World of X

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Beyond the Truth

von XFilerN

Kapitel 1

~* 1 *~



Irgendwo in Seattle, 06.11.2006



Sie eilte in die Küche, wo ihre Tochter und das Hausmädchen am Tresen standen und sich unterhielten. Wieder, schon zum zweiten Mal in dieser Woche, hatte sie verschlafen und war zu spät dran. Gut, die Toten würden ihr nicht weglaufen, aber ihrem Chef würde diese Ausrede nicht gefallen. Sie ging hinüber zur Kaffeemaschine und goss sich eine Tasse ein, dann wandte sie sich dem Hausmädchen zu: „Amber, bitte vergiss nicht, dass du Kathy um 15:00 Uhr zu Brians Geburtstagsparty fahren musst. Das Geschenk liegt im Wohnzimmerschrank, auf der rechten Ablage. Und zieh sie warm an, es soll heute wieder schneien“. Sie überlegte einen Augenblick, ob sie auch nichts vergessen hatte und nahm einen Schluck aus der Tasse.

„Ich vergesse die Party schon nicht. Schließlich redet Kathy seit einer Woche von nichts anderem mehr.“

Amber beugte sich über den Tresen zu dem kleinen Mädchen, „Stimmt es, meine Süße?“

„Stimmt“, erwiderte das fünf Jahre alte Kind und lächelte, voller Vorfreude.

„Okay, dann muss ich mal wieder. Ich wünsche euch beiden einen schönen Tag. Bye, Honey“, verabschiedete sie sich, mit einem flüchtigen Kuss auf die Stirn, von ihrer Tochter und stellte die Tasse ab.

„Wir sehen uns dann heute Abend wieder.“

„Ja, Dana. Nun mach schon, du bist eh schon zu spät dran. Und mach dir keine Sorgen, wir bekommen das schon hin“, lächelte Amber und Dana Scully machte sich auf den Weg.



Einige Monate nachdem Dana von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, war sie nach Seattle umgezogen. Das Bureau hatte ihr nichts mehr bedeutet, seitdem ihr Partner, der Vater ihrer Tochter, verschwunden und nicht wieder aufgetaucht war. Ein halbes Jahr hatte das FBI nach ihm gesucht, und stellte letztendlich die Suche aufgrund fehlender Spuren ein.

Im darauf folgenden Jahr wurde dann ihre kleine Tochter geboren und sie suchte sich einen Job in ihrem ehemaligen Beruf, den sie zwar gelernt, aber nie hauptberuflich ausgeübt hatte.

Die gerichtsmedizinische Klinik in Seattle hatte ihr damals einen neuen Anfang ermöglicht und sie hatte die Gelegenheit nicht an sich vorbeiziehen lassen. Seitdem arbeitete sie dort als Pathologin und führte ein neues Leben. Die Risiken weiterhin als Agentin für das Land zu arbeiten, und dabei täglich in Lebensgefahr zu sein, konnte und wollte sie nicht weiter eingehen. Nicht wenn das Wohl der Kleinen dabei auf dem Spiel stand. Es gab nichts, das Dana nicht für ihre Tochter bereit war zu tun. Kathryn war das einzige, was ihr noch von Fox Mulder geblieben war. Sie war alles, was sie noch hatte, denn zwei Jahre nach Kathys Geburt erlag Danas Mom einem Schlaganfall, von dem sie sich nie wieder erholt hatte und schließlich nach einem Jahr in der Pflegestation in Washington verstorben war. Und ihre Brüder waren mehr auf See, als zu Hause, sodass der Kontakt nicht annähernd groß genug war.

Aber zum Glück bekam Dana ein sehr gutes Gehalt, von dem sie sich ein kleines Haus und ein Hausmädchen leisten konnte. Amber war sogar mehr als nur eine einfache Angestellte. Sie war in den vergangen drei Jahren zu Danas Freundin und Kathys Kindermädchen geworden und kümmerte sich um alles, während Dana ihrem Beruf nachging.



Das Eis auf der Windschutzscheibe ließ sich nur mit viel Krafteinsatz und einer Engelsgeduld, von der Scheibe kratzen, doch schließlich war sie frei und Dana setzte sich hinters Steuer. Bei diesem Wetter konnte die Fahrt zur Klinik gute 30 Minuten dauern. Die Hauptstraße war zu dieser Uhrzeit immer überfüllt und ein Stau ließ sich nicht vermeiden.

Gelassen schnallte sie sich an, stellte ihren Lieblingsradiosender ein und startete ihren kleinen Golf. Nachdem sie sich in den Verkehr eingefädelt hatte, drehte sie das Radio lauter und sang mit. Sie mochte die Songs, die vom Sender gespielt wurden und einmal hatte Amber sogar bei der Radiostation angerufen und sich zu Danas Geburtstag ihr Lieblingslied gewünscht. Diese Erinnerung kam in ihr hervor, als wieder derselbe Song von Jewel gespielt wurde und Dana erneut lächeln musste. Amber war wirklich ihre beste Freundin geworden, auch wenn sie ihr nie von der Vergangenheit in DC erzählt und Amber sie nie danach gefragt hatte, weil sie vermutete, dass Dana schmerzliche Erinnerungen im Bezug auf Kathys Vater zurückgelassen hatte.





Innenstadt / 7:29 Uhr



John Donahou schloss seinen kleinen Buchladen auf, als gerade einer seiner Angestellten um die Ecke, der Hudson Street bog und auf ihn zukam.

„Morgen John“, begrüßte er seinen Chef und gähnte dabei herzhaft.

„Du solltest nicht immer bis spät in die Nacht unterwegs sein, dann würdest du morgens auch nicht immer aussehen wie... - na ja, so wie du eben jeden Morgen hier ankommst.“

„Ich war nicht unterwegs, aber Lynn war heute über Nacht bei mir und...“

„So genau wollte ich es nicht wissen“, unterbrach John ihn und schmunzelte. Er konnte sich zwar nicht mehr erinnern, wie das damals bei ihm gewesen war, aber er verstand David. Könnte er die Zeit noch einmal zurückdrehen und neu anfangen, dann würde er es tun. Im Grunde wurde John vor wenigen Jahren neu geboren. So kam es ihm immer vor, seit er in der Klinik erwacht war und feststellen musste, dass er sich an nichts mehr erinnerte. John hatte seitdem weder Familie, noch sehr enge Freunde. Er war ein Einzelgänger und konzentrierte sich auf seinen Buchladen und seine Schreiberei. Vor einem Jahr hatte er ein Buch herausgebracht, welches ihm in Fachkreisen einen Achtungserfolg eingebracht hatte. Eine Biographie von sich selbst, in der er den Lesern vermitteln wollte, was sich in seinem Kopf abgespielt hatte, nachdem seine Vergangenheit nicht mehr existent gewesen war. Seine Vergangenheit beschränkte sich auf die vergangenen vier Jahre.

Den Namen Donahou hatte er sich ausgedacht, da er nicht als ein John Doe weiterleben wollte. Davon gab es seiner Ansicht nach, mehr als genug.

„So, dann lass uns gleich mal an die Arbeit gehen. Das macht wieder munter und wir haben ohnehin mehr als genug zu tun.“ John betrat den kleinen Laden und schaltete das Licht ein. Um diese Jahreszeit musste er sich immer für Weihnachten rüsten. Und schon ganz früh am Morgen waren einige Paletten Bücher bei ihm in den Hof gestellt worden, die darauf warteten in den Regalen verstaut zu werden. Besonders Kinderbücher waren kurz vor Weihnachten immer sehr gefragt und so hatte er die neuesten Abenteuer, "Gute Nacht"-Geschichten und Bilderbücher bestellt.

David gähnte erneut, „Dann mal los, bevor ich hier noch einschlafe“. John musterte ihn skeptisch. Er wusste, dass David lieber zu Hause in seinem Bett wäre, anstatt ihm hier zu helfen.

John ging in den hinteren Teil des Ladens und David folgte ihm schlurfend. Er war einfach noch zu müde, um seine Beine anzuheben und fing sich einen mahnenden Blick von seinem Chef dafür ein. Sie gingen in den Hof hinaus, wo drei Paletten mit Kartons standen. John griff sich den ersten und brachte ihn in den Laden und David tat es ihm gleich, solange bis sie alle im hinteren Teil des Ladens verstaut hatten, wo sie vor den Kunden verborgen blieben.

Nach und nach füllte sich das Geschäft mit potentiellen Käufern.





Am Abend



Müde streifte sie sich die Schuhe von ihren schmerzenden Füßen, ließ die Tasche neben das Sofa fallen und sank erschöpft in den Sessel hinter sich. Den ganzen Tag war sie auf Trab gehalten worden. Anders als anfangs vermutet, war in Seattle ebenso viel zu tun, wie in anderen Städten des Landes. Dana atmete tief ein und genoss die Stille, solange sie noch anhielt, denn bald schon würde Kathy von der Geburtstagsfeier zurück sein und ihr davon erzählen. Froh darüber, dass sie ab heute Wochenende hatte, überlegte sie sich, was sie die nächsten beiden Tage mit ihrer Tochter unternehmen könnte. Sie hatten das Wochenende ganz für sich allein, da Amber ihre Familie besuchen wollte und erst am Sonntagabend zurück sein würde.

Gerade als Dana aufstand, um sich in der Küche einen Tee zu kochen, kamen Amber und Kathy nach Hause.

„Mommy!“, rief die Kleine und rannte Dana entgegen, die sie liebevoll in die Arme schloss.

„Na Honey, wie war die Party?“

„Super! Schau mal, ich hab Süßigkeiten und Luftballons mitbekommen“, strahlte das Kind und Dana und Amber lächelten.

„Haben Brian die Geschenke gefallen?“

„Das Buch, das Amber gekauft hat, hatte er schon, aber über die Baseballmütze hat er sich gefreut.“

Dana ließ ihre Schultern fallen und sah zu Amber, „Hast du das Buch wieder mitgebracht?“

„Ja. Ich kann es ja am Monatag umtauschen“, antwortete sie ihr.

„Nicht nötig, Amber. Wo hast du es denn gekauft? Ich habe morgen noch was in der Stadt zu erledigen und einkaufen muss ich auch noch, da kann ich das Buch auch gleich umtauschen.“

Amber holte das Kinderbuch aus ihrem Rucksack und gab es Dana, zusammen mit dem Kassenzettel. „Ich habe es in einem kleinen Geschäft in der Innenstadt gekauft. Die Adresse steht auf der Rechnung.“

Nickend nahm Dana das Buch entgegen, und wandte sich dann wieder an ihre Tochter. „Was hältst du davon, wenn ich uns eine heiße Schokolade, mit Marshmallow’s mache?“

„Au ja!“, klatschte Kathy voller Freude in die Hände und flitzte in die Küche.

„Willst du auch?“, fragte sie Amber, doch diese verneinte.

„Danke, aber ich muss noch meine Sachen packen und dann gehe ich baden, damit ich morgen um 6:00 Uhr auch aufwache, wenn der Wecker klingelt“, grinste sie und ging die Treppen nach oben, in den ersten Stock, wo ihr Schlafzimmer lag.

Unterdessen folgte Dana ihrer Tochter in die Küche, wo sie schon eifrig dabei war die Milch, den Kakao und die Marshmallow’s auf die Anrichte zu stellen. Dana beobachtete sie dabei, mit einem Lächeln. Kathryn war ihr Sonnenschein und sie liebte es, ihre Tochter glücklich zu sehen, wie in diesem Augenblick. Sie hatte das dunkle Haar und die braunen Augen von ihrem Vater. Eigenschaften, die Dana Tag für Tag an ihn und das was sie verloren hatte erinnerte. Sie vermisste ihn so sehr. Anfangs hatte Dana gehofft, dass der Schmerz eines Tages nachlassen würde, aber das Gegenteil war der Fall.

Sie ging hinüber zu Kathy und half ihr dabei, die heiße Schokolade zu zubereiten, die sie anschließend im Wohnzimmer, vor dem Fernseher tranken.





Zur selben Zeit



John saß vor seinem Computer, in seinem kleinen Apartment und machte die Buchhaltung und die Steuererklärung, die er wieder einmal zu lange vor sich her geschoben hatte. Leise Musik drang aus dem Radio im Wohnzimmer zu ihm und er summte die Melodie mit, während er die Tastatur malträtierte.



Kurz nach zehn Uhr schaltete er den Rechner aus, machte sich ein Sandwich und legte sich auf die Couch. Im Fernsehen gab es jeden Abend, um diese Zeit die alten Star Trek Folgen als Wiederholung, die er sich regelmäßig ansah und anschließend einschlief.

Doch an diesem Abend konnte er nicht, wie gewöhnlich, vorm Fernseher einschlafen und zappte wahllos durch die Kanäle. Letztendlich entschied er sich für eine Sendung, die von Jonathan Frakes moderiert und X-Faktor genannt wurde. Im Grunde war es eine anspruchsvolle und interessante Serie, wenn er nicht schon alle Episoden auswendig kennen würde.

Seine Gedanken schweiften ab, als die Werbung eingeblendet wurde. Und wieder einmal stellte er sich die Frage: ‚Wer bin ich?’ Er hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt, der ihm seine Frage beantworten konnte, die ihn seit Jahren verfolgte.

Die Ärzte und Schwestern hatten ihm damals gesagt, dass sie ihn in einem abgelegenen Waldstück gefunden hatten, nachdem ein Anruf bei der Zentrale eingegangen war. Er war vollkommen nackt gewesen, hielt lediglich eine Kette in der Hand, die er nur zum Duschen ablegte und sonst unter seiner Kleidung verborgen hielt. Sie war das Einzige was ihm geblieben war, doch sie half ihm nicht, sich selbst zu finden.

Sechs Monate war er im Koma gelegen und das Krankenhauspersonal hatte schon die Hoffnung aufgegeben, doch dann war er erwacht. Er hatte sich umgesehen und nichts als weiße Wände und ein kleines Fenster entdeckt. Er hatte sich weiter in seinem Zimmer umgesehen, doch da war sonst niemand außer ihm. John erinnerte sich gut daran, wie verlassen er sich vorgekommen war, bis schließlich eine Schwester die Visite gemacht und in sein Zimmer gekommen war.

Der größte Schock, war für ihn gewesen, als die Schwester nach seinem Namen fragte und nach Angehörigen, die sie informieren wollte. Da war es ihm erst bewusst geworden, dass er sich an nichts erinnerte.

Auch die darauf folgenden Therapien konnten ihm sein Gedächtnis nicht wieder bringen.

Aus einem Gefühl heraus, hatte er alle seine Erfahrungen seit jenem Tag dokumentiert, dann eine Autobiographie geschrieben, welche nicht unbedeutend erfolgreich geworden war. Von dem Profit hatte er sich dann den Laden gekauft. Er liebte Bücher. In ihnen stand so viel Wahrheit und Wissen, Erinnerungen und Erfahrungen anderer Menschen oder einfach nur Fantasien. Eigenschaften, die er seinem Leben nicht unbedingt zuordnen konnte.

Sein Geschäft war zu seinem Leben geworden und die Bücher darin, zu seinen Freunden und Weggefährten. John war ein erfolgreicher, aber einsamer Autor geworden, der niemanden an sich heran ließ.
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