World of X

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Moment of Love (2)

von Destiny, Enigma

Kapitel #2

Portland
St. John's Memorial
18.02.2001

Schon seit 2 Tagen wich sie nicht von seiner Seite. Und das hatte sichtbare Spuren hinterlassen... Wie schon in den vergangenen Monaten aß sie viel zu wenig und sah dementsprechend für eine Schwangere viel zu dünn aus. Wenn Skinner und Doggett nicht ab und zu etwas zu Essen besorgt hätten, würde sie wahrscheinlich gar nichts zu sich nehmen.
Sie saß einfach nur neben ihm, hielt seine Hand, sprach mit ihm. Doch sie bekam keine Antwort. Denn er lag im Koma. Und diese Tatsache hatte ihre Hoffnungen um ein weiteres Maß sinken lassen. Es zerbrach ihr das Herz nicht mit ihm reden zu können, jetzt wo er wieder da war.

"Dana... ich bitte Sie. Jetzt fahren Sie endlich mal nach Hause. Oder besser noch: Lassen Sie sich fahren. Sie und das Baby brauchen Schlaf, Sie können doch nicht ewig an seinem Bett sitzen. Ich werde hier für Sie die Stellung halten und Sie sofort anrufen, wenn sich an seinem Zustand etwas ändert, ja?"

Scully nickte nur. Im Grunde wusste sie genau dass Skinner recht hatte, doch sie wollte Mulder einfach nicht allein lassen. Sie hatte Angst ihn aus irgendeinem Grund erneut zu verlieren, und das könnte sie nicht ertragen, nicht noch einmal.

"Soll ich Agent Doggett bitten, Sie zu fahren?"

"Bestellen Sie ein Taxi."

"Ich kann Sie fahren", sagte Doggett, der in der Tür stand.

Genau das hatte Scully vermeiden wollen. Nur zu gut hatte sie die vielen Gespräche mit ihm in Erinnerung. Fast schüchtern schaute sie in seine Richtung.

"Sie müssen sich nicht extra Umstände wegen mir machen."

"Es macht mir nichts aus. Wirklich. Kommen Sie schon"

"OK.", gab sie schließlich nach. Sie hatte Skinners Blick gesehen und wollte hier jetzt keine Szene machen. Immerhin waren sie und Doggett zwei erwachsene Menschen.

Sie drückte noch einmal zärtlich Mulders Hand und sprach im Geiste ein Gebet für ihn.

Die ganze Autofahrt über sprachen Doggett und Scully nicht ein Wort miteinander. Scully schaute völlig abwesend aus dem Fenster, immer den friedlich schlafenden Mulder vor Augen, der keine Ahnung davon hatte, dass in ihr sein Kind heranwuchs. Automatisch legte sie eine Hand auf ihren Bauch und schloss die Augen. Doggett bemerkte ihre Geste und sah sie an.

"Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt.

"Es geht mir gut.", antwortete Scully, die Augen immer noch geschlossen haltend.

Doggett seufzte. Er wusste genau dass sie die Unwahrheit sagte. Sie versuchte sich abzuschotten... baute eine Mauer um sich herum auf und ließ keinen hinein... bis auf...

"Mulder..." als sie seinen Namen aus Doggetts Mund hörte, fuhr sie schlagartig mit ihren Kopf herum und sah ihn völlig entgeistert an. "... wird leben."

Sie verstand nicht ganz und gab ihm dies mit einer Geste zu verstehen.

"Ich habe mit einem Arzt gesprochen und der meinte es würde doch ziemlich gut für ihn aussehen."

"Bitte... nicht jetzt..." sagte Scully mit bebender Stimme.

"Sagen Sie nichts, was Sie nicht versprechen können. Ich bin selbst Ärztin und kann das sehr gut allein einschätzen! Außerdem waren Sie doch derjenige der meinte es wäre zu spät und wir könnten nichts mehr für ihn tun", sagte sie verbittert.

"Aber ich wollte doch nur... hey, weinen Sie etwa?"

Scully hatte ihren Blick wieder aus dem Fenster gerichtet. Die Tränen kullerten ihre erröteten Wangen hinunter. Sie konnte Doggett jetzt nicht in die Augen sehen, sie würde seinem durchdringenden und forschenden Blick nicht standhalten können und völlig zusammenbrechen. Doch sie wollte sich nicht erneut die Blöße vor ihm geben, sie musste versuchen stark zu bleiben.

>>>Du hörst jetzt auf zu weinen, Dana.<<< , hämmerte sie sich ein. >>>Sei stark.<<<

Scully lehnte ihren Kopf an die kalte Scheibe. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, so, das Doggett es nicht sehen konnte. Hilflos saß er neben ihr. Er kam sich so nutzlos vor, dabei wollte er doch nichts anderes als ihr helfen. Aber Scully ließ niemanden an sich heran. Sie verbarrikadierte sich wieder und wollte mit allem alleine fertig werden.
Resigniert wandte sich Doggett wieder der Straße zu. Er konnte sie ja schließlich zu nichts zwingen. Er atmete hörbar aus. Ein ungemütliches Schweigen machte sich im Wagen breit.
Scully versuchte verzweifelt sich wieder unter Kontrolle zu bringen Sie schluchzte leise und wischte sich die Tränen weg. Tief durchatmend setzte sie sich wieder gerade hin.

"Nein... nein, mir geht es gut", brachte Scully mit gebrochener Stimme hervor.

Doggett warf ihr einen Seitenblick zu der tausend Bände sprach. Er glaubte ihr kein Wort. Insgeheim konnte Scully ihm das nicht verübeln, da sie ihren Worten selbst keinen Glauben schenkte. Ihr ging es überhaupt nicht gut! Sie war fertig. Sie konnte nicht mehr. Sie fühlte nichts mehr von der Stärke, von der sie glaubte, sie je besessen zu haben.
Mulders Leben hing am seidenen Faden... und die Chancen standen mehr als schlecht... das wusste sie. Da bräuchte ihr niemand zu erzählen, dass alles wieder gut werden wird, wenn sie doch selbst wusste, dass dies nicht der Fall war.
Der einzige Grund, warum sie jetzt nicht ganz aufgab, war das Baby. Es war ihr einziger Halt in der Realität... Wenn sie sich jetzt selbst aufgab, gab sie auch ihr Kind auf und... und auch Mulder. Nein, das würde sie nicht machen. Sie würde es schaffen... irgendwo in ihrem tiefsten Inneren fühlte sie, dass es noch einen winzigen Hoffnungsschimmer gab. Es war wie ein dünner Strohhalm... und es war alles, was sie noch hatte.

Scully blickte kurz zu Doggett rüber. "Fahren Sie mich einfach nur nach Hause, ja?" Es war nur ein Flüstern und Doggett wusste, dass es jetzt keinen Sinn machen würde, sie dazu zu bewegen mit ihm zu reden, geschweige denn sich ihm zu öffnen.

"Ja... klar", antwortete er schließlich und um dies zu zeigen, legte er gleich den nächsten Gang ein und gab noch mehr Gas. Immer wieder schaute er während der Fahrt zu Scully rüber und versuchte etwas zu sagen. Doch jedes Mal überlegte er es sich anders.
Wieder wurde die Fahrt von einem unangenehmen Schweigen begleitet. Sie schien wie eine dicke Regenwolke über ihnen beiden zu hängen. Scully atmete hörbar aus, als sie ihr Haus sah.
Sie schnallte sich ab und griff mit ihrer Hand zum Türgriff, doch Doggett hielt sie auf, indem er leicht ihren Arm berührte. Sofort drehte sie sich zu ihm um und sah ihn zunächst geschockt an. Sie hoffte, dass er sich sehr wohl darüber im Klaren war, dass dies die Sache nicht vereinfachte. Nachdem sich der Schock einigermaßen gelegt hatte, setzte sie sich wieder zurück und sah ihn fragend an.

"Ähm... kann ich Ihnen vielleicht noch irgendwie helfen? Sie vielleicht noch raufbringen... oder Ihnen noch etwas bringen?"

Scully öffnete ihren Mund, um etwas zu erwidern, doch überlegte es sich anders. Statt dessen schüttelte sie nur leicht mit dem Kopf. Sie blickte Doggett kurz in die Augen und er ließ sie gehen. Scully öffnete die Tür und stieg aus. Gerade als sie die Tür wieder schließen wollte, drehte sie sich nochmals zu ihm um.

"Uhm... und danke, nochmals." Doggett lächelte sie leicht gequält an.

"Gern geschehen... immer wieder", fügte er leise hinzu. Als Scully dies hörte, hielt sie kurz inne. Doggett bemerkte dies und verfluchte sich dafür, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. Scully schluckte schwer und setzte ihren Weg unbehindert fort, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Doggett startete den Wagen und machte sich auf den Weg zurück zum Krankenhaus. Er war fast schon angekommen, als sein Handy begann zu klingeln. Schnell zog er es aus seiner Manteltasche und nahm das Gespräch entgegen.

"Ja?"

"Agent Doggett, hier spricht Skinner. Ist Scully noch bei Ihnen?", fragte Skinner besorgt. Aus seiner Stimmlage konnte Doggett schließen, dass er wahrscheinlich keine guten Nachrichten haben wird.

"Nein... nein, sie ist nicht bei mir. Ich habe sie gerade nach Hause gebracht und bin jetzt wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Wieso fragen Sie? Ist irgendwas passiert?"

Skinner atmete einmal hörbar ein. "Die Ärzte wollen die Maschinen abstellen. Sie hatten ihm zwar anfangs gute Chancen eingeräumt, aber vor wenigen Augenblicken gab es Komplikationen und es sieht mehr als schlecht aus. Sie sagen, dass es keine Möglichkeit mehr geben würde, dass er noch einmal wieder zurückkommen wird." Skinner verstummte.

"Oh... mein Gott! Haben Sie Scully das schon gesagt?"

"Nein." Skinner klang betroffen. Er wollte Scully nicht die schlechten Nachrichten überbringen, aber er musste es tun. Er sah es als seine Pflicht, sie von diesen Qualen zu erlösen...
"Ich werde gleich zu ihr fahren und es ihr persönlich sagen..."

"'Kay... ich bin in zehn Minuten im Krankenhaus und werde dann noch solange bei Mulder bleiben..."

"Machen Sie das." Skinner legte auf und damit war das Gespräch beendet. Doggett ließ langsam sein Handy sinken. Schwer atmete er aus. Benommen schüttelte er den Kopf. Alles geriet vollkommen aus der Bahn. So sollte das doch alles nicht laufen... Am liebsten hätte er alles noch einmal zurück gespult und von vorne angefangen. Aber das konnte er nicht und so musste er versuchen damit umzugehen. Seitdem er bei der Suche nach Mulder beteiligt war, hatte er das Gefühl, dass alles nur noch drunter und drüber lief. Nichts schien mehr an seinen Platz zu sein. Zu viele neue Dinge stürzten über ihn ein.
Und das er jetzt noch versagt hatte, traf ihn besonders hart. Mulder würde nicht mehr leben.


Georgetown
Scully's Apartement
24.02.2001
23:21 Uhr

Skinner hatte ihr davon berichtet, dass es keine Chance mehr für ihn gab. Scully konnte im ersten Moment gar nichts sagen. Sie hatte einfach nur dagestanden und ihn angestarrt, so als ob er ein Geist wäre. Abwesend hatte sie nur mit ihren Kopf genickt und nur langsam hatte sie realisiert, was Skinner ihr da gesagt hatte. Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht.
Morgen würde es soweit sein. Er wird tatsächlich begraben. Morgen. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dabei hatte es doch zwischenzeitlich so gut ausgesehen... Was war nur geschehen? Es gab doch schon so viele Menschen die wieder aus einem Koma erwacht sind. Warum konnte er nicht unter ihnen sein? Und überhaupt? Warum so schnell? Sie erinnerte sich an eine Begebenheit, es musste vor etwa 4 Jahren gewesen sein, da erwachte eine Frau aus einem 7-jährigen Koma. Warum wollte man ausgerechnet in diesem Fall nicht warten? Und würden es noch so viele Jahre sein... Sie hätte immer an seiner Seite sein können. Hätte mit ihm reden können... er hätte wahrscheinlich nicht darauf reagiert, aber er hätte es mit Sicherheit registriert... Das konnte nur ein böser Traum sein. Wahrscheinlich waren die dafür verantwortlich...
Sie entkleidete sich langsam. Erschöpft ließ sie ihren Mantel fallen. Dann ging sie ins Badezimmer und ließ sich ein heißes Bad ein. Als sie in das Wohnzimmer zurückkam, entdeckte sie ihr Tagebuch. Sie hatte es die letzten Tage mit im Krankenhaus gehabt und ihre Gefühle niedergeschrieben. Auf diese Weise verarbeitete sie ihren ganzen Schmerz, der sie mittlerweile schon 5 Monate begleitete. 5 Monate ohne Mulder... Sie blätterte ein wenig darin und blieb an ihrem letzten Eintrag hängen. Er war gerade mal 2 Tage alt. Als sie die ersten Zeilen überflog, stockte ihr schon der Atem. Je mehr sie las, desto melancholischer wurde sie. Das konnte sie jetzt nicht gebrauchen... Allein der Fakt, dass er morgen beerdigt werden würde... Energisch klappte sie das Tagebuch zu und verstaute es in eine Schublade. Irgendwann würde sie wieder darin lesen... irgendwann...


Washington D.C.
25.02.2001
Friedhof

Mit gemischten Gefühlen betrachtete sie die Menschenmasse. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Mulder je so viele 'Freunde' gehabt hatte. Natürlich waren unter den vielen Leuten die Einsamen Schützen und einige, denen Mulder und Scully im Laufe ihrer 8-jährigen Zusammenarbeit hatten helfen können, aber sie wunderte sich über die große Anzahl von 'Freunden' aus hohen Kreisen. Wahrscheinlich wollten die nur sicher gehen, dass ihr 'Spooky' Mulder auch wirklich tot war und keinen Ärger mehr machte. Sie entließ einen leisen Seufzer und schloss die Augen. Was sie am meisten an der ganzen Sache nervte, waren die vielen Mitleidsbekundungen. Sie hatte das Gefühl, das viele unehrlich waren und das machte sie traurig und wütend zugleich.
Mittlerweile stand sie schon 10 Minuten einfach nur da und wartete. In ihrem tiefsten Innern hoffte sie, dass sie vielleicht aus diesem bösen Traum erwachen würde. Doch auf diesen Gefallen konnte sie lange warten. Sie musste damit fertig werden. Ihr schlimmster Alptraum war Wirklichkeit geworden. Jetzt war sie allein. Sie trug zwar einen Teil von ihm in sich, jedoch zerbrach es ihr schon jetzt das Herz ihre Freude über das Baby nicht mit ihm teilen zu können. Im nächsten Moment verfluchte sie sich und ihre ständigen Gedanken, die sie nicht abstellen konnte. Das ewige Hin- und Herüberlege, wie es wohl ohne ihn werden wird... Ohne Ihn. Ohne Mulder... es war zwecklos... Sie platzierte eine Hand auf ihren leicht angeschwollenen Bauch und stützte sich mit der anderen an einem Baum ab.

"Dana, Liebes."

Ein erschöpftes und zittriges: "Mom." war alles was sie im Moment sagen konnte.

"Bist du sicher dass du das schaffst?"

"Hm."

"Ich weiß wie schwer das für dich ist. Es würde dir keiner übel nehmen wenn du nicht die ganze Zeit anwesend bist. Du kannst dich auch in den Wagen setzen, wenn du denkst dass du das nicht schaffst."

"Mom. Es geht schon. Ich möchte... ich muss mich doch ordentlich von ihm... verabschieden." Das letzte Wort versetzte ihr einen neuen Stich.

Margaret legte den Arm um ihre Tochter und ging dann langsam mit ihr auf die Menschenmenge zu. Scully konnte schon von weitem erkennen, dass Frohike unter seinem Mantel eine Flasche mit Alkohol versteckte. Das war deren Art mit dem Schmerz umzugehen. Obwohl Dana keinen Alkohohl trank, so verspürte sie plötzlich den Drang einen kräftigen Schluck zu nehmen. Ob davon der Schmerz tatsächlich weniger werden würde? Doch sie verwarf den Gedanken sofort wieder, schließlich wuchs ein Baby in ihr heran.

Je näher sie dem offenen Grab kamen, desto mehr verkrampfte sich Danas Körper.
Kurz bevor sie es erreicht hatten, blieb sie noch einmal kurz stehen, um sich zu sammeln. Ein paar Sekunden später nickte sie ihrer Mutter zu und sie gingen die letzten Schritte. Scully blieb fast das Herz stehen, als sie das Grab mit dem Sarg sah. Sie holte tief Luft und hielt sich die Hand vor dem Mund. Margaret warf ihr einen besorgten Blick zu und drückte kurz die Hand ihrer Tochter. Scully sah sie dankbar an und stellte sich dann neben Skinner. Doggett stand schräg hinter ihr und schaute sie mitfühlend an. Scully ignorierte seine Blicke und starrte weiterhin auf das Grab. Sie konnte es immer noch nicht glauben.
Der Pfarrer sah von seiner Bibel in der Hand auf und blickte die Trauergäste an. Bevor er mit der eigentlichen Predigt anfing, las er noch Psalm 23 "Der gute Hirte" vor.

"'Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf seiner grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde,
Du salbest mein Haupt mit Öl und Du schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.'"

Er blickte wieder von seiner Bibel auf und begann mit der eigentlichen Zeremonie.

"Wir haben uns heute hier versammelt, um den Verlust von Fox William Mulder zu betrauern. Wir trauern um den geliebten Sohn, Freund und hervorragenden Agenten. Wir betrauern nicht nur das Hinscheiden eines Mannes, der sein Leben wohl nicht immer nach den Maßstäben seiner Vorgesetzten und Freunden gelebt hat, sondern vielmehr auch das Hinscheiden der Liebe, die in seinen Herzen gewohnt hat. Wir trauern darum, ihm nie wieder die Bewunderung und den Respekt zollen zu können, den all seine Kollegen für ihn empfanden..." Bei dem Wort "Respekt" lachte Scully innerlich auf und auch Skinner schien diese ironische Anmerkung nicht entgangen zu sein. Sie sahen sich einen Moment an. Scully lächelte traurig und Skinner schaffte es nur mit seinem Kopf zu schütteln. Viel Respekt hatten die Mulder nicht entgegen gebracht... sie hatten ihn vielmehr immer ausgelacht und als verrückt abgestempelt. Und als Scully daran dachte, dass sie ganz am Anfang nicht viel anders gedacht hatte, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken runter. Wie konnte sie damals nur glauben, dass er verrückt war? Er entsprach vielleicht nicht dem Idealbild eines FBI-Agenten, durch seine merkwürdigen Ideen und Ermittlungsmethoden, aber er war der beste Agent, den sie kannte... und jetzt war er noch so viel mehr.
Scully zwang sich, dem Pfarrer weiter zuzuhören.

"... Wir trauern um den Verlust seines Lachens und seinem Humor, wie er es immer wieder schaffte, seine Freunde und Liebsten in seinen Bann zu ziehen. Er wird uns allen fehlen und möge der Herr ihn segnen und ihn zu sich aufnehmen. Er wird jetzt ein besseres Leben dort führen, wo er jetzt ist und nicht mehr die Qualen dieser Welt erleiden müssen, die ihm hier auf Erden zugefügt wurden. Er ist jetzt befreit und wird hoffentlich Frieden finden. Fox Mulder hinterlässt keine Familie..."

>>>Doch, das tut er.<<<, korrigierte Scully ihn in Gedanken. Sie begann leise zu schluchzen und legte ihre Hand auf den Bauch. Als Skinner das Schluchzen hörte, sah er zu Scully und bemerkte, wie sie ihren leicht gewölbten Bauch streichelte. Immer mehr bestätigte sich sein Verdacht... Mulder hinterlässt doch eine Familie. Wenn er mit seiner Vermutung recht hatte, wird Scullys Kind nie seinen Vater kennenlernen. Bei diesen Gedanken musste er schwer schlucken. Er sah sie mit einem wissenden Blick an und schaute dann auf ihren Bauch. Obwohl er nichts sagte, wusste Scully, was er gerade dachte und sie schloss ihre Augen. Sie gab ihm zwar nicht ihre Bestätigung, aber das brauchte sie auch nicht. Jetzt kannte Skinner auch noch ihr zweites kleines Geheimnis.

"... und wir hoffen alle, dass er seine Familie wieder findet und dort mit ihnen weiterleben kann. Dort ein besseres und ruhigeres Leben finden wird. In Frieden. Möge der Herr ihn als seinen Sohn aufnehmen." Der Pfarrer beendete seine Rede und nickte Skinner zu. Dieser trat aus der Menge hervor und nahm den Platz des Pfarrers ein. Er hatte sich seine ganze Rede eigentlich auf einen Zettel geschrieben, aber jetzt wo er hier stand, brauchte er ihn nicht mehr. Er blieb eine Weile ruhig stehen und sammelte sich. Er war zwar eine Autoritätsperson und eigentlich hatte er auch nicht vor sich hier vor den ganzen Leuten die Blöße zu geben, aber als er zu Scully blickte, überkamen ihn seine Gefühle und Tränen bildeten sich in seinen Augen. Mit zitternder Stimme begann er seine Grabrede zu halten.

"Ich, als Agent Mulders direkter Vorgesetzter, hatte die letzten acht Jahre das Vergnügen mit ihm zusammen zu arbeiten. Aber wir kennen uns schon länger und mir ist noch nie in meiner Laufbahn ein Mensch wie Agent Mulder begegnet. Ich war nicht immer mit seinen Arbeitsmethoden einverstanden und er trieb mich auch oft zur Weißglut, aber ich kannte niemanden, der mit solch einer Leidenschaft an seine Arbeit ging, obwohl er noch nicht einmal wusste, ob er überhaupt sein Ziel erreichen würde... aber er kämpfte und im Laufe der Jahre, fand er noch andere Menschen, die sich mit ihm auf die Suche begaben..." Dabei schaute er Scully an und er konnte sehen, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
"Ich war auch einer von ihnen, auch wenn ich es nicht immer zeigte. Ich habe ihn für seinen Ehrgeiz bewundert und ich habe viel von ihm gelernt. Im Laufe der letzten Jahre lehrte er mich, was es heißt zu kämpfen und an etwas zu glauben. Er glaubte fest daran eines Tages seine Schwester wieder zu finden, nach der er bereits dreiundzwanzig Jahre suchte. Er brach fast alle Regeln die es zu brechen gab um nach ihr zu suchen und handelte sich dadurch sehr viel Ärger ein... aber er glaubte daran und das war das Einzige, was für ihn von Bedeutung war.
Mit Mulder haben wir nicht nur einen hervorragenden Agenten verloren, sondern auch einen außergewöhnlichen Menschen. Ich hatte nie die Chance ihn richtig kennen zu lernen und dies bedaure ich jetzt. Nur wenige Menschen hatten das Glück sein wahres Ich zu sehen. Ich denke, wir sollten ihn nicht als den verrückten Agenten ‚Spooky-Mulder' in Erinnerung halten, sondern als das was er wirklich war. Ein liebenswürdiger Mensch, der nichts weiter wollte, als Gerechtigkeit... und diese bezahlte er mit seinem Leben. Er hat vieles auf sich genommen und ich hoffe, dass er sein persönliches Ziel erreicht hat." Skinner beendete seine Rede und wischte sich schnell die Tränen aus seinen Augen. Er ging zurück zu seinem Platz und schaute zu Scully, die ihn weinend ansah. Ihre Unterlippe zitterte.

"Sir..." hauchte sie. Mehr brachte sie nicht über die Lippen. Skinner nickte ihr zu und drückte sanft ihre Schulter.

"Möchte noch jemand etwas sagen?", fragte der Pfarrer und sah alle Anwesenden an.

Scully sammelte sich wieder und schritt aus der Menge heraus.

"Dana, Schatz... du musst das nicht tun.", versuchte ihre Mutter sie aufzuhalten.

"Doch, Mom. Ich muss. Das bin ich ihm schuldig." flüsterte sie und trat etwas näher an Mulders Grab. Alle Augen waren auf sie gerichtet und Scully fühlte sich unwohl unter den ganzen Blicken, aber sie würde jetzt keinen Rückzieher machen. Sie wollte Mulder wenigstens noch seine letzte Ehre erweisen.

"Ich... ähm... ich hatte mir eigentlich meine ganze Rede aufgeschrieben, damit ich auch ja nichts vergesse... aber... das was ich ihm noch alles sagen wollte, kann ich gar nicht in Worte fassen. So vieles blieb noch ungesagt und erst jetzt erkenne ich, dass ich meine Zeit verschwendet habe. Damit meine ich nicht unserer Arbeit... nein, sie war alles..."

Scully holte tief Luft und versucht den Kloß herunter zu schlucken, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.

"... sie war alles für ihn und schließlich auch für mich. Mulders Lebensaufgabe wurde auch zu der meinen. Ich... ähm... ich wurde vor ca. acht Jahren Agent Mulder als Partnerin zugeteilt, und wenn ich über die letzten Jahre nachdenke und dies mit meinem vorigen Leben vergleiche, muss ich sagen, dass sie die besten Jahre meines Lebens waren. Er half mir dabei, die Welt mit anderen Augen zu betrachten... ich... ich weiß, dass wir beide nicht oft einer Meinung waren... eigentlich waren wir das fast nie... aber genau das machte unsere Zusammenarbeit aus..."

Scully lachte kurz auf bei dem Gedanken an die vielen Auseinandersetzungen, die sie mit Mulder gehabt hatte und sofort übermannten sie die Gefühle wieder, aber sie schaffte es, sie unter Kontrolle zu bringen.

"Mulder wurde zu meinem besten Freund. Wenn nicht sogar zu meinem Einzigen. Er war der Mensch, dem ich voll und ganz vertrauen konnte. Ich bin mir nicht sicher, ob es dort draußen noch so einen Menschen gibt, dem ich so vertrauen kann, wie ich ihm vertrauen konnte. Er... er war der Einzige, der mich nicht als "Ice-Queen" sah... er war der Einzige der mich verstand. Zu ihm konnte ich immer gehen... Tag und Nacht... er war immer für mich da...
Viele unserer Kollegen dachten, dass Agent Mulder nur hinter grünen Männchen herjagen würde... aber das stimmte nicht... und man lachte immer über ihn und hielt ihn für krank, weil er an etwas glaubte, dass man nicht mit der Wissenschaft oder irgendwelchen Gesetzen beweisen konnte... er wurde zu einem Außenseiter und ich als seine Partnerin ebenfalls... niemand hat verstanden, warum ich bei ihm geblieben bin. Ich als Wissenschaftlerin hätte doch wissen müssen, dass nichts von dem wahr ist, was Mulder untersuchte... aber es gibt mehr als das, was man mit der Wissenschaft beweisen kann. Und dies zeigte mir Mulder. Ich sah und erlebte Dinge, die ich nie für möglich gehalten hätte... und auch wenn es teilweise schlimme Erfahrungen waren, möchte ich doch keinen Tag ändern. Keinen einzigen...
Ich denke, der Grund warum viele Mulder nicht mochten war der, dass sie ihn nicht kannten. Sie schauten nicht hinter die Fassade... sie machten sich nicht die Mühe ihn richtig kennen zu lernen. Ich habe mir diese Mühe gemacht und was ich dort gefunden hatte, war ein Mann, der... der..."

Scully stoppte mitten im Satz und man merkte, dass sie um ihre Fassung rang. Mit zitternder Stimme sprach sie weiter:

"... der... Entschuldigung..."

Sie wischte sich ihre Tränen weg und ihr fiel es schwer weiter zu sprechen.

"... der einmalig war... etwas anderes fällt mir nicht ein... Er hatte... er hatte einen großartigen Sinn für Humor. Viele verstanden seinen Art von Humor nicht, da er meistens doch recht makaber war, aber er schaffte es immer wieder etwas Licht ins Dunkle zu bringen... und dafür danke ich ihm... denn ohne diesen Humor und seine Art an die Dinge heran zu gehen, wüsste ich nicht, ob ich das alles überstanden hätte...", langsam schweifte Scully in alte Erinnerungen ab.
"Ich... ich kann mich noch an eine Unterhaltung mit ihm erinnern. Für einige dürfte dies jetzt vielleicht keinen Sinn machen, aber für mich macht es Sinn und ich hoffe, dass er recht hatte... er... er erzählte mir, dass die Sterne Milliarden von Jahren alt wären und ungehindert durch die Zeit reisen und dass die verlorenen Seelen im Sternenlicht nach einem neuen Zuhause suchen. Sie werden nie aufhören zu reisen und immer über uns wachen... Damals habe ich nicht verstanden, was genau er damit sagen wollte, aber heute versteh ich es. Es mag vielleicht sein Körper gestorben sein, aber sein Wesen... seine Seele wird immer weiter leben und über uns wachen und uns leiten... ich hoffe nur, dass er recht hatte und jetzt dort im Sternenlicht ist..."

Scully machte eine kurze Pause und alle Anwesenden schauten sie nur ungläubig an, bis auf Skinner, der wusste wovon sie da sprach. Sie hätte sich denken können, dass es niemand verstand und das war auch ein weiterer Grund, warum sie Mulder nicht mochten oder ihn nicht für voll nahmen. Sie verstanden seine Gedanken nicht.

"Ich... ich... habe während dieser Jahre mit Mulder einige Verluste erlitten. Meine Schwester ist gestorben... und... und auch meine Tochter, aber ich werde ihm nicht dafür die Schuld geben. Einige werden das vielleicht nicht verstehen, weil sie denken, dass, wenn ich mich von ihm getrennt hätte, dies alles nicht passiert wäre und damit könnten sie auch recht haben... aber, auch wenn es so erscheint, als ob wir nichts erreicht haben, so haben wir dies doch. Dies ist keine Entschuldigung für meine und auch seine Verluste... aber dadurch wurden mir die Augen geöffnet und Mulder zeigte mir eine Welt, die ich immer verdrängt hatte.
Ich... ich könnte jetzt noch so viel sagen, aber das wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt... nur noch eins. Mulder hat mehr als nur ein paar Arbeitskollegen zurückgelassen..."

Scully biss sich auf die Unterlippe und den letzten Satz brachte sie unter Tränen hervor. Jetzt schaffte sie es nicht mehr, ihre Fassade aufrecht zu halten. Sie hielt sich ihre Hände vors Gesicht und ging leicht in die Hocke.
Doggett versuchte sich durch die Reihen zu zwängen und ging hinüber zu Scully. Er nahm sie an den Arm und wollte sie von dem Sarg wegführen, aber Scully wehrte sich.

"Nein, nein... bitte... ich muss mich doch noch richtig verabschieden...", flehte sie Doggett an.

"Kommen Sie, Dana, lassen Sie uns gehen."

Scully startete den Versuch sich zu wehren, aber sie gab es sofort wieder auf. Doggett führte sie langsam wieder zurück und Margaret schritt auf ihre Tochter zu und nahm sie in die Arme.

Der Pfarrer nahm wieder seinen Platz ein und beendete die Zeremonie.

"Lasst uns jetzt für seinen ewigen Frieden beten..."

Alle Trauergäste senken betroffen ihre Köpfe und falteten ihre Hände.

"Wenn ich auferstehe, weil ich das Leben hinter mich gelassen habe, werde ich erneut geboren. Ich werde wieder glauben, weil er an mich glaubt. Und wer auch immer leben mag und an mich glaubt, soll niemals sterben...
Asche zu Asche. Staub zu Staub."

********

Die meisten der Anwesenden gingen noch an Mulders Grab und warfen zum Abschied Rosen auf den Sarg. Scully und ihre Mutter waren nur noch die Einzigen, die übrigblieben.

"Komm schon, Dana, Schatz, lass uns gehen."

"Mom, würde es Dir etwas ausmachen, wenn Du mich für einen Moment mit ihm alleine lässt? Ich würde mich noch gerne richtig von ihm verabschieden."

Margaret nickte ihrer Tochter zu und entfernte sich langsam von ihr. Sie lehnte sich gegen den Baum, wo Scully sich schon zuvor gegen gelehnt hatte und beobachtete Dana.

Scully schritt auf das Grab zu und blieb davor stehen. Sie blickte mit einem leeren Blick auf den Sarg. Wie in Zeitlupe griff sie in ihre Manteltasche und zog eine Handvoll Sonnenblumenkerne heraus.

"Hey, Mulder, ich habe dir Deinen Lieblingssnack mitgebracht... Mulder, du wirst dein Kind nie kennenlernen, aber ich verspreche dir, dass ich ihm oder ihr alles über seinen oder ihren Vater erzählen werde. Ich werde alles versuchen, dass es ein gutes Leben hat und ich werde weiter an den X-Akten arbeiten. Ich werde die Leute finden, die dafür verantwortlich sind und ich werde mich rächen... ja, ich weiß, was du jetzt sagen wirst... ich werde die Leute nie finden, die das getan haben, aber ich kann nicht einfach so tun, als ob all dies nicht geschehen wäre... Mulder, ich hatte dir noch so viel zu sagen... aber jetzt werde ich nie wieder die Chance haben, dir all dies zu erzählen. Mulder, du warst immer der Teil in meinen Leben, der mich vervollständigte, der mich zu etwas Ganzen machte... du warst mein einziger Halt, meine Konstante... jetzt habe ich all dies verloren..." Scully begann wieder leise zu weinen, aber sie zwang sich dazu weiter zu reden:

"Mulder, Du warst der Grund, warum ich all die Jahre weiter gemach habe und jetzt, wo du nicht mehr da bist, ist unser Baby der einzige Grund, warum ich noch weiter machen werde. Ich... ich werde dich nie vergessen... und für immer lieben... bis in alle Ewigkeit..." Scully streckte ihre Hand aus und öffnete diese langsam. Die Sonnenblumenkerne fielen einzeln aus ihrer Hand ins Grab.

"Auf Wiedersehen, Mulder."

Scully atmete tief durch und drehte sich dann um. Mit langsamen und schwankenden Schritten entfernte sie sich vom Grab. Sie blieb stehen und versuchte das Schwindelgefühl, welches über sie kam, wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Margaret Scully stieß sich vom Baum ab und blickte besorgt zu ihrer Tochter. Irgendwas stimmte nicht mit ihr. Sie machte ein paar Schritte in ihre Richtung und schätzte die Situation ab. Dann begann sie zu laufen.

"Dana!"

Scully blickte zu ihrer Mutter auf und verdrehte die Augen. Alles begann sich zu drehen. Scully schwankte nach hinten und dann gaben ihre Beine unter ihr nach. Maggie rannte auf ihre Tochter zu, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihre Tochter unsanft zu Boden fiel.

"Oh mein Gott, Dana!", schrie sie verzweifelt. Durch die plötzlichen Schreie wurden auch die anderen alarmiert und Skinner und Doggett rannten sofort zu Scully. Skinner war als erstes bei ihr angekommen und hob sie auf. Ihr Körper hing schlaff in seinen Armen.

"Dana, Schatz, kannst du mich hören?" Maggie schaute besorgt ihre Tochter an. Skinner ging mit Scully auf den Arm schnell zu Doggett rüber.

"Agent Doggett, schnell, rufen Sie einen Krankenwagen!" befahl Skinner ihm. Doggett nickte ihm zu und zog schnell sein Handy aus seiner Tasche.

Nur ein paar Minuten später war der Krankenwagen da und man legte Scully auf eine Trage. Schnell wurde sie in den Krankenwagen geschoben und ihre Mutter stieg gleich mit ein. Sie wich nicht von ihrer Seite. Doggett und Skinner sahen zu, wie der Krankenwagen schnell davon fuhr.

"Es war einfaches alles zu viel für sie." folgerte Skinner.

"Es war nur eine Frage der Zeit. Sie hätte dem Druck und dem Schmerz nicht mehr lange standhalten können."

Skinner schaute ihn von der Seite an und nickte dann leicht mit dem Kopf. Es war wirklich alles zu viel. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht wie es jetzt weitergehen sollte. Wie es mit Scully weitergehen sollte. Sie war schwanger, wahrscheinlich mit Mulder's Kind und jetzt war sie ganz auf sich allein gestellt. Gut, sie hatte ihre Familie und er würde ihr auch helfen, wo er nur konnte, aber all dies konnte Mulder nicht ersetzen. Ob er wusste, was er zurücklässt? Ein Kind, das ohne seinen Vater aufwachsen wird...

"Ähm... Sir?", riss Doggett Skinner aus seinen Gedanken.

"Ja, Agent Doggett?"

"Ich weiß, dass das jetzt vielleicht nicht angebracht ist, aber... aber da wir Mulder jetzt gefunden haben und er jetzt tot ist... werde ich da noch weiter an den X-Akten arbeiten?"

Skinner schaute ihn einige Sekunden an. Doggett wusste nicht, was er aus diesem Blick schließen sollte. Wenn Skinner ehrlich war, hatte er sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Alles drehte sich in letzter Zeit um Mulder und da blieb für andere Dinge keine Zeit. Er nahm seine Brille ab und rieb sich den Nasenrücken.

"Agent Doggett, darüber habe ich mir im Moment noch keine Gedanken gemacht. Am besten Sie besprechen das mit Kersh. Er ist ihr Vorgesetzter. Er wird schon wissen was zu tun ist."

Aus den letzten Worten konnte Doggett die Verachtung heraus hören, die Skinner Kersh gegenüber hatte. Wer weiß, was da schon alles vorgefallen war.
Doggett räusperte sich und wandte sich dann von Skinner ab. Er fühlte sich, als ob er zwischen zwei Stühlen sitzen würde. Auf der einen Seite wollte er seine Befehle befolgen, Befehle von Kersh, und auf der anderen Seite waren da Scully und Skinner. Ihre doch teilweise unkonventionellen Arbeitsmethoden und auch verrückten Ideen. Aber irgendwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er ihnen mehr Beachtung schenken sollte. Vielleicht hatten sie ja recht und es war alles von Anfang geplant. Dass er auch nur ein Marionette in einem Spiel war, das kein Ende finden wird. Dass die ihn nur benutzten, um ihre Arbeit fortzusetzen. Und auch, dass sie von Anfang an vor hatten ihn zu ruinieren. Er sollte eigentlich nie erfolgreich sein... und im Grunde war er das auch nicht. Wie sollte er erklären, dass Mulder wieder aufgetaucht? Er kannte die Wahrheit und auch Kersh kannte die Wahrheit, aber das tat hier nichts zu Sache. Würde er sie in seinen Bericht schreiben, könnte er einpacken. Seine Karriere beim FBI wäre dahin.
Kopfschüttelnd machte er sich auf den Rückweg. Er wusste nicht, was das Richtige war.

Skinner blieb noch eine Weile stehen und starrte auf das Grab. So hatte also die Suche nach der Wahrheit geendet. War das der Preis, der gezahlt werden musste, dass alles wieder von Vorne anfing? War das wirklich der Preis?
Skinner machte sich ebenfalls auf den Rückweg und diese Frage schwirrte ihm die ganze Zeit durch den Kopf, aber er kannte nicht die Antwort darauf.


Memorial Hospital
1 Stunde später

Benommen öffnete Scully ihre Augen. Alles war so verdammt hell. Sie murmelte etwas Unverständliches und schloss dann wieder ihre Augen. Maggie, die neben Dana am Bett saß, schaute erstaunt zu ihrer Tochter auf. Sie strich zärtlich über Danas Wange und sprach auf sie ein.

"Dana, Schatz. Kannst du mich hören? Wie geht es dir?"

Dana schüttelte ihren Kopf und nuschelte weiter vor sich hin. Erst nach einigen Sekunden konnte Maggie verstehen, was ihre Tochter die ganze Zeit über murmelte. Es brach ihr das Herz. Sie hoffte nur, dass ihre Tochter das alles heil überstehen wird.

"Sshh... Dana, alles wird wieder gut. Wir schaffen das schon irgendwie."

Mit der anderen Hand drückte sie sanft Scullys Hand. Mit einem Ruck saß Dana plötzlich Kerzengerade im Bett und starrte an die Wand. Ihr Atem ging schnell und flach.

"Mulder...", brachte sie so gerade eben noch über die Lippen. Nur langsam wurde ihr klar wo sie sich befand und sie ließ sich wieder zurück in die Kissen sinken. Ihre Mutter schaute sie mit einem liebevollen Blick an. Scully versuchte in ihren Augen zu lesen, so wie sie es immer bei Mulder getan hatte, aber sie konnte es nicht.

"Mom?"

"Ja?"

"Ich... ich hatte gerade einen schrecklichen Alptraum..."

Scully sah ihre Mutter wieder an, aber diese antwortete ihr nicht, sondern presste ihre Lippen zusammen.

"Er war so real... es war so grauenhaft... ich... ich habe geträumt, dass Mulder es nicht geschafft hat... dass wir ihn beerdigt haben...", Scully lachte kurz auf. "... Aber das war doch nur ein Traum und Mulder liegt in seinem Zimmer und... und ich werde gleich zu ihm gehen und ihn sehen, nicht wahr, Mom?"

Maggie antwortete ihr nicht, sonder schaute in ihre Hände.

"Mom, das war doch nur ein Traum, oder?", fragte Scully mit ängstlicher Stimme. "Sag mir bitte, dass es nur ein Traum war... bitte.", flehte sie ihre Mutter leise an.

"Dana, ich... ich würde dir... aber..." Maggie schaute ihre Tochter jetzt mit Tränen in den Augen an. Sie brauchte gar nicht weiter zu reden. Scully kannte auch so schon die Antwort. Sie schnappte nach Luft und ihr Kinn begann zu zittern.

"Nein... das ist nicht wahr..." Sie schüttelte ihren Kopf. "Nein...", hauchte sie.

"Dana, ich wünschte, ich könnte dir was anderes sagen, aber das kann ich nicht. Es tut mir so leid."

Scully versuchte sich zu beruhigen, aber es war einfach zu viel. Sie hielt sich die Hand vor dem Mund und schloss die Augen.

>>> Wieso? Wieso, verdammt nochmal war es kein Traum? <<<

"Ich... ich weigere mich das zu glauben..."

"Dana..."

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Skinner betrat das Zimmer. Er sah Scully mit einem traurigen Blick an. Sie konnte in seinen Augen den Schmerz sehen und schüttelte leicht mit dem Kopf.

"Sir, bitte, sagen Sie mir jetzt, dass es nicht wahr ist."

Skinner sah verwirrt zu Dana und dann zu Maggie. Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu, aber Skinner verstand nicht.

"Sagen Sie mir, dass Mulder lebt."

Er konnte das Flehen in ihren Augen sehen, aber er konnte ihr nicht den Gefallen tun. Die Wahrheit war, dass Mulder tot war und er auch nicht mehr zurückkommen würde.

"Es... es tut mir leid.", sagte er schließlich leise mit betretender Stimme.

In weniger als ein paar Sekunden liefen mindestens 17 verschiedene Ausdrücke übers Scullys Gesicht. Nur langsam begann sie zu verstehen, dass es vorbei war. Die Suche nach Mulder hatte endlich ein Ende... nur nicht das Ende, was sie sich vorgestellt hatte. Sie begann zu schluchzen und ihre Mutter nahm sie in die Arme und wiegte sie wie ein kleines Kind hin und her.
Skinner blickte betreten zu Boden. Er kam sich überflüssig vor und machte sich daran das Zimmer zu verlassen. Er wandte den beiden Frauen den Rücken zu und das Einzige, was er hörte, war Danas bitteres Schluchzen. Er musste sofort hier raus. Schnell verließ er das Zimmer und hoffte nur, dass Dana es schaffen würde.

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