World of X

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Schwarze Seele

von Frédéric Weymann, Stephanie Tallen

Kapitel 1

Gemächlich schlenderte Alec Jones über den kleinen Jahrmarkt, der gestern in San Telbat haltgemacht hatte. Hin und wieder riß er ein kleines Stück von seiner Zuckerwatte ab und ließ es langsam in seinem Mund zergehen. Sein Blick streifte über die vielen kleinen Stände auf der Suche nach etwas Interessantem. Plötzlich erweckte ein abseits gelegener Stand, dessen Besitzerin kultische Figuren und Statuen anbot, seine Aufmerksamkeit. Zielstrebig ging er auf ihn zu. Eines der angebotenen Stücke übte einen besonderen Reiz auf ihn aus: Eine fast lebensgroße Holzfigur, die ein Amulett um den Hals trug. Mit einem Finger strich er über das konturlose Gesicht und berührte die vor der Brust gekreuzten Arme.

"Wunderschön, nicht wahr?" Erschrocken wandte sich Alec um und blickte in das von der Zeit gezeichnete Gesicht der Verkäuferin.

"Da muß ich Ihnen recht geben. Sie ist wirklich ein Meisterwerk."

Mit seiner Hand fuhr er weiter an der Statue herab und nahm das Amulett in die Hand, um es von allen Seiten zu betrachten. "Woher stammt sie? Europa?"

"Sie kommt aus dem Schwarzwald. Dort wurde sie vor über fünfhundert Jahren von einem unbekannten Künstler angefertigt."

Völlig gebannt konnte Alec seinen Blick nicht von der Statue lösen. Ohne die Frau anzusehen, fragte er sie: "Das Design ist für die Region und Epoche ungewöhnlich. Sind Sie sich des Ursprungs wirklich sicher?"

Die Alte blickte ihn mit einem geheimnisvollen Blick tief in die Augen. "Aber natürlich bin ich mir sicher. Werfen Sie doch mal einen genaueren Blick auf das Amulett."

Sie strich sehnsüchtig über den Anhänger. Alec tat wie ihm geheißen. Das Amulett bestand aus einem dunklen Stein und war etwa handtellergroß. Seine Form war ein perfekter Kreis und im Zentrum, umrandet von filigranen Runen, war ein marinblauer Edelstein eingelaßen. Mißtrauisch sah er die Verkäuferin an. "Das Amulett ist der Statue lediglich umgehängt, selbst wenn es dort her stammt, woher sie sagten, beweist das noch nicht, daß auch die Statue diesen Ursprung hat. Aber sie gefällt mir so gut, daß ich sie trotzdem nehme. Wenn der Preis stimmt."

Nach kurzer Diskussion konnten sich beide einigen.

"Jetzt muß ich nur noch einen Weg finden, die Figur nach Hause zu transportieren."

"Kein Problem, die Statue ist aus reinem Balsaholz gefertigt. Man sieht es ihr vielleicht nicht an, aber sie ist unglaublich leicht." Nach einem kurzen Blick auf diese fügte sie hinzu: "Hängen Sie sich das Amulett lieber um, sonst verlieren Sie es noch..." Erwartungsvoll beobachtete Sie ihn. Den leicht verschlagenen Blick in ihren Augen bemerkte er nicht.

Behutsam nahm er das Amulett an sich und betrachtete es. Ungewöhnlich leicht lag es in seiner Hand, kaum spürbar, dennoch ging eine starke Präsenz von ihm aus. Er legte es sich um den Hals. Das Amulett blitzte kurz auf. Plötzlich versteifte sich Alec, sein Blick verlor jede Wärme und Gutmütigkeit, wurde kalt und hart. Er blickte um sich und an sich herab, als wäre er nach langer Abwesenheit wieder zu sich gekommen. Ein Blick auf den Boden ließ einen diabolischen Ausdruck über sein Gesicht huschen. Sein Schatten zeigte das Abbild einer behörnten, buckligen Kreatur. Ein kalter Windhauch umspielte kurz seinen Körper und verflüchtigte sich wieder. Er blickte auf zum Himmel.

Verzückt beobachtete die alte Verkäuferin, wie schwarze Wolken unvermittelt aufzogen, die Sonne verdunkelten und seinen Schatten verbargen. Vögel flogen kreischend davon und sie genoß den kurzen Hauch eines beißenden Schwefelgeruchs, der plötzlich in der Luft lag.

"Willkommen zurück", flüsterte sie in freudiger Verzückung und sah dabei Jones tief in die Augen, kaltes Feuer brannte in ihnen. Ein eisiges Lächeln umspielte seine Lippen.

"Es ist schön, wieder da zu sein."

**********

Mit eiligen Schritten eilte Mulder in das kleine Büro im Keller des FBI Hauptquartiers. "Scully, haben Sie gestern diesen Wahnsinnsfilm gesehen?"

Die Angesprochene, die seit langem einmal als erste ins Büro gekommen war, lächelte ihm erstaunt zu. "Aber natürlich habe ich ihn gesehen. So ein Fernsehereignis verpaßt man doch nicht. Welche Szene fanden Sie denn am besten?"

"Das ist doch wohl klar, Scully! Das beste am ganzen Film war natürlich die Stelle, an der die 80-jährige gerade im Beichtstuhl von ihren erdachten sündigen Gedanken erzählte und sich dann auf einmal die Pforten der Hölle unter ihr auftaten."

Völlig verstört antwortete Scully: "Wie bitte?"

"Na, 'Beichtstuhl der Verdammnis', der Film gestern!"

"Beichtstuhl der... WAS?!"

"...der Verdammnis, natürlich! Sie haben den Film gesehen und wissen nicht einmal, wie er hieß? Ich bin übrigens erstaunt, daß Sie sich als gläubige Christin SO einen Film überhaupt anschauen."

"Aber Mulder, ich habe DIESEN Film nicht gesehen!"

"Nicht? Wie schade. Welchen Film meinten Sie denn gerade?"

"Na, 'Frohlocket Ihr Christen' natürlich!"

Mulders Augen weiteten sich. "Das meinen Sie jetzt nicht ernst..." Sein Blick fiel auf das breite Grinsen von Scully.

"Jetzt wissen Sie einmal, wie ich mich jeden Tag mit Ihnen fühle."

**********

"Und damit ist meine Vorlesung für heute beendet. Bitte arbeiten Sie das heute besprochene Thema noch einmal zu Hause durch und holen sie weitere Informationen ein. Ansonsten noch viel Spaß heute." Mit einem Lächeln auf dem Gesicht packte Alec seine Unterlagen ein und eilte dann aus dem Vorlesungssaal. Seine Mission konnte beginnen.

Er winkte noch seiner Kollegin zu und stieg in seinen Wagen. Alec ließ den Motor an und fuhr los. Er kannte seinen Bestimmungsort und wußte genau, wohin er nun fahren mußte. Als er sein Ziel erreicht hatte, stellte er den Motor ab und verließ den Wagen. Kurz blickte er an der Fassade des alten Gemäuers empor. Die Kirche war schon alt, doch sie hatte noch immer nichts ihrer Anziehungskraft eingebüßt, die sie offensichtlich auf ihre Anhänger ausübte. Alec schüttelte den Kopf und betrat das Gotteshaus. Die anwesende Aura war stark und erregte leichte Übelkeit in ihm. Jeder Schritt, der ihn weiter ins Innere dieser Mauern führte, fiel ihm schwerer, doch er hatte eine Mission.

Auf dem Mittelgang begegnete ihm eine Schwester des hiesigen Ordens, der er mit aufgesetzter Freundlichkeit zulächelte. Sie erwiderte sein Lächeln. Zielstrebig ging er auf den Beichtstuhl zu und setzte sich in die kleine Kammer. Wenige Augenblicke später wurde das Sichtfenster beiseite geschoben; der Priester war nun da. Schnell verließ Jones seinen Teil des Beichtstuhls und betrat statt dessen den des Beichtvaters. Ehe dieser etwas unternehmen konnte, legte Jones ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm tief in die Augen. Der Priester versuchte vergeblich seinen Blick abzuwenden, doch die bodenlosen schwarzen Augen des Mannes über ihm hielten ihn in einem Bann, dem er sich nicht entziehen konnte. Jones' Blick wurde immer intensiver, er zitterte, seine Augen weiteten sich, die Nasenflügel bebten. Er blickte in das schreckensverzerrte Gesicht des Priesters, fühlte die Angst und das Entsetzen.

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