World of X

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Undercover

von Talli W

Kapitel 2

"Guten Morgen." begrüßte Scully ihre derzeitige Kollegin Moira enthusiastisch. Sie hatte sehr gut geschlafen und sich von den Strapazen des Vortages vollkommen erholt. Kurz nach ihr kam Mulder ins Lehrerzimmer gehumpelt. Bei Scullys fragendem Blick winkte er nur ab.

"Ich habe gestern nachmittag noch die Footballmannschaft trainiert." war alles, was er als Erklärung von sich gab.

Scully schmunzelte. "Offensichtlich mussten Sie sich mitten ins Getümmel stürzen. Sollten Sie das nicht doch lieber Jüngeren überlassen?"

Mulder murmelte etwas Unverständliches.

"Was sagten Sie gerade, Raaaay?" fragte Scully betont.

Mulder blickte sie kurz an. "Ich sagte, eigentlich war ich nur der Schiedsrichter, Daanaaa. Aber irgendwie haben die das wohl nicht begriffen. Als ich nach einem Foul abgepfiffen habe und den Football an mich nahm, haben sich plötzlich einige auf mich gestürzt und wollten den Ball zurückerobern. Jetzt weiss ich, warum mir Football nie gefallen hat."

Moira hatte die ganze Unterhaltung grinsend mit verfolgt und sagte nun. "Die Jungs wollten Sie nur ein bißchen auf die Probe stellen, aber ich fürchte für diesen Sport haben Sie einfach nicht die richtige Statur, Ray. Für Football müssen sie viel trainieren. Dennis, Ihr Vorgänger, übte täglich zwei Stunden im Fitnessstudio, um seine Muskeln aufzubauen."

Mulder verdrehte die Augen. "Täglich zwei Stunden Tonnengewichte stemmen. Nein danke, da bleibe ich lieber bei Baseball."

"Schade, wirklich schade. Sie scheinen sonst ein netter Kerl zu sein." bemerkte Moira, als sie an ihm vorbeiging und das Zimmer verließ. Mulder und Scully sahen sich irritiert an.

"Scheint so, als hätten Sie bei ihr keine Chance, Ray." meldete sich jetzt eine Stimme aus dem angrenzenden Hinterzimmer. Mulder und Scully zuckten zusammen. Sie hatten nicht bemerkt, dass sich noch jemand außer Moira im Raum aufhielt.

Ein großer, breitschultriger Mann trat hervor. "Hi, ich bin Derek. Wir sind uns gestern leider noch nicht begegnet, aber ich war ziemlich beschäftigt. Ich bin hier sozusagen das Mädchen für alles. Ich leite den Werkunterricht, führe einen Kurs "Kreatives Gestalten" und fungiere gleichzeitig als Hausmeister. Also, wenn es irgendwo klemmt, einfach nach mir rufen."

Er streckte Mulder freundlich die Hand entgegen und Mulder ergriff sie mit einem festen Händedruck. Danach schüttelte Derek auch Scully begrüßend die Hand.

"Sie also sind unsere neuen Mitstreiter im Kampf gegen die Unwissenheit." scherzte er. Er musterte beide von oben bis unten.

"Sie sind mir viel lieber als Ihre Vorgänger. Auch, wenn Sie nicht so muskelbepackt sind wie der frühere Sportlehrer." meinte er zu Mulder. Mulder und Scully begannen sich langsam unwohl zu fühlen.

"Aber am Ende hat ihm das auch nichts genützt." sagte Derek mehr zu sich selbst.

Mulder und Scully wurden hellhörig. Der Direktor hatte ihnen nur erklärt, dass der Sportlehrer einen Unfall hatte und einige Zeit nicht unterrichten könnte. Steckte da doch mehr dahinter? Hatte dessen Unfall vielleicht sogar etwas mit Dr. Steenwoods Verschwinden zu tun?

"Was ist denn mit ihm passiert?" fragten beide fast gleichzeitig.

Derek kratzte sich verlegen am Kopf. "Naja, er ist immer um Moira herumscharwenzelt.

Moira hat nun mal diese Schwäche für Sportlehrer. Aber das hat ihrem Partner gar nicht gefallen und da hat er sich Dennis eben zur Brust genommen. Normalerweise ist ihr Mann ja nicht so. Beide führen eine recht offene Beziehung. Aber Dennis Geiger hat es einfach übertrieben. Er wollte Moira zur Scheidung überreden. Das konnte ihr Mann natürlich nicht zulassen."

Mulder und Scully nickten verstehend. "Sie scheinen ja recht viel über Moira zu wissen." bemerkte Scully kritisch. Sie hasste jegliche Art von Klatsch .

"Joh." grinste Derek zufrieden. "Das sollte ich wohl auch. Ich bin schließlich ihr Ehemann." Mit diesen Worten ließ er Scully und Mulder verdutzt stehen und ging aus dem Zimmer.

Scully schüttelte den Kopf. "Los, machen wir uns an die Arbeit, Mu.., äh Ray, bevor ich noch mehr Dinge höre, die ich eigentlich gar nicht wissen will." seufzte sie .

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu ihren jeweiligen Unterrichtsräumen.

"Sie kommt!" hörte Scully jemanden schreien, als sie um die Ecke bog. Sie ging vorsichtig weiter in Erwartung irgendeines Streiches der Kinder. Bevor sie durch die Klassentür schritt, spähte sie erst vorsichtig nach oben. Irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass dort eine Überraschung wie ein voller Wassereimer auf sie wartete. Aber da war nichts. Trotzdem begann die Klasse zu kichern.

Als sie an den Lehrertisch trat, sah sie auch warum. Auf der Tischplatte lag ein Pornoheft, in der Mitte aufgeschlagen. Auf den Seiten waren zwei Paare in verschiedenen Stellungen abgebildet.

Scully schlug das Heft zu und legte es in das Schubfach des Lehrertisches. Alle Augen waren auf sie gerichtet und warteten auf ihre Reaktion.

Scully überlegte kurz, dann begann sie zu sprechen: "Es ist nett von euch, mich an das derzeitige Unterrichtsthema zu erinnern, aber ich wurde bereits von Direktor Horton über den Lehrplan informiert.

Also heute sprechen wir über Sexualität. Ich denke, jeder weiss bereits etwas darüber, sei es nun aus dem Fernsehen, aus Büchern oder Magazinen oder auch aus Gesprächen mit Älteren. Einige haben vielleicht sogar schon erste Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Häufig wird um die Sexualität ein Geheimnis gemacht, es wird sogar als etwas Schmutziges, Verbotenes dargestellt.

Aber es ist ein ganz natürliches Geschehen und nichts wofür es sich zu Schämen gibt. Es ist der höchste Ausdruck von Gefühlen zwischen zwei Menschen."

"Es macht auch riesigen Spass!" rief Harvey Johnson dazwischen. Da seine Kameraden ihn häufig wegen seines Vornamens hänselten, ließ er keine Gelegenheit aus sich in den Mittelpunkt zu stellen.

"Tu nicht so, als ob du schon Erfahrung hast. Dich kuckt doch nicht mal eine alte Jungfer an." fuhr ihn Roger an.

"Dich erst recht nicht, du alter Wichser!" brüllte Harvey zurück.

"Ruhe!" schrie jetzt Scully. Roger aber war schon zu wütend, um darauf zu hören.

"Und was bist du, du Arschgesicht! Mit deinem kleinen Schwanz könntest du nicht mal eine Ameise befriedigen." beschimpfte er Harvey.

Harvey ballte die Fäuste und schrie zornentbrannt: "Von wegen, ich habe den Größten von euch allen!"

Dann rannte er aus dem Klassenzimmer und knallte die Tür fest hinter sich zu.

Roger lachte zufrieden bis ihn Scully ärgerlich anblitzte. "Wir reden noch darüber." zischte sie und wandte sich an die Klasse. "Ihr verhaltet euch bitte ruhig. Ich bin gleich wieder zurück."

Anschließend folgte sie Harvey.

Der saß auf der Treppe zum Erdgeschoss, hatte seinen Kopf in seinen Händen vergraben und weinte.

Scully setzte sich neben ihn und strich ihm leicht über seinen Kopf.

"Ich hab wirklich keinen Kleinen." schluchzte er. Ich kann es Ihnen beweisen." Er griff nach seinem Hosenstall, aber Scully hielt ihn auf.

"Ich denke nicht, dass das notwendig ist. Ich bin sicher, du bist ein ganz normal entwickelter 14jähriger. Lass dich doch von den anderen nicht ärgern." sagte sie.

Harvey lächelte dankbar. "Das ist alles nur wegen meines bescheuerten Namens. Keiner kann mich leiden." jammerte er jetzt.

"Ich bezweifele, dass das an deinem Namen liegt. Ich habe auch einen Freund, der einen seltenen Namen hat und sich deshalb nur mit dem Nachnamen anreden lässt. Trotzdem habe ich ihn sehr gerne."

erzählte Scully.

"Mögen ihn die Anderen auch?" fragte Harvey interessiert.

Scully lächelte etwas traurig. "Nein, sie ärgern ihn auch manchmal und haben ihm sogar einen dummen Spitznamen gegeben. Sie nennen ihn Spooky."

"Da sehen sie es." Resigniert senkte Harvey seinen Kopf.

"Aber weisst du, er ist manchmal auch ein bißchen komisch. So richtig 'spooky'. Dadurch haben die Anderen Angst, ihn näher kennenzulernen und erfahren gar nicht, was für ein toller Kerl er in Wirklichkeit ist." sprach Scully weiter.

"Mmmh, Sie meinen, wenn ich mich anders verhalten würde, wären die Anderen netter zu mir?" . Unsicher blickte Harvey Scully an.

"Einen Versuch ist es wenigstens wert, nicht wahr?" Scully zwinkerte ihm zu. "So und nun komm. Wir haben da heute so ein interessantes Unterrichtsthema..."

Harvey grinste sie an und folgte ihr zurück in den Klassenraum.

Als sie eintraten, wollte Roger etwas sagen, aber der warnende Blick, den ihm Scully zuwarf, ließ ihn verstummen.

"So, wo waren wir?" fragte Scully mehr zu sich selbst.

"Beim Sex!" tönte es aus der Klasse.

"Ah ja, richtig, beim Sex." nickte Sully. "Sexualität dient im eigentlichen dazu, sich fortzupflanzen. In jedem Lebewesen ist dies nach dem Überlebensinstinkt der stärkste Trieb. Aber nur die am höchsten Entwickelten besitzen die Fähigkeit, Sexualität auch zu genießen. Beim Menschen liegt der Hauptgrund den Sexualakt auszuführen nicht mehr darin, sich fortzupflanzen, sondern um die Beziehung zu vertiefen oder einfach, wie Harvey es vorhin ausdrückte, weil es Spass macht. Deshalb war der Mensch in diesem Bereich auch ziemlich erfindungsreich.

Wie in diesem Magazin dargestellt, das übrigens noch gar nicht für euer Alter erlaubt ist, gibt es viele verschiedene Positionen beim Geschlechtsverkehr. Darüber möchte ich mich jetzt aber nicht weiter auslassen. Ich meine, wenn ihr alt genug seid, solltet ihr das wohl besser selbst erforschen.

Und bitte verzichtet zukünftig darauf solche Magazine mitzubringen und legt dieses hier.." sie holte das Pornoheft aus dem Schreibtisch. "... wieder dorthin, wo ihr es weggenommen habt, bevor euer Vater oder der große Bruder es mitbekommen. Wir sehen uns dann in 30 Minuten. Viel Spass bei der Hofpause." beendete Dana Scully ihre Ausführungen. Pünktlich mit dem Klingelzeichen verließ sie den Klassenraum, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.

In den nächsten Stunden erläuterte Scully die Fortpflanzung und die Geburt eines Kindes. Die meisten Schüler hatten das alles schon einmal gehört und saßen nur gelangweilt da. Mehrmals warf sie einen prüfenden Blick zu Brian, Roger und Harvey, aber es schien alles in Ordnung zu sein. Nur Brian starrte öfter aus dem Fenster, als würde er über etwas nachgrübeln.

"Ich werde jetzt zum Kapitel "Verhütung" übergehen oder hat irgendjemand noch Fragen zu den vorherigen Themen?"

"Ja, Dana, ich wollte sie vorhin schon etwas fragen, aber dann hat es zur Pause geklingelt." meldete sich Brian.

"Na, dann stelle deine Frage. Hast du irgendetwas nicht verstanden?" sprach Scully.

"Welche Stellung haben Sie denn am liebsten? Oder bestimmt Ray das immer?" schoss er unerwartet heraus.

Scully konnte es nicht fassen. 'Vorhin habe ich alles so gut im Griff gehabt und nun fängt das ganze Theater wieder von vorne an. Weiss der Teufel, was in Brian gefahren ist. Wie kommt er nur darauf?' dachte sie.

"Das ist wohl kaum ein Thema, dass in diesen Unterricht gehört." stellte sie klar. "Und wie kommst du auf Ray? Du meinst doch Ray Miller?"

"Ja, genau den Ray meine ich. Thomas Ray Miller, ihren Freund." sagte Brian ruhig.

"Ray Miller ist nicht mein Freund." erklärte Scully sofort.

"Ach so, dann treiben Sie nur Sport miteinander." rief Brian nun. Alles kicherte und Brian sonnte sich in seinem Erfolg.

"Hoppe, hoppe Reiter!" tönte es aus der letzten Reihe. Jetzt johlte die ganze Klasse.

Scully wurde langsam wütend. Diesen kleinen Teufeln war sie anscheinend doch nicht gewachsen. Sie hasste es, etwas nicht unter Kontrolle zu haben. Sie konnte sich nicht erinnern, dass solche Unverschämtheiten während ihrer Schulzeit üblich waren. Damals hatte es keiner gewagt so mit einem Lehrer zu sprechen. Na ja, bis auf Randy Westwood. Aber dafür war der auch ein Jahr später von der Schule geflogen.

Scully setzte gerade zu einer langen Erklärung an, als die Schulklingel schrillte und sie erlöste.

Die Schüler sprangen von ihren Sitzen und strömten aus dem Klassenraum.

'Noch eine Stunde. Dann hast du es für heute geschafft. Nur nicht unterkriegen lassen.' ermutigte sie sich selbst.

Dann folgte sie den Kindern auf den Schulhof.

Draußen wartete schon Mulder mit einem Donut auf sie, den er ihr grinsend entgegenstreckte. "Hier, Ihr Pausensnack, Dana. Damit sie mir nicht vom Fleisch fallen."

Dankend nahm Scully ihm den Donut ab und biss herzhaft hinein.

"Hmmm, guuut. Sie wissen mich wirklich zu verwöhnen." neckte sie ihn und seufzte vor Wohlbehagen.

In diesem Moment kam Brian Taylor vorbeigeschlendert und grinste sie frech an.

Frustiert schloss sie die Augen. 'Das musste ja kommen.'

"Kommen Sie, ich muss mit Ihnen reden." sagte sie und zog Mulder am Arm.

"Was hindert Sie darin? Legen Sie schon los. Was gibt es denn?" fragte Mulder etwas verwirrt.

"Nicht hier! Kommen Sie, wir gehen ein bißchen spazieren." Scully setzte sich in Bewegung und Mulder folgte ihr kopfschüttelnd. Als sie außer Hörweite der Kinder waren, begann Scully:

"Wir dürfen uns nicht mehr so oft sehen. Jedenfalls nicht jede Pause. Die Schüler kommen schon auf dumme Gedanken."

"Auf welche Gedanken denn?" fragte Mulder grinsend.

"Na Sie wissen schon..." wich sie einer direkten Antwort aus.

"Nein, weiss ich nicht." antwortete Mulder unschuldig. Es genoss eine der selten Gelegenheiten, Scully in Verlegenheit zu bringen. Es amüsierte ihn, wie sie versuchte, um den heißen Brei herumzureden. Wie sich die souveräne Dr. Dana Scully, die eben noch in einer ganzen Klasse Sexualkunde unterrichtet hatte, sich nicht traute, mit ihm über bestimmte Gerüchte zu reden.

Scully holte tief Luft. "Die Schüler denken wir treiben Sport miteinander."

Mulder musste ein Auflachen unterdrücken. 'Sport treiben, was für eine tolle Umschreibung.'

"Was ist daran so schlimm. Sport ist schließlich gesund." antwortete er mit todernster Miene.

"Nicht diese Art von Sport, Mulder." sagte Scully gereizt.

"Hä?" stellte Mulder sich dumm.

Scully konnte es kaum fassen. 'Wie kann ein erwachsener Mann nur so dämlich sein?' Langsam riss ihr der Geduldsfaden an seiner Begriffstutzigkeit.

"Matratzensport! Verdammt noch mal, Mulder! Die ganze Schule denkt wir treiben es miteinander." platzte sie heraus.

"Mmmh. Also mir macht das nichts aus. Dann lässt mich wenigstens dieses verrückte Groupie in Ruhe." meinte Mulder nur.

"Aber mir macht das was aus, Mulder. Ich möchte nicht, dass solche Gerüchte herumschwirren." Scully stutzte. "Mulder, welches Groupie?"

fragte sie hellhörig.

"Cindy Irgendwas. 16 Jahre alt, groß und blond mit großen ..., äh, jedenfalls gut entwickelt für ihr Alter." korrigierte er sich, als er Scullys stechenden Blick bemerkte.

"Sie ist Cheerleader und geht mit dem Captain der Footballmannschaft, einem 1,90 m großem Dummkopf namens David. Der mir übrigens schon deutlich klar gemacht hat, dass es ihm gar nicht gefällt, dass Cindy um mich herumscharwenzelt."

Scully musste schmunzeln. Das war mal wieder typisch Mulder, sich in eine solche Situation zu manövrieren.

"Tut mir leid, Mulder. Da müssen sie schon selbst eine Lösung finden. Ich werde meinen guten Ruf dafür jedenfalls nicht aufs Spiel setzten." erklärte sie.

"Ihr guter Ruf, Scully? Seit wann sorgen Sie sich darum, was andere über Sie denken?" zog Mulder sie auf.

Scully seufzte. 'Muss ich ihm denn heute alles erklären? Irgendwie scheint die Arbeit mit den Kindern sich auf seine Intelligenz auszuwirken.'

"Mulder, ich möchte nur nicht, dass das FBI von diesen Gerüchten erfährt und falsche Schlussfolgerungen zieht. Meine Objektivität Ihnen gegenüber wäre dann sehr in Zweifel gezogen, was dann auch die Glaubwürdigkeit der X-Akten zerstören dürfte." erläuterte sie ihm geduldig.

"Mmmmph. Aber das halbe FBI denkt das sowieso schon von uns." erwiderte Mulder.

"Ach tatsächlich?" fragte Scully irritiert. "Weshalb sollten sie das denn denken?"

Mulder sah sie lange an, senkte schließlich den Kopf und murmelte:

"Schon gut, Scully. Ich verstehe. Ich muss jetzt sowieso los. Das Footballtraining beginnt gleich."

Bevor Scully noch etwas sagen konnte, rannte er bereits quer über den Schulhof Richtung Sportplatz.

Es wurde auch Zeit für Scully, zu ihrer Klasse zurückzukehren. 'Noch diese eine Stunde. Dann ist es geschafft' dachte sie.

Kaum hatte sie das Klassenzimmer betreten, grüsste sie auch schon eine vorlaute Frage von Brian Taylor. "Na, hat es geschmeckt? Hmmm, sie wissen mich wirklich zu verwöhnen." ahmte er sie nach. "Ray scheint ja wirklich gut zu sein." fügte er hinzu. Einige kicherten darüber.

'Das reicht. Ich werde jetzt diesen dummen Gerüchten ein für alle Mal ein Ende bereiten.'

Scully holte tief Luft und erklärte: "Wie ich bereits vorhin sagte, habe ich keine Beziehung mit Thomas Ray Miller. Aber einige, darunter unser lieber Brian, scheinen etwas langsam im Begreifen zu sein."

Deshalb jetzt noch einmal ganz langsam für die Begriffsstutzigen. Iiich haaabe niiichts mit Mr. Miller."

"Das stimmt." rief Matt Bowers aus der 2. Reihe. "Ray steht doch gar nicht auf Frauen!"

Jetzt war das Chaos perfekt. Alles redete wild durcheinander. An einen vernünftigen Unterricht war nicht mehr zu denken.

'Was hat Mulder denn da schon wieder angestellt?' dachte Scully. "Matt, wie kommst du den darauf?" fragte sie streng. Matt wurde rot. Er mochte es gar nicht so im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen. "Naja, ich habe gestern gesehen, wie sich Cindy Rutherford an Ray herangemacht hat."

"Uuund?" fragte Brian gespannt. Cindy war mit ihrer tollen Figur auch sein heimlicher Schwarm.

"Nichts! Ray hat gar nicht darauf reagiert. Er ist ganz cool geblieben."

"Oh Mann, jeder richtige Kerl hätte da einen Ständer gekriegt." rief Brian.

"Ja, genau." stimmten ihm einige der Jungs zu.

Scully konnte es nicht glauben. "Nur weil jemand die Annäherungen einer Schülerin abgewiesen hat, heißt das noch lange nicht, dass derjenige homosexuell ist." erklärte sie.

"I.. ich, ich habe ihn in letzter Zeit oft mit Cliff gesehn. Mit Cli.., Cliff Thomson." stotterte die nervöse Lucy Jordan.

"Und jeder an der Schule weiss, dass Cliff schwul ist." rief jetzt eines der anderen Mädchen dazwischen.

"Na also, das ist der Beweis." sagte Brian Taylor zufrieden. So stark er vorher auch die Meinung vertreten hatte, dass Ray Miller etwas mit Dana Scully hatte, so schien er jetzt vom genauen Gegenteil überzeugt zu sein.

"Wie wird man eigentlich schwul?" fragte Matt Bowers schüchtern.

Scully erkannte sofort ihre Chance den Unterricht wiederaufzunehmen, wenn auch mit einem anderen Thema und begann: "Homosexualität ist keine angeeignete Neigung. Sondern der Homosexuelle wird bereits so geboren. Schon im Verlauf der ersten 12 Wochen entscheidet sich, ob ein Kind sich später mehr vom gleichen Geschlecht angezogen fühlt....."

Anscheinend war dieses Thema interessant genug, um die Teenager davon abzuhalten sie weiter zu ärgern, denn der restliche Unterricht verlief ohne weitere Zwischenfälle.

Mulder war enttäuscht. Er hatte gehofft, dass Scully nach ihrem Unterricht auf ihn warten würde. Er wäre gern mit ihr die gesammelten Informationen durchgegangen und hätte sie möglicherweise sogar zum Essen eingeladen.

'Aber anscheinend ist ihr ihr Ruf wichtiger.' dachte er ärgerlich.

Mulder fuhr frustiert zu der winzigen Wohnung, die während der Undercover-Aktion sein Zuhause war.

Dort angekommen legte er sich auf die hässliche Kunstledercouch und schmollte.

Grübelnd saß sie in ihrem Apartment und dachte an die Vermutungen, die die Schüler aufgestellt hatten. Dass sie schnell bereit waren zu glauben, er und sie hätten etwas miteinander, war normal. In der Highschool hatte sie mit ihren Freundinnen auch einigen Lehrern eine Affäre angedichtet. Aber dass dann der Verdacht aufgekommen war, Ray alias Mulder könnte schwul sein, machte ihr doch ganz schön zu schaffen. Alles ergab plötzlich einen Sinn.

'Nie hat er vorher einen Annäherungsversuch gemacht, nicht einmal, als ich damals halbnackt in sein Hotelzimmer gestürmt bin und ihm anschließend erleichtert in die Arme gesunken war. Als ich versucht habe, ihm bei diesem Seminar näher zu kommen, hat er die Flucht ergriffen. Erst als ich bereit war ihn zu verlassen, hat er Gefühle gezeigt."

Aber ihr war klar, dass jemanden zu lieben, nicht gleichzeitig hieß, ihn auch zu begehren.

'Steht Mulder in Wirklichkeit gar nicht auf Frauen? Waren seine Beziehungen vorher alles nur Tarnung und haben deshalb nicht funktioniert?' fragte sie sich nun. Sie nahm sich vor die Wahrheit herauszufinden.

Es klingelte an der Tür und Dana Scully sprang auf. 'Das kann nur Mulder sein. Es wird ja Zeit, dass er kommt.' Sie hatte nun schon seit zwei Stunden auf ihn gewartet und sich langsam Sorgen gemacht.

Schnell stand sie auf und öffnete die Tür, aber nicht ohne sich vorher durch den Spion zu vergewissern, dass es wirklich Mulder war. Zu viele schlechte Erfahrungen hatten sie mißtrauisch werden lassen.

"Hi, Dana! Schön Sie wieder zu sehen. Eigentlich wollte ich erst gar nicht kommen, nachdem Sie mich so einfach sitzen gelassen haben. Aber wir haben jetzt Feierabend. Es ist nicht notwendig die Charade weiter aufrecht zu erhalten und so zu tun, als ob wir uns nicht kennen würden. Oder glauben sie etwa, die Kids haben hier ein paar Wanzen deponiert?"

Scully musste lachen. "Na los, kommen Sie schon rein, Ray."

Mulder stöhnte auf. "Bitte sagen sie heute nicht mehr diesem Namen. Ich kann ihn schon langsam nicht mehr hören. Ray, Ray, wie das schon klingt, da wird mir ja sogar mein eigener Vorname sympathisch."

sprach er als er durch die Wohnungstür schritt.

"Also gut, Fox. Wenn sie meinen." säuselte sie. Mulder zuckte schmerzvoll zusammen. "Bitte nennen Sie mich wieder Mulder." bat er.

"Okay, Mulder." erklärte sie sich einverstanden.

"Danke , Dana." Scully schaute etwas konfus, als er sie weiterhin mit ihrem Vornamen ansprach.

Aber Mulder erklärte bereits: "Erwarten Sie jetzt nicht von mir, dass ich Sie wieder mit Scully anspreche. Dana ist ein so schöner Name und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Weshalb haben Sie mir eigentlich nie angeboten, sie so zu rufen?"

Scully starrte ihn verdutzt an. Sie dachte an eine Nacht auf einer ungenehmigten Überwachung zurück, gleich am Anfang ihrer Zusammenarbeit. "Ich hab sogar meine Eltern gebeten, mich Mulder zu nennen. Mulder!" Er hatte ihr damals deutlich klargemacht, das er eine unpersönliche Anrede wünschte. Wie hätte sie ihm da anbieten können, sie beim Vornamen zu nennen.

"Für jemanden mit einem fotografischem Gedächtnis hat er aber ziemliche Erinnerungslücken" murmelte sie.

Mulder hatte es sich inzwischen auf der Couch im Wohnzimmer bequem gemacht und wartete nun darauf, dass sie sich ebenfalls setzte. Aber Scully ging erst in die winzige Küche um Kaffee aufzusetzen.

"Irgendwie haben die uns die falschen Apartments zugeteilt. Meine Küche ist doppelt so groß wie diese, aber dafür ist das Bett total hart. Da ist ja diese Couch bequemer." hörte sie Mulder hinter sich sagen.

"Kommen sie jetzt nicht auf die Idee, auf meiner Couch übernachten zu wollen." antwortete Scully scherzend. Mulder trat noch einen Schritt näher an sie heran und hauchte ihr ins Ohr:

"Aber Dana, das würde ich doch niemals vorschlagen. Aber vielleicht könnten wir die Apartments tauschen."

"Dafür ist es jetzt wohl zu spät. Es dürfte ziemlich auffallen, wenn wir plötzlich unsere Adressen wechseln. Außerdem sind harte Matratzen gut für die Wirbelsäule. Die paar Tage werden Sie wohl noch aushalten, Mulder." sagte Scully und tauchte unter seinem Arm hindurch.

Zehn Minuten später saßen sie gemütlich auf der blauen Couch und tranken Kaffee.

Die ganze Zeit brannte ihr schon die eine Frage auf den Nägeln. Aber wie fragte man seinen Partner nach seiner sexuellen Neigung? 'Ich werde das Thema ganz beiläufig anschneiden.' versprach sie sich.

"Mulder, sind Sie schwul?" hörte sie sich wenige Sekunden später erschrocken sagen.

Mulder verschluckte sich an seinem Kaffee und hätte fast die ganze Tasse in seinen Schoss gekippt.

"Wie kommen Sie denn darauf?" fragte er irritiert, nachdem er sich von seinem Hustenanfall erholt hatte.

"Äh, ja. Ich..." stotterte Scully. Ihr war kam die Frage jetzt sehr lächerlich vor und die ganze Angelegenheit war ihr peinlich. Unruhig rutschte sie auf der Couch hin und her.

Mulder beobachtete einige Minuten ihren inneren Kampf, dann sagte er sanft:

"Dana, Sie vertrauen mir doch?! Reden Sie mit mir."

Das er sie immer noch beim Vornamen nannte, half nicht im geringsten. Bisher hatten sie nie über solche privaten Dinge gesprochen. Nur durch Zufall hatte sie etwas über seine früheren Freundinnen erfahren. Scully sah ihm in die Augen, sah dort sein Durcheinander und einen Hauch von Verletztheit als sie weiter mit der Antwort zögerte.

Kurzentschlossen erzählte sie ihm, was an diesem Tag in der Schule abgelaufen war.

Nach dem Scully ihren Bericht beendet hatte, schüttelte Mulder nur den Kopf.

"Und sie haben diesen Unsinn geglaubt? Diese Cindy ist doch noch ein Kind. Und was Cliff angeht, wusste ich nicht mal, dass er homosexuell ist. Er hat mir nur so leid getan. Er ist der typische Außenseiter, schüchtern und in sich gekehrt. Er ist ein großer Startrek-Fan und glaubt an die Existenz von Leben im Weltall. Irgendwie hat er mich an meine eigene Jugend erinnert... Er hatte niemanden zum Reden, also habe ich mir etwas Zeit für ihn genommen. Ich habe mich richtig gefreut, als er mir um den Hals fiel und schluchzte, er wäre so froh, endlich jemanden gefunden zu haben, der ihn versteht und seine Interessen teilt. Ich dachte, er redete von seinem Glauben an Außerirdische. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass er es völlig anders meinen könnte." erklärte Mulder.

Scully sah beschämt auf ihre Schuhspitzen. "Schon gut, Mulder. Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Es war dumm von mir, so etwas anzunehmen." Sie zögerte kurz. "Es ist nur so, in all den Jahren hatten Sie nie eine Beziehung. Sie sind nicht einmal mit jemanden richtig ausgegangen. Und mich haben Sie auch nicht...." Scully verstummte entsetzt. 'Was ist nur heute los mit mir? Beinahe hätte ich schon wieder etwas zu viel gesagt.'

Mulder lachte kurz auf. "Schon gut, Scully. Ich weiss selbst, dass ich nicht gerade ein Casanova bin. Meine letzten Beziehungen waren jedoch solche Katastrophen, dass ich mich nicht gerade nach einer neuen gesehnt habe." Ganz leise, so dass Scully ihn nicht verstehen konnte, fügte er hinzu: "Außerdem

habe ich ja schon jemanden."

Scully nickte verständnisvoll.

"Also haben sie schon etwas von ihren Schülern erfahren können? Ich hatte bisher leider noch keinen Erfolg." wechselte sie das Thema...

Mulder sprang aus seinem Bett und schlurfte ins Badezimmer. 'Der gestrige Abend war nett.' dachte er.

Er war noch bis spät in die Nacht bei Scully gewesen. Sie hatten danach zwar nur noch über die Arbeit geredet und vermieden, persönliche Dinge anzuschneiden, aber trotzdem war es gemütlich gewesen.

Er hatte jeden einzelnen Moment ihrer Diskussionen genossen und die Gelegenheit genutzt, sie zu beobachten.

Ihm war zum ersten Mal richtig aufgefallen, wie sehr sie sich doch verändert hatte. Sie war nicht mehr die junge unbeschwerte Frau, die vor sechs Jahren in sein Büro geschneit kam. Ihre Augen blickten ernst und etwas mißtrauisch in die Welt und ihr Mund hatte einen harten Zug bekommen. Nur selten noch verzog sie ihre Lippen zu einem Lächeln. Aber wenn das doch einmal geschah, veränderte sich ihr ganzes Wesen, ihr Gesicht hellte auf und es war als würde alle Last von ihr abfallen. Mulder konnte nicht genug von diesem Anblick bekommen. Er hatte während ihrer Unterhaltung immer wieder versucht, sie zum Lachen zu bringen oder ihr wenigstens ein Lächeln zu entlocken. Ein paar Mal war es ihm sogar gelungen.

Erst als Scully schließlich kaum noch ihre Augen offen halten konnte und immer wieder einnickte, hatten sie den Abend beendet. Schweren Herzens war er aufgebrochen und hatte sich in seiner Wohnung in das harte, leere Bett gelegt. Trotzdem hatte er gut darin geschlafen und fühlte sich nun stark genug, es mit der ganzen Footballmannschaft aufzunehmen.
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