem das Buch lag.

„Gib mir deine Hand, wir müssen über die Straße.“

Kathy gehorchte und legte ihre kleine Kinderhand, in die ihrer Mutter und ließ sich vertrauensvoll von ihr über die stark befahrene Straße führen. Die Kleine musste etwas schneller laufen, da ihre Beine noch zu kurz waren, um mit ihrer Mutter Schritthalten zu können. Es sah aus, als würde sie rennen, als sie zur gegenüberliegenden Seite wechselten und sich zwischen den Autos hindurch schlängelten.

Dana sah sich um, und entdeckte schließlich das Geschäft, in dem Amber ‚Die Abenteuer des kleinen Bären Elroy’ erstanden hatte.

Den Lärm der Straße hinter sich lassend, betraten sie den Buchladen und gingen geradewegs auf die Kasse zu, an der ein junger Mann stand und einen Kunden bediente. Sie mussten einen Augenblick warten, doch auch dieser war für Kathy schon zu lange und sie ging zu einem Tisch, in der Mitte des Raumes hinüber, auf dem einige Kinderbücher ausgestellt lagen. Dana sah ihr hinterher, als sich ihr der Mann an der Kasse schließlich zuwandte.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Ja.“ Dana nahm das Buch und den Kassenzettel aus dem Korb und reichte sie dem jungen Mann. „Dieses Buch würde ich gerne umtauschen. Es sollte ein Geschenk sein, aber der Junge hat dieses Buch bereits“, erklärte sie, als David die Sachen entgegen nahm.

„Verstehe. Einen Augenblick bitte, ich muss meinen Kollegen fragen, ob wir das Buch zurücknehmen.“

Dana drehte sich entnervt zu ihrer Tochter um, die aufgeregt in einem der Bücher blätterte.

„Mach es nicht kaputt, Liebling.“

„Nein, Mommy, keine Angst“, lächelte die Kleine und schaute sich das Buch etwas vorsichtiger an.

Aus einem der hinteren Zimmer konnte Dana das Gespräch hören, dass der Verkäufer wohl mit seinem Boss führte. Für einen Augenblick hätte sie geschworen, die Stimme zu kennen, aber sie schüttelte nur den Kopf und verdrängte diesen Streich, den ihr Gehirn ihr offenbar spielte.

Sie beobachtete weiterhin wartend ihre Tochter und ignorierte die Stimmen, aus dem hinteren Zimmer.



„Sie möchten dieses Buch zurückgeben?“, fragte John und trat an den Ladentisch.

Dana erstarrte augenblicklich. Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Das Herz schlug wild hämmernd gegen ihre Brust, als sie sich, den Atem anhaltend zu der Stimme umwandte, die sie angesprochen hatte. Sie sah in ihr vertraute braune Augen und konnte nicht glauben, wen sie sah. Allmählich löste sich auch der Kloß in ihrem Hals und sie musterte ihr Gegenüber kritisch.

Kein Zweifel, er war es. Sie begann nervös zu blinzeln und nickte schließlich. „Ich... ich würde es gerne gegen ein Anderes eintauschen.“ Nur mit Konzentration brachte sie diesen Satz über die Lippen und starrte ihn weiterhin an.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte John besorgt, doch Dana schüttelte den Kopf.

„Sie erkennen mich nicht, hab ich recht?“ Dana sah zu ihrer Tochter, die immer noch beschäftigt schien und dann wieder zu ihm - zu Mulder.

„Nein, tut mir leid. Sollte ich?“, fragte John höflich.

„Wie heißen Sie?“, fragte Dana dann und wartete gespannt auf seine Antwort.

„Mein Name ist John Donahou. Ich bin der Inhaber dieses Geschäfts“, stellte er sich vor und reichte Dana die Hand. Nur zögernd nahm sie an und ein Schauer überkam sie, als sie nach mehr als fünf Jahren, zum ersten Mal wieder von ihm berührt wurde. Tränen kamen empor, doch sie zwang sie zurück. Sie wollte sich keine Blöße geben und konzentrierte sich wieder.

Ihre Gedanken rasten. Dann riss sie sich zusammen. „Ist es möglich, das Buch umzutauschen?“

„Ja. Haben Sie sich denn schon eins ausgesucht, dass Sie stattdessen mitnehmen möchten?“ Wieder schüttelte Dana den Kopf. Sie kam nicht umhin, ihn permanent anzustarren. „Ich kann Ihnen ein paar sehr schöne Exemplare empfehlen, wenn Sie möchten.“ Sie nickte lediglich, und John fragte sich, was mit dieser Frau los war. Nicht zum ersten Mal gefiel er einer attraktiven Frau, aber noch keine hatte ihn so angesehen. Vielleicht war sie ja wirklich krank. „Sind Sie sicher, dass Sie okay sind?“

„Ja, jetzt mehr denn je. Hören Sie - es tut mir leid, dass ich Sie so anstarre. Ich bin mir dessen bewusst, aber ich kann nichts dagegen tun. Ich kenne Sie. Es ist schon eine Weile her, aber ich bin mir ganz sicher.“

Johns Neugier war geweckt. Wenn diese Frau tatsächlich sicher war ihn zu kennen, wie sollte er es bezweifeln. Es könnte eine Bekanntschaft, aus seiner Vergangenheit sein.

„Ich glaube Ihnen.“

„Wirklich?“

„Ja. Es ist eine lange Geschichte, aber ich kann Sie Ihnen jetzt nicht erzählen. Jetzt ist nicht der richtige Moment und schon gar nicht die richtige Zeit.“

Dana verstand und nickte. „Darf ich Sie zum Essen einladen?“

John lächelte und schüttelte den Kopf, „Ich lasse mir das Essen nicht von einer Frau bezahlen, dass ist Männersache.“

„Macho“, entkam es Dana, doch es war eigentlich als Gedanke geplant.

„Bitte?“

„Nichts - Ich würde kochen“, sagte sie schnell, um zurück zum Thema zu kommen. „Sagen wir um 20:00 Uhr heute Abend.“

John musterte die Frau vor sich eingehend, und hoffte dass seine Erinnerung, wie ein Blitz bei ihm einschlagen würde, doch nichts geschah. Dennoch wollte er herausfinden, woher sie ihn zu kennen schien und willigte schließlich ein. „Wohin soll ich kommen?“

Erleichterung machte sich in Dana breit und sie lächelte. Dann gab sie ihm ihre Adresse und ließ sich wahllos ein Buch geben, bevor sie ihre Einkäufe erledigen ging.





Am Nachmittag



Endlich wieder zu Hause angekommen, ließ Dana die Einkaufstaschen achtlos in der Küche stehen und eilte ins Wohnzimmer, wo sie sofort nach dem Telefon griff.

Kathy kam zu ihr und fragte: „Mommy, darf ich zu Brian gehen und ihm das Buch bringen?“

„Natürlich, Honey. Sag’ Brians Mom, dass du um 18:00 Uhr zum Essen kommen musst, okay.“

Kathy nickte, zog sich ihre Jacke an und verließ das Haus, noch während Dana die Vorwahl der hiesigen Hauptstadt wählte. Angespannt wartete sie, bis sich jemand meldete.

„FBI-Zentrale. Was kann ich für Sie tun?“ erklang eine freundliche Frauenstimme.

„Hier ist Dana Scully. Bitte, verbinden Sie mich mit Direktor Skinner. Es ist sehr wichtig“, erklärte sie und setzte sich auf die Couch.

„Sekunde, bitte“, antwortete die Frau in der Zentrale.

Nachdem sie sich einen Song in der Warteschleife angehört hatte, nahm jemand das Gespräch an und eine wohl vertraute Stimme drang an Danas Ohr.

„Skinner.“

„Sir, ich bin es. Dana Scully.“

„Dana, Sie haben ja lange nichts von sich hören lassen. Wie geht es Ihnen und Kathryn?“, fragte Skinner, erfreut ihre Stimme zu hören.

„Gut Sir“, gab sie plump zur Antwort. „Sir, ich habe ihn gefunden!“

„Was? Wo denn?“, wollte Skinner wissen und schien ebenso aufgeregt, wie Dana selbst es war. Skinner war auch gleich klar gewesen, wen sie mit ‚ihn’ gemeint hatte. Nach all den Jahren hatte er die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass jemals jemand wieder etwas von Mulder erfahren würde.

„Hier, in Seattle. Er nennt sich jetzt John Donahou und ist der Besitzer eines Buchladens. Er scheint sich an nichts erinnern zu können, Sir“, erklärte Dana schnell und spürte wie ihr Herz wieder zu rasen begann. Sie konnte es noch immer nicht glauben, dass sie ihn tatsächlich wieder gefunden hatte.

„Jede gute Nachricht, hat auch ihren schlechten Teil. Wie geht es ihm?“

„Ich denke gut, aber Näheres erfahre ich heute Abend. Ich habe ihn zum Essen eingeladen“, erwiderte Dana erfreut und sah schon jetzt nervös auf die Uhr. Nur noch drei Stunden, dann würde sie ihn wieder sehen.

„Was werden Sie ihm sagen?“

„Ich bin mir noch nicht sicher, Sir. Ich will nicht, dass alles auf ihn einstürzt. Er hat ein neues Leben, indem es uns nicht mehr gibt. Und er scheint glücklich zu sein.“

„Verstehe. Aber sagen müssen Sie es ihm. Er hat ein Recht darauf, zu wissen was war und wer er gewesen ist.“

„Das ist mir durchaus bewusst.“ Sie würden sich eine Menge zu erzählen haben. Dana wollte unbedingt erfahren, was mit ihm geschehen war und wo er sich aufgehalten hatte. Wann er zurückgekehrt war. Und...

„Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, Dana“, riss Skinner sie aus ihren Gedanken.

„Mache ich. Bis dann, Sir.“ Sie legte den Hörer zurück auf die Gabel und ging nach oben ins Badezimmer. Sie hatte noch eine Menge zutun, bevor Mulder – nein, John kommen würde.

Sie würde ihm viel zu erzählen haben und er ihr bestimmt noch mehr. Sie hatte so viele Fragen an ihn. Fragen, die sie sich die vergangen Jahre über immer wieder gestellt hatte. Aber was fragt man jemanden, der sich an nichts erinnert? Sie musste ihm und auch sich selbst Zeit lassen, dann würde sie am Ehesten eine Chance haben, ihn zurück zu bekommen.





Kurz vor 20:00 Uhr



Ihr Blick glitt über den gedeckten Tisch und dann zur Uhr, die im Esszimmer an der Wand hing. Die Zeit war so schnell verflogen, dass Dana Angst hatte, etwas in der Hektik vergessen zu haben. Soweit sie es jedoch beurteilen konnte, war alles perfekt. Der Tisch sah einladend aus, das Essen war auch beinahe fertig und sie hatte einen lieblichen Rotwein geöffnet, damit er atmen konnte. Kathy lag seit einer halben Stunde in ihrem Bett und Dana selbst hatte sich für dieses Treffen dezent zu Recht gemacht.

Sie hörte wie ein Auto in ihre Auffahrt fuhr und wie eine Tür zu schlug. Ihr Herz begann wieder einige Takte schneller gegen ihre Brust zu hämmern und dann klopfte er auch schon an. Dana atmete noch einmal tief durch, ging dann zur Tür und öffnete sie.

Unwillkürlich musste sie lächeln, „Schön, dass Sie gekommen sind. Bitte, kommen Sie rein“.

John sah sich ein wenig um, ließ sich dabei von Dana den Mantel abnehmen und meinte dann: „Sie haben ein schönes Haus, Miss...“ Er sah sie fragend an.

„Scully. Dana Scully“, half sie ihm wieder auf die Sprünge. Nicht nur, dass er ihre gemeinsame Vergangenheit vergessen hatte, so hatte er sich nicht einmal in der kurzen Zeit an ihren Namen erinnern können. Dana tat sich schwer damit, ihre Enttäuschung zu verbergen.

„Entschuldigen Sie, bitte. Ich habe ein schreckliches Namensgedächtnis. Dafür sind Zahlen meine Stärke“, versuchte John die Situation wieder zu normalisieren und es wirkte. Dana nickte verstehend und bat ihn ins Esszimmer, das gegenüber der Küche lag. John folgte ihr und sah sich dabei weiter in den Zimmern um, die er durchschritt.

„Wo ist Ihr Mann, wenn ich fragen darf?“ Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass eine Frau ihrer Klasse nicht verheiratet war. Noch dazu hatte sie eine Tochter, zumindest nahm er an, dass das kleine Mädchen, das er gesehen hatte, ihre Tochter war. Und dieses Kind würde ja wohl einen Vater haben. Einen Vater, der clever genug sein würde, eine Frau wie Dana Scully nicht allein zu lassen.

Als Dana sich zu ihm umwandte, sah sie ein wenig traurig aus, und er bereute seine Frage gleich wieder.

„Ich bin nicht verheiratet. Ich ziehe meine Tochter alleine groß. Na ja, nicht ganz allein. Ich habe eine nette Freundin, die mir bei der Erziehung und auch im Haushalt zur Hand geht und die mir auch moralisch immer eine Stütze war.“

, hallte es in Johns Kopf wieder. Sie war - sie hatte, eine Freundin. , rief die Stimme in ihm und er lächelte Dana etwas beschämt an, sie etwas derart persönliches gefragt zu haben.

„Ich wollte nicht unhöflich sein. Aber hat Ihre ‚Freundin’ nichts dagegen, wenn Sie sich mit jemandem aus der Vergangenheit treffen?“

Das war eindeutig Mulder. Er hatte sie ja gänzlich falsch verstanden, wie Dana schmunzelnd feststellte, als er ‚Freundin’ besonders betont hatte.

Sie grinste ihn an, „Sie ist mein Hausmädchen, eine gute Freundin und auch Kathys Kindermädchen. Ich habe keine Beziehung mit ihr, wie Sie es denken. Rein platonisch, verstehen Sie?“ erklärte sie John ruhig, der daraufhin rot anlief und sich auf einen der Stühle sinken ließ.

„Es tut mir leid. Ich - das ist mir unendlich peinlich, Miss Scully.“

„Schon okay, ich hab mich auch etwas umständlich ausgedrückt. Aber bitte nenne Sie mich doch Dana, ja?“ bat sie ihn und sah ihm hoffnungsvoll in die Augen.

„Nur, wenn Sie mich dann John nennen.“ Dana nickte und beide lächelten sich an. Plötzlich fiel ihr das Essen wieder ein und Dana verschwand in der Küche.

„Kann ich Ihnen nicht helfen?“

„Gerne. Sie könnten schon mal den Wein einschenken, der auf dem Tisch steht“, kam ihre Antwort aus dem Nebenzimmer und John nahm die Flasche.



Nach dem Essen saßen sie noch immer am Tisch und lernten sich allmählich kennen. Beide hatten bisher das wichtigste Thema gemieden, um das es eigentlich bei dem Einladung gehen sollte, ihre gemeinsame Vergangenheit. Keiner von ihnen schien den passenden Anfang zu finden und so konzentrieren sie sich auf die letzten fünf getrennten Jahre. Dana war sichtlich erstaunt darüber, was Mulder mit seinem neuen Leben angefangen hatte. Er war rein äußerlich noch der alte Mulder, aber in seinem Innern war er John Donahou.

„Haben Sie niemals versucht, wieder jemanden aus Ihrer Vergangenheit zu finden?“, fragte Dana nach seiner Erzählung.

„Doch, aber vergeblich. Ich wusste nicht, wo ich hätte anfangen sollen. Ich habe ja keinerlei Erinnerung.“

„Es ist beinahe so, als hätte jemand Ihre Gedächtnisendgramme gelöscht.“

„Ich fürchte ich verstehe nicht“, gab John zu und sah Dana fragend an.

„Eine Art Gehirnwäsche vielleicht...“ spekulierte sie weiter und zog dabei ihre Augenbrauen zusammen.

John sah sie skeptisch an. Es war als könne er sehen, wie ihr Gehirn arbeitete, doch ihm waren diese Theorien deutlich zu weit hergeholt.

„Dana, ich habe mein Gedächtnis aufgrund meines Komas verloren. Sie, als Ärztin sollten doch wissen, dass es nicht selten ist, dass man seine Erinnerungen verliert, wenn man lange ohne jegliches Bewusstsein ist. Ich hatte noch Glück. Ich hätte auch nie wieder aufwachen können.“

„Das ist mir durchaus bewusst. Aber haben Sie sich nie gefragt, ob es nicht jemanden gab, dem Sie fehlen könnten. Jemanden der nicht...“ Dana unterbrach sich selbst. Sie durfte nicht nur an sich denken. Ja, er hatte ihr gefehlt, mehr als sie es je zugegeben hätte, aber nun hatte er sein eigenes Leben. Und solange er nicht wissen wollte, wer sie war, welchen Teil seiner Vergangenheit ihnen gehörte, solange durfte sie ihn nicht drängen.

Plötzlich stand Kathryn im Zimmer. Sie lehnte am Türrahmen und hielt ihre Puppe im Arm. Dana sah sie an und erkannte, dass sie geweint hatte.

„Honey“, sie ging zu ihr hinüber und nahm ihre Tochter auf den Arm. „hast du schlecht geträumt?“

„Da ist ein Monster in meinem Schrank. Es hat mich mit seinen großen, roten Augen angeschaut. Es ist böse, Mommy. Es will mich fressen...“ erklärte die Kleine, mit zitternder Stimme.

John sah das Mädchen an, streichelte ihr sanft über ihr Haar und meinte dann: „Hey, ich bin doch groß und stark.“ Kathy nickte schüchtern, als sie sich zu ihm umdrehte. „Ich werde es aus deinem Zimmer vertreiben, okay.“

„Ja“, sie lächelte den Fremden an, der so lieb war, sie zu beschützen.

„Willst du mir helfen?“ Wieder nickte das Mädchen und kletterte vom Schoß ihrer Mutter, die schweigsam zugehört hatte.

Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie beobachtete wie Kathy und John zusammen in ihr Kinderzimmer hochgingen - Hand in Hand, Vater und Tochter - und keiner wusste, wer der andere tatsächlich war. Sie wischte sich verstohlen die Tränen fort und folgte den Beiden in den ersten Stock.



Kathy führte John an der Hand zu ihrem Zimmer, dessen Tür angelehnt war. Er lugte ins Dunkel und stieß dann die Tür mit dem Fuß ein Stückchen weiter auf. Dann wandte er sich Kathy zu, die sich hinter ihm versteckt hatte und seine Hand nicht loslassen wollte.

„Ich gehe jetzt mal da rein“, erklärte John und ballte seine freie Hand zu einer Faust. „Und wenn da jemand drin ist, werde ich ihn vertreiben.“

Dana betrachtete die Szene aus geringer Entfernung und sah wie ihre Tochter vorsichtig nickte. Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie John dabei beobachtete, wie er seinen Brustkorb aufblies und scheinbar todesmutig in das dunkle Kinderzimmer eintrat.

Kathy eilte, noch immer verängstigt, zu ihrer Mutter und umschloss ihr rechtes Bein mit beiden Armen.

Plötzlich erklang ein Schrei aus dem Zimmer. Dana erkannte, dass der Schrei nicht echt war, aber Kathy zuckte dabei zusammen und umklammerte das Bein ihrer Mutter noch stärker.

John rüttelte an dem Regal, das hinter der Tür verborgen stand, klatschte einige Male in die Hände und rief dann: „Wehe du wagst es noch einmal, dieses Mädchen zu erschrecken, dann komme ich wieder.“

Um dem Schauspiel noch eins drauf zu setzen, verstellte John schließlich seine Stimme und winselte, „Tu’ mir nicht mehr weh ... ich gehe ja und komme nie wieder zurück. Tu’ mir nichts, bitte.“

Dann kam er siegesgewiss wieder aus dem dunklen Zimmer heraus und blieb vor Dana und ihrer Tochter stehen. In die Knie sinkend, wandte er sich wieder an das kleine Mädchen und lächelte, „Ich habe das Monster verprügelt und nun kommt es nie wieder, versprochen.“

„Danke“, hauchte die Kleine freudig und fiel John um den Hals.

„Okay, Honey. Das Monster ist jetzt weg und du musst wieder in dein Bett. Es ist schon sehr spät“, richtete Dana sich ebenfalls an Kathy.



„Sie haben eine süße Tochter“, sagte John, als Dana und er die Treppen wieder nach unten gingen. Sie blieb stehen und musterte ihn einen Moment lang. „Habe ich etwas falsches gesagt, Dana?“ fragte John, der ihren Blick nicht deuten konnte.

„Nein. Sie mögen Kinder?“

„Aber ja, sie sind unglaublich. So voller Lebenskraft, so unschuldig. Kinder sind wundervoll. Sie sehen die Welt noch mit anderen Augen. Und um diese Gabe beneide ich jedes Kind. Sie wissen noch nichts von tödlichen Krankheiten, kennen keine Kriege. Wären wir alle wie Kinder, dann wäre unsere Welt wesentlich friedlicher. Neid und Hass, wie wir ihn kennen, würden nicht mehr existieren.“

„Kinder können aber auch grausam zueinander sein, John. Sie wissen ja nicht, was Kathy im Kindergarten mitmachen muss, nur weil sie keinen Vater hat.“

„Sie sagen, was sie denken. Was ist daran so verkehrt?“ entgegnete John und Dana dachte einen Augenblick nach.

„Ehrlich gesagt, John, ist es mir für Philosophie schon etwas zu spät, aber wir können dieses Gespräch gerne ein anderes Mal fortsetzen“, erklärte Dana und ging weiter die Treppen hinunter und er folgte ihr wieder.

„Sie können mir nicht mehr widersprechen und das scheint Sie zu stören. Es ist feige einem Gespräch aus dem Weg zu gehen.“

„Ich gehe dem Gespräch nicht aus dem Weg, John. Ich mag Herausforderungen, aber Sie sind nicht hier, um mit mir über Kinder zu reden. Ich weiß, was Kinder können und wie sie die Welt sehen. Ich habe schließlich eine Tochter.“

„Sie haben Recht. Ich habe keine eigenen Kinder und habe daher nicht das Recht von etwas zu sprechen, dass ich nur in der Theorie kenne.“

Dana zog die Stirn in Falten, „So nachgiebig waren Sie früher nicht“.



John und sie setzten sich schließlich im Wohnzimmer auf die Couch. Jetzt hatte er endlich die Chance, auf die er so viele Jahre gehofft hatte. Er würde jetzt vielleicht etwas davon erfahren, wer er gewesen war, was seine Ziele waren, was er getan hatte. Johns Neugier wuchs stetig, und vor allem wollte er wissen, woher ihn Dana Scully kannte.

„Gut, vielleicht ist es an der Zeit, dass Sie mir erzählen, was Sie über den Mann wissen, der ich einmal war“, begann John dann und sah fragend zu Dana hinüber.

Sie überlegte eine ganze Weile, wie sie anfangen sollte. Sie wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen, denn schließlich war er inzwischen ein ganz anderer Mensch geworden und sein altes Leben könnte ihn erschrecken. Er schien in vielerlei Hinsicht so viel anders, als früher. Dann entschloss Dana sich ganz am Anfang zu beginnen, in seiner Kindheit. Sie erzählte ihm von seiner Schwester, von dem was sie über die damaligen Familienumstände wusste und wie er schließlich zum FBI gelangt war, wo sie sich dann kennen gelernt hatten. Sie erzählte ihm auch von den Männern, die nach Mulders Ansicht hinter Samanthas Verschwinden gesteckt hatten und von der Verschwörung. Einfach alles was in den sieben Jahren ihrer Partnerschaft vorgefallen war. John lachte sie aus, als sie ihm von dem Fund in Afrika berichtete und auch als sie ihm erzählte, dass sie gelernt hatte zu glauben. John konnte ohnehin nicht einmal so recht daran festhalten, dass er einmal ein FBI Agent gewesen sein sollte. Es klang für ihn nach einem vollkommen aus der Luft gegriffenen Film. Eine dieser Hollywood Produktionen, die zu Kinoerfolgen führen und Millionen einnehmen. Es klang in seinen Ohren alles andere als plausibel. Andererseits schien ihm Dana Scully sehr intelligent zu sein, was deutlich für ihre Geschichte sprach. Sie kam ihm nicht so vor, als würde sie einfach eine verrückte Story erfinden, um ihn in ihr Haus zu locken, damit sie sich kennen lernen konnten.

„Haben Sie denn Beweise für das, was Sie mir erzählt haben?“, wollte John schließlich wissen. Er brauchte Beweise - etwas dass ihm mit Sicherheit an die Geschichte dieser Frau glauben lassen würde.

Dana schüttelte belustigt den Kopf. Wie gut kannte sie dieses Szenario noch aus der Vergangenheit. Nur hatte das Schicksal diesmal ihre Rollen vertauscht und er war der Skeptiker.

„Ich kann es Ihnen beweisen, Mulder.“ Schlagartig wurde ihr bewusst, wie sie John eben genannt hatte, als er sie überrascht ansah. „Es tut mir leid - es war keine Absicht.“ Er nickte verstehend und musterte Dana. Sie wirkte mit einem Mal, als wäre sie nicht mehr hier in ihrem Wohnzimmer, sondern als würde sie weit weg sein - zumindest in ihren Gedanken.

Dann sprach sie leise weiter, „Es kommt mir wie ein Traum vor, John. So viele Jahre lang waren wir Partner, dann habe ich Sie verloren. Viele Monate habe ich mich einzig und allein auf die Suche nach Ihnen konzentriert, nur um jetzt nach all den Jahren wieder auf Sie zu treffen. Aber Sie sind nicht mehr der Mann, den ich einst kannte. Sie sind es äußerlich, aber sonst erinnert mich nichts mehr an...“ Dana musste den Blick von John abwenden. Sie wollte nicht, dass er sah, was in ihr vorging oder wie sehr ihr dieses Treffen zu schaffen machte.

„Wie wollen Sie es mir beweisen, Dana?“ fragte John vorsichtig und legte behutsam seine rechte Hand auf ihre.

Ein Schauer durchlief jede Faser ihrer Haut. Dann raffte sie sich wieder auf und schaute ihm erneut in die Augen. In diesem kurzen Augenblick fühlte sie sich, nach mehr als fünf Jahren, zum ersten Mal wieder geborgen. Sie fühlte seine warme Haut und blickte in seine vertrauten Augen und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass alles wieder werden würde, wie es einmal war.

„Ich kann mir für Montag frei nehmen, wenn Sie es auch können. Dann vereinbare ich ein Treffen mit Direktor Skinner - unserem ehemaligen Vorgesetzten. Gemeinsam können wir Ihnen dann Aufschluss über Ihre Vergangenheit geben“, antwortete Dana schließlich, blieb aber nachdenklich.

„Ich werde sehen, was sich machen lässt. David wirkt manchmal noch etwas unbeholfen und ich bin mir nicht ganz sicher, ob es gut ist, wenn ich ihm meinen Laden anvertraue.“

„Es ist Ihre Vergangenheit, John. Sie wollen Beweise. Die kann ich Ihnen aber hier nicht geben. Ihre Vergangenheit und alles was Sie erlebt haben und wer Sie waren - das alles ist in Washington zurückgeblieben. ...Außerdem bin ich mir sicher, dass auch Skinner Sie nur allzu gerne wieder sehen würde“, endete Dana dann und lächelte hoffnungsvoll.

„Na schön“, erwiderte John ihr Lächeln. „Ich werde Sie am Montag nach Washington begleiten, Dana.“
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