World of X

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Schwarze Seele

von Frédéric Weymann, Stephanie Tallen

Kapitel 3

Scully saß an Mulders Schreibtisch, den Laptop vor sich und schrieb gerade einige Nachrichten in mehreren Newsgroups und Mailing-Lists, die sie abonniert hatte. Sie war gerade dabei, eine beherzte Erwiderung auf die Behauptung zu schreiben, beim FBI gäbe es eine mysteriöse Abteilung P, die Menschen per Hypnose in Zielscheiben für gesuchte Massenmörder verwandelt, als Mulder das Büro betrat, angeregt in der neuesten Ausgabe einer Boulevardzeitung lesend.

"Scully, ich lese hier gerade einen Artikel, der Sie garantiert interessieren wird."

Überzeugt, daß die Nachricht von einer weiteren Elvis-Sichtung sie nicht besonders beeindrucken würde, blickte Scully nicht einmal auf. Sie erwiderte lediglich: "Dann lassen Sie mal hören, Mulder."

Mulder näherte sich Scully mit wenigen Schritten und zeigte ihr dann die Seite der Zeitung, die er gerade so gebannt gelesen hatte. Sein Finger ruhte dabei auf einem dort abgedruckten Bild. "Wissen Sie, was dieses Foto zeigt?"

Scully nahm ihre Lesebrille ab und betrachtete das Bild genauer. Es zeigte die Überreste eines zusammengestürzten Gebäudes. Die ganze Szenerie war voll mit Polizeiwagen, Absperrungen und Schaulustigen.

"Selbstverständlich weiß ich, was das Bild zeigt. Es zeigt die St. Angelo Church, direkt nachdem sie gestern völlig überraschend zusammengestürzt ist." Auf einmal wurde ihr bewußt, in was für einer Zeitung dieses Foto abgedruckt war und was für einen Schindluder diese mit solchen Schicksalen gewöhnlich trieb. "Mulder, Sie haben sich die Zeitung doch nicht etwa wegen diesem Reißer gekauft?"

"Eigentlich schon. Wieso sollte ich das nicht tun?"

"Weil diese Zeitungen das schreckliche Schicksal von Menschen rücksichtslos ausnutzen, nur um ihre Auflagen und damit ihren Gewinn in die Höhe zu treiben. Also, ich hätte von Ihnen nicht erwartet, daß sie so ein Treiben unterstützen."

Mulder zog die Zeitung zurück und überflog noch einmal rasch den Inhalt des Artikels. "Aber darum geht es doch überhaupt nicht, Scully. Kommt Ihnen dieser völlig unerwartete Einsturz der Kirche nicht auch seltsam vor? Hier, ich habe die entsprechende Stelle gefunden." Er zitierte: "St. Angelo war in keiner Weise einsturzgefährdet. Im Gegensatz zu einigen öffentlichen Gebäuden in diesem Land wurde sie nicht nur vom Putz zusammengehalten. Und das ein Erdbeben nur ein einziges Gebäude völlig zusammenstürzen läßt, ist doch mehr als unglaubwürdig. Eine Nachbarin erzählt: 'Ich war gerade dabei, ein Tablett mit bis zum Rande mit Limonade gefüllten Gläsern durch den Garten zu meinem Mann und meinen Kindern zu balancieren, als auf einmal lautes Orgelspiel aus der nahegelegenen Kirche zu uns dröhnte. Nein, von einem Beben haben wir nichts gespürt. Ansonsten hätte ich doch bestimmt etwas verschüttet. Natürlich habe ich es entsetzt fallengelassen, als dann auf einmal die Kirche zusammenstürzte. Eine schreckliche Tragödie...'"

"Danke Mulder, ich denke, es ist genug. Und ich kann gut auf so unglaublich seriöse und garantiert authentische Aussagen wie der von dieser angeblichen Nachbarin verzichten, die nur auf die Tränendrüse drücken sollen." Scully bedachte Mulder mit einem eindeutigen Blick der Mißbilligung.

"Ich weiß, daß Sie diese Art von Berichterstattung ablehnen, aber lassen Sie mich bitte ausreden. Sie müssen doch zugeben, daß die offizielle Erklärung der Ereignisse auch nicht viel glaubwürdiger ist. Ein Erdbeben, das eine baufällige Kirche zum Einsturz bringt, aber ansonsten kaum zu spüren ist. Besonders dann, wenn man in Betracht zieht, daß die Kirche bei weitem nicht so baufällig war, wie überall behauptet wird."

"Diese Version ist lediglich eine vorläufige. Die Ermittlungen laufen ja noch und es wird nicht ausgeschlossen, daß die Kirche einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Dafür spricht selbstverständlich auch das Orgelspiel, auch wenn die einfache Melodie, die gespielt wurde, auch durch herabfallende Steine verursacht hätte werden können."

"Dies ist natürlich möglich, aber diese Zeitung hat meiner Meinung nach eine wesentlich plausiblere Erklärung. Sie mag es ansonsten nicht so mit der Wahrheit nehmen, aber wie heißt es so schön: Die Wahrheit versteckt man am besten zwischen zwei Lügen." Scully schloß resignierend die Augen und seufzte leise. Mulder fuhr unterdessen unbeirrt fort: "Also, die Zeitung führt die Zerstörung auf die Einwirkung einer bösen Macht zurück. Sie hat danach zuerst die Hüter der heiligen Stätte, den Pastor, ermordet, wahrscheinlich indem sie ihn grausam zu Tode gefoltert hat und als die Kirche dann schutzlos war, wurde sie vom Bösen zum Einsturz gebracht. Das Orgelspiel ist dabei natürlich ein sehr guter Beleg. Daß herabfallende Steine eine Melodie spielen - und sei sie noch so einfach – ist einfach unwahrscheinlich. Es war eher als letzter Hohn gedacht."

Scully konnte nur noch den Kopf schütteln. Es dauerte einige Zeit, bis sie überhaupt in der Lage war, wieder zu sprechen. "Mulder, DAS soll realistischer und wahrscheinlicher sein als ein Erdbeben oder ein Anschlag? Da glaube ich ja noch eher, daß ein Fanatiker das Gebäude mit einer Spitzhacke zum Einsturz gebracht hat."

"Es ist vielleicht aus streng wissenschaftlicher Sicht nicht möglich, aber sie wissen doch inzwischen, daß es auch paranormale Kräfte in dieser Welt gibt. Und aus der Sicht von Mystikern ist dieser Ablauf der Geschehnisse durchaus möglich. Dazu kommt noch, daß einige Augenzeugen aus der Umgebung ein brennendes Kruzifix kurz vor dem Einsturz gesehen haben. Zu dieser Behauptung äußern sich die Ermittlungsbehörden aber im Moment noch nicht." Nach kurzer Pause fuhr er fort: "Aber das werden wir ja bald alles genauer betrachten können."

War Scully bis jetzt ruhig in ihrem Sessel sitzengeblieben, sprang sie nun abrupt auf. "Was meinen Sie damit, Mulder? Sie haben doch nicht etwa wieder hinter meinem Rücken...?!"

Mulder lächelte sie gespielt schuldbewußt an. "Ich wußte doch, daß Sie genau wie ich an diesem Fall interessiert sind. Deshalb habe ich Skinner überzeugt, daß der Fall offizielle FBI-Ermittlungen benötigt und habe auch schon den Flug gebucht. Wir fliegen in etwa drei Stunden. Sie packen am besten sofort. Ich hole noch ein paar Erkundigungen bei drei guten Bekannten ein." Damit verließ Mulder das Büro und ließ eine völlig verdutzte Scully zurück.

**********

In der Universität hielt Alec gerade einen Vortrag über kultische Gegenstände aus dem Mittelalter und deren Bedeutung in Ritualen ab. Er wußte so viel darüber und jetzt, da er frei war, konnte er die üblichen Lehrmeinungen richtigstellen. Gerade hatte er sich in eine Schwärmerei hineingesteigert, als ein Student ihn unterbrach: "Professor Jones?"

Ein Funkeln des Zorns, hervorgerufen durch eine solche respektlose Unterbrechung einer Persönlichkeit wie er es war, blitzte in seinen Augen. "Bitte?", fragte er dann.

"Entschuldigen Sie, Professor", begann der junge Mann, der in einer der mittleren Bankreihen saß, "sagten Sie nicht vorher immer, daß die satanischen Bräuche nur der Form halber abgehalten worden waren, um die Gläubigen in Schach zu halten, ansonsten jedoch keine ernsthafte Bedeutung hatten?"

Er blickte seinen Mentor fragend und zugleich entschuldigend an. Alec zog zornig die Stirn in Falten. "Das habe ich gesagt?!", rief er aufgebracht und offensichtlich etwas zu laut, denn seine zahlreichen Studenten zuckten erschrocken zurück, angesichts seines unüblichen Ausbruchs. Er räusperte sich. "Ich denke, da müssen Sie etwas mißverstanden haben", fuhr er in gedämpftem Tonfall fort. "Die Rituale waren der einzig wahre Beweggrund der Gläubigen an diesem Glauben festzuhalten. Nicht Gott wollten Sie dienen, sondern Satan. Er war ihr wahrer Herr und Meister und ist es auch heute noch..." Wieder geriet er ins Schwärmen. Seine Studenten blickten sich ratlos mit fragenden Gesichtern an und zuckten die Schultern. Was war nur seit gestern mit ihrem Professor los? Sie konnten es sich nicht erklären und warteten schweigend das Ende der Vorlesung ab.

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