World of X

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Der Seele beraubt

von Petra Weinberger

Kapitel 4

Zwei Tage später wurde Scully in Skinners Büro gerufen.

" Wir konnten das Lokal ausmachen, in dem Mulder auf die Männer stieß. Der Wirt gab uns die Beschreibung der drei. Ich habe eben die Fahndung nach ihnen vervollständigt. Es scheint so, als würden sie sich noch immer in der Umgebung dort aufhalten. Es ist jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis sie uns ins Netz gehen," erklärte er. " Aufgrund der vorhandenen DNS Analyse dürfte es nicht schwer sein, ihnen die Tat nachzuweisen. Mit etwas Glück sind sie geständig. Ich habe angeordnet, daß man mich sofort informiert, wenn die drei gesichtet werden. Ich möchte selbst bei ihrer Verhaftung zugegen sein. Die Frage ist jetzt, wie wir uns Mulder gegenüber verhalten sollen."

" Worauf genau wollen Sie hinaus, Sir ?" war Scully etwas irritiert.

Skinner schob seine Brille zurecht, rieb sich kurz über die Nasenwurzel und faltete dann seine Hände über dem Schreibtisch, " Sie kennen Mulder seit sechs Jahren. Nicht nur als seine Partnerin, sondern auch als seine Ärztin. Denken Sie, es wäre vernünftig, ihn zu dieser Verhaftung hinzuzuziehen ? Mulder hat die Angewohnheit, schnell überzureagieren und etwas unvernünftiges zu tun. Ich befürchte, daß die Verhaftung in einer Katastrophe enden könnte, wenn wir Mulder mitnehmen."

Scully lehnte sich zurück und dachte sehr genau darüber nach.

Bereits eine einfache Gegenüberstellung konnte beim Opfer einen Nervenzusammenbruch auslösen. Es war schon vorgekommen, daß Opfer ihre Peiniger im Affekt erschossen hatten. Vor den Augen der Beamten oder Richter. Und doch waren Gegenüberstellungen wichtig. Ohne sie, gab es keine Verhandlung.

Scully wußte jedoch auch, wie wichtig es gerade für das Opfer war, seinem Peiniger gegenüber zu treten. Sich ihm zu stellen und zu wissen, daß er ihm nicht mehr schaden konnte. Gerade bei Vergewaltigungen war das sehr wichtig. Das Opfer mußte erkennen, daß ihm von dem Täter keine Gefahr mehr drohte.

" Ich denke, er sollte dabei sein," sagte sie schließlich entschlossen. " Mulder wird diese Verhaftung nicht alleine durchführen. Es sind genügend Beamte vor Ort, die eine Überreaktion verhindern können. – Es ist sehr wichtig für ihn, um sein Gleichgewicht zurück zu gewinnen."

Skinner musterte sie und dachte über ihre Worte nach. Endlich nickte er, " okay. Ich werde Ihnen Bescheid geben, sobald die Männer irgendwo gesehen wurden."

***

Spät Abends wurde Mulder dann von Skinner angerufen. Streifenbeamte hatten die drei Männer ausfindig gemacht. Sie versteckten sich in einer alten Laube, am Rande der Stadt.

Mulder war sofort in seinen Kleidern und aus dem Haus.

Als er knapp 30 Minuten später vor Ort eintraf, wurde er schon von Skinner erwartet. Scully war ebenfalls dort. Zusammen mit 3 weiteren Agenten und zwei Streifenbesatzungen.

Einer der Streifenführer erklärte, wo sich die Männer versteckt hatten und wie man am Besten dorthin kam. Skinner wies seine Leute ein. Sie sollten sich verteilen und von verschiedenen Seiten auf die Laube zugehen. Mulder und Scully sollten mit ihm die Vordertür nehmen.

Langsam und leise pirschte man sich durch das Gestrüpp, das die Laube umgab. Sträucher und Unkraut wucherten mannshoch. Nur ein schmaler Trampelpfad führte wie eine Schneise zu der Holzhütte.

Durch das Dickicht konnten sie bald Licht hinter einem der blinden Fenster erkennen. Aus dem Schornstein stieg eine dünne Rauchfahne in die pechschwarze Nacht. 

Die Lichter die den Himmel über der Stadt erhellten, waren zu schwach, um bis hierher zu strahlen. Der Mond und die Sterne verschwanden hinter einer dicken Wolkendecke.

Es war so finster, daß sich die Agenten vorwärts tasten mußten. Sie verzichteten bewußt auf ihre Taschenlampen, um den Männern ihre Anwesenheit nicht zu früh zu verraten. Sie wollten die Kerle nicht im letzten Augenblick noch entwischen lassen.

Es dauerte entsprechend lange, bis alle Agenten ihre Plätze eingenommen hatten.

Endlich gab Skinner das Signal zum Vordringen.

Zusammen mit Mulder trat er die Tür auf. Zu dritt stürmten sie in den Raum. Die Läufe ihrer Waffen, nach einem Ziel suchend, durch das Zimmer schwenkend.

Gleichzeitig klirrten Scheiben und mit einem lauten Krachen flog die Hintertür auf. Sechs Revolver zeigten nun auf die drei Männer, die erschrocken vom Tisch aufsprangen, an dem sie bis eben gesessen und gegessen hatten.

Die Hände der Drei flogen in die Höhe und ihre Gesichter verloren jegliche Farbe.

Ihre Blicke flitzten durch den Raum.

Skinner zückte seinen Ausweis, " FBI. Stellen Sie sich an die Wand. Hände an die Wand und zwei Schritte zurücktreten. Sie sind verhaftet," bellte er.

Erst jetzt sahen die Drei Mulder.

Ihre Augen wurden rund und Panik breitete sich darin aus.

Der Blick des Agenten war eisig, als er ihn über sie gleiten ließ. Ruhig lag die Waffe in seiner Hand. Die Mündung auf den größten der Drei gerichtet.

" Bitte, nicht schießen. Es ... es war doch nur ein Spaß. Es war nicht persönlich gemeint. Bitte," schrie dieser entsetzt auf.

Kalte Wut brannte in Mulder. ‘Nur ein Spaß‘ ? Nein. Mulder hatte über diesen Spaß nicht lachen können. Er fand es weder witzig, noch besonders humorvoll.

In diesem Augenblick hätte er ohne Zögern den Finger krümmen können.

Doch Skinner stellte sich genau zwischen ihn und die drei Männer. Er wußte, daß er in diesem Augenblick ein erhebliches Risiko einging. Zu leicht hätte sich ein Schuß aus Mulders Waffe lösen, und ihn treffen können. Doch er vertraute dem Agenten und seinem Instinkt.

Scully legte Mulder die Hand auf den Unterarm und drückte sanft seine Waffe nach unten.

Nur zögernd ließ Mulder seinen Revolver sinken.

Nun ging alles sehr schnell. Die anderen Agenten drangen in die Laube ein. Im Nu waren die drei Täter durchsucht und mit Handschellen versehen.

Ehe die Beamten sie nach draußen führten, ließen Sie Mulder Zeit, die Situation zu verarbeiten.

Der Agent trat vor sie und musterte sie der Reihe nach. Den Dreien wurde es recht unbehaglich.

" Ihr habt euch für diesen Spaß, den Falschen ausgesucht. Ich hoffe, daß ihr im Knast erleben könnt, wie lustig so etwas ist. – Ich fürchte nur, die fassen euch dort nicht mal mit der Kneifzange an. Ihr seid der größte und dreckigste Abschaum, der mir je begegnet ist und ihr stinkt pervers," brummte Mulder verächtlich und wandte sich dann ab.

Scully und Skinner atmeten erleichtert auf, das alles so glimpflich abgelaufen war.

Noch in der selben Nacht legten die drei Männer ein umfassendes Geständnis ab.

Zusammen mit den anderen Beweisen konnte Skinner die Akte an die Staatsanwaltschaft übergeben.

Die folgende Verhandlung war nur noch eine Formsache und fand ohne Mulders Anwesenheit statt.

Alle drei mußten für 10 bis 15 Jahre wegen Körperverletzung, Nötigung und Angriff auf einen Bundesbeamten ins Gefängnis.

Der Fall war abgeschlossen.

Mulder und Scully gingen wieder wie früher ihrer Arbeit nach. Jeder versuchte das Geschehene zu vergessen oder zumindest zu verdrängen. Es war nicht mehr der dominierende Gedanke. Die Arbeit lenkte sie ab.

Trotzdem hatte das Ereignis Spuren hinterlassen. Ihre Bindung zueinander hatte sich verstärkt, doch auch Mulders Verhalten hatte sich geändert.

Früher hatte Scully Mulders Arroganz und Überheblich oft verflucht, nun begann sie, sie zu vermissen. Sie waren genauso Teil von ihm, wie seine Vergangenheit, seine intensive Suche nach der Wahrheit, und ihrer Partnerschaft.

Mulder scherzte zwar wieder, aber die kleine Streitgespräche und Meinungsverschiedenheiten waren verschwunden. 

Er gab relativ schnell auf und akzeptierte allzu schnell Scullys Meinung.

Bei ihren Außendiensten war er sehr einsilbig und wenn sie Feierabend hatten, zog er sich in sein Apartment zurück.

Die kleinen privaten Gespräche, die sie früher oft hatten, gab es nicht mehr.

Und dann geschah das, mit dem Scully am wenigsten gerechnet hatte.

***

Nach langer Zeit hatte Mulder mal wieder eine Extratour gestartet. Genauer gesagt hatte es ihn ins Bermudadreieck verschlagen. In letzter Sekunde gelang es Scully, ihn vor dem Ertrinken zu retten. Als er dann im Hospital zu sich kam, gestand er ihr, daß er sie liebte.

Es kam zu überraschend für sie. Sie hatte das einzige getan, was sie in diesem Augenblick tun konnte. Sie hatte sich umgedreht und war gegangen.

Sie brauchte einfach Zeit, um damit fertig zu werden.

Natürlich hatte sie es gewußt. Wenn nicht, dann wäre es ihr spätestens vor einem halben Jahr klar geworden. Damals, als sie beim FBI kündigen wollte und Mulder sie fast im Flur seines Wohnhauses geküßt hätte.

Ihre Gefühle ihm gegenüber waren ebenfalls sehr intensiv. Aus diesem Grund hatte sie damals kündigen wollen. Aus diesem Grund hatte sie sich zwei Tage zuvor im FBI Gebäude wie eine Verrückte benommen und sogar Skinner geküßt. Aus diesem Grund setzte sie sich immer wieder über alle Regeln hinweg und folgte seinem gefährlichen Weg.

Aber, sie waren schon so lange zusammen. Ihre Beziehung zueinander so eng. Sie konnte nicht einfach alles über Bord werfen, was sie in den letzten sechs Jahren verbunden hatte. Ihre Freundschaft, ihre Partnerschaft. Zu lange hatten sie diese platonische Ehe schon geführt. Sie wollte Zeit, um sich über ihre eigenen Gefühle klar zu werden.

Als Mulder wieder im Büro auftauchte, benahm er sich, als sei nichts geschehen. Kein Wort über das, was er ihr am Tag zuvor gestanden hatte. Nur gelegentlich warf er ihr kurze, nachdenkliche Blicke zu.

Auch in den folgenden Tagen sprach er nicht darüber.

Scully verstand. Es war ihm nur wichtig gewesen, es ihr zu sagen. Sie sollte wissen, wie er fühlte. Das genügte ihm vorerst.

Irgendwann tauchte Mulder dann plötzlich mit einem vergnügten Lächeln im Büro auf.

Sein gute Laune steckte sie an und sie hielt sich. Selbst, als sie wieder auf einem Bauernhof die rechtmäßige Anwendung des Düngers überprüfen mußten.

" Scully, weißt du, was ich getan habe ?" fragte Mulder sie dann plötzlich auf ihrem Weg zurück ins Büro.

Scully lächelte und schüttelte den Kopf, " ich habe keine Ahnung, aber es muß etwas gutes sein. Denn sonst wärst du nicht so gut gelaunt."

" Das ist es," nickte Mulder bestätigend. " Möchtest du es wissen ?"

Scully mußte lachen. Ihm schien es so gut zu gehen und nichts machte sie glücklicher, als das zu erleben. " Wenn du es mir erzählen willst ?"

Mulder beugte sich zu ihr hinüber, als hätte er Angst, andere könnten sein Geheimnis erfahren.

" Ich habe mir ein Schlafzimmer gekauft," flüsterte er ihr zu.

Verwundert zog Scully die Augenbrauen in die Höhe, " ein Schlafzimmer ? – Ich dachte, du hättest eins."

" Ich hatte den Raum, aber er diente nur als Abstellkammer. Und mein Sofa hat mir bisher auch gereicht."

" Und jetzt reicht es dir nicht mehr ?"

" Doch, aber ich war der Meinung, es könnte nichts schaden, wenn meine Wohnung mal wie eine richtige Wohnung aussieht. Ich meine, jeder Mensch hat ein Schlafzimmer und ein vernünftiges Bett, oder ?"

Scully grinste und klopfte ihm auf die Schulter, " so betrachtet hast du natürlich recht. Ich hoffe du benutzt das Bett auch und erscheinst dann morgens etwas ausgeschlafener im Büro."

" Ich habe es schon benutzt und ich muß sagen, man schläft nicht mal schlecht darin."

" Deshalb kommst du mir heute auch so ausgeruht vor," schmunzelte Scully. " Na komm, laß uns die Akten ins Büro bringen und dann für heute Feierabend machen."

Sie war sicher, daß es mit ihm immer weiter aufwärts ging.

Auch in den nächsten Tagen hatte Mulder gute Laune.

Immer wieder suchte Mulder ihre Nähe, doch in seinem Blick lag etwas, daß sie vorher nie so intensiv bemerkt hatte.

Noch immer war sie sich ihrer wahren Gefühle nicht sicher. 

Eines Abends saß sie zu Hause und rührte gedankenverloren in ihrem Tee. Das Radio lief und brachte eine Sendung mit dem Schwerpunkt: Liebe.

Das Thema schien sie zu verfolgen. Sie hatte es schon aufgegeben durch das Fernsehprogramm zu zappen. Auf einem Kanal lief ‚Casablanca‘, auf einem ‚vom Winde verweht‘ und auf einem anderen ‚Schlaflos in Seattle‘.

Frustriert hatte sie schließlich das Radio eingeschaltet und der bisherigen Musiksendung eher beiläufig gelauscht. Mit ihren Gedanken war sie jedoch bei Mulder gewesen. Sie hatte sich gefragt, was er jetzt wohl tat. Und sie hatte wenigstens versucht, nicht an das Wort: ‚Liebe‘ zu denken.

Und nun brachten sie es auch noch im Radio. Irgend jemand mußte sich gegen sie verschworen haben.

Seufzend erhob sie sich und wollte gerade einen anderen Kanal einstellen, als sie in ihrer Bewegung innehielt und den Ton etwas lauter stellte. Eine Frau sprach gerade über ihre neu entdeckte Liebe zu einem Mann. Es war nicht ihre Geschichte, die Scully verhalten ließ. Es waren ihre Worte. 

" Eines Tages siehst du eine Person und siehst mehr, als noch am Abend zuvor. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und die Person, die bisher nur ein Freund war, ist plötzlich die einzige Person, mit der du den Rest deines Lebens verbringen willst."

Die Worte trafen ihr Herz, denn sie wußte, diese Frau hatte recht. Sie sprach das aus, was Scully längst fühlte, aber nicht wahrhaben wollte.

Mulder war längst mehr als ein Freund. Sie liebte ihn, schon lange.

***

Als Scully am nächsten Morgen das Büro betrat, saß Mulder bereits an seinem Schreibtisch. Doch er sah müde aus. Er schien in sich gekehrt und mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

Er sah nur kurz auf und nickte, als sie ihn begrüßte.

Auch in den nächsten Tagen war er sehr schweigsam. 

Scully machte sich Sorgen um ihn. Doch sie wollte ihn nicht bedrängen. Sie war sicher, daß er zu ihr kommen würde, wenn er soweit war, über das zu reden, was ihm auf dem Herzen, auf der Seele lag.

Sie behielt recht.

Als sie auf dem Weg von einem Einsatz nach Hause waren, machte er seinen Gedanken Luft.

" Scully, hast du schon einmal über Sexualiät nachgedacht ? Ich meine, wofür sie da ist. Abgesehen davon, Nachwuchs zu zeugen. Gibt es irgendeine wissenschaftliche Theorie über den Sinn davon?" fragte er plötzlich, als sie kurz vor ihrem Apartment waren.

Scully hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage. Niemals zuvor hatte sie mit ihrem Partner über dieses Thema gesprochen. Sie hatten es vielleicht mal kurz angeschnitten, wenn es um einen Fall ging und damit zusammenhing. Und sie war sich nicht sicher, ob es tatsächlich das war, worüber sie mit ihm reden wollte.

Etwas verunsichert sah sie ihn an. Prüfte, ob er es ernst meinte.

Doch sein Blick war so unschuldig, daß er tatsächlich Antworten auf seine Fragen suchte.

" Naja," begann sie und warf ihm erneut einen forschenden Blick zu. " Jeder braucht sie. Es gibt Beweise dafür, daß selbst Säuglinge schon eine gewisse Art von Sexualität besitzen. Natürlich nicht im pornographischen Sinne. Sexualität ist im eigentlichen nichts weiter, als die Befriedigung gewisser Bedürfnisse. Ein Säugling erreicht seine Befriedigung über die Haut und auf oralem Wege. Durch das Saugen an der Brust oder der Flasche wird seine Befriedigung gestillt. Auch Kleinkinder haben noch dieses starke Bedürfnis, doch je mehr sie sich ‘Abnabeln‘ um so mehr entdecken sie ihre eigene Sexualität. Die Kinder betasten ihren Körper und erlangen so eine gewisse Befriedigung. Zudem lernen sie ihren Körper kennen. Inzwischen gilt es als bewiesen, daß Menschen – Jugendliche sowie Erwachsene – als ausgeglichener, zufriedener gelten, wenn sie sich selbst Befriedigung verschaffen. Durch Onanie oder Masturbation – sofern sie keine partnerschaftliche Beziehung haben. Selbst Geistliche, die ein Gelübde abgelegt haben, erlangen auf irgendeine Weise Befriedigung. Ich denke, die meisten sind handwerklich sehr begabt darin, auch wenn sie hinterher um Vergebung für ihre Sünde bitten. Jeder Mensch braucht Sexualität, sonst könnte er nicht existieren."

Mulder lenkte den Wagen an den Straßenrand und sah nachdenklich vor sich hin, " gibt es Menschen, die tatsächlich keine Sexualität haben ?"

" Ich denke nicht. Auf irgendeine Weise befriedigt sich jeder. Es ist ein Teil des Menschen und gehört zu ihm. Er braucht es wie die Luft zum Atmen oder das Wasser zum Trinken. Vielleicht kommen einige Hindupriester ohne aus, aber ich denke, sie verschaffen sich den nötigen Ausgleich durch Meditation."

Mulder wandte den Kopf und sah sie an, " Scully, was geschieht, wenn man gar nichts davon hat ?"

Scully musterte ihn, " dann wird man irgendwann verkümmern. Mulder, weshalb fragst du überhaupt?"

Er schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick über die Straße gleiten, " wir sind vor deiner Tür."

Scullys Blick lag noch immer auf ihm. Sie wußte nicht recht, was sie von der Sache halten sollte. Schließlich nickte sie, " komm mit rauf. Ich lade dich noch zu einem Kaffee ein."

Mulder zögerte. Er schien wirklich einen Moment lang unsicher.

" Na komm," sagte Scully noch einmal.

Sein Blick glitt wieder über die Straße, dann zog er den Schlüssel ab und nahm Scullys Einladung an.

Gemeinsam betraten sie das Apartment. Scully zog Jacke und Schuhe aus, stellte ihre Tasche ab und verschwand in der Küche.

Als sie bald darauf mit dem Kaffee im Wohnzimmer erschien, hatte sich Mulder bereits auf dem Sofa niedergelassen.

Scully schenkte die Tassen voll und ließ sich neben ihm nieder, " also, weshalb wolltest du das wissen?"

Mulder starrte in seine Tasse und schwieg.

Die Agentin musterte ihren Partner. 

" Mulder, was ist los ?" fragte sie nun sanft.

Mulder nippte an seinem Getränk und warf ihr einen flüchtigen Blick zu, " Scully, darf ich dich etwas persönliches fragen ?"

Sie zog die Augenbrauen in die Höhe, " was persönliches ? – Wie - persönlich ?"

Mulder schwieg kurz, " was ist mit deiner Sexualität ?"

" Das ist wirklich sehr persönlich," stieß sie leise heraus. " Du meinst, ob ich Sexualität habe ?"

Mulder nickte schwach und biß sich auf die Unterlippe, " ja. Ich meine, ich hatte in letzter Zeit nicht gerade den Eindruck, als hättest du eine feste Beziehung."

Scullys Zungenspitze fuhr über ihre Oberlippe. Sie war nicht sicher, ob sie das tatsächlich gehört hatte.

" Eine feste Beziehung ? Zu einem Mann ? Du willst wissen, ob ich eine feste Beziehung zu einem Mann habe ?"

Mulder atmete einmal tief durch, " nein," sagte er leise. " Ich will wissen, ob du Sexualität hast."

" Natürlich. Pausenlos," antwortete sie und glaubte nun wirklich an einen Scherz von ihm.

Der Blick, der sie nun traf, ließ sie jedoch schnell wieder ernst werden.

Seufzend lehnte sie sich nach vorne und stützte ihre Ellbogen auf ihre Knie, " Mulder, was ist los ? Weshalb die Fragen ? Willst du mir jetzt erklären, daß du schon so lange nichts mehr hattest und deshalb jetzt sofort mit mir schlafen mußt ?"

Mulder sah sie fast erschrocken an, " nein. – Oh Gott, nein - Scully. Das ... das wollte ich nicht sagen. Das habe ich nicht gemeint."

" Das heißt, du willst nicht mit mir schlafen ?" fragte sie übermütig.

" Das weißt du doch genau," murmelte er.

" Das heißt, du willst doch ?"

Mulder schüttelte nur den Kopf und starrte auf den Fußboden.

Scully kniff die Lippen zusammen und musterte ihn wieder, " okay. Versuchen wir es anders. Hat es etwas mit dem zu tun, was du mir im Hospital gesagt hast ?"

" Nein."

" Das heißt, du willst es wirklich wissen ?" forschte sie weiter.

Mulder schwieg.

" Ich hatte vor vier oder mehr Jahren meine letzte Beziehung zu einem Mann. Aber ich habe auch meine Sexualität. Beantwortet das deine Frage ?" überwand sie sich schließlich zu antworten.

Mulder sah sie an. Sein Gesicht war ernst und in seinen Augen lag etwas trauriges.

" Was ist mit deiner ... Sexualität ?" fuhr Scully fort, als er nicht antwortete.

Mulder kniff die Augen zusammen und verzog schmerzlich das Gesicht, als er langsam den Kopf schüttelte.

Scully starrte ihn ungläubig an, " äh – du willst mir erzählen, du hast keine ?"

Sein Nicken war nur angedeutet.

Scully ließ ihren Blick durch den Raum gleiten und sah dann wieder zu ihrem Partner. Das konnte nur ein Scherz sein. Er konnte es einfach nicht ernst meinen.

" Ach komm, hör auf. Ich meine ... – was ist mit deinen Videos, deinen Telefonaten ? Du willst mir wirklich erzählen, daß da nichts ist ? Das du nicht selbst ... ?"

" Ja," seine Stimme war so leise, daß Scully sie kaum verstehen konnte.

" Aber – seit wann ? – Ich meine, ... – wieso ?" Es war ihr einfach unbegreiflich.

" Ich ...," Mulder schluckte und rieb sich kurz über die Augen. " Ich kann nicht."

" Du meinst, du bekommst keine – Errektion ?" fragte sie vorsichtig, um das Wort ‚Impotenz‘ zu vermeiden.

Mulder schüttelte jedoch den Kopf, " das ist es nicht. Ich - kann nicht. Ich kann es nicht."

Scully schwieg. Es war kein Scherz. Sie sah es an seiner Reaktion. Er hatte ein Problem und er hatte sich an sie gewandt, weil er auf ihre Hilfe hoffte. Weil er ihr vertraute. Sie durfte ihn jetzt nicht im Stich lassen, wegen falscher Scham. Sie mußte versuchen, ihm zu helfen. Sehen, wo sein Problem lag.

" Seit wann ?" fragte sie sanft.

" Seit dem ... ."

" Seit dem Vorfall ?" beendete sie für ihn.

Mulder nickte nur.

" Keiner verlangt von dir, daß du losziehst, dir eine Frau suchst und mit ihr schläfst," versuchte sie es.

Mulder lachte verbittert auf, " Gott, Scully, ich kann nicht mal eine vernünftige Beziehung zu mir selbst aufbauen. Dann erst recht nicht zu einer Frau. Ich bin nicht mal in der Lage, es mit mir selbst ... - Ich ekle mich vor dem, was ich tue, was dabei mit mir geschieht. Ich ekle mich selbst vor den Gedanken, die ich dabei habe. - Ich kann nicht mal an dich denken," fügte er leise hinzu und wich ihrem Blick aus.

" Das heißt: du ekelst dich davor, wenn du in Gedanken mit mir schläfst ?"

Mulder antwortete nicht.

" Aber weshalb ? Was ist so furchtbar daran ? Du hattest doch früher – vor dem Vorfall – eine ganze normale Beziehung zum Sex, oder ?"

" Ja, natürlich," murmelte Mulder. " Ich hatte zwar die letzten Jahre nicht oft eine Beziehung zu einem anderen außer mir selbst, aber ich hatte wenigstens eine Beziehung. Und jetzt ... – ich bin ebenfalls ein Mann, genau wie diese drei Kerle. Ich bekomme die selbe Erregung wie sie, ich erlebe das gleiche beim Höhepunkt, wie diese Kerle. Ich ..."

" Stopp," unterbrach ihn Scully. " Mulder, du kannst und darfst dich nicht mit ihnen vergleichen. Natürlich bist du ein Mann. Natürlich passiert in deinem Körper das gleiche wie bei ihnen. Aber, diese Kerle haben dich verletzt, sie haben dich benutzt. Ihnen war es egal, was du dabei empfindest. Ich glaube nicht, daß du eine Frau jemals verletzt oder benutzt hast, um sexuelle Befriedigung zu erlangen. Und ich glaube auch nicht, daß es dir egal ist, was deine Partnerin dabei empfindet. – Ich meine, diese Kerle haben ein Verbrechen begangen. Sie haben es an dir begangen. Das - das ist genauso, als wenn du jemanden in Notwehr erschießt. Du vergleichst dich dann ja auch nicht mit einem Killer und ekelst dich vor deiner Waffe. Du wurdest bei deiner Arbeit schon so oft verletzt, und trotzdem tust du sie noch immer. Sexualität ist etwas ganz normales. Es gibt nichts, vor dem du dich ekeln müßtest. Was in deinem Körper geschieht, wenn du erregt bist, ist völlig normal, auch deine Gedanken. Du mußt dich auch nicht davor ekeln, wenn du dabei an mich denkst," versuchte sie zu erklären. " Ich denke dabei auch an dich," fügte sie leise hinzu.

Mulder nickte langsam, " ich weiß, aber ..."

" Du bekommst es aus deinem Kopf nicht raus," sagte sie und verstand. " Mulder, du wirst nicht verkümmern, wenn du mal zwei Monate abstinent gelebt hast. Es sei denn, du wärst sexsüchtig. Aber das bist du ja nicht. Zwinge dich nicht zu etwas, zu dem du noch nicht bereit bist. Versuche deine Gedanken auf andere Dinge zu lenken. Sex ist zwar wichtig, aber es ist nicht ‘das‘ Wichtigste. Versuche, an etwas schönes, ruhiges, weiches zu denken. Versuche dich zu entspannen. Lies ein gutes Buch, oder sieh dir einen schönen Film an. Irgendwann kommt das andere dann von ganz alleine und es wird nichts ekliges daran geben. – Diese Kerle, die dir das angetan haben, sind der letzte Abschaum und gar nicht wert, sich wegen ihnen verrückt zu machen. Du zählst zwar auch zur Gattung ‘Mann‘, aber nicht zu dieser. Und niemand, nicht mal du selbst, kann dich mit ihnen auf eine Stufe stellen."

Mulder schwieg. Er hatte seine Ellbogen auf die Knie gestützt und ließ den Kopf hängen. Seine Hände waren so hart zu Fäusten geballt, daß die Knöchel weiß hervortraten.

Scully legte ihre Hand darauf und sah ihn von der Seite an. Sie wartete.

Als er nicht antwortete, fuhr sie fort, " hast du mit Steve schon einmal darüber gesprochen ?"

Langsam schüttelte er den Kopf.

" Du solltest es tun. Steve ist Psychologe und er wird dir eher helfen können, als ich. Ich habe zwar psychologisches Grundwissen, aber nicht diese spezielle Ausbildung. Ich kann dir nur sagen, was ich dazu denke und ich weiß nicht, ob es das ist, was dir helfen wird. Rede mit Steve. Sage ihm, was dir auf der Seele liegt. Ich bin sicher, er hilft dir, es aus dem Kopf zu bekommen und wieder eine normale Beziehung zu dir selbst aufzubauen. Okay ?"

Mulder schloß seine Finger um ihre warme Hand und hob sie langsam zu seinen Lippen. Zärtlich küßte er ihren Handrücken und nickte dann. Als er seinen Blick auf sie richtete, war die Traurigkeit verschwunden. Es stand etwas darin, was Scully nicht genau deuten konnte, was sie jedoch früher schon in seinen Augen gesehen hatte.

" Danke Scully. – Du weißt, ich bin sonst nicht der Typ, der über so etwas ...."

Scully lächelte," ist schon okay. – Wie sieht es aus, magst du hier übernachten ? Ich meine, auf dem Sofa. Es ist schon spät und wir müssen morgen wieder zeitig im Büro sein."

Mulder ließ seinen Blick über ihr Gesicht gleiten, dann schüttelte er den Kopf, " es ist besser, wenn ich nach Hause fahre. Ich muß über einiges nachdenken. – Zudem habe ich da ein unheimlich bequemes Bett," fügte er zwinkernd hinzu und drückte sich in die Höhe.

Scully erhob sich ebenfalls und begleitete ihn zur Tür, " wir sehen uns dann morgen im Büro."

Mulder nickte nur und ging.

***

In dieser Nacht lag Scully noch lange wach. Ihre Gedanken kreisten um Mulder und das, was ihr erst vor kurzem bewußt wurde.

Sie liebte ihn. Sie liebte ihn wirklich. Nicht nur als Freund, oder Partner. Sie liebt ihn als den Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. Das war ihr in dem Augenblick klar geworden, als sie diese Worte im Radio gehört hatte. Sie wunderte sich über sich selbst, daß es so lange gedauert hatte, bis sie zu dieser Erkenntnis gekommen war.

Als sie damals in seinem Hausflur stand und er sie fast geküßt hätte, da wollte sie ihn. Sie wollte ihn mit allem, was dazu gehörte und ohne an die Konsequenzen denken zu müssen. An diesem Tag wäre sie ihm verfallen, wenn nicht diese verdammte Biene dazwischen gekommen wäre.

Sie hätte es jedoch noch früher bemerken müssen. Der stechende Schmerz, der sich in ihr Herz gebrannt hatte, als sie damals Diana Fowley mit Mulder zusammen sah. Es war mehr, als einfache Angst, ihren Partner zu verlieren. Es war die Angst, den Menschen zu verlieren, der ihr am meisten bedeutete. Niemals zuvor war sie eifersüchtig gewesen. Doch damals hatte sie es zu deutlich gespürt. Auch jetzt noch tat es weh, wenn sie ihn mit ihr sah. Der Gedanke daran, daß er mit Agent Fowley ein Verhältnis haben könnte, etwas intimes, ließ sie erschauern und verursachte ihr Übelkeit.

Sie konnte nicht daran denken, daß er mit ihr intim werden könnte, oder es früher sogar war. Und sie hatte Angst. Angst, daß er Fowley auf den Leim ging. Angst, daß sie ihn an diese Frau verlieren könnte.

Sie wußte, sie mußte mit ihm reden, mußte ihm ihre Gefühle gestehen. Mußte ihm sagen, daß sie ihn auch liebte und den Rest ihres Lebens an seiner Seite verbringen wollte.

Ja, sie liebte den Menschen, der vor kurzem in ihrem Wohnzimmer gesessen hatte. Den Menschen, der soviel Vertrauen zu ihr hatte, daß er mit ihr über seine intimsten Probleme sprach.

Sie liebte ihn von ganzem Herzen und wenn er sie wollte, dann war sie bereit, die folgenden Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Dann war sie bereit, sich ihm zu öffnen und dann konnte sie ihm helfen, wieder zu einer vernünftigen Sexualität zurück zu finden.

Gleich morgen wollte sie mit ihm reden. Gleich morgen ...

***

Scully brauchte genau eine Woche, bis sie tatsächlich den Mut aufbrachte. Die ganze Zeit kreisten ihre Gedanken nur darum, wie sie es ihm sagen konnte. Sie konnte schlecht zu ihm gehen, ihm sagen, daß sie ihn liebte und erwarten, daß sie sofort ein Verhältnis hätten.

Sie begehrte ihn, sie wollte ihn – aber sie wollte auch nichts überstürzen. Sie wollte ihm und sich Zeit geben, diese Beziehung aufzubauen.

Und selbst wenn sie seine Gefühle falsch gedeutet hatte, so wollte sie wenigstens sichergehen, daß er ihre kannte. Sie mußte es ihm sagen, ehe es vielleicht zu spät war.

Und so stand sie eines Abends plötzlich vor seinem Apartment. Ihr Herz übertönte das Klopfen an seiner Tür.

Ihre Kehle war trocken.

Lange hatte sie vor dem Haus im Wagen gesessen und an der Fassade hinauf zu dem erleuchteten Fenster gesehen. Sie wußte, daß er Zuhause war.

Doch, war er alleine ? Oder war sie bereits bei ihm, um ihn zu verführen, um ihm den Kopf zu verdrehen und den Verstand zu rauben ? Erst mittags hatte sie Mulder mit ihr auf dem Flur des Bureau gesehen.

Sie schloß die Augen, wartete.

Einen winzigen Augenblick hoffte sie, daß er bereits schlief, oder nur vergessen hatte, daß Licht zu löschen, ehe er fortgegangen war.

Doch im nächsten Augenblick hörte sie seine Schritte hinter der Tür. Er war wach. Und sie wünschte nur noch, daß er tatsächlich alleine war.

Sie hörte es kurz rasseln, dann wurde die Tür geöffnet.

Mulder stand im Rahmen. Seine Haare waren feucht und er trug nur Jeans. Er mußte erst geduscht haben.

" Scully," sagte er erfreut und gab die Tür frei.

Ihr Blick glitt an ihm vorbei, in den Raum hinter ihm.

Schwach sah sie das Flimmern des Fernseher in der Fensterscheibe. Auf dem Couchtisch lag ein kleiner Berg Sonnenblumenkerne.

Er hatte sich demnach einen ruhigen TV Abend gemacht – und er schien alleine zu sein.

Fragend sah er sie nun an, als sie sich noch immer nicht rührte, " ist irgend etwas geschehen ?"

Scully kniff die Lippen zusammen und zog die Augenbrauen in die Höhe, " nein, ich wollte nur ... – ich ..."

" Du wolltest dich davon überzeugen, daß es mir gut geht ?" fragte er amüsiert.

" So in etwa," murmelte sie.

" Komm rein – oder wolltest du schon wieder gehen ?"

Scully schüttelte den Kopf und trat an ihm vorbei in den Flur.

Mulder schloß die Tür und wies mit einer Hand ins Wohnzimmer, " ich kann dir leider nur Wasser und Sonnenblumenkerne anbieten. Ich kam heute nicht zum Einkaufen."

Scully mußte nun doch lächeln, " das ist schon okay. Vielleicht komme ich ja dann irgendwann mal hinter den Trick, wie man diese Dinger am elegantesten knackt."

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder.

Im Fernsehen lief gerade ein Baseballspiel. Mulder deutete darauf und grinste, " die Yankees liegen weit vorne. Noch ein Homerun und sie haben den Sieg sicher in der Tasche."

" Dann komme ich wohl gerade etwas ungelegen."

Mulder nahm sich einen der Kerne, schob ihn in den Mund und brachte ihn mit der Zunge in die richtige Position.

Er wandte sich vom Bildschirm ab und ihr zu. Ein Blick in ihre Augen, und er wußte, daß sie nicht nur gekommen war, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.

Mit einem Schulterzucken, nahm er die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus, " das ist eine Wiederholung und nicht so wichtig."

" Du bist ein schlechter Lügner," erwiderte sie schmunzelnd.

Mulder grinste sie an, " ich versuche mein Bestes. – Was ist los, Scully ? Das es mir gut geht, hast du heute im Büro gesehen und deswegen bist du sicher nicht hierher gefahren."

" Nein. Ich – ich denke, wir sollten reden," begann sie.

Mulder sah sie interessiert an, " ja, sicher, durchaus. – Worüber wollen wir .... reden ? Über das Wetter ? Über Baseball ? Über – was ?"

" Über uns," brachte sie zögernd heraus.

Mulder nahm sich einen weiteren Kern und schob ihn in den Mund.

" Hast du ... – hast du vor, wieder zu kündigen ?" seine Stimme klang belegt, als er dies fragte.

Er fürchtete, sie könnte ‘ja‘ sagen. Er fürchtete, er könnte sie verlieren.

Zu seiner Erleichterung schüttelte sie den Kopf, " nein. Es hat nichts mit der Arbeit zu tun. Zumindest nicht direkt. Ich meinte unsere Beziehung. Die, die wir haben und die ..."

Mulder nickte nur und schwieg.

Scully faßte sich schließlich ein Herz, " Mulder, ich ... ich liebe dich. Ich meine, nicht nur als Freund oder Partner. Sondern ..."

Mulders Augen leuchteten auf. Gebannt sah er sie an. 

" ... ich weiß nicht wann es geschehen ist. Ich weiß nur, daß es geschehen ist. Ich habe mich in dich verliebt und ich habe Angst, dich zu verlieren. Angst, dich an sie zu verlieren. Es tut so weh, wenn ich dich mit ihr sehe. Und ich fürchte mich davor, daß du ihr verfallen könntest," sprudelte es aus ihr heraus.

Mulder legte ihr eine Hand auf den Arm, " wen meinst du mit ‘sie‘ ?"

Scully schwieg kurz und schluckte. " Agent – Diana – Fowley," spuckte sie schließlich verächtlich aus.

Mulder legte seinen Arm um sie und zog sie zu sich heran, " oh Scully. Glaube mir, ihr werde ich nicht mehr verfallen. Dieses Kapitel habe ich vor vielen Jahren schon abgeschlossen. Ich liebe dich, daß habe ich dir schon einmal gesagt und ich habe es ernst gemeint. Ich könnte mit keiner Frau glücklich werden, wenn ich weiß, daß nicht du diese Frau bist. Ich möchte keine andere. Ich möchte dich. Nur dich. – Und ich hätte alle Zeit der Welt gehabt, auf dich zu warten."

Scully schloß die Augen und sank gegen seine Brust. Sie fühlte sich frei und froh und erleichtert.

" Warum hast du mir früher noch nichts davon gesagt ?" fragte Mulder plötzlich leise.

" Ich konnte nicht. Ich war mir über meine eigenen Gefühle nicht sicher."

" Und jetzt bist du dir sicher ?"

" Ja, völlig sicher. Ich liebe dich und ich möchte mein Leben an deiner Seite verbringen."

" Und ich werde niemals mehr von deiner Seite weichen."

Scully hob ihren Kopf und sah ihn an. Sah in seine funkelnden, dunklen Augen und nun verstand sie den Schimmer darin. Es war Liebe und Vertrauen.

" Ich ... – ich war so dumm. Ich hatte Angst, alles umzustoßen und mich in ein Abenteuer zu stürzen, von dem ich nicht wußte, wie es enden würde."

" Was meinst du damit ? Du wärst für mich niemals ‘nur‘ ein Abenteuer, Scully."

" Wir haben eine so gute und schöne Freundschaft. Ich wollte sie nicht aufs Spiel setzen. Es gibt so viele Dinge, die wir noch nicht voneinander wissen. Ich wollte einfach etwas Zeit."

" Scully, wir werden unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Ich meine, wir kennen uns seit 6 Jahren. Wir haben schon so viel miteinander erlebt. Du weißt mehr von mir, als meine Mutter."

Scully nickte, " ich weiß. Aber gerade weil wir uns schon so lange kennen und schon so lange befreundet sind. Du bist der beste Freund, den ich habe. Ich konnte nicht einfach alles abwerfen und freudestrahlend in deine Arme sinken. Ich brauchte Zeit, um mir meiner Gefühle klar zu werden. Um mir klar zu werden, daß es kein Fehler sein wird. Das ich nichts verlieren, sondern gewinnen werde. – Ich bin schon so oft enttäuscht worden. Ich hatte einfach Angst vor dem Schmerz, der darauf folgt."

" Ich werde dich nicht enttäuschen."

" Ich weiß."

" Als ich dir im Krankenhaus sagte, daß ich dich liebe, habe ich nicht erwartet, das wir sofort eine sexuelle Beziehung beginnen. Ich wollte nur, daß du meine Gefühle kennst. Daß du weißt, was ich für dich empfinde. Ich verlange nicht von dir, daß du sofort mit mir ins Bett hüpfst. Ich möchte nur meine Freizeit mit dir verbringen, ich möchte dich einfach in den Arm nehmen und küssen können. Ohne das es dabei einem von uns erst schlecht gehen muß. Ohne das zuvor erst eine Welt zusammen bricht. Ich wollte einfach nur, daß du weißt, daß ich dich liebe. Es geht mir dabei nicht ums Sexuelle." 

Scullys Blick bohrte sich in seinen. Ihre Augen funkelten wie blaue Saphire. Mulder konnte sich an ihnen nicht sattsehen. Fast hypnotisch wirkten die kleinen Lichtpunkte in ihrer Iris.

" Mulder, ich liebe dich."

Mulders Blick glitt von ihren Augen zu ihrem Mund, über ihre weichen, sinnlichen Lippen.

Ihre Zungenspitze tauchte dazwischen auf und fuhr blitzschnell über ihre Oberlippe. Er liebte diese unbewußte Reaktion an ihr. Er liebte ihre Augen, ihre Lippen, einfach alles an ihr. Er könnte sich in diesen Lippen verlieren. Doch er brauchte noch Zeit. Er war noch nicht soweit. 

Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Langsam beugte er sich vor und küßte sie zärtlich auf die Stirn.

Scullys Hände wanderten zu seiner Taille und seinen Rücken hinauf. Langsam zog sie ihn zu sich herunter. Wie ein Hauch berührten ihre Lippen seine.

Sein Blick lag noch immer in ihren Augen. 

Starkes Verlangen und Begierde überfuhr sie. Hart zog sie ihn zu sich heran. Ihr Kuß war jetzt stürmisch und leidenschaftlich.

Ihre Zungenspitze strich über seine zarten Lippen und tauchte dazwischen. Ihre Zunge fand seine, zärtlich umkreiste sie sie, streichelte sie.

Mulder schloß die Augen und sank nach hinten, bis sie auf ihm lag.

Ihre Finger wühlten durch sein Haar und immer wieder stieß ihre Zunge in seine Mundhöhle.

Scully fühlte sich wie im Liebestaumel. Sie wollte nichts mehr, als diesen Mann auf der Stelle mit Haut und Haaren zu verschlingen.

Ihre Hände glitten seinen Hals hinab, über seinen nackten Oberkörper.

Sie spürte, wie auch ihn das Verlangen gepackt hatte. Seine Arme hielten sie fest und seine Lippen, strichen zärtlich über ihren Hals, nippten an ihrem Ohrläppchen und küßten sich zu ihrem Mund zurück.

Seine Finger fuhren unter ihre Bluse. Streichelten ihren Rücken hinauf und beschäftigten sich sehr eingehend mit dem Verschluß ihres BH.

Scully schob sich etwas hinunter. Sanft strichen ihre Lippen seinen Hals hinab, zu seiner Brust.

Ihre Zungenspitze zog eine feuchte Spur über seine nackte Haut.

Mulder stöhnte unter der Berührung leise auf.

Ihre Finger eilten ihrem Mund voraus. Spielten in seinem Bauchnabel und glitten immer tiefer. Schauer der Erregung strömten von ihrem Unterleib durch ihren ganzen Körper.

Sie war nur zu ihm gekommen, um mit ihm zu reden. Sie hatte nicht geplant, daß es mehr werden würde. Sie hatte es nicht erwartet. Doch jetzt war sie nur noch pures Verlangen. Sie wollte ihn verführen, ihn lieben und von ihm geliebt werden. Sie wollte ihn spüren. Ihn in sich spüren.

Ihre Hand glitt unter den Bund seiner Jeans. Sie spürte, wie seine Finger durch ihre Haare fuhren.

Plötzlich schob er sich nach oben und zog sie mit sich.

Irritiert sah sie ihn an. Im nächsten Moment schloß sie entsetzt die Augen. Zu deutlich war der Ausdruck in seinem Blick.

Was hatte sie getan ? Erst eine Woche zuvor hatte er ihr sein Problem anvertraut, und nun hatte sie alles vergessen und nur noch an ihr eigenes Verlangen gedacht. Hatte vergessen, daß er vielleicht noch nicht so weit war.

Mit einer fahrigen Bewegung strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und richtete ihre Kleider, " es ... es tut mir leid. Ich wollte nicht ..."

Mulder zog sie zu sich heran und hielt sie fest. Langsam schüttelte er den Kopf, " nein. Entschuldige dich nicht. Es ist okay. Es ist nicht deine Schuld. Ich wollte es ebenfalls. – Ich fürchte nur, ich brauche dafür einfach noch etwas Zeit."

Scully nickte langsam, " ich weiß. Aber ich hätte daran denken müssen. Ich meine, es ist gerade mal eine Woche her, seit du mit mir darüber ..."

Mulder legte ihr seine Finger auf den Mund und schüttelte tadelnd den Kopf, " nein. Glaubst du, ich hätte uns soweit gehen lassen, wenn ich es nicht selbst gewollt hätte ? Bitte, hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Okay ? – Vielleicht sollten wir es einfach etwas ... – langsamer angehen. Was hältst du von einem Rendezvous ? Ich lade dich morgen Abend zum Abendessen ein. Ich hole dich Zuhause ab und wir suchen uns ein nettes Lokal aus."

Scully sah ihm in die Augen. Sie lächelte und schmiegte sich an ihn, " in Ordnung. Ich freue mich jetzt schon darauf."

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