World of X

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Tshoqutoc

von Petra Weinberger

Kapitel 1

First Baird Station/Alaska

Ford Hilardy liebte seinen Beruf. Bereits seit fast 20 Jahren kam er regelmäßig im Frühjahr hierher, um das Leben der Glattwale zu studieren und erforschen. Hierher kamen die Wale jedes Jahr. Hier machten die Schulen Rast, bevor sie in den hohen Norden zogen, um sich im Sommer bei dem reichhaltigen Nahrungsangebot die benötigte Speckschicht für den Winter anzufressen.

Hier, in dieser Bucht paarten sie sich und brachten ihre Jungen zur Welt. Hier lehrten die Kühe ihren Kälbern das Schwimmen und den sozialen Umgang mit der Gruppe.

Ford Hilardy lehnte auf dem Felsen und ließ seinen Blick über die Bucht gleiten.

Das Blasen der Wale war weithin zu sehen.

Hilardy beugte sich nach vorne, um durch den Sucher der Kamera die Wale näher heranzuholen.

Fasziniert beobachtete er durch die Linse, wie die Giganten der Meere mit ihren Fluken auf das Wasser schlugen.

Hier und dort schob sich ein breiter Kopf aus dem Wasser, ganz sanft, um gleich darauf wieder im Blau der Tiefe zu verschwinden.

Hilardy zählte drei Jungtiere, die neben ihren Müttern deutlich zu erkennen waren.

In einer Tabelle machte er sich eifrig Notizen und suchte mit der Kamera immer wieder den Wasserspiegel ab. Sobald sich die Tiere an der Oberfläche ausruhten, konnte er sie anhand ihrer individuellen Musterung gut unterscheiden.

Es war eine Schule, die jedes Jahr hierher kam. Die Gruppe bestand aus 9 weiblichen, drei männlichen und drei Jungtieren. Das Jüngste davon war im Jahr zuvor in dieser Bucht zur Welt gekommen. Bei den anderen beiden handelte es sich um zweijährige, die sich immer öfter von ihrer Mutter entfernten und mit den anderen Walen spielten.

Hilardy sah auf und entdeckte eine weitere Gruppe, die eben in die Bucht kam.

Man begrüßte sich, indem man die 7 Meter breite Schwanzflosse ( die Fluke ) laut aufs Wasser schlug, oder mit den Flippern ( den Brustflossen ) winkte.

Ford Hilardy lächelte befriedigt. Er erkannte zwei trächtige Kühe, die in dieser Bucht kalben würden.

Wieder machte er sich entsprechende Notizen und warf abermals einen Blick durch den Sucher der Kamera. Ein kurzer Blick auf die Anzeige: er mußte bald das Akku wechseln. Dieses reichte wohl nur noch knapp 5 Minuten.

Während er mit einer Hand seinen Rucksack neben sich zog, drückte er das rechte Auge gegen das Gummi und spähte erfreut aufs Meer hinaus.

Zwei Wale begrüßten sich gerade. Mit ihren Flippern streichelten sie zärtlich über die Haut des anderen.

Schnell stellte Hilardy die Schärfe richtig ein. Dieses Schauspiel wollte er nicht verpassen.

Er war so gebannt davon, daß er alles andere um sich herum vergaß.

Plötzlich stutzte er.

Ein großer Schatten schob sich vor die Linse. 

Hilardy richtete sich auf, " he, was ... ."

Er kam nicht weiter. Todesangst ließ ihn entsetzt zurückweichen. Doch es war bereits zu spät. Panisch schrie er auf.

Sein Schrei verhallte in der unendlichen Weite.

***

Mulders Büro; 8:45 Uhr; 2. August

Leicht abgehetzt stürmte Scully in das Büro im Keller des FBI Headquarders.

" Morgen, Mulder," grüßte sie und stellte ihre Tasche neben dem Stuhl ab.

Mulder sah hinter einem Stoß Akten und Papiere auf dem Schreibtisch hervor und grinste, " Morgen, Scully. - Sie sind spät dran ? Unsere Arbeitszeit beginnt um 8 Uhr."

Scully ließ sich in dem Stuhl nieder und atmete erst einmal tief durch, " ich mußte noch bei Skinner vorbei. Er fragte mich übrigens nach dem Abschlußbericht unseres letzten Falls. Haben Sie ihn fertig ?"

Mulder sah auf und grinste flüchtig, " äh, ich dachte, da Sie ja auch den Bericht für die Kommission schreiben, daß Sie da auch gleich noch eine Kopie für Skinner machen könnten."

" Mulder, Sie sollten den Bericht schreiben. Sie waren diesmal dran damit," schimpfte sie und sah ihn leicht verärgert an.

" Ich kam noch nicht dazu," antwortete ihr Partner und betrachtete sich eine Reihe von Dias.

" Was treiben Sie da eigentlich ?" wollte Scully wissen.

Mulder grinste sie breit an und Scully sah sofort das Feuer, das in seinen Augen loderte. Sie wußte was das bedeutete.

" Das kam gestern Abend noch rein. Schauen Sie," begann er auch sofort und deutete auf den Fernseher.

Im Recorder darunter befand sich bereits ein Videotape.

Mulder schaltete die Geräte ein und sah gebannt auf den Bildschirm.

Verwundert zog Scully die Augenbrauen in die Höhe, als sie einer Gruppe Wale beim Spielen zusehen konnte, " äh, Mulder. Was genau kann ich da sehen ? Ich meine, worauf soll ich achten ?"

" Warten Sie, es kommt gleich," sein Enthusiasmus ging mit ihm durch.

Seufzend sah Scully weiterhin den Walen zu, " soll ich mir jetzt ansehen, wie sie sich paaren ?"

" Nein. Jetzt warten Sie doch einfach mal ab," beschwichtigte ihr Partner.

Während man weiter die Wale in einer Bucht sehen konnte, tauchte plötzlich ein Schatten auf. Man hörte eine erstaunte Stimme, dann einen markerschütternden Schrei.

Mulder hielt das Band an und sah gespannt zu Scully.

" Was genau geschah mit dem Hobbyfilmer ? Wurde er getötet ?" fragte sie auch schon.

Mulder hob ratlos die Schultern, " keine Ahnung. Er ist spurlos verschwunden. Es handelte sich bei ihm übrigens nicht um einen Hobbyfilmer sondern um einen Naturforscher der sich auf das Verhalten von Glattwalen spezialisiert hatte. Jedes Jahr im April, sobald der Schnee geschmolzen ist, traf er auf der First Baird Station ein und blieb dort bis Mitte August. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen. Dieses Videoband ist das letzte Lebenszeichen von ihm. Seine Kollegen machten sich Sorgen, als er abends nicht auf die Station zurück kehrte. Sie suchten ihn, fanden jedoch nur seine Aufzeichnungen, die Kamera und seinen Rucksack. Laut Videotape muß er am 13. Mai dieses Jahres um genau 12:37 Uhr von irgend etwas angegriffen und verschleppt worden sein. Aber von was, das ist bisher unbekannt."

Scully runzelte die Stirn, " wurden Spuren gefunden ? Blut, zerrissene Kleidung oder ähnliches ?"

Mulder schüttelte den Kopf, " nichts, außer diesem Tape. Der Schatten der darauf zu sehen ist, deutet auf ein großes Tier hin."

" Aha. Und was macht diesen Fall zu einer X-Akte ?"

Mulder grinste, " der Schatten und die fehlenden Spuren. Wäre der Mann von einem Eisbären angegriffen worden, dann hätte man Blut finden müssen. - Übrigens sind auch die beiden Kollegen von ihm verschwunden. Sie haben das Video an ihre Basisstation übermittelt und weiter nach ihrem Kollegen gesucht. Vor 3 Tagen erhielt man dann keine Meldung mehr von ihnen."

Scully überlegte, " wurden sie aus der Station verschleppt ?"

" Keine Ahnung, das sollen wir ja herausfinden. Flugtickets sind bereits reserviert. Heute Mittag um 2 Uhr starten wir."

" Oh, Mulder. Wir kamen doch gestern erst aus Georgia zurück und jetzt soll ich schon wieder weg ? Ich kam nicht mal dazu meine Tasche auszuräumen."

" Naja," Mulder hob entschuldigend die Schultern, " dann brauchen Sie ja nicht mehr zu packen."

Scully seufzte, " okay. Aber wo genau befindet sich diese Station ?"

Mulder ordnete die Akten auf seinem Schreibtisch, indem er sie von einer Seite zur anderen schob. " Alaska," murmelte er, als sei dies das nebensächlichste überhaupt.

" Alaska ? Mulder, glauben Sie denn im Ernst ich fliege mit Ihnen in eine Eiswüste, um dort einen Fall aufzuklären, den vermutlich jeder normale Ranger ebenfalls erledigen kann ?" beschwerte sich Scully auch sofort.

" Hinter dem Fall steckt mehr, Scully," versuchte Mulder sie zu überzeugen.

" Was ? Der Yeti ? Oder Glauben Sie, das ein zweibeiniger Amphibie diese Forscher verschleppt hat ?" provozierte sie.

Mulder schüttelte den Kopf und schlug eine Akte auf, " nein. Einer Legende zufolge gibt es dort keinen Yeti. Und es ist auch kein Amphibie - wobei man das nicht mit Sicherheit sagen kann. Gerüchte darüber gibt es viele. Den Erzählungen einiger Inuit zufolge soll es dort tatsächlich einen Wal geben, der alle 50 Jahre aus dem Meer aufsteigt und sich dort in einen mächtigen Eisbären verwandelt. Eine andere Erzählung deutet auf einen uralten Bären hin, der nach 50 Jahren Winterschlaf seinen Hunger stillen will und sich dann wieder zum Schlafen niederlegt, für weitere 50 Jahre. Von einem Yeti wird jedoch nirgends berichtet. Dafür gelang es einem dieser Forscher im März ein Foto von einem bisher unbekannten Wesen zu schießen," Mulder hielt inne, legte ein Dia in den Projektor, zog die Leinwand herab und schaltete das Gerät ein.

Auf dem Leinen erschien eine verschwommene weiße Landschaft mit einem diffusen grünen Fleck in der Mitte.

Scully betrachtete sich das 'scheinbare' Beweisfoto und sah ihren Partner zweifelnd an, "was ist das ? Grüne Grütze auf einem Sahneberg ?"

" Nein, die Forscher beschrieben es als übergroßen Frosch."

" Frosch ?" Scully warf wieder einen Blick auf die Leinwand.

Mulder nickte nur und zog erwartungsvoll die Augenbrauen in die Höhe.

" Mulder, dieser grüne Fleck da könnte wirklich alles mögliche sein. Aber ganz sicher kein Frosch. Es hat nicht mal annähernd Ähnlichkeit mit den verschwommenen Umrissen eines Frosches. Zudem gehören Frösche zur Gattung der Kröten und die sind, wie Echsen, wechselwarme Tiere. Die könnten in den eisigen Gebieten von Alaska überhaupt nicht existieren. Die würden dort sofort erfrieren."

" Deshalb zeigt es sich auch immer nur im Sommer. Zudem macht es ja auch 50 Jahre Winterschlaf," versuchte er zu scherzen.

" Wollen Sie mir wirklich einreden, daß es tatsächlich irgendein Lebewesen geben könnte, das 50 Jahre an einem Stück durchschlafen kann ? - Ach kommen Sie, Mulder. Kein Tier schafft das. Soviel Fett kann es sich gar nicht anfressen, daß es 50 Jahre davon zerren könnte."

" Es hat ja auch mächtigen Hunger."

" Und den stillt es, indem es Forscher verspeist ?" fragte Scully zweifelnd.

" Naja, der menschliche Körper ist ein großartiger Eiweißlieferant."

" Mulder, ich bitte Sie. Wie groß sollte zudem ein 'Frosch' sein, daß er einen ganzen, ausgewachsenen Menschen an einem Stück, mit Haut und Haaren und Kleidung und Schuhen hinunterschlingen kann ? Der größte, auf Erden lebende Frosch ist der Ochsenfrosch und der schafft, wenn er sehr gut wäre, gerade mal eine Maus. Dieser Frosch, von dem Sie reden, müßte schon die Größe eines mittleren Dinosauriers haben."

Mulder sah sie, schief grinsend, an.

" Wollen Sie mir jetzt tatsächlich erzählen, daß im heutigen Alaska noch Dinosaurier leben ?" Scully war kurz vor dem Verzweifeln.

Mulder seufzte, " hören Sie, Scully. Ich weiß nicht, was diese Forscher umgebracht oder verschleppt hat. Ich weiß nur, daß sie verschwunden sind und wir sollen sie suchen."

" Aber warum gerade wir ?"

" Aufgrund der Legenden. Diese Froschgeschichte reicht bis zum Jahre 1799 zurück. Damals befand sich ein Abenteurer, ein gewisser Joseph MacIron, in diesem Gebiet. Er hörte nicht nur von den Eingeborenen von diesem seltsamen Lebewesen, er sah es auch selbst und hat es genau beschrieben. Dieser MacIron war damals fast so was wie ein Pionier. Er hatte sich das Ziel gesteckt, mit einem Kanu über die Beringstraße bis zur Grenze der UDSSR zu rudern. - Er hat es zwar nicht geschafft, da der Winter ihm einen Strich durch die Rechnung machte, aber er beschrieb damals ganz genau die an den Küsten von Alaska lebenden Otter, Robben und Wale. Und er brachte viele neue Erkenntnisse über die Lebensweisen der Eingeborenen mit. Weshalb hätte er sich also diesen Riesen-Ochsenfrosch ausdenken sollen ? Zudem taucht diese Geschichte alle 50 Jahre erneut auf. 1849 vertilgte dieses Wesen eine ganze Eskimofamilie, ehe es wieder verschwand. 1899 verschwand ein 10 köpfiges Team Goldsucher in dieser Gegend. 1949 wurde ein 30 köpfiges Heer Soldaten Opfer dieses Wesens und jetzt haben wir 1999. Alle diese Fälle sind bisher ungeklärt. - Möchten Sie denn nicht wissen, was dahinter steckt ?"

" Ehrlich gesagt: nein. - Mulder. Alaska ... ! - Erinnern Sie sich nicht mehr an Icy Cape?"

Mulder lächelte flüchtig, " natürlich. Aber jetzt ist es Sommer und zudem liegt diese Station wesentlich südlicher als Icy Cape. Und wir haben es nicht mit einem Wurm zu tun. Wenn dieser Frosch tatsächlich so groß ist, dann kann er schlecht in uns hinein kriechen."

" Ja, aber er könnte uns als Vorspeise vertilgen."

" Haben Sie Angst ?" fragte Mulder verwundert.

Scully überlegte einen Augenblick, " ein Dinosaurier-Frosch ?"

" Hm," machte Mulder nur.

Sie seufzte, " Mulder, die Dinosaurier sind ausgestorben. Zudem lebten sie in eher gemäßigten Gebieten. In Alaska ist es eisig kalt. Dort liegt das ganze Jahr über Schnee und Eis."

" Laut wissenschaftlichen Forschungen und Ausgrabungen lebten vor zig Millionen Jahren einige Dinosaurier-Arten auch in Alaska. Damals war das Klima dort noch milder. Und die Gegend, in die wir reisen, ist zumindest im Sommer Eis- und schneefrei. Dort liegen die Tagestemperaturen sogar stellenweise bei knapp 10°C."

" Aber wie sollte ein solches Tier dort so lange unbemerkt überlebt haben ?"

" So wie die Amöben und Wirbeltierchen in der Arktis. Durch Anpassung."

" Amöben und Wirbeltierchen sind Einzeller, Mulder. Ein Dinosaurier ist viel zu komplex, viel zu weit entwickelt für einen solchen Schritt."

" Vielleicht verhilft ihm der lange Winterschlaf, das Klima dort zu überleben."

Scully schüttelte den Kopf, " ein Tier von der Größe eines Dinosauriers müßte schon eine ganze Stadt verspeisen, um genug Fettreserven für einen so lange Winterschlaf zu bekommen."

" Okay. Aber was ist mit dem Schatten, den wir auf dem Video gesehen haben ? Ich meine, ein Schatten von einer solchen Größe deutet doch zwangsläufig auf ein sehr großes Tier hin."

" Der Schatten, der da auf dem Video war, könnte alles mögliche sein. Ein großer Eisbär genauso wie eine dicke Wolke, die sich vor die Sonne geschoben hat."

Mulder nickte und sah wieder auf die Akte, " und was ist mit den Legenden ? Ich habe noch mehr Dias, die dieses Wesen zeigen. Darunter auch eine Zeichnung von Joseph MacIron," Mulder sprang auf und legte weitere Dias in den Projektor.

Aufmerksam betrachtete sich Scully die Bilder. Sie kannte Mulders Spürsinn für Übernatürliches gut genug. Bisher hatte er meistens richtig gelegen, mit seinen Vermutungen. Selbst wenn man es im Endeffekt nicht beweisen konnte. Sie überlegte, ob er vielleicht irgend etwas in den Bildern sah, was ihr nicht auffiel.

Doch so sehr sie sich auch konzentrierte, alles was sie erkennen konnte, waren irgendwelche verschwommenen grünen Flecken auf einem grauen oder weißen Hintergrund. Und die Zeichnung, von der Mulder gesprochen hatte, schien eher eine Mischung aus chinesischer Drache, Grauwal und irgendwas, was leichte Ähnlichkeit mit einem Frosch haben könnte. Was sie vermißte, war der Feuerstrahl, der dem Tier aus dem übergroßen Maul schoß, und die kleinen Drachenflügel auf dem Rücken des Wesens.

Doch sie wußte auch, daß Mulder alleine fliegen würde, wenn sie sich weigerte. Und so etwas hatte bisher immer mit einer mittleren Katastrophe geendet.

Ergeben schüttelte sie schließlich den Kopf, " Alaska ?"

Mulder nickte und winkte mit den Flugtickets.

" Hat sich denn schon irgend jemand auf dieser Station umgesehen und nach den Forschern gesucht ?" wollte sie noch wissen.

" Bisher nicht. Heftige Stürme hatten es verhindert. Das heißt, es hat auch noch niemand eventuell vorhandene Spuren zerstört."

" Außer die Stürme vielleicht. - Okay, was soll ich - außer einer Bazzoka - noch einpacken ?"

" Warme Kleidung und das Übliche. Alles andere finden wir auf der Station oder bekommen es in Nome, unserem Ausgangsort. Von dort werden wir auch, sobald sich das Wetter beruhigt hat, zur Station geflogen."

" Und wer kommt noch mit ?"

Mulder sah sie fragend an, " ich dachte, ich reiche Ihnen als Gesellschaft."

" Wollen Sie damit sagen, wir werden alleine dort sein ?"

Mulder mußte grinsen, " wir haben CB Funk und können jederzeit die Basis um Hilfe oder Unterstützung bitten. Der Pilot wird uns dort absetzen und wieder zurückfliegen. Wenn wir dort alles erledigt haben, kommt er uns wieder abholen."

" Kann man dort wenigstens eventuelle Proben analysieren oder sonst irgendwie auswerten ?" forschte sie, leicht genervt.

Mulder grinste, " es ist die Forschungsstation von Meeresbiologen. Die haben auch entsprechende Geräte dort, da sie sowohl die Wale, als auch die Beschaffenheit und Zusammensetzung des Meerwassers dort untersuchen. Auf der Station gibt es ein ausgezeichnetes Labor, das mit unserem hier fast konkurrieren kann."

Scully nickte ergeben, " okay. Und wann geht unser Flug ?"

" Zwei Uhr heute mittag. Ich würde vorschlagen, daß wir uns um 1 Uhr am Airport treffen, oder soll ich Sie abholen ?"

" Nein, nein. Am Airport."

***

Nome Littlefield Airport; 14:55 Uhr; 5. August

" Hallo, ich bin Clide Roberts. Sie müssen die Leute vom FBI sein, richtig ?" wurden die Agenten von einem jungen Mann begrüßt. Sein langes schwarzes Haar und sein dichter Vollbart ließen ihn etwas urig aussehen.

Er schüttelte den beiden Agenten die Hand und ließ sich ihre Ausweise zeigen.

Anerkennend nickte er, " so was seh' ich nicht oft."

Mulder grinste, " das geht den meisten so, glauben Sie mir. Uns wurde gesagt, daß wir hier einen Jerry Monrow treffen würden, der uns zur Station bringen wird."

Roberts lachte und winkte ab, " ja. Normalerweise schon, aber Monrow is' krank und jetzt muß ich für ihn einspringen. Ich werde Sie hinfliegen. Allerdings kann ich nich' direkt bei der Station landen. Das heißt, Sie müssen den Rest zu Fuß gehen. Das sind noch mal knapp 'ne Meile. Dort vorne steht übrigens die Maschine. Wir sollten starten, ehe es noch später wird. Ich will heut' Abend wieder zuhaus' sein. Zudem hab' ich eben erfahren, daß das Wetter sich wieder verschlechtern soll. Ich hab keine Lust, ewig da oben festzusitzen."

Scully warf Mulder einen grinsenden Blick zu. Ihr gefiel ihr Pilot. Zwar machte er eher den Eindruck eines Hinterwäldlers, aber er war offen und ehrlich.

Schnell schnappten sie ihre vollgepackten Rucksäcke und die Kiste mit den Vorräten, und folgten Roberts zu der kleinen Cessna.

Roberts half ihnen, daß Gepäck zu verstauen und hineinzuklettern.

Kurz darauf knatterte der Propeller und sie rollten auf die Startpiste.

" Wie lange fliegen wir bis zur Station ?" fragte Dana Scully, als die Maschine ihre vorgeschriebene Flughöhe erreicht hatte.

" Etwas über eine Stunde. Die Station liegt direkt oberhalb der Bucht. Dort gibt es keine Landemöglichkeit. Der einzige Platz ist ein Felsplateau, etwa eine Meile unterhalb der Station. Ich werde Sie dort absetzen und Ihnen den Weg beschreiben. Dann muß ich wieder zurück. Sonst schaff' ich es nich', bis das Unwetter wieder losbricht. Und ich bin nich' wild drauf, da oben zu übernachten. Die Gegend is' nich' grad' menschenfreundlich. Nur Spinner halten sich da länger auf. - Ich sag' zwar nichts gegen die Arbeit der Forscher da. So was muß schließlich auch gemacht werden. Aber freiwillig geht von den Einheimischen hier keiner dahin."

" Wie meinen Sie das ?"

" Naja, die Gegend da is' sehr karg. Da wächst kaum was und Jagen kann man da nur auf dem Meer. Nur selten verirrt sich tatsächlich mal ein Eisbär in die Gegend und die schmecken nich' mal besonders gut. Was bauen kann man da auch nich', außer eben die Station. Das Gelände is' zu felsig und die Winter da sind alles andere als lustig. Die Schneestürme fegen über die Hänge und reißen alles von den Beinen, was sich so da 'rumtreibt."

" Gibt es da jetzt auch schon Schneestürme ?" wollte Scully wissen und warf dabei einen schrägen Seitenblick auf Mulder.

" Jetzt noch nich'. Aber ich schätze, daß es in drei oder vier Wochen so richtig losgeht. Die Stürme, die wir jetzt haben, sind noch harmlos gegen das, was im Winter hier los is'. In spätestens 3 Wochen werd' ich Sie wieder abholen von da. Egal ob Sie da fertig sind oder nich'. Denn danach fliegt keiner mehr zur Station. Frühestens wieder wenn die Stürme nachlassen und der Schnee langsam taut. Das is' so in 6 Monaten. Wenn Sie oben bleiben, haben Sie keine Chance, den Winter zu übersteh'n."

" Herrliche Aussichten," murmelte Scully und warf einen verärgerten Blick auf ihren Partner.

Mulder grinste nur flüchtig, " haben Sie schon mal was von diesem Riesenfrosch gehört, der da oben leben und alle 50 Jahre auftauchen soll ?" wandte er sich an den Piloten.

Dieser lachte, " sicher. Jedes Kind hier hört davon. Aber das sind alles alte Geschichten, die die Erwachsenen erzählen, um den Kindern was beizubringen. Sie kennen die ja sicher auch. 'Iß deinen Teller leer, sonst regnet's morgen'. 'Geh nachts nich' alleine in den Wald, sonst holt dich der schwarze Mann'. ' Sei nich' so böse, sonst weinen die Engel', und lauter solche Sachen. Welchen Sinn diese Geschichte allerdings haben soll, weiß ich auch nich'. Die Eingeborenen nennen das Ding übrigens 'Tshoqutoc' - Froschmensch. Allerdings kann ich mir nich' vorstellen, wie ein Frosch da oben existieren soll. Erst recht so ein großer. Vielleicht früher, als es noch tausende von Eisbären da oben gab. Aber heute gibt's da ja nichts mehr, außer Wale, kleine Robben und winzige Otter, die im Winter langsam Richtung Süden ziehen."

Scully grinste breit. Der Mann wurde ihr immer sympathischer.

" Aber wieso fragen Sie ? Wollen Sie ihn suchen ?" fuhr der Pilot fort.

" Vielleicht ist er für das Verschwinden der Forscher verantwortlich," entgegnete Mulder auch schon.

Roberts lachte schallend auf und schüttelte den Kopf, " also, wenn Sie mich fragen, dann hat der Sturm diese drei vom Felsen geblasen."

" Kannten Sie die Forscher ?" war nun Scully wieder dran.

" Hilardy war hier so bekannt, wie der Kaufmann um die Ecke. Der kam jedes Jahr hierher. Sobald die Stürme nachließen und der Schnee schmolz, war er da und ließ sich zur Station rauffliegen. Da blieb er dann immer bis Ende August. Ich habe ihn selbst schon einige Male hinauf geflogen. Seine beiden Kollegen waren noch ziemlich neu. Zwei junge Burschen - etwa mein Alter. Sie folgten ihm das zweite, oder dritte Mal. Meist kamen Sie erst im April, wenn Hilardy bereits ein' Monat oben war, und sie blieben auch nich' so lange. Gestern hätten wir sie holen sollen. Doch das Wetter war zu schlecht. Wenn sie heute am Landeplatz stehen, werd' ich sie mitnehmen. Falls Sie nichts dagegen haben."

Mulder und Scully wechselten einen kurzen Blick.

" Das werden wir dann dort entscheiden, wenn Sie überhaupt da sein sollten," sagte Mulder.

30 Minuten später wußten sie, daß die Forscher nicht mit zurückfliegen würden. Keine Menschenseele war in der kargen Landschaft zu sehen.

Die Landung war recht holprig und die Agenten waren ziemlich durchgerüttelt, als die Maschine endlich zum Stehen kam.

Roberts wendete gleich, erst dann kletterte er ins Freie und half seinen Passagieren heraus.

Ein eisiger Wind wehte über das Plateau. Die Temperaturen lagen nur minimal über dem Gefrierpunkt.

" Von wegen 10°C," brummte Scully und zog den Reisverschluß ihrer dicken Jacke zu.

Mulder hob entschuldigend die Schultern.

" 10°C ? Ne, die gibt's bei uns in Nome. Aber da auch nur im Juli. Hier ist es immer kälter. Der Wind hier kommt direkt aus der Arktis. In Nome sorgt das Baird Massiv dafür, daß es nich' ganz so kalt wird. Doch hier is' weit und breit nichts, was den Wind bremsen könnte. Der Boden hier is' fast das ganze Jahr über gefroren. Nur selten taut er wirklich mal auf."

Scully ließ ihren Blick über das Plateau und die Berge gleiten. Irgendwo dort oben lag die Station und dort würde es noch kälter sein, " hoffentlich gibt's da so was wie eine Heizung."

Roberts grinste, " sicher. Östlich der Station im Tal gibt es einige Bäume. Dort holen sich die Forscher immer ihr Brennholz. Wenn Sie Glück haben, is' noch genug da, und Sie brauchen kein neues zu schlagen. Zum Lager geht's übrigens dort den schmalen Pfad entlang. Immer auf dem Weg da bleiben und Sie kommen automatisch hin. Es is' der einzige Weg hier. Sie können's also gar nich' verfehlen. Die Station besitzt CB Funk, wenn also was sein sollte, können Sie Hilfe rufen - und wenn es nich' gerade kräftigt stürmt, dann kommt sie auch. Ansonsten hol' ich Sie in spätestens 3 Wochen wieder hier ab. Am 26. August. Wenn Sie dann nich' hier steh'n, müssen Sie den Winter hier verbringen. Aber ich meld' mich vorher noch mal an. Kommt ja auch auf's Wetter an. So, jetzt muß ich zurück. Wenn Sie zügig laufen, sind Sie in zwei Stunden bei der Station. 'ne Stunde später wird's bereits dunkel. Sie sollten also nich' zu sehr trödeln. Ich hoffe, Sie finden die Forscher."

Damit kletterte er auch schon wieder in seine Maschine, startete den Propeller und war kurz darauf in der Luft.

Die beiden Agenten sahen ihm nach, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

Nun waren sie 3 Wochen ganz alleine in dieser Einöde, ohne zu wissen, was sie alles erwarten würde.

Mulder bückte sich schließlich, schulterte seinen Rucksack und packte sich die schwere Kiste auf die Schulter, " okay, dann wollen wir mal."

Damit stapfte er auf den schmalen Weg zu, auf den der Pilot hingewiesen hatte.

Scully folgte ihm zögernd, " bin mal gespannt, was da noch alles kommt."

Der Weg stieg langsam an. Er war wirklich schmal und nicht mehr als ein ausgetretener Trampelpfad. Stellenweise war er nur sehr schlecht zu erkennen.

Nach einer halben Stunde ging Mulders Atem bereits keuchend und dicker Schweiß stand auf seiner Stirn.

Schnaufend setzte er die Kiste ab und wischte sich mit dem Ärmel seiner dicken Daunenjacke über das Gesicht.

Scully lächelte flüchtig, " vielleicht ist es besser, wenn ich Ihnen beim Tragen helfe."

Mulder nickte nur.

Während er den Henkel der einen Seite faßte, packte Scully die Kiste auf der anderen Seite. So kletterten sie weiter bergan, bis sie nach weiteren 30 Minuten endlich die Station vor sich sahen.

Sie war an die Frontseite eines Berghangs gebaut, bestand aus einem Steinhaus und einer kleineren Holzhütte, die aus rohen Stämmen gezimmert war.

Die Vorderseite des Hauses zeigte zur Wasserseite und bot einen grandiosen Ausblick über die Bucht.

Von dem Platz davor gingen mehrere kleinere Pfade in verschiedene Richtungen ab.

Mulder und Scully beeilten sich auf dem letzten Stück bis zur Station.

Endlich hatten sie es erreicht. Sie waren beide erschöpft und mußten erst ein paarmal tief durchatmen, ehe sie sich genauer umsehen konnten.

Mulder setzte seinen Rucksack neben der Kiste ab und kramte seine Taschenlampe hervor.

Energisch schritt er auf die Holzhütte zu. Die Tür davor war geschlossen, doch nicht abgesperrt.

Da er nicht wußte, was ihn erwartete, zog er zur Sicherheit seinen Revolver heraus.

" Scully, sehen Sie sich im Haus um, ich schaue hier nach," rief er über die Schulter.

Doch Scully hatte es ihm bereits nachgetan und das Hauptgebäude angesteuert.

" Die Tür hier steht sperrangelweit offen," rief sie ihm zu. " Ich gehe jetzt rein."

Mulder nickte nur und drückte die Tür auf.

Sie quietschte in den Angeln.

In dem Raum dahinter war es stockfinster.

Mulder schaltete seine Lampe an und ließ den Lichtkegel über den felsigen Boden wandern.

In einer Ecke stapelte sich das Brennholz. Mehrere Schränke und Regale standen an den Wänden. In ihnen befanden sich Decken, Lebensmittelkonserven, Töpfe, Geschirr, Ausrüstungsgegenstände für die Arbeit der Forscher, Kisten mit Vordrucken. Neben der Tür befand sich noch ein Generator, der den Strom für das Haus lieferte, und mehrere Gallonen mit Diesel.

" Mulder," hörte er plötzlich einen gedämpften Ruf.

Hastig wandte er sich ab und eilte zum Haus.

Scully kam ihm daraus entgegen, " ich habe einen der Forscher gefunden. Tot."

Zu zweit gingen sie nun hinein.

Das Haus bestand aus drei Räumen. Einer enthielt das Labor, einer diente als Arbeits-, Aufenthalts- und Speisezimmer. Der dritte Raum enthielt vier Schlafstellen und Spinde mit den persönlichen Dingen und Wäsche der Forscher.

Der Tote lag im Labor. Mulder hielt sich die Nase zu. Selbst wenn der Mann erst eine Woche tot und die Temperaturen selbst hier auf Kühlschrankniveau lagen, so hatte bei ihm doch schon die Verwesung eingesetzt.

" Den Daten zufolge müßte das Jacob Baladin sein. 24 Jahre jung. Für seine Doktorarbeit hatte er das Verhalten der nördlichen Glattwale studiert und bei Hilardy ein Berufspraktikum absolviert. Nächstes Jahr hätte er seine Arbeit abgegeben und sein Studium beendet," erklärte Mulder, der mit seinem fotografischen Gedächtnis die Biographie der Forscher auswendig kannte.

Scully nickte, " dazu wird er jetzt wohl nicht mehr kommen."

Mulder betrachtete sich den Leichnam.

Der junge Mann war mit tiefen Wunden übersät. Einige mußten bereits älteren Ursprungs sein, da sie geeitert hatten. Entzündete Pusteln bedeckten sein ganzes Gesicht, sowie Hände und Nacken.

" Können Sie mir sagen, woran er gestorben ist ?" wollte der Agent wissen.

Scully hatte sich neben den Toten gekniet und eine erste flüchtige Untersuchung gemacht, " normalerweise würde ich sagen, er starb an den ganzen Verletzungen. Aber das muß ich schon noch genauer untersuchen."

" Hat er diesen Ausschlag am ganzen Körper ?" Mulder deutete auf die Entzündungen.

Scully hob ratlos die Schultern, " keine Ahnung. Ich kann durch seine Kleidung nicht durchsehen." Nachdenklich sah sie sich um, " am besten lassen wir ihn vorerst hier liegen. Hier kann ich am besten eine erste Autopsie durchführen. Wenn wir eine große Plane finden, können wir ihn auch sicher verpacken und das Fenster öffnen. Dann wird es hier drin noch kühler und er bleibt so lange frisch, bis er in die Pathologie überführt werden kann."

Mulder nickte, " ich habe in der Hütte mehrere Schränke entdeckt. Vielleicht findet sich darin etwas brauchbares. Ich sehe mal nach. Danach mache ich Feuer und teste, ob das Funkgerät noch funktioniert. Vielleicht kann man ihn morgen schon abholen."

" Glauben Sie daran ? Roberts sagte doch, daß sich das Wetter verschlechtern soll. Ich glaube nicht, daß er so schnell abgeholt wird," war Scully skeptisch.

" Naja, wir werden sehen."

***

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