World of X

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A-holding your hand, and standing there, to kiss you, when you fall

von neyra

Kapitel 2

2. Kapitel

8:35 Uhr, nächster Morgen
Scullys Apartment

Scully wurde wach ohne sich zunächst zu rühren. Das Erste was sie wahrnahm, war ein immer noch dumpfer Kopfschmerz und dass irgendetwas sie an Bewegungsfreiheit einschränkte. Sie drehte sich aus der seitlichen Position, in der sie geschlafen hatte, auf den Rücken und begriff, dass Mulder immer noch bei ihr war. In ihrem Bett. An sie herangerutscht. Und er hatte seinen Arm um ihre Taille gelegt. Ein plötzlicher Adrenalinschub ließ sie sich aufsetzen. Der Kopfschmerz wandelte sich von dumpfem Druck in heftigen Schwindel und sie hob ihre Hand, um nach ihrem Kopf zu greifen. Ihre Bewegung hatte wohl Mulder geweckt, weil er seinen Arm von ihr löste und sich murmelnd bewegte.
Scully sah an sich herunter und stellte fest, dass sie nur ihre Hose und Bluse ausgezogen hatte. Sie trug immer noch ihr Shirt vom Vortag und ihre Unterwäsche. Sie drehte langsam ihren Kopf zu Mulder und stellte fest, dass er ebenfalls sein Shirt trug. Ihr Blick traf seinen und sie versuchte zu begreifen, wie er in ihr Bett gekommen war. Das schüchterne Lächeln, welches er ihr schenkte schickte einen weiteren Adrenalinschub durch ihren Körper, der sie aus dem Bett trieb. Sie hatte es plötzlich so eilig, dass sie über ihre Hose stolperte, die vor dem Bett auf dem Boden lag.
„Vorsicht!“ rief Mulder und richtete sich auf, um zu sehen, ob sie sich wehgetan hatte.
„Nichts passiert.“ sagte sie hastig und zog sich ins Badezimmer zurück. *Oh mein Gott* dachte sie und zuckte zusammen, als es an der Tür zum Badezimmer klopfte.
„Geht es dir wirklich gut?“ wollte Mulder dumpf durch die Tür wissen.
„Ja. Ja. Alles ok Mulder.“ antwortete sie und drehte den Wasserhahn am Waschbecken auf, um sich mit beiden Händen kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Dann sah sie sich um und musste feststellen, dass sie keine neue Kleidung im Bad bereitgelegt hatte, was bedeutete, dass sie noch einmal, nur in T-Shirt und Slip bekleidet in ihr Schlafzimmer musste und nicht wusste, wo sich Mulder gerade aufhielt. *Wenn ich Glück habe, ist er in der Küche und macht Kaffee.* dachte sie ein wenig hoffnungsvoll und öffnete die Tür einen winzigen Spalt. Sie lauschte nach Mulder und tatsächlich schien er in der Küche zu sein, da sie Geschirr klappern hörte. So schnell sie konnte schlüpfte sie aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Sie suchte sich Kleidung für den Tag heraus und zum ersten Mal fiel ihr Blick auf ihren Wecker. *Was? So spät schon?* In Windeseile zog sie sich an und ging in die Küche.
Die Kaffeemaschine blubberte leise und ein angenehmer Duft verteilte sich in der offenen Wohnküche.
„Oh gut, dass du fertig bist.“ sagte Mulder, stoppte mit seinen Frühstücksvorbereitungen und ging ins Badezimmer.
Scully schloss die Vorbereitungen ab. Stellte nicht nur Tassen sondern auch Teller hin und eine Schale für Müsli, weil sie wusste, dass er ein leichtes Frühstück bevorzugte. Sie selbst würde nur einen Kaffee trinken.
„Das war knapp.“ lächelte er, als er wieder kam. „Guten Morgen.“
„Guten Morgen.“ murmelte sie zurück, sah ihn nicht an, sondern füllte eben ihre Tassen mit dem fertigen Kaffee. „Wir sind spät dran.“ stellte sie fest, setzte sich aber und zog sich ihre Tasse näher heran.
„Ja, das hängen wir einfach hinten dran, heute Abend.“ winkte er leichtfertig ab. „Ändern können wir das nicht mehr und ein Meeting stand heute auch nicht an.“
Sie nickte und sah kaum von ihrer Tasse auf.
„Hast du gut geschlafen?“ fragte er nachdem er sich die Schale, die sie dafür vorgesehen hatte, mit Müsli füllte und Milch darüber goss.
Wieder nickte sie nur und blickte nicht auf. Dann plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Mulder.“ rief sie. „Du hast verschlafen.“
„Ja. Das haben wir beide.“ sagte er ruhig.
Sie blickte ihn an. Er aß sein Müsli und schaute zurück.
„Verschlafen.“ murmelte sie mit gerunzelter Stirn. „Wann hast du das letzte Mal in deinem Leben verschlafen?“
„Auf der Uni. Da hatte ich die ganze Nacht über gelernt und meine Prüfung verschlafen. Zum Glück konnte ich sie nachholen. Mein Lektor war verständnisvoll.“
„A... Aber...“ Scully spürte, wie die Röte in ihre Wangen stieg. Sie sah ihn immer noch an und endlich nickte er, dabei kauend.
„Ja. Ich habe so gut geschlafen, wie lange nicht mehr.“ sagte er leise und schob sich einen neuen vollen Löffel in den Mund.
Scully starrte ihn an und biss sich auf ihre Unterlippe.
„Beunruhigt dich das?“ fragte er.
Sie senkte ihren Kopf und schüttelte ihn sachte. „Ich...“ Scully seufzte leise und griff sich mit ihrer rechten Hand an den Kopf. *Verdammt.* dachte sie. „Ich weiß einfach nicht, was ich ...davon halten soll. Und das...“
„...verwirrt dich.“ fügte er an.
Scully schwieg, weiterhin nur auf ihre Tasse vor sich sehend. Sie hörte wie er aufstand und sich ihr näherte.
„Scully...“ sagte er sanft und berührte ihre Schulter.
Sie sah zögernd zu ihm auf, wusste dass er intensiv ihren Blick suchte, aber sie war unsicher, ob sie ihm standhalten könnte. Erst als er mit einer Berührung an ihrem Kinn ihren Blick zwang, sich auf ihn zu fokussieren, sah sie ihm in die Augen. Er senkte seinen Kopf und berührte sanft ihre Lippen mit seinen. Sie spürte die Berührung kaum, dafür schlug ihr Magen einen weiteren Purzelbaum und schickte neues Adrenalin durch ihren Körper. Sie griff nach oben, um seinen Nacken zu umfassen, wobei sie mit ihrer linken Hand die Tasse umwarf. Es kümmerte sie nicht, stattdessen zog sie ihn näher an sich heran und küsste ihn zurück. Sie schloss ihre Augen und tastete mit ihrer Zunge nach seinen Lippen, strich kurz dagegen. Sein raues Seufzen lies ihren Magen eine weitere Drehung vollführen und sie öffnete mit einem leisen Geräusch ihren Mund etwas weiter und tastete mutiger mit ihrer Zunge nach seiner. Seine Hände griffen sie fester und zogen sie näher und endlich öffnete auch er seine Lippen und ihre Zungen trafen sich zum ersten Mal. Nach dem ersten süßen Kontakt zog er sie noch näher an sich heran. Scully keuchte leise in seinen Mund und presste sich selber an ihn. Sie stand mittlerweile auf ihren Zehenspitzen, er hielt sie sicher und der Kuss dauerte an. Träge spürte sie an ihrer Hüfte nasse Wärme und etwas, das auf ihren Fuß tropfte.
Das Telefon klingelte und lies Scully innehalten.
„Geh nicht ran.“ murmelte Mulder rau gegen ihr Ohr.
Scully schüttelte ihren Kopf und wand sich aus seiner Umarmung. Sie wankte einmal, als sie zum Telefon lief und atemlos den Hörer abnahm. „Scully.“ meldete sie sich und räusperte sich, weil sie das Gefühl hatte, ihre Stimme würde versagen.
Sie fühlte Mulders Blick auf sich und drehte sich zu ihm um, um ihn ansehen zu können. Fast hätte sie den Hörer fallen lassen, er stand bereits hinter ihr und lächelte unsicher, als er bemerkte, dass er sie erschreckt hatte. Sein Blick wurde fragend und Scully nickte. „Ich weiß, das tut uns leid. Agent Mulder ist hier. Möchte Direktor Skinner persönlich mit ihm sprechen?“ Scully lauschte und legte gedankenverloren ihre linke Hand auf seinen Brustkorb. Sie starrte stur geradeaus, wo ihre Finger ihn berührten. „In Ordnung. Ich werde es ausrichten. Ja.“ Sie leckte kurz ihre Lippen und schloss ihre Augen dabei. „Ja. Auf Wiederhören.“ sagte sie und legte dann auf.
Ihre Augen suchten seine. „Das war Kimberly. Direktor Skinner hat uns wohl vermisst und sie hatte zuerst versucht dich zu erreichen, was für Unruhe sorgte, weil du nicht zu erreichen warst.“ Scully holte Luft. „Jedenfalls...Skinner möchte uns heute Nachmittag sehen, bis dahin sollen wir weiter den Ermittlungen folgen.“
„In Ordnung.“ sagte er leise und sah ihr weiterhin in die Augen.
„Fahren wir zu den“
Er legte seinen Zeige- und Mittelfinger über ihre Lippen. „Ja“, sagte er.
Scully spürte eine neue Welle von Irgendwas, das entweder Adrenalin oder Unsicherheit oder Aufgeregtheit oder alles zusammen war, durch sich hindurch schwappen. Sein Blick ruhte weiter auf ihr, als sich seine Gesichtszüge zu einem breiten Grinsen verzogen.
„Mache ich dich nervös?“ fragte er und klang fast amüsiert.
„Nein.“ brachte sie raus, nicht überzeugend und sie presste ihre Lippen aufeinander.
Sie sah die kleinen Fältchen um seine Augen tiefer werden. „Nein.“ lachte er auf und zog sie an sich.
Scully drückte ihre Nase an seinen Brustkorb und schlang ihre Arme um seine Taille. Sie spürte wie er ihr einen sanften Kuss auf ihren Kopf gab und dann löste er sich wieder von ihr. Sie sah ihn abwartend an. Er küsste sie noch einmal kurz auf ihre Lippen und ließ sie dann stehen, um in die Küche zu gehen und die Sachen vom Frühstück wegzuräumen. Sie schaute ihm minutenlang zu, bevor sie ihm mit dem Rest half und sie sich beide auf den Weg zu den Lone Gunmen machten.

10:02 Uhr
bei den Lone Gunmen, Washington D.C.

„Hey, habt ihr was gefunden?“ fragte Mulder zur Begrüßung.
„Dir auch einen guten Morgen.“ sagte Byers, der wie immer in Anzug und Krawatte war und ihnen die Tür geöffnet hatte.
Mulder sah sich um. „Wo sind Cinderella und Mickey Maus?“
„Im Bett.“
Scully zog eine Augenbraue hoch und blickte kurz zu Mulder, der ein Geräusch von sich gab, das ein Kichern hätte sein können.
„Sie hatten eine lange Nacht wegen dir.“
„Eine Nacht, die absolut nichts gebracht hat.“ sagte Frohike von der anderen Seite des Raumes und tapste auf nackten Füßen näher. Er trug ein löchriges T-Shirt und eine alte Jogginghose. Er grinste und kam auf Scully zu, griff nach ihrer Hand und drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken. „Jetzt ist’s wieder besser.“ murmelte er und sah zu Mulder. Augenblicklich ließ er Scullys Hand los und ging einen Schritt rückwärts.
Scully blickte zu Mulder, dann wieder zu Frohike und wieder zu Mulder zurück. Mulder hatte Frohike mit einem Blick fixiert, den Scully noch nie an ihm gesehen hatte und der ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Frohike räusperte sich und ging einen weiteren Schritt rückwärts. Er murmelte eine Entschuldigung in Scullys Richtung, drehte sich um und verschwand aus dem Raum.
„Ähm...ja...“ dehnte Byers, bevor er weiter sprach. „Sie konnten nichts finden. Und das ist etwas, was uns stutzig gemacht hat. Sie hat eine Sozialversicherungsnummer und es gibt die Untersuchungsdaten von einem Arzt. Wir haben gesehen, dass du die Daten aufgerufen hast, Dana, aber ansonsten...nichts. Wirklich merkwürdig.“ Byers sah überwiegend Mulder an, während er sprach. Scully fühlte sich unbehaglich und lies einen Augenblick ihre Schultern kreisen.
„Sollen wir dran bleiben, Mulder?“ fragte Byers weiter und Scully sah, wie Mulder nickte während sein Blick zu Frohike schnellte, der eben wieder aus dem Nebenraum kam. Frohike hatte sich umgezogen und trug nun eine Jeans und ein anderes T-Shirt. Auch er warf Mulder einen Blick zu und setzte sich dann an seinen Rechner.
„Ok.“ sagte Frohike munter. „Dann lass ich mal mein Voodoo wirken. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht doch noch etwas finden sollte.“
„Danke.“ hörte Scully Mulder sagen und sah zu ihm auf. Er blickte immer noch Frohike an und schien über etwas nachzudenken. Ihr Kopf war leer und sie leckte mit der Zungenspitze über ihre Oberlippe, sah wieder zu Frohike hinüber und zog ihre Stirn in Falten. Sie hasste es, nicht denken zu können. Und was sie noch mehr ärgerte, war, dass Mulder der Grund dafür war. Sie war völlig durcheinander. Weigerte sich aber, sich das selbst einzugestehen.
„Ich ruf dich an, wenn ich was habe, Mulder.“ sagte Frohike lässig, aber Scully konnte eine gewisse Anspannung aus seiner Stimme heraushören.
„In Ordnung, Frohike.“ sagte Mulder und Scully sah wieder zu ihm hinauf, in sein Gesicht. Mulder sah immer noch zu Frohike und schließlich zu Byers. „Grüß Cinderella von uns, wenn es erwacht.“ schmunzelte er und richtete dann seinen Blick auf Scully.
Sie zuckte fast, als sich ihre Blicke trafen und sie fühlte ihr Herz schneller schlagen, als es sollte. Unsicher unterbrach sie den Augenkontakt mit Mulder und sah zu Byers. Er lächelte wissend und sie erwiderte es unsicher, was Byers noch ein wenig breiter lächeln ließ.
„Gehen wir Scully.“ hörte sie Mulder neben sich sagen und spürte, wie er sie an ihrem Arm mehr oder weniger zur Tür hinausschob. Nachdem die Klick- und Schabegeräusche der Verriegelungen verklungen waren, hielt er sie immer noch an ihrem Arm und sie spürte seinen Blick auf sich ruhen. Scully sah auf ihre Füße und drehte sich, um das Haus zu verlassen. Er ließ sie los und sie ging die Treppe hinunter. Am Auto wartete sie, bis er die Türverriegelung geöffnet hatte und stieg auf der Beifahrerseite ein. Während sie darauf wartete, dass Mulder hinter das Steuer glitt und losfuhr, sah sie auf ihre Uhr. Bis zum Meeting mit Skinner war noch Zeit. Wahrscheinlich würden sie ins Büro fahren und selber auch noch versuchen, etwas mehr über Kathryn Swan herauszufinden.
Scully seufzte leise. Wenn die Lone Gunmen schon nichts gefunden hatten, war sie sich ziemlich sicher, dass sie auch nichts finden würden. Sie sah aus dem Seitenfenster und grübelte, wo sie weitermachen konnten, um Informationen zu erhalten. *Vielleicht gibt es etwas, das die Jungs übersehen haben.* überlegte sie. *Es muss etwas geben.*
„Woran denkst du Scully?“ holte Mulder sie aus ihren Überlegungen.
„Ich versuche an etwas zu denken, was die Jungs vergessen oder übersehen haben könnten. Denn... Wenn sie nichts gefunden haben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es uns gelingen wird. Ich bin zwar immer noch nicht sicher, welche Datenbänke sie nutzen, aber...“ seufzend holte sie Luft. „Ich hasse es, meine Zeit am Computer zu verschwenden.“ atmete sie aus und sah zu ihm hinüber. Scully sah, wie seine Kieferknochen mahlten. Er dachte ebenso hart nach und nickte dann langsam.
„Ich weiß, was du meinst. Also, woran denken wir, aber die Jungs nicht? Wie würdest du weitermachen, um Informationen über Kathryn Swan zu finden?“
„Gestern wollte ich anhand ihrer Blutergebnisse den behandelnden Arzt finden und befragen. Was bedeutet, dass ich auf die Daten der Sozialversicherung zurückgreife. Aber so, wie ich Frohike verstanden habe, haben sie diese Möglichkeit versucht.“
„Ich weiß nicht... Sie haben zwar erwähnt, dass sie diesen Daten gefolgt sind, aber eine Befragung werden sie kaum durchgeführt haben.“ Scully lächelte ihn knapp an, als er seinen Kopf kurz zu ihr drehte und grinste. „Das ist etwas, das ich an unserem Beruf wirklich mag, Scully. Wir gehen hin...“
„...und befragen die Leute für Informationen. Ja.“ ergänzte sie und sah wieder aus dem Seitenfenster.
Mulder setzte den Blinker und fuhr in die Einfahrt des Parkdecks des J. Edgar Hoover Gebäudes. „Dann versuchen wir es über den behandelnden Arzt.“ bestimmte er und klang zuversichtlich.
„Es sollte nicht sehr lange dauern, die Telefonnummer heraus zu finden.“ stellte sie fest. „Wir könnten noch vor dem Meeting mit Skinner die Befragung durch haben.“ Sie sah zu ihm, als er parkte und den Zündschlüssel zog.
„Ja.“ sagte er einfach.
Scully stieg aus dem Auto und wartete bis Mulder ihr folgte. Nebeneinander gingen sie zum Fahrstuhl, der sie in den Keller bringen würde. Als die Fahrstuhltüren sich öffneten, kam ihnen die Sekretärin von Direktor Kersh entgegen.
Scully lächelte und nickte grüßend, als sie an einander vorbei gingen. Die Sekretärin verließ den Fahrstuhl und Mulder und sie stiegen ein. Sie spürte, wie Mulder einen Arm um ihre Schultern legte und sie so in die Kabine leitete. Synchron drehten sie sich um und als sich die Fahrstuhltüren schlossen beugte sich Mulder zu ihr herunter. Scullys Herz schlug schneller, als sie gerade noch registrierte, dass die Sekretärin sich zu ihnen umgedreht hatte. Sie sah hoch und presste ihre Lippen aufeinander. Ihr Herz setzte zwei oder drei Schläge aus, weil Mulder sie mit einem Lächeln ansah, das man durchaus als verliebt bezeichnen konnte. *Wenn er so die ganze Zeit geschaut hat, dann hat sie es gesehen.* schoss es Scully durch den Kopf und sie wollte es laut aussprechen, als sie stattdessen seine sanften Lippen auf ihren spürte. Wie aus weiter Ferne nahm sie das Pling des Fahrstuhles wahr und das schabende Geräusch der sich öffnenden Türen. Sein Kuss dauerte an bis sie ein gekünsteltes Räuspern vernahm und Mulder von ihr abließ um in Richtung des Geräuschs zu sehen. Sein Arm lag weiter fest um ihre Schultern. Scully sah, wie er grinste und sie dann aus der Kabine schob. Vorbei an dem Agenten, den sie nicht kannte, aber schon mal irgendwo gesehen hatte. Die Türen des Fahrstuhls schlossen sich wieder und sie standen allein auf dem Flur im Keller, wo sich ihr Büro befand.
Mulder sah sie nun entschuldigend an, bevor er wage lächelte und kurz mit seinen Schultern zuckte und Scully begriff, dass es Show war und nickte kaum sichtbar. Sie erkannte in seinem Blick, dass er erkannte, dass sie seine stumme Entschuldigung annahm. Er ließ sie los und Scully folgte ihm ins Büro.

13:10 Uhr
Privatklinik „Suns Hope“, Rockville, Washington D.C.

Scully und Mulder betraten nacheinander die Klinik, so wie sie es immer taten. Er hielt die Tür, sie ging voran und er folgte mit einer Hand an ihrem unteren Rücken. Sie gingen zielstrebig durch die große, helle Lobby zur Rezeption und Scully zückte ihren Ausweis, noch bevor sie dort ankamen.
„Spezial Agents Dana Scully und Fox Mulder vom FBI. Wir möchten mit Dr. Rodriges sprechen, wo können wir ihn finden?“ fragte Scully und sah die Krankenschwester selbstsicher an, als sie am Tresen der Rezeption anlangten. Die Schwester hob ihren Blick und schüttelte ihren Kopf.
„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein, Miss ...“ sie beugte sich vor und las den Namen im Ausweis, „...Scully. Dr. Rodriges erlitt...“ sie stockte und schluckte und Scully bemerkte Tränen, die sich in den Augen der Schwester sammelten. „...er hatte einen Autounfall. Vorgestern schon. Er ist tot.“ flüsterte sie und tiefe Trauer schwang in ihrer Stimme mit, aber die Tränen fielen nicht.
„Bedauerlich.“ sagte Scully und sah zu Mulder auf, der neben ihr stand und kurz seine Unterlippe einzog, während er nachdachte. „Wir arbeiten an einem Mordfall und Dr. Rodriges hat die Tote über einen längeren Zeitraum betreut. Können Sie uns vielleicht sagen, ob ein weiterer Arzt mit der Patientin betraut war? Es handelt sich um eine Frau namens Kathryn Swan.“
Die Krankenschwester sah von Scully zu Mulder und wieder zurück, dann schüttelte sie ihren Kopf. „Tut mir leid, Miss Scully. Ich weiß nichts von einer Patientin mit diesem Namen und ich glaube auch nicht, dass ich Ihnen eine solche Information geben dürfte.“
„Wer dürfte uns diese Information denn geben?“ mischte sich nun Mulder ein. Seine Stimme klang völlig ruhig und das schien sich auf die Frau zu übertragen. Sie blickte ihn an und lächelte dann schüchtern. Scully sah auf und stellte fest, dass er auch lächelte. Sie schob eifersüchtige Gedanken auf die Seite und sah wieder aufmerksam zur Krankenschwester.
„Ich werde den Klinikleiter fragen, ob er einen Moment für Sie Zeit hat. Haben Sie bitte einen Augenblick Geduld. Sie können dort warten, bis ich zurück bin.“ sagte sie eifrig, weiterhin Mulder anschauend und mit ihrer rechten Hand auf eine edle Ledersitzgarnitur hinter einer Glaswand deutend. Dann stellte sie ein Schild auf den Tresen, das besagte, dass gleich wieder jemand zur Verfügung stehen würde, kam hinter der Rezeption hervor und eilte durch eine Tür am anderen Ende der Lobby.
„Meine Nackenhaare stehen alle zu Berge.“ murmelte Mulder in Scullys Ohr, als er sie zu der Sitzgruppe geleitete.
„Meine auch.“ flüsterte sie zurück und sah sich genauer um. Die Lobby der Klinik wirkte eher wie die Lobby eines großen teuren Hotels. Selbst für eine Privatklinik schien hier zu viel Luxus zu stecken. „Es riecht auch nicht wie in einem Krankenhaus.“ stellte sie weiter sehr leise sprechend fest. Sie sah ihn an und beobachtete, wie er sich ebenfalls umsah und bestätigend nickte.
„Ich möchte wissen, was für Leute sich hier, wegen was, behandeln lassen.“ raunte er ihr zu und nun war es an ihr zu nicken.
Scully setzte sich in einen der Sessel in der Sitzgruppe, welche sie nun erreicht hatten und Mulder setzte sich ihr gegenüber und sah sie abwartend an. Sie erwiderte seinen Blick, glitt dann aber ab und sah hinter ihm durch die Glasscheibe in die Lobby. Sie hatte den perfekten Blick auf die Eingangstür und den gegenüberliegenden Tresen, auch die Tür, durch welche die Schwester verschwunden war, konnte sie sehen. Ihr Blick glitt zu Mulder, als dieser auf seine Armbanduhr sah. Dann sah er auf und ihre Blicke trafen sich.
„Wir haben noch etwa eine Stunde Zeit, die Rückfahrt mitgerechnet.“ sagte er leise.
Scully nickte und sah an ihm vorbei. „Sie kommt wieder.“ sagte sie dann und stand auf. Mulder stellte sich an ihre Seite und beide sahen der heraneilenden Schwester entgegen.
„Wenn es nicht allzu lange dauert, wird Mr. Stetson Sie empfangen.“ sagte sie und klang etwas atemlos.
Scully und Mulder nickten synchron.
„Folgen Sie mir bitte.“ sagte die Schwester und drehte sich bereits um, bevor sie ausgesprochen hatte.
Scully und Mulder folgten ihr durch die Tür am anderen Ende der Lobby und betraten einen hell erleuchteten, langen Gang. Etwa alle fünf Meter ging jeweils eine Tür nach links und rechts ab.
„Sie scheinen nur gut betuchte Patienten zu behandeln.“ stellte Mulder beiläufig fest und Scully sah kurz zu ihm auf, während sie versuchten mit der Schwester Schritt zu halten.
Die Schwester nickte nur, sagte aber nichts bis sie am Ende des Ganges an der einzigen Tür anhielt, die geradeaus führte. „So, ich werde Sie noch einmal ankündigen, einen Moment.“ sagte sie und betrat den Raum.
Scully hatte keine Möglichkeit hineinzusehen, weil sie in diesem Moment halb hinter Mulder stand. Stattdessen sah sie in sein Gesicht, das angespannt wirkte. Auch sie stand unter Spannung.
Die Tür öffnete sich wieder und die Schwester winkte sie herein. Sie betraten einen kleinen Raum, von dem eine weitere Tür geradeaus abging.
„Danke.“ sagte Mulder zu der Schwester, die den Raum verließ und wieder auf den Gang trat.
Scully sah zu ihm, bevor sie an der anderen Tür klopfte auf der „Stetson“ stand. *Kein Dr. oder sonstiger Titel*, dachte sie. *Merkwürdig.* Sie achtete auf einen neutralen Gesichtsausdruck, als sie die Tür nach einem „Herein“ öffnete und Mulder folgte ihr.
„Dr. Stetson?“ fragte Scully und auf ein Nicken des Mannes fuhr sie fort. „Spezial Agents Dana Scully und Fox Mulder vom FBI. Wir ermitteln in einem Mordfall und haben Fragen, die Sie uns eventuell beantworten können.“
Scully nahm den Raum und den Mann darin mit geschultem Blick wahr. Das Büro war ordentlich und sauber. Ein großer dunkler Schreibtisch stand in der Mitte vor einem Fenster und Dr. Stetson stand dahinter und deutete Scully und Mulder sich auf zwei Stühle vor seinem Schreibtisch zu setzen. Stetson selber war großgewachsen mit dunklen Haaren, die an seinen Schläfen bereits grau wurden. Er trug eine dunkle Hornbrille und wirkte sympathisch.
„Tracy erwähnte etwas in der Richtung.“ sagte Stetson ruhig, mit tiefer rauchiger Stimme.
„Zunächst wollten wir primär mit Dr. Rodriges sprechen, aber die Schwester erwähnte, dass er einen Unfall hatte?“ formulierte Scully die Aussage zu einer Frage, woraufhin Stetson nickte.
„Leider, er war ein... guter Arzt und treuer Mitarbeiter dieser Klinik. Wir bedauern seinen Unfall sehr. Ich bedaure seinen Unfall sehr. Er war mein Freund.“
„Das tut uns leid.“ sagte Scully und klang einfühlend. „Nun, den Fall, den wir bearbeiten, es handelt sich um eine Ihrer Patientinnen, Kathryn Swan. Hat außer Dr. Rodriges möglicherweise ein anderer Mitarbeiter dieser Klinik an ihrer Behandlung teilgehabt oder nähere Informationen zu ihrer Person, die uns helfen könnten?“
„Ich werde das prüfen lassen.“ sagte Stetson und Scully legte ihren Kopf schief.
„Wir hatten gehofft, Sie könnten uns gleich eine Auskunft geben, Dr. Stetson.“ sagte Scully und beobachtete den Mann genau. Dieser nickte.
„Das glaube ich Ihnen gern, Miss Scully, aber sehen Sie. Ich bin zwar der Leiter der Klinik, kenne aber nicht alle Patienten mit Namen. Meine Ärzte leisten sehr gute Arbeit und ich vertraue ihnen, deshalb haben sie mehr Freiheiten in der Anamnese und der Behandlung, als in anderen Kliniken. Das ist einer der Vorteile für unsere Patienten. Wir werben damit.“
„Ich verstehe.“ sagte Scully nachdenklich.
„Ich werde die medizinischen Unterlagen von... Wie hieß sie?“
„Swan. Kathryn Swan.“
Scully beobachtete wie Stetson sich den Namen notierte und sie lächelte ihn an, als er wieder aufsah. „Ich werde die Unterlagen für Sie heraussuchen lassen. Soll ich mich bei Ihnen melden, sobald sie mir vorliegen oder soll ich sie irgendwo hinschicken lassen?“ fragte Stetson zuvorkommend.
„Uhm, lassen Sie die Unterlagen schicken, wenn das möglich ist. An das Hauptbüro zu meinen Händen. Und vielen Dank.“ sagte Scully freundlich. *Das ist zu leicht.* dachte sie und blickte kurz zu Mulder, der ihr zunickte, dann sah sie wieder zu Stetson. „Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, Dr. Stetson.“
„Keine Ursache, Miss Scully.“ Stetson stand auf und reichte seine Hand über seinen Schreibtisch, erst an sie, dann an Mulder. „Finden Sie zurück oder soll ich Tracy sie abholen lassen?“
„Wir finden raus. Danke.“ lächelte Scully weiter und drehte sich zu Mulder, der schon an der offenen Tür auf sie wartete.
Scully spürte Mulders Hand sanft an ihrem Rücken, als sie etwa einen halben Schritt vor ihm, den hellen Flur durchquerte, der zurück zur Lobby führte. Sie schaute ernst zu ihm auf, als sie die Tür zur Lobby öffnete und durchging. Mulder folgte ihr mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck und Scully blickte weg von ihm und noch einmal zur Rezeption hinter der die Krankenschwester stand und aufblickte, als sie und Mulder in die Lobby traten. Die Schwester lächelte knapp und Scully erwiderte es, deutete mit dem Kopf einen Abschiedsgruß an und lief weiter zur Eingangstür, wieder mit dem Gefühl von Mulders Hand auf ihrem unteren Rücken.
Vor der Tür atmete sie tief ein und blickte zu Mulder auf, der hinter ihr stand und in die Sonne blinzelte. Beide setzten sich gleichzeitig in Bewegung und liefen zum Auto.
„Das war zu einfach.“ sagte Mulder leise, düster klingend. Und sprach damit Scullys Gedanken aus, den sie schon im Büro von Stetson gehabt hatte. Sie nickte und blickte ihn finster an.
„Irgendwas ist faul hier.“
„Allerdings.“ sagte er und entriegelte das Auto. Scully stieg ein und schnallte sich an, wartete dass Mulder los fuhr und presste ihre Lippen aufeinander.
„Wie spät ist es, Scully?“ fragte er sie und Scully sah auf ihre Uhr.
„Fast halb drei.“ antwortete sie und fühlte sich mit einem Schlag matt und müde, sie sah zu ihm. Er konzentrierte sich auf den Verkehr und brummte unwirsch. Sie bemerkte, dass er ebenfalls müde wirkte.
„Nach dem Meeting mit Skinner...“ sagte er nachdenklich und sah kurz zu ihr, bevor er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. „...gehen wir etwas essen.“ bestimmte er leise.
Scully lächelte. „Guter Plan.“

15:03 Uhr
A.D. Skinners Büro, J. Edgar Hoover Gebäude

„Agents Scully, Mulder, kommen Sie rein und setzen Sie sich.“ sagte Skinner und Scully und Mulder folgten seiner Aufforderung.
„Unsere Verspätung heute Morgen tut uns leid, Sir.“ hörte Scully Mulder sagen und sah kurz zu ihm. Mulder sah Skinner reumütig an. „Ich habe Agent Scully von zu Hause ab...“
Scully drehte sich zu Skinner, der seine Hand gehoben hatte und Mulder damit unterbrach. „Ich möchte das gar nicht wissen, Agent Mulder. Nicht mehr. Was mich viel mehr interessiert, ist der Vorfall im Fahrstuhl. Direktor Kersh persönlich hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass zwei meiner unterstellten Agenten, vor aller Augen...“
„Sir!“ unterbrach Mulder Skinner und Scully zuckte erschrocken und spürte Hitze in ihrem Gesicht. *Oh Gott.* dachte sie.
„...vor allen Augen wild miteinander rumknutschen. Ist das wahr?“ fragte Skinner laut und unbeirrt weiter.
Scully starrte Skinner an und drückte sich unbequem tiefer in den Sessel. Ihre Wangen fühlten sich so heiß an, dass sie sicher war, hochrot im Gesicht zu sein. Sie biss sich auf ihre Unterlippe. *Wenn das kein Eingeständnis ist, weiß ich auch nicht. Verdammt!* fluchte sie in Gedanken.
„Sir...“ sagte Mulder und Scully hörte aus seiner Stimme, wie sehr er sich beherrschen musste. „Agent Scully hat sich aus persönlichen Gründen versetzen lassen. Und ist lediglich für wenige Tage hier im Hauptbüro... Sie wissen das selber.“ setzte Mulder erneut, ärgerlich klingend, an.
„Das ist noch lange kein Grund, ein derartiges Benehmen an den Tag zu legen.“ grollte Skinner unbeirrt weiter und blickte beide finster an.
Scully sah zu Mulder, der seine Stirn in tiefe Falten gelegt hatte und ebenso verärgert wie auch schuldbewusst dreinschaute.
„Sollte das noch einmal vorkommen, wird das Konsequenzen haben. Verstanden Agents Scully, Mulder?“ drohte Skinner und Scully nickte fast automatisch.
„Ja Sir.“ sagte sie und hörte Mulder das Gleiche wütend murmeln.
„Gut. Das wäre geklärt. Gibt es Fortschritte in dem Blackwater-Fall?“ fragte Skinner weiter.
Scully schüttelte ihren Kopf. „Nichts konkretes, Sir.“ sagte sie mit einen weiteren kleinen Seitenblick zu Mulder. Er hatte seine Unterlippe in seinen Mund gezogen und schaute immer noch finster drein. Scully sah wieder zu Skinner. „Wir konnten die Tote als Kathryn Swan identifizieren und versuchen Informationen zu ihrer Person zu sammeln, aber... Wir haben noch keine konkreten Ergebnisse erzielen können.“ sprach sie ruhig weiter und beobachtete Skinners Reaktion.
„Das ist etwas dünn. Klemmen Sie sich dahinter.“ befahl Skinner und Scully nickte beflissen. Sie sah zu Mulder, der weiterhin schwieg, und dann wieder zu Skinner. „Wenn dieser Fall abgeschlossen ist, täte Ihnen beiden sicher ein Urlaub gut.“ fügte Skinner an.
Scully runzelte ihre Stirn. *Urlaub? Uns beiden?* Sie blickte zu Mulder, der aufstand.
„War das alles, Sir?“ fragte Mulder und Scully beeilte sich seinem Beispiel zu folgen und auch aufzustehen.
„Das war alles.“ sagte Skinner und blickte bereits auf die Papiere, die auf seinem Tisch direkt vor ihm lagen.
Scully sah Mulder einen Moment nach wie er das Büro verließ und drehte sich dann noch einmal zu Skinner um.
„Agent Scully?“ fragte Skinner und hob seine Augenbrauen. „Gibt es noch etwas?“
Scully überlegte fieberhaft. „Nein Sir.“ Damit drehte sie sich um und verließ das Büro. Mulder wartete vor der Tür auf sie. Sein Gesicht hatte einen neutralen Ausdruck, aber sie kannte ihn. Er war immer noch verärgert. Still gingen sie nebeneinander zum Fahrstuhl und Scully fühlte eine neue Welle von Scham auf ihrem Gesicht. Sie sah Mulder nicht an, als sie in den Fahrstuhl stiegen und in den Keller fuhren.

16:30 Uhr
Keller-Büro, J. Edgar Hoover Gebäude

Scully saß an Mulders Schreibtisch am Computer und versuchte weitere Spuren von Kathryn Swan zu finden. Sie starrte auf den Monitor und driftete einmal mehr mit ihren Gedanken weg. *Etwas übersehen wir.* Sie blickte zu Mulder, der sich in die Tatortfotos vertieft hatte. Er saß an demselben Platz, wo er gesessen hatte, als sie das erste Mal sein Büro betreten hatte. Und auch jetzt trug er seine Lesebrille und schien ganz weit weg zu sein. Er bewegte sich kaum und seinen Daumen und Zeigefinger hatte er an seiner Unterlippe. Er drehte die Lippe gerade ein wenig, als er wohl ihren Blick spürte und sich zu ihr umwandte. Scully traf seinen Blick, konnte ihm aber nicht standhalten und sah wieder auf den Computermonitor und versuchte sich daran zu erinnern, was sie gerade machen wollte. *Richtig, die Datenbank der Polizei.*
„Ich wollte mein Glück bei den Behörden versuchen. Ich bin nicht sehr zuversichtlich, es ist kaum möglich, aber... ich finde tatsächlich nicht den geringsten Hinweis darauf, dass eine Person namens Kathryn Swan je gelebt hat. Bis auf die Blutergebnisse und den Vermerk in der Datenbank der Sozialversicherung ist nichts zu finden. Es ist merkwürdig.“ sagte sie langsam und leise.
Scully hörte Mulders Anzug rascheln, als er aufstand und zu ihr an den Schreibtisch kam. Er stellte sich hinter sie, um auf den Bildschirm sehen zu können und beugte sich ein kleines Stück nach vorn. Seine Brustmuskeln streiften ihre Schulter und Scully hielt den Atem an. Ein Hauch seines Aftershaves drang in ihre Nase und sie schloss kurz ihre Augen bevor sie sich selber ein dummes Schulmädchen schimpfte und zwang wieder Luft zu holen.
„Hast du wieder Kopfschmerzen?“ fragte er leise und sie sah auf, um in sein Gesicht sehen zu können.
„Nein.“ sagte sie ebenso leise und schloss ihre Augen erneut, als er sich wieder aufrichtete, sich zentraler hinter dem Stuhl positionierte und seine Hände auf ihre Schultern legte.
„Entspann dich.“ flüsterte er und Scully spürte, wie nur seine Daumen begannen ihre verspannten Muskeln zu drücken.
Sie ließ ihren Kopf nach vorne auf ihre Brust sinken und zwang sich langsam und tief ein und aus zu atmen, während seine sanften Berührungen verhinderten, dass sie sich auf irgendetwas konzentrieren konnte.
„Was ist mit dem Melderegister?“ fragte er leise weiter.
Scully schüttelte ihren Kopf. „Nichts. Ich habe keinen Eintrag finden können. Nicht hier in D.C. Mhmm“ brummte sie leise, als er einen verspannten Knoten löste.
„Die Datenbank für Opfer?“
„Auch nichts...“
„Für Täter?“
„Wollte ich gerade versuchen...“ flüsterte Scully und rollte ihren Kopf etwas nach links und hob gleichzeitig leicht die rechte Schulter, um ihm zu zeigen, wo sich weitere Verspannungen versteckten. Er verstand und bearbeitete sie weiter, nur mit seinen Daumen, während seine Hände ansonsten groß und ruhig und angenehm warm auf ihr lagen. Sie hörte mehr, als das sie spürte, wie er sich weiter zu ihr herunterbeugte um ihr einen sanften Kuss auf ihren Nacken zu geben. Scully keuchte leise und hielt ihren Atem an. Nach einigen Sekunden, wo sie vollkommen erstarrt geblieben war, drehte sie sich um. Seine Hände fielen an seine Seiten und er ging einen halben Schritt zurück, um ihr Platz zu machen.
Sie sah ihn an und diesmal konnte er ihrem Blick nicht standhalten, weil sie sah, wie er beschämt seinen Kopf senkte und so leise etwas murmelte, dass sie es nicht verstehen konnte. Scully holte tief Luft und hatte plötzlich das Gefühl ihn umarmen zu müssen. Warum schämte er sich? Sie verdrängte ihre Gedanken und flüsterte ein Dankeschön.
Scully sah, wie er zusammenzuckte, als es laut an der Bürotür klopfte und diese gleich darauf aufging.
„Agents Scully, Mulder.“
Scully drehte sich so plötzlich zur Tür, dass ihr Nacken protestierend knackte und sich augenblicklich wieder verspannte, als Skinner hereintrat.
„Haben Sie Ergebnisse?“
„Nein Sir. Keine neuen.“ sagte Mulder und umrundete den Schreibtisch um näher auf Skinner zu zugehen.
Scully bemerkte, dass Skinner einen Zettel in der Hand hielt, den er nun Mulder reichte, dann drehte er sich auch schon wieder um und sagte, während er das Büro verließ. „Machen Sie Schluss für heute.“ Dann war die Tür geschlossen und Mulder sah zu ihr herüber, etwas verwundert dreinblickend und endlich den Zettel hebend, um ihn zu lesen. Scully sah, wie sich Mulders Stirn in Falten legte und dann reichte er ihr den Zettel, so dass sie ihn ebenfalls lesen konnte.
Hier können wir ungestört reden.
18:30 Uhr
Restaurant Rigatoni
Bethesda
Scully sah wieder auf und begegnete Mulders Blick, der intensiv auf ihr lag. Sie nickte ihm langsam zu, ging an den Schreibtisch zurück und zerriss nebenbei den Zettel und steckte die Schnipsel in ihre Hosentasche. Dann sah sie auf den Monitor der blinkend kundtat, dass er keine Übereinstimmungen gefunden hatte und schaltete den Computer aus. Sie sah zu Mulder, der die Tatortfotos in die Akte zurücklegte und diese dann ordentlich oben auf einen Stapel anderer Akten auf den Schreibtisch legte.
„Immerhin bekommen wir noch ein anständiges Abendessen.“ sagte er trocken scherzend, als sie gemeinsam das Büro verließen.
Scully schenkte ihm ein müdes Lächeln.

18:10 Uhr
Restaurant Rigatoni, Bethesda, Washington D.C.

Scully betrat das kleine Restaurant, dicht gefolgt von Mulder, und sah sich um. Es herrschte nur gedämpftes Licht, das urgemütlich wirkte. Dunkle Holzvertäfelungen, von großen, schwer gerahmten Bildern die das Mittelmeer zeigten durchbrochen, beherrschten ihren ersten Eindruck. Die Tische waren mit karierten Decken belegt. Auf jedem Tisch stand eine Vase mit frischen Blumen und es duftete nach gegrilltem und gebratenem Fleisch, sowie nach mediterranen Gewürzen. Ihr Magen gab ein Geräusch von sich und sie drehte sich zu Mulder um, um zu sehen, ob er es gehört hatte. Er ließ ebenfalls den Raum auf sich wirken und lächelte sie langsam an.
„Romantisch.“ sagte er leise und sein Lächeln wurde noch breiter.
Scully musste sein Lächeln erwidern, drehte sich aber weg von ihm und sah aus einem der großen Fenster. Es war immer noch sehr hell draußen, die Sonne ging erst in drei Stunden unter. Danach musste es hier drin noch gemütlicher sein und sie hoffte, es noch heute zu erleben.
Ein Kellner mit dunkler sonnengebräunter Haut und dunklen, fast schwarzen Haaren stand plötzlich vor ihr und fragte mit einem starken italienischen Akzent, ob sie einen Tisch reserviert hätten.
Scully schüttelte ihren Kopf und folgte dem Kellner, der ihnen sofort einen Tisch für zwei Personen im hinteren Teil des Restaurants deutete. „Oh, es wird noch eine dritte Person zu uns kommen.“ sagte sie, ein wenig verlegen und vermied es Mulder anzusehen.
„Iste keine Problema.“ sagte der Kellner und stellte kurzerhand einen weiteren Stuhl an den Tisch, eilte davon und kam mit einem weiteren Gedeck wieder. „So Signorina. So gehen, ja?“
Scully nickte und lächelte den Kellner an. „Danke“, sagte sie und sah nun doch zu Mulder, der einen der Stühle etwas vorgezogen hatte und ihr mit einem Kopfnicken andeutete, dass sie sich darauf setzen sollte. „Danke.“ murmelte sie noch einmal in Mulders Richtung und beobachtete, wie er sich ihr gegenüber an den kleinen gemütlichen Tisch setzte. Sein Knie stieß sanft an ihres und ihre Blicke trafen sich.
„T'schuldigung.“ sagte er leise und versuchte seine langen Beine unter dem Tisch zu sortieren, was aber nur dazu führte, dass er ein weiteres Mal gegen sie stieß, diesmal nicht so sanft. Scully führte ihre linke Hand unter den Tisch und legte sie auf sein Knie, das ihres getroffen hatte.
„Halt still.“ sagte sie leise und streichelte kurz über sein Knie. Ihre Augen trafen seine und er lächelte unsicher. „Ist nicht schlimm.“ sagte sie, weiter leise und nahm ihre Hand unter dem Tisch hervor. Sie sah zu dem Kellner auf, der geduldig wartete und bereits zwei Speisekarten in den Händen hielt. Sie nahm eine entgegen und schlug sie auf, froh darüber sich ein wenig dahinter verstecken zu können. Der Kellner ließ ihnen ein paar Minuten und kam dann wieder, um ihre Getränkebestellung aufzunehmen.
„Es ist nett hier.“ hörte sie Mulder sagen und sah von der Karte zu ihm auf.
Scully nickte. „Ja. Mir gefällt es auch. Warst du schon einmal hier?“
„Nein. Aber ich schätze... Wenn das Essen nur halb so gut ist, wie es riecht, werde ich es mir merken.“
Scully schmunzelte und senkte dann nickend ihren Kopf. „Ich fürchte, ich kann mich nicht entscheiden, Mulder.“
„Frauen.“ murmelte er herausfordernd, aber Scully wollte nicht darauf eingehen. Es kam öfter vor, dass sie länger brauchte um ein Gericht in einem Lokal auszusuchen, als er. Und er neckte sie gerne mit dieser Tatsache.
Scully hatte ein warmes behagliches Gefühl im Bauch, als sie weiter die Karte studierte.
„Ich hatte gehofft, Sie würden bereit sein zu bestellen, bis ich hier sein kann.“ erklang Skinners Stimme neben ihrem Tisch und Scully und Mulder sahen beide zu ihm auf. „Darf ich?“ fragte er und setzte sich gleichzeitig ohne eine Antwort abzuwarten. „Die Muscheln sind gut, Scully.“ sagte er weiter und nahm dem Kellner, der bereits neben ihm stand eine weitere Karte ab und blätterte darin.
„Ich denke, ich ... nehme die Lasagne.“ überlegte sie und schloss dann ihre Karte, zwischen Mulder und Skinner hin und her sehend.
Ihr Herz schlug einen Takt zu schnell, als sie Mulders sanftem Blick begegnete und beide sahen gleichzeitig zu Skinner, der sich räusperte und seine Karte ebenfalls schloss, um sich dann zu dem Kellner zu drehen und zu zeigen, dass sie bereit wären, ihre Bestellung aufzugeben.
„Die Dame möchte die Lasagne mit einem lieblichen Dornfelder dazu, der Herr...?“ Scully folgte Skinners Blick zu Mulder.
„Den gegrillten Seelachs, bitte.“ sagte Mulder.
„mit einem Glas Weißburgunder...und ich nehme die klassische Pasta Bolognese, ebenfalls mit Dornfelder, aber trockenem, nicht lieblich.“ schloss Skinner, während der Kellner alles eifrig notierte.
Scully sah dem Kellner hinterher, bevor Skinner mit einem weiteren Räuspern ihren und auch Mulders Blick auf sich lenkte.
„Nun...da wären wir. Was halten Sie von meinem kleinen Geheimtipp?“ Scully bemerkte Skinners Grinsen in Mulders Richtung. „Kommt immer gut an, bei den Damen.“ raunte er weiter in Mulders Richtung und lächelte dann Scully an, die mit einem Schluck ihres Wassers versuchte, ihre trockene Kehle zu befeuchten, aber nur erreichte, dass sie sich verschluckte und husten musste. Sie fühlte Mulders Blick auf sich ruhen und sein Knie, das sich unter dem Tisch stärker an ihres drückte.
Scully sah zu Skinner, als dieser fortfuhr. „Wie dem auch sei... Scully, haben Sie etwas, das Sie im Büro nicht sagen konnten?“ fragte er und Scully runzelte überlegend ihre Stirn. Ihr Kopf war leer.
„Nein, es sei denn, Sie waren in letzter Zeit in einer Privatklinik namens ‚Suns Hope‘ oder kennen einen Dr. Stetson, Sir.“
„Nein, hrm. Es scheint nicht viel zu geben, dem Sie folgen können in diesem Fall. Eine schwierige Situation, weil heute noch einmal Agent Wills bei mir angefragt hat, wie lange wohl Ihre Untersuchung an diesem Fall dauern wird. Die brauchen wohl dringend Gerichtsmediziner, unten in Quantico.“ versuchte Skinner zu lächeln, aber Scully nickte nur und sah, wie die Mine des Assistent Direktors wieder einen ernsteren Ausdruck annahm.
Scully bemerkte den Kellner, der mit ihrem Essen an den Tisch kam und servierte. Sie sog tief die köstlichen Gerüche ein, die ihren Magen lauter als zuvor knurren ließen und diesmal hörte es Mulder wohl, weil sie sah, wie er sie angrinste und ihr zunickte, sie solle mit dem Essen beginnen. Und wieder spürte sie sein Knie stärker an ihrem drücken. Sie sah zu Mulder und tauschte einen intensiven Blick mit ihm, bis Skinner sich erneut räusperte und sie zu ihm sah.
„Die Gerüchteküche um Sie beide brodelt. Ich schätze, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Darum möchte ich Sie bitten, gemeinsam Urlaub zu machen. Das ist letztendlich etwas, was ich Ihnen kaum vorschreiben kann, aber ein Urlaub zur selben Zeit und möglicherweise auch an denselben Ort, oder eine Andeutung in diese Richtung, würde sicher zu weiteren Gerüchten führen. Diese ganze Sache zu beobachten macht fast Spaß.“
Scully sah hinunter auf ihr Essen, das warm dampfte, und nur aus den Augenwinkeln, wie Mulder nickte. Sie hörte seine leise Bestätigung an Skinner und holte Luft, welche sie für einige Augenblicke in ihren Lungen hielt. *Urlaub...mit Mulder...* Ein sanfter aber anhaltender Druck an ihrem Knie ließ sie wieder zu Mulder sehen. Sein Blick ruhte auf ihr und sie war sich ziemlich sicher, dass er, wenn sie beide allein wären, etwas zu dem Thema Urlaub sagen würde. Scully runzelte ihre Stirn und sah wieder auf ihre Lasagne herab. Sie nahm einen kleinen Bissen, pustete den Dampf weg und schloss die Augen, während sie langsam kaute. „Köstlich.“ murmelte sie und öffnete ihre Augen wieder.
Sie blickte wieder zu Mulder, der sie anlächelte. Er hatte eine seiner Augenbrauen erhoben und sah erstaunt aus. Das war ein Gesichtsausdruck, den sie selten an ihm sah und der sie dazu brachte sein Lächeln zu erwidern.
Sie nahm einen weiteren kleinen Bissen und brummte leise. Nachdem sie heruntergeschluckt hatte, leckte sie sich ihre Unterlippe ab, indem sie diese in ihren Mund zog. Sie spürte Mulders Knie unter dem Tisch, er zappelte unruhig und sie bemerkte, dass er sie immer noch intensiv beobachtete. Ein kleiner Blick zu Skinner zeigte, dass dieser sich auf seinen Teller konzentrierte und sich kaum um sie oder Mulder zu kümmern schien.
Scully wollte sich gerade einen neuen Bissen in den Mund stecken, als ein Räuspern von Mulder sie wieder zu ihm sehen ließ. Er grinste.
„Darf ich probieren?“ fragte er leise und seine Stimme klang so rau wie am Morgen, als er sie geküsst hatte.
Scully hob ihre Gabel über den Tisch und Mulder kam mit seinem Gesicht näher. Sie fütterte ihn und er schloss ebenfalls seine Augen, als der Bissen in seinem Mund verschwand. Sie sahen sich wieder an, als er herunterschluckte. Mulder dabei zu beobachten, wie er das Essen genoss, schickte Scully ein warmes Gefühl durch den Magen, das nicht vom Essen kam.
Sie nickte, als er mit seiner Gabel auf seinen Fisch deutete und seine Augenbrauen hob. Er spießte ein Stück davon auf seine Gabel und nun fütterte er sie über den Tisch hinweg. „Mhmm.“ seufzte sie und schloss wieder ihre Augen.
„Wissen Sie, für mich brauchen Sie keine Show abzuliefern.“ stellte Skinner nüchtern fest und wischte sich mit der Serviette seinen Mund ab. „Das war wirklich gut.“
Scully schmunzelte, als ihr Vorgesetzter sich auf seinen Bauch klopfte und zum Kellner rief, dass das Essen so köstlich wie nie gewesen war.
Scully sah auf ihre Lasagne, wovon sicher noch die Hälfte übrig war, dann sah sie auf Mulders Teller, der auch noch nicht ganz fertig war und dann sah sie zu Skinner.
„Ich werde Sie beide jetzt allein lassen.“ Skinner sah zu Mulder. „Bringen Sie morgen die Rechnung ins Büro zu Kimberly, das war ein geschäftliches Essen.“
„In Ordnung, Sir. Da sage ich sicher nicht nein.“ erwiderte Mulder.
Scully lächelte Skinner noch einmal zu und dann war dieser auch schon wieder verschwunden. Sie blickte zu Mulder und zuckte kurz ihre Schultern, bevor sie in Ruhe weiter aß. Sie genoss jeden Bissen, doch so langsam merkte sie, dass sie kaum alles von der Lasagne schaffen würde.
„Wir können es uns einpacken lassen.“ sagte er leise zu ihr und brachte sie so dazu ihre Gabel auf die Seite zu legen. Sofort war der Kellner neben ihr und fragte aufmerksam, ob alles zu ihrer Zufriedenheit gewesen wäre.
„Oh ja.“ sagte Scully und lächelte den Kellner freundlich an. „Es ist fantastisch. Würden sie mir den Rest bitte einpacken?“
„Sicher Senorina. Liebend gerne.“
Sie spürte Mulders Blick auf sich und sah auf. „Magst du noch ein Glas Wein?“ fragte er leise.
Scully schüttelte ihren Kopf. „Nein.“ antwortete sie genauso leise. „Ich habe noch einen Schluck und...“
„Du bist müde.“ ergänzte er. „Ich bringe dich gleich nach Hause, Scully.“ flüsterte er sanft.
„Danke.“ flüsterte sie zurück und vermied es ihn anzusehen.

02:35 Uhr
Scullys Apartment, Georgetown

„Verdammt.“ murmelte Scully leise und drehte sich im Bett herum. Seitdem Mulder sie nach Hause gebracht hatte schien ihr Apartment, das ihr sonst die nötige Ruhe brachte um zu entspannen, sie zu ersticken. Es war warm, aber nicht wirklich heiß. In diesem Sommer regnete es mehr und es gab nur wenige richtig heiße Tage. Dennoch fand Scully einfach keinen Schlaf. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere und nur wenige Minuten später wieder zurück in ihre ursprüngliche Position. Wenn sie nicht bald etwas Schlaf fand, würde sie am nächsten Tag kaum zu etwas zu gebrauchen sein. Sie dachte an Mulder. An den Ausdruck in seinen Augen, als sie ihm eine gute Nacht wünschte und sich somit von ihm verabschiedete. Sie waren auf dem Weg vom Restaurant zu ihrem Apartment beide schweigsam gewesen. Nicht unangenehm schweigsam. Sie waren einfach beide in Gedanken versunken und Scully fühlte sich fast schwebend, bis zu dem Punkt, wo sie ihre Haustür erreicht hatten. Mulder war noch mit aus dem Auto ausgestiegen, um sie die wenigen Schritte bis zur Tür zu begleiten, aber er machte keinerlei Anzeichen, dass er Interesse hätte noch mit ihr in die Wohnung zu kommen. Er wünschte ihr eine gute und ruhige Nacht und sah sie dabei so sanft an, dass ihr fast schwindelig wurde. An diesem Punkt war sie froh, dass er nicht mit rein kommen wollte, weil sie sich nicht sicher war, was dann passiert wäre. Sie dachte an den Kuss am Morgen und wünschte sich, er würde es wieder tun. Sie einfach in seine Arme ziehen und küssen, dass sie alles andere um sich herum einfach vergaß. Er war so zärtlich gewesen und gleichzeitig fordernd. Wenn sie sich konzentrierte, konnte sie immer noch nachfühlen, wie seine Arme um sie lagen und wo seine Hände ihre Hüften umfasst hatten.
Mit einem schweren Seufzen drehte sie sich auf die andere Seite und sah auf die leere Stelle im Bett, wo er letzte Nacht gelegen hatte. Sie streckte ihren Arm aus und streichelte über das Laken.
„Verdammt.“ murmelte sie wieder, zog ihre Hand an ihren Körper und drehte sich auf den Rücken. Ihr Blick glitt zu ihrem Wecker der mit großen roten Zahlen verriet, wie die Zeit dahinfloss. Dann glitt ihr Blick auf das Telefon daneben.
*Ruf an.* dachte sie und als ihr bewusst wurde, wie sehr sie es sich wünschte, dass Mulder anrufen würde, stand sie mit einem Ruck aus ihrem Bett auf. Sie ärgerte sich, dass sie sich wie ein verliebter Teenager fühlte und tapste in ihre Küche, um sich etwas zu trinken zu machen. Einen Augenblick stand sie unschlüssig vor ihrem Kühlschrank, aber ein kaltes Getränk würde ihr wohl kaum helfen einzuschlafen. Mit einem weiteren leisen Seufzen setzte sie sich Teewasser auf und holte ihre Lieblingstasse aus dem Schrank. Sie wählte einen beruhigenden Fencheltee, der hoffentlich ihren Magen dazu bringen würde warm zu werden. Vielleicht würde sie ja in einer halben Stunde endlich etwas Schlaf finden. Mit einem Tee im Bauch, der sich angenehm warm anfühlen würde.
Scully setzte sich an ihren Esstisch, als sie darauf wartete, dass das Wasser zu kochen begann. Sie starrte auf den Platz, wo Mulder am vorigen Morgen gesessen hatte.
*Verschlafen. Er hat verschlafen. Er hat in meinem Bett geschlafen... und verschlafen.* Sie schüttelte ihren Kopf, als wollte sie ihre Gedanken dazu bringen still zu sein.
Der Teekessel begann zu pfeifen und Scully stand auf, um das heiße Wasser in ihre Tasse zu füllen. Ein angenehmer Duft verbreitete sich im Raum und sie atmete ihn tief ein, ihre Nase über die Tasse haltend.
*Gut* dachte sie und pustete den Dampf weg, setzte sich wieder, mit der Tasse vor sich, an den Tisch und sah in die helle Flüssigkeit. Sie beobachtete, wie sich der Dampf aus ihrer Tasse wand und sich aufzulösen schien, als er sich mit der Raumluft mischte.
*Was machst du mit mir, Mulder?* dachte sie, zog ihre Stirn in Falten und presste ihre Lippen aufeinander. *Warum wirft mich dieses „Spiel“ so aus der Bahn? Geht es dir genauso? Das tut es, oder? Ich konnte es sehen. Es geht dir genauso. Und darum geht es mir so, wegen dir.*
„Wo wird es hinführen?“ fragte sie flüsternd ihre Teetasse.
*Liebst du mich Mulder?* sie presste ihre Lippen weiterhin fest aufeinander. *Ich tue es.*
„Gott.“ hauchte sie und legte ihren Kopf auf ihre Arme, die sie vor sich auf dem Tisch verschränkt hatte. „Ich liebe dich“, flüsterte sie in die Stille.

07:01 Uhr
Scullys Apartment, Georgetown

Scully schrak hoch, als sie eine Hand auf ihrer Schulter fühlte. Sie sprang auf und holte in einem Reflex mit ihrem rechten Arm aus, um den vermeintlichen Eindringling von sich fern zu halten. Sie keuchte und blickte in Mulders Augen. Ihre Beine knickten weg und sie strauchelte. Mulder schlang seine beiden Arme um sie und murmelte beruhige Worte, die erst nach einigen Atemzügen für sie Sinn machten.
„... Ich bin’s. Es ist ok. Tut mir Leid...“ wiederholte er immer und immer wieder.
„Mulder.“ schnaufte Scully endlich und beruhigte sich allmählich. „Du hast mich erschreckt.“
„Ja, tut mir leid. Du hast nicht geöffnet und nicht geantwortet. Ich dachte, dir ist vielleicht etwas passiert. Tut mir Leid... Ich wollte dich nicht erschrecken.“ sagte er leise.
„Ich bin froh, das du es bist.“ murmelte sie und drückte ihr Gesicht an seine Brust, sie atmete tief ein und entspannte sich.
„Hast du am Tisch geschlafen?“
„Ooh, ja... Ja, ich glaube schon.“ murmelte sie kaum verständlich.
„Bist du ok?“ fragte er besorgt.
„Ich bin ok.“
„Warum hast du am Tisch geschlafen?“
„Ich habe ... Ich... Ähm...“ sie blickte zu ihm auf. *Ich liebe dich*
Scully sah Mulder in die Augen, er hielt sie immer noch, wenn auch nicht mehr so eng, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte. Er schaute fragend zurück.
„Ich...“ sie stockte, als er seinen Kopf senkte und seine rechte Hand in ihr Haar glitt und ihren Kopf hielt.
„Du...?“ flüsterte er und kam mit seinem Gesicht näher an ihres.
Sie atmete mit leicht geöffneten Lippen aus und schloss ihre Augen.
„Du...?“ raunte er noch einmal und dann berührten seine Lippen ihre.
Scully seufzte und öffnete ihre Lippen weiter, mit ihrer Zunge tastete sie vorsichtig nach seiner. Sie spürte, wie er seine Arme enger um sie schloss und sie fest an sich presste, dann war seine Zunge in ihrem Mundraum. Scully strich ihre Hände über seinen Rücken und beendete dann den Kuss, schmiegte aber ihre Wange wieder gegen seine Brust. „Ich liebe dich.“ flüsterte sie.
„Was?“ keuchte er leise und schob sie ein Stück von sich weg, um ihr wieder ins Gesicht sehen zu können.
Scully blickte hoch, um in seine Augen sehen zu können und ihr Mund wiederholte ihr Geständnis, ohne einen Ton hervor zu bringen.
Das nächste was sie spürte, waren wieder seine Arme, die sie eng an sich zogen. „Gott.“ flüsterte er fassungslos. „Dana...“
Scully senkte ihren Blick wieder und schmiegte sich an ihn.
„Ich...“ sie hörte, wie seine Stimme brach.
„Shhh.“ machte sie. „Es ist ok.“ flüsterte sie. „Es ist ok. Ich... Ich sollte mich für die Arbeit fertig machen... Kannst... Kannst du einen Kaffee aufsetzen, oder m... müssen wir gleich los?“
„Ich mach dir Kaffee.“ raunte er und küsste ihre Schläfe.
Scully löste sich von ihm und ging ins Schlafzimmer, um sich frische Kleidung für den Tag heraus zu suchen, dann ging sie ins Badezimmer. Dort sah sie in den Spiegel und lächelte sich an. *Gott.* Sie hatte es ihm gesagt. Sie hatte tatsächlich ihren Verstand ausgeschaltet und dann den Mut gefunden ihm zu gestehen, dass sie ihn liebte. Ihr Herz schlug wie verrückt und sie machte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. *Das Spiel. Es gehört zum Spiel. Ich muss es ihm sagen. Gleich.* Scully öffnete die Tür vom Badezimmer.
„Mulder?“ rief sie ihn und er kam aus der Küche und sah sie fragend an. Scully presste ihre Lippen aufeinander und sah ihn an. *Spiel. Das gehörte zum Spiel.* dachte sie mit wild pochendem Herzen. Sie bemerkte seinen erschrockenen Blick, als er näher kam. „Mulder. Es tut mir leid.“ sagte sie leise und sah ihn traurig an, sie spürte plötzlich Tränen, die sich in ihren Augen sammelten.
„Scully?“ fragte er leise und erreichte sie endlich.
Sie trat aus dem Türrahmen und schlang ihre Arme um ihn, zog seinen Kopf zu sich herunter und so leise sie konnte flüsterte sie. „Es tut mir leid. Ich habe das für das... das Spiel ge...gesagt.“ sie fühlte, wie ihr eine Träne entwich. Er erwiderte ihre Umarmung.
„Das habe ich mir gedacht.“ hauchte er genauso leise in ihr Ohr. Er küsste ihr Ohr. „Mach dir keine Sorgen.“ Er schob sie wieder ein Stückchen von sich und sah ihr in die Augen, sein Blick ernst. Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände und küsste seine Stirn. Nachdem sie sich wieder löste und ihm erneut in die Augen sah, lächelte er sie an und nickte. „Der Kaffee ist gleich fertig.“ sagte er dann lauter und wandte sich in Richtung Küche ab. Scully schloss die Badezimmertür wieder und beeilte sich damit, zu duschen und sich anzuziehen.

08:15 Uhr
J. Edgar Hoover Gebäude, Washington D.C.

Scully und Mulder hatten Glück gehabt mit dem Verkehr und waren fast pünktlich im Büro angekommen. Auf Mulders Schreibtisch bemerkte Scully einen großen Briefumschlag, der einen Stempel von der Privatklinik ‚Suns Hope‘ trug.
„Das ging aber schnell.“ sagte sie und griff nach dem Umschlag, der an sie adressiert war.
„Was ist das?“ fragte Mulder und kam näher.
„Aus der Klinik ‚Suns Hope‘. Anscheinend hat dieser Dr. Stetson seinen Mitarbeitern Druck gemacht.“ Scully holte zwei, mit Schreibmaschine geschriebene Blatt Papier aus dem Umschlag und überflog die erste Seite flüchtig, um sie dann an Mulder weiterzureichen und die zweite intensiver zu lesen. „Hm, anscheinend haben wir Glück und Dr. Rodriges hatte tatsächlich einen Assistenten. Keinen zweiten Arzt, aber einen Laborassistenten, der nur in seinem Auftrag gearbeitet hat. Hrm. Was der wohl den ganzen Tag im Labor untersucht hat? Der Name des Assistenten lautet... Quentin Gates.“
Scully hörte Mulder neben sich brummen und sein Jackett rascheln. Sie sah auf und lächelte, als sie erkannte, dass er bereits sein Handy in der Hand hatte und eine Nummer wählte.
„Quentin Gates.“ sagte er einfach in die Muschel des Mobiltelefons und legte auch schon wieder auf. „Was steht da noch?“ fragte er und stellte sich hinter sie, um ihr über die Schulter zu sehen und mitlesen zu können.
„Nicht besonders viel. Mr. Gates Aufgaben lagen nur im Labor, um für Dr. Rodriges Forschungen und Untersuchungen durchzuführen. Mit Patienten hatte er wohl niemals direkt Kontakt.“ Scully drehte sich leicht, um Mulder besser ansehen zu können. „Wir sollten ihn dennoch schnellstmöglich befragen.“
„Ja.“ sagte Mulder einfach. In diesen Moment klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch. Er nahm ab und lauschte einen Moment.
Scully sah ihn ruhig, aber fragend an. Er erwiderte ihren Blick, als er weiter dem Gesprächspartner am Telefon lauschte und dann nickte. „In Ordnung, ich mache mich sofort auf den Weg.“ sagte er und legte auf.
Scully sah ihn weiter fragend an, ihre rechte Augenbraue war ein Stück nach oben gerutscht.
„Es gibt eine weitere Leiche mit einem Schriftzug. Wieder im Blackwater-Nationalpark. Ich muss gleich los.“ sagte er ernst und hatte bereits fast die Tür erreicht.
„Ich fahre nach ‚Suns Hope‘“. sagte Scully, „und befrage Mr. Gates. Ich ruf dich an.“
Mulder nickte ihr zu. „Pass auf dich auf.“ antwortete er weich und verließ das Büro.
Scully griff nach dem Telefon und bestellte sich ein Taxi. *Vielleicht wird es doch Zeit, dass wir endlich mein Auto holen.* dachte sie.

09:20 Uhr
„Suns Hope“ Privatklinik, Rockville, Washington D.C.

Scully stand an der Rezeption in der Lobby der Privatklinik und wartete darauf, dass sie zu Quentin Gates vorgelassen werden würde. Heute war eine andere Schwester hinter der Rezeption, genauso zuvorkommend und freundlich wie die vom Vortag. Scully hatte wieder das merkwürdige Gefühl in ihrer Magengegend. *Warum haben wir uns nur getrennt?* fragte sie sich und tippte auf dem Tresen mit ihren Nägeln herum. *Um Zeit zu sparen. Vermutlich wartet nachher eine Leiche auf mich, aber das ist dann die Gelegenheit, mein Auto von Quantico mitzunehmen. Mulder wird sicher dieselbe Idee haben. Ist auch dämlich, dass er mich jeden Morgen abholen muss.*
„Miss Scully?“ fragte eine weitere Schwester.
„Ja.“ Scully sah auf. *Mist.* Sie war unaufmerksam und hatte die zweite Schwester überhaupt nicht bemerkt, bis sie angesprochen wurde.
„Ich werde Sie zu Mr. Gates bringen. Wenn Sie mir folgen möchten.“ sagte die Schwester freundlich und lächelte zuvorkommend.
Scully nickte und ging auf die Schwester zu. „Natürlich.“ sagte sie. „Danke.“
„Die Labore befinden sich im dritten Untergeschoss, wir werden den Fahrstuhl nehmen müssen.“ stellte die Schwester weiter fest und Scully folgte ihr durch eine andere Tür als am Vortag. „Sie haben doch keine Probleme mit Kellerräumen?“
„Nein. Gar nicht.“ sagte sie und musste lächeln. *Ich verbringe nur zu viel Zeit in solchen Räumen.* dachte sie weiter.
„Hier entlang, bitte.“ sagte die Schwester und führte Scully durch einen weiteren hellen Gang und zu einem geräumigen Fahrstuhl, der endlich an ein Krankenhaus erinnerte, weil er groß genug war, um eine Liege auf Rollen zu transportieren und auf beiden gegenüberliegenden Kabinenwänden Türen hatte. Die Schwester nutzte einen Schlüssel, um den Fahrstuhl in das dritte Untergeschoss fahren zu lassen. Es gab keine Knöpfe, bemerkte Scully leicht beunruhigt. Sie würde nicht ohne Begleitung wieder hinauffahren können.
„Darf ich fragen, was Sie von Mr. Gates wissen möchten?“ fragte die Schwester munter und blickte Scully offen lächelnd an.
„Ich möchte ihm nur einige Fragen stellen.“ sagte Scully ohne eine direkte Antwort zu geben.
„Ich verstehe. Geht es um Dr. Rodriges?“ fragte die Schwester neugierig weiter.
„Dazu werde ich mich jetzt nicht äußern.“ sagte Scully und bemerkte selbst, dass ihre Stimme einen kühleren Ton angenommen hatte.
„Oh.“ sagte die Schwester. „Entschuldigung, ich wollte nicht aufdringlich sein.“
„Kein Problem.“ sagte Scully einfach.
Der Fahrstuhl öffnete leise quietschend seine Türen, auf der gegenüberliegenden Kabinenwand, und ein weiterer heller Flur tat sich auf.
„Wir sind fast da.“ plapperte die Schwester weiter und ging voran. Ihre Schritte waren eiliger geworden und Scully musste ebenfalls ihre Schritte schneller werden lassen, um nicht zurück zu bleiben. Sie durchquerten eine Tür, die etwa in der Mitte des Flures nach rechts hin lag und ein weiterer Flur mit weiteren Türen lies Scully kurz den Atem anhalten. *Ich finde hier nie wieder raus.* schoss es ihr kurz durch den Kopf.
„So...da wären wir. Mr. Gates soll einfach nach mir schicken lassen, um Sie wieder abzuholen.“
„Ja, danke sehr.“ murmelte Scully und klopfte an die Tür, auf welche die Schwester gewiesen hatte. Diese hatte sich bereits umgedreht und eilte den Flur zurück in die Richtung, aus der sie eben gekommen waren. Scully runzelte kurz überlegend die Stirn und klopfte ein zweites Mal.
„Herein.“ erklang eine dumpfe, ärgerlich klingende Stimme hinter der Tür und Scully öffnete sie.
Sie betrat ein Labor mit den neuesten technischen Geräten und Apparaten, die man sich nur vorstellen konnte. Von einigen müsste selbst sie die Funktion erraten. Mit dem Rücken zu ihr stand ein großgewachsener Mann in einem Vollschutzanzug und sie bekam augenblicklich eine Gänsehaut, die sie sich nicht erklären konnte.
„Mein Name ist Dana Scully. Ich bin vom FBI und habe einige Fragen an Sie. Sie wurden unterrichtet, Mr. Gates?“ fragte sie und hob während sie sprach ihren Ausweis.
„Ich wurde unterrichtet, ja. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auf Ihre Fragen antworten werde.“ sagte der Mann mit dunkler Stimme. „Schließen Sie bitte die Tür.“ befahl er mehr, als er bat. Bevor Scully der herrischen Bitte jedoch nachgeben konnte, klappte die Tür ganz von selbst zu und dabei erklang ein schmatzendes Geräusch, als würde am Rahmen eine Gummischicht für eine extra Versiegelung sorgen und Scully konnte das Gefühl, das etwas nicht richtig war, nicht mehr abschütteln.
Der Mann drehte sich um und ihr Gefühl bestätigte sich, als sie ihn erkannte. „Jarleth?“ fragte sie und spürte die kalte Tür hinter sich, als er mit einem finsteren Gesichtsausdruck auf sie zukam. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass er mindestens zwei Köpfe größer war und ihre Gedanken rasten, bei dem Versuch einen Zusammenhang zu verstehen. *Was macht er hier? Warum ist er nicht in Quantico? Er ist Kadett. Was macht er hier? Was bedeutet das? Mulder! Gott n...*

Unbekannte Zeit und Ort

„Hrmm“ stöhnte Scully rau und bemerkte einen seltsamen Schmerz in ihrer Kehle. Sie fühlte, dass sie lag und es war dunkel. Mehr nahm sie für mehrere Minuten nicht wahr. Zu den Halsschmerzen gesellte sich ein heftiger Kopfschmerz, der in ihrer Stirnhöhle seinen Ursprung zu haben schien. *Der Krebs ist zurück.* dachte sie dumpf und schnappte nach Luft. *Panik. Keine Panik. Das hilft dir nicht... Wo bist du Dana?*
Scully versuchte sich zu konzentrieren.
*Ein Bett? Eine Liege? Nein, eher eine Krankenbahre.*
Sie holte mühsam Luft. *Kay... Wo? Wo bist du? Krankenhaus? Krankenhaus. Suns Hope. Suns Hope? Au. Mein Hals. Rau... Wie... Als hätte ich geschrien? Habe ich geschrien?*
Scully schnappte panikartig nach Luft, als sie das Gefühl bekam, nicht schnell genug Luft zu bekommen. *Atme. Ruhig. Mulder findet dich. Mulder. Mulder.*
Es gelang ihr ruhiger zu atmen, als sie sich darauf konzentrierte. *Jarleth McIntosh. Warum ist er im ‚Suns Hope‘? Oder... Warum ist er in Quantico als Kadett, wenn er Quentin Gates ist? Mein Kopf tut weh. Warum bin ich hier? Wegen Quentin Gates. Gates ist McIntosh. McIntosh ist Gates.*
Ihr Atmen beschleunigte sich. *Ich will nach Hause. Mulder*
Scully holte tief Luft. „Mul...der“ sagte sie rau und gebrochen.
Sie versuchte ein weiteres tiefes Luftholen, aber es fiel ihr schwer. „Muld...“ Ihre Stimme brach ab.
Scully schnappte verzweifelt nach Luft. „Mulder.“ brachte sie mühsam raus und schnappte ein weiteres Mal nach Luft, als sie meinte ihre Kehle würde sich von innen zudrücken. Ein heftiger Hustenanfall war die Folge.
Sie konzentrierte sich auf ihre Atmung und darauf ruhig zu bleiben, um den Husten unter Kontrolle zu bringen. Sie holte angestrengt Luft. *Atme.* dachte sie. *Mulder. Ich brauche dich.*
Scully schloss erschöpft vom Husten ihre Augen. *Gott. Ich sehe nichts!* Scully riss ihre Augen auf und schnappte wieder in Panik nach Luft. *NEIN. NEIN. Nein nein.*
Sie kam nicht gegen die Panik an und schnappte weiter krampfhaft nach Luft. Sie spürte, wie sich ihre Bronchien verkrampft zusammen zogen und sie kaum noch Luft bekam. Ein neuer Hustenanfall folgte. Tränen rollten ihr aus den Augenwinkeln in die Ohren, weil sie flach mit dem Kopf auf der harten Liege lag. Der Hustenkrampf hielt an. *Hilf mir. Gott hilf mir. Hilf mir. Helf dir selbst!* befahl sie sich. *Atme. Ruhig. Atme ruhig. Besser.* Scully schloss die Augen wieder und es gelang ihr, die Panik nieder zu kämpfen und ihre Atmung und damit den Husten zu regulieren. Sie nahm kurze und flache Atemzüge, die in ihren eigenen Ohren erschöpft klangen. Sie konzentrierte sich weiter und wurde nach ewigen Minuten endlich ruhiger. *Besser. Lass die Augen zu. Atme. Ruhig. Besser.*
Sie versuchte weiter sich zu entspannen und überlegte. *Wo bin ich? Warten... Ich muss abwarten. Kann nichts hören. Still. Kein Geräusch. Gar kein Geräusch. Dunkel und ruhig. Nacht. Vielleicht ist es Nacht. Gott. Wie spät ist es?*
Sie blieb ruhig, runzelte in der Dunkelheit ihre Stirn, was sie einen weiteren Schmerz fühlen ließ. *Wenn mein Kopf nicht so wehtun würde.*
Scully riskierte einen weiteren Hustenanfall mit einem rauen Räuspern. Ihre Kehle brannte. *Durst. Ich habe Durst.*
Sie nahm den gefühlten Durst als Erkenntnis an und leckte ihre Lippen. *Spröde. Oh. Ich muss länger...*
Abwesend bemerkte sie, dass die Panik zurückkam. *...länger kein Wasser. Ruhig. Bleib ruhig.* besann sie sich wieder. *Durst.*
Scully versuchte sich zu bewegen. *Gurte.* Sie atmete unkontrolliert schneller. *Gefesselt. Natürlich bist du gefesselt. Ruhig.* sagte sie zu sich selbst und versuchte weiter sich zu bewegen. *Au. Handgelenk tut weh. Tut weh. Bleib ruhig. Ruhig. Bleib liegen. Warte. Hör hin. Nichts zu hören. Nichts zu sehen. Dunkel. Bleib ruhig. Nicht husten. Mach kein Geräusch.*
Sie konzentrierte sich wieder mehr auf ihre Atmung. *Warte. Ruhig.* dachte sie erschöpft. *Müde. Schmerz. Mulder. Bring mich nach Hause.*
Sie holte mühsam tief Luft. *Hol mich nach Hause. Küss mich.* dachte sie und der Gedanke an seinen Kuss beruhigte sie weiter. *Nach Hause. Mulder... Ich möchte nach Hause.*
Scully atmete ruhig. *Er wusste, wohin ich wollte. Er wird mich finden.*
Sie holte tief Luft und hielt sie in den Lungen, ihre Bronchien brannten noch von der Anstrengung des Hustens. *Finde mich. Bring mich nach Hause.* dachte sie weiter.
Sie hielt den Atem weiter an und ihre Augen immer noch geschlossen. *Bring mich nach Hause.* flehte sie in Gedanken und endlich atmete sie langsam aus.
„Mulder...“ flüsterte sie gedehnt in die Dunkelheit.
*Mein Kopf tut weh. Mein Hals tut weh. Meine Handgelenke auch. Und...*
Eine neue Panikwelle ließ sie zu schnell, zu tief einatmen.*...mein...Unterleib...? Gott.*
Weitere Tränen liefen ihr bei ihrer Erkenntnis aus den Augenwinkeln in ihre Ohren. *Mulder.*
„Mul...der.“ Schluchzte sie gebrochen in die Stille. *Bring mich nach Hause. Ruhig. Bleib ruhig.* beschwor sie sich. *Er kommt. Mulder kommt. Er holt dich raus. Warten. Nur warten. Das kann ich. Ich kann das.*
Sie seufzte erschöpft. *Es ist so dunkel. Wie spät ist es?*
Scully versuchte wieder sich zu bewegen. „Fzzz. Ahh.“ japste sie und atmete aus. *Tut weh. Weh... Konzentrier dich Dana.* beschwor sie sich weiter. Sie atmete ruhig mit geschlossenen Augen. Ihre Tränen versiegten, aber die Nässe, die sich in ihren Ohren gesammelt hatte, hielt an und wurde unangenehm.

Irgendwann fiel sie in einen Dämmerzustand. Nebenbei, als würde sie neben sich stehen, bemerkte sie, dass das unangenehme Gefühl von Nässe in ihren Ohren verschwunden war. Aber ihr Kopf dröhnte weiter, unvermindert heftig. Sobald sie versuchte sich zu bewegen schnitt ihr etwas in die Handgelenke, das sie nicht näher bestimmen konnte und in ihrem Unterleib brannte es noch heftiger. Den Schmerz in ihrem Unterleib konnte sie nicht genau lokalisieren, auch nicht, wenn sie versuchte sich darauf zu konzentrieren. Und wegen der Dunkelheit, die um sie herum herrschte, konnte sie nichts sehen. Irgendwann hatte sie sich mit dem Gedanken beruhigt, dass es in dem Raum, in dem sie sich befand so dunkel war, und dass sie deswegen nichts sehen konnte und es kein Problem mit ihren Augen gab, wie sie in der ersten Panik angenommen hatte. Mit dem ständigen Mantra in ihrem Kopf, ruhig zu bleiben und abzuwarten, kam der Dämmerzustand, in dem sie sich nun befand und schließlich unruhiger Schlaf.

Unbekannte Zeit und Ort

Grelles, blendendes Licht ließ Scully gequält aufstöhnen. Sie versuchte es sofort zu unterdrücken und weiter ruhig zu bleiben, um wen auch immer nicht wissen zu lassen, wie es in ihr aussah. *Das kann ich.* dachte sie. *Zeig so wenig Schwäche wie möglich. Zeig gar nichts.*
„Nun...?“ fragte eine dunkle, tiefe Stimme und McIntosh, oder war es Gates?, tauchte in ihrem Sichtfeld auf. „Wie fühlen Sie sich? Ich muss hier mal kurz...“ sagte er kalt und unterbrach sich selbst. Er grinste und Scully schrie auf, als eine Schmerzwelle sie unvorbereitet traf. Ihr Unterleib schien aus Feuer zu bestehen und alle ihre Vorsätze, sich nichts anmerken zu lassen, waren dahin. Sie schrie anhaltend und ihre Kehle brannte und als sie die Gedanken kombinierte, wurde ihr klar, dass sie nicht das erste Mal aus Schmerz schrie.
McIntosh /Gates schien sich daran nicht zu stören. Was immer er tat, er machte weiter.
Und Scully schrie weiter und Tränen des Schmerzes, der Wut und der Hilflosigkeit liefen aus ihren Augen, ob sie es wollte oder nicht. Sie kam nicht dagegen an und es schien einfach nicht enden zu wollen. Sie hörte ihre eigene Stimme in ein heiseres raues Stöhnen wechseln, als sie die Kraft zu schreien verließ. Ihre Kehle brannte, ließ sie heftig husten und sie spürte abwesend, wie ihre Handgelenke warm und glitschig wurden, dann nahm der Schmerz in ihrem Unterleib weiter zu und sie fiel in gnädige Dunkelheit, in der sie gar nichts mehr wahrnahm.

Unbekannte Zeit und Ort

„Ich dachte schon, Sie würden gar nicht mehr aufwachen und damit wäre meine Forschung ein weiteres Mal gescheitert. Sehr ärgerlich, also tun Sie mir den Gefallen, nicht zu sterben.“
Scully blinzelte und spürte etwas Nasses, das an ihren Schläfen herablief. Nach und nach kamen weitere Empfindungen dazu.
Ihre Kehle brannte, aber diesmal wusste sie sofort warum. Sie hatte lang anhaltend geschrien. Der Gedanke daran ließ sie an ihren Unterleib denken, aber den konnte sie nicht fühlen. Überhaupt nicht. Für den Moment nahm sie das einfach so hin, ohne sich darum Gedanken zu machen.
Sie fühlte ihre Handgelenke. Die Fesseln hatten tief in ihre Haut geschnitten.
Und ihr Kopf dröhnte.
Scully blinzelte und wieder rollte etwas Nasses ihre Schläfen herab. Träge überlegte sie, dass ihr Kopf nach hinten überspannt lag. Und das Nasse mussten Tränen sein, weil es immer dann nass wurde, als sie blinzelte, aber es tropfte nichts in ihre Ohren.
Das Nächste was sie bewusst wahrnahm, war das Gesicht von McIntosh/Gates über sich und ganz von selbst öffneten sich ihre Lippen und sie ruckte ihren Kopf hin und her. Sie brachte keinen Ton heraus. *NEIN!* dachte sie verzweifelt und mehr Tränen rannen aus ihren Augen.
McIntosh/Gates lächelte von oben herab. „Oh, keine Angst. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo ich nicht mehr viel riskieren möchte.“
„N...ei...n...“ krächzte Scully endlich. Ihr Kopf würde gleich zerspringen und ihre Handgelenke fühlten sich merkwürdig klebrig an.
„Ich will nicht noch mal von vorne anfangen müssen, meine Schöne. Keine Sorge.“
Scully bewegte ihre Lippen weiter, aber ihre Stimme wollte immer noch nicht gehorchen.
„Hrm. Ich habe noch eine Kleinigkeit zu tun, um sicher zu gehen, dass alles verläuft, wie ich es möchte...“
Scullys Lippen bebten und sie schüttelte so heftig ihren Kopf, dass ihr schlecht wurde und sie würgte.
Kalte, riesige Hände zwangen ihren Kopf zur Seite und sie erbrach sich.
„Shh shhh shhh. Das wird vergehen. Versprochen.“ versprach McIntosh/Gates, aber sein Ton war so kalt, dass Scully ihm nicht glauben konnte, auch wenn sie es verzweifelt wollte. Sie schnappte nach Luft und wimmerte gebrochen. *Gebrochen. Er hat dich gebrochen.* dachte sie trüb und schloss ihre Augen, in diesem Moment durchfuhr ein heftiger Schmerz ihren Unterleib, den sie erst jetzt spürte. Sie hörte McIntosh/Gates mit Besteck oder ähnlichem klappern und ihre Augen wurden blind von Tränen bevor sie erneut von gnädiger Dunkelheit umfangen wurde.

Unbekannte Zeit und Ort

„Ich muss es wissen, Hübsche. Bei den letzten hat es nicht funktioniert, aber du bist anders. Dein Körper akzeptiert die Gabe. Also wehr dich lieber nicht so heftig. Wenn du es einfach hinnimmst, wird es schneller vorbei sein. Und dein Mulder kann mit dir machen was er will.“ Ein grausiges, kaltes Lachen erklang und Scully lag zwar bei Bewusstsein aber völlig starr da. Ihre Augen waren offen und starrten nach oben an die weiße Decke des Raumes. „Du müsstest mir dankbar sein, weil ich dir gebe, was er nicht kann. So ein Schlappschwanz. Oh entschuldige. Ich weiß, er kann nichts dafür.“
Scully versteifte sich, als nichts als Schmerz in ihr Bewusstsein zurück drang. Sie hielt ihren Atem an, spürte Tränen aus ihren Augenwinkeln rinnen und in ihre Ohren tropfen, weil sie wieder normal dalag. Ihre Handgelenke versuchte sie nicht zu bewegen, ihr Rücken tat weh und sie fragte sich, ob das eine Folge davon war, weil sie länger lag ohne sich wirklich zu bewegen. Alles unterhalb ihrer Taille schien taub und im Augenblick wollte sie auch gar nichts in dieser Region ihres Körpers fühlen. „Dieser Piecks ist der letzte. Versprochen.“ sagte McIntosh/Gates kalt, hielt ihr eine Spritze vor die Augen und rammte sie dann in ihre linke Schulter.

Unbekannte Zeit und Ort

Es war dunkel. Aber anders. Nicht vollkommen dunkel. Und Scully konnte Geräusche hören. Sie schien auf etwas Anderem zu liegen. Hart und kalt. Sonst fühlte sie nichts und sie bemühte sich auch nicht weiter darum. Es war nicht wichtig. Viel wichtiger war es, nichts zu fühlen, um den Schmerz vergessen zu können. Sie wollte sich auch nicht daran erinnern und schloss ihre Augen und öffnete sie wieder. Ein Staubfaden hing über ihr von der Decke, die nicht so weiß war, wie bisher. *Eine andere Decke*, dachte sie träge und gab sich einem Dämmerzustand hin, der sie beruhigte.

Einige Zeit später
Unbekannter Ort

Ein Schmerz an ihrer linken Schulter ließ sie ihre Augen öffnen und blinzeln. Helligkeit blendete sie und mehr Geräusche um sie herum ließen sie ihren Dämmerzustand verlassen. Fest presste sie ihre Augen zu, aber die Spannung ließ ihren Kopf explodieren und sie hustete und würgte. Sie erbrach sich und dachte dunkel daran, dass sie wohl ersticken würde, wenn sie weiter auf dem Rücken liegen bleiben würde. In diesem Augenblick griffen große Hände nach ihr und drehten ihren Kopf zur Seite. Aus einem Reflex riss sie ihre Hände hoch und traf etwas Weiches. Widerstand und Klebrigkeit an ihren Handgelenken blieben aus, aber ein heftiges Zischen erklang und tat ihr in den Ohren weh. Ihr Kopf wurde gehalten, als sie sich wieder und wieder erbrach.
Rauschen und Gemurmel drang in ihr Bewusstsein. Sie hielt ihre Augen geschlossen, bemerkte aber, dass der Griff, der sie hielt anders war. Bestimmt, aber sanft. Das Rauschen und Gemurmel riss nicht ab, als sie wieder ins Nichts driften wollte, und hielt sie davon ab, sich der Dunkelheit vollkommen hinzugeben. Scully keuchte erschrocken und schmerzlich auf, als ihre Position sich veränderte und sie anders lag. Mehr Rauschen und Gemurmel drang an ihr Ohr. Nicht laut. Aber eindringlich und irgendwie bittend. Sie spürte etwas weiches Warmes an ihrer Stirn und das Rauschen verklang einen Augenblick. Dann setzte es wieder ein und das Weiche an ihrer Stirn verschwand. Heftiger Schmerz wallte stattdessen durch ihre Stirn, so heftig als würde sie zerspringen müssen. Scully wand sich und spürte eine weitere Welle von Übelkeit in sich. Das rauschende Gemurmel nahm einen alarmierten Ton an und sie spürte, wie sie auf die Seite gelegt wurde. Es fiel ihr leichter zu atmen, aber immer noch hielt sie ihre Augen geschlossen. Sie nahm tiefere Atemzüge und spürte, wie die Übelkeit langsam abflaute. Nicht völlig verschwand, aber sie auch nicht zwang sich zu übergeben.
Die sanften, murmelnden Geräusche waren jetzt näher an ihrem Ohr und etwas Großes hielt ihren Kopf fest, was ein Gefühl in ihr aufkommen ließ, das sich fast gut anfühlte. Jedenfalls war es kein Schmerz.
Sie atmete tief aus und vergaß einzuatmen. Sekunden dehnten sich, endlich wurde alles wieder ruhiger und Scully wollte sich nur noch diesem Frieden hingeben.
Das Murmeln klang plötzlich erschrocken und laut an ihrem Ohr und ließ sie nach Luft schnappen. Sofort wurde das Murmeln wieder ruhiger, aber es blieb auf einer Lautstärke, die sie nicht ignorieren konnte und dann wurde sie wieder herumgezerrt und flach auf ihren Rücken gelegt. Sie schnappte verkrampft nach Luft und nahm mehr Lautstärke wahr. Das sanfte Murmeln verschwand fast im Hintergrund und sie spürte Tränen, die aus ihren geschlossenen Augen liefen.
Ein Stich an ihrem Handrücken ließ sie ihre Hand hochreißen und sie spürte wieder etwas Klebriges an ihrer Hand herablaufen.
Das Murmeln war wieder da, dicht an ihrem Ohr, und auch das sanfte Streicheln war wieder an ihrer Stirn.
Einen neuen Stich, diesmal an der anderen Hand, ließ sie so über sich ergehen. Das sanfte Murmeln hielt an, und dann kam die Übelkeit heftiger denn je zurück, als sie meinte, dass sich der Raum um sie herum bewegte. Sie kam nicht dagegen an und erbrach sich zum dritten Mal und dunkel kam der Schmerz in ihrer Kehle hervor.
Scully röchelte erschöpft und hustete Galle und Magenflüssigkeit.
Das murmelnde Geräusch blieb an ihrem Ohr und beruhigte sie wieder, bis sie sich nicht mehr gegen die Dunkelheit wehren konnte.

Unbekannte Zeit und Ort

Ein beständiges nerviges Piepen war das Erste, was sie wieder bewusst wahrnahm. Das nächste war ein fast unerträglicher Geruch. Eine Mischung aus Desinfektions- und Reinigungsmitteln, sowie von Schweiß und Erbrochenem, aber auch ein Hauch von Mulders Aftershave. Diese Erkenntnis ließ Scully blinzeln und sie mit einiger Mühe ihre schweren Augenlider öffnen. Sie erkannte, dass sie auf ihrer rechten Seite lag. In dem Raum, in dem sie sich befand, war es nicht hell, aber auch nicht dunkel und sie sah Mulder wenige Schritte vor sich auf einem Stuhl sitzen. Sie fühlte sich ruhig, aber das beständige Piepen nahm einen schnelleren Takt an, was sich auf ihren Herzschlag übertrug.
Scully blinzelte weiter und versuchte ihren Blick zu klären, der merkwürdig verschleiert war. Sie erkannte, dass Mulders Kopf zur Seite weggeknickt war. Er lehnte halb an der Lehne des Stuhls und halb gegen seine Schulter. Sein Körper wirkte trotz der offensichtlich unbequemen Lage entspannt. Er atmete gleichmäßig tief und schien zu schlafen.
Ein weiterer Schwall von Gerüchen wogte wie eine Welle auf ihr Bewusstsein ein und ließ ein unangenehmes Gefühl in ihrem Magen aufkommen. Und sowohl das Piepen, als auch ihr Herzschlag, wurden noch schneller in ihrem Takt. Scully bewegte weder ihren Kopf noch ihren Körper. Sie war sich auch nicht sicher, ob sie es könnte, aber sie ließ ihre Augen von Mulder weg und durch den Raum gleiten, in dem sie sich befand. *Krankenhaus.* dachte sie. *Daher also das Piepen. Das geht doch auch leiser.*
Scully stöhnte leise und wollte sich von ihrer Seitenlage in die Rückenlage drehen, um mehr von dem Raum sehen zu können. Ihr leises Geräusch hatte Mulder aus dem Schlaf gerissen und er erschreckte sie, als er aufsprang und zu ihr an das Bett eilte. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen, als ihre Blicke sich trafen. Mulder griff nach etwas außerhalb ihrer Sicht und dann nach ihrem Gesicht. Seine Fingerspitzen berührten sie zärtlich an ihrer Stirn.
Sein Körpergeruch schwappte zu ihr und ihr Magen rebellierte. Sie stöhnte mühsam gequält und spürte, wie sich Flüssigkeit in ihrem Mund sammelte.
„Ganz ruhig.“ hörte sie ihn dumpf und schloss ihre Augen. Sie ermahnte sich selbst ruhig zu atmen und kämpfte gegen das Gefühl an, sich übergeben zu müssen. Der sanfte Druck seiner Fingerspitzen glitt weiter über ihr Gesicht und sie öffnete wieder ihre Augen und ihren Mund. Ihr Magen krampfte sich zusammen und ihr Körper versteifte sich. „Hier.“ hörte sie ihn noch dumpfer, aber bemerkte, dass er eine Spuckschale bereit hielt und sie ergab sich dem Gefühl in ihrem Magen. Sie erbrach sich mühsam, was ihr Tränen über das Gesicht laufen ließ. Die Geräusche, die sie machte, kamen ihr seltsam fremd vor, auch wenn sie wusste, dass das Röcheln und verkrampfte Husten von ihr kommen mussten. Scully schloss ihre Augen, als der Druck in ihrem Magen nachließ und legte erschöpft ihren Kopf auf das Kissen zurück.
„Was ist ...? Ist sie wach?“ hörte Scully eine unbekannte, alarmiert klingende Stimme. „Ich schicke sofort nach dem Doktor.“
„Ja.“ hörte Scully Mulder leise sagen. Dann klapperte die Schale auf dem Schränkchen neben ihrem Bett und sie spürte, wie er wieder über ihre Stirn strich. „Bleib einfach liegen.“ sprach er und hörte nicht auf, ihr beruhigend über die Stirn zu streicheln.
Scully entspannte ihre Gesichtszüge und bekam ein leichtes Nicken zustande. Sie fühlte wie die Matratze nachgab und ihre Körpermitte ein Stückchen nach vorne rollte, aber dann gegen Mulder stieß, der sich auf die Bettkante gesetzt hatte. Sie roch ihn wieder deutlicher und drehte ihr Gesicht unter seiner sanften Hand in seine Richtung. Er beugte sich über sie und sie spürte seine Lippen auf ihrer Stirn und auf ihren geschlossenen Augen.
„Ich hab mir solche Sorgen gemacht.“ flüsterte er und Scully öffnete blinzelnd ihre Augen. „Shh. Der Doktor ist sicher gleich hier. Bleib einfach liegen, hörst du?“ fragte er sanft, aber eindringlich, während er sie weiter berührte. „Du bist im Krankenhaus. Ich habe dich gefunden. Skinner weiß Bescheid und ich bin hier und pass auf dich auf.“
Scully sah ihn still an. Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach und sich ihr Magen erneut krampfhaft zusammenzog und holte tief Luft.
„Mrs. Scully, wie schön, dass Sie bei uns sind.“ sagte eine fremde Stimme und ein Mann in den vierziger Jahren kam in ihr Sichtfeld. Er hielt eine kleine Taschenlampe in der Hand und leuchtete ihr damit in jedes Auge. *Pupillenreflexe.* dachte sie und blinzelte, als sie geblendet wurde. „Ich bin Doktor Bailey. Und seitdem Sie eingeliefert wurden, vor...“ Der Arzt sah auf seine Armbanduhr. „...vor fünf Stunden, bin ich für Sie verantwortlich. Wie fühlen Sie sich? Ihre Behandlung ist etwas schwierig, da ich mich entscheiden musste, welchem Ihrer Symptome ich den Vorrang geben sollte.“ lächelte der Arzt und wollte sie anscheinend ermuntern etwas zu sagen.
Scully öffnete ihre Lippen, um etwas zu sagen. Sie hauchte etwas Luft aus ihren Lungen und konnte selber nicht bestimmen, ob sie ein Wort gesagt hatte oder nicht.
Der Arzt runzelte seine Stirn und griff mit seiner Hand an ihr Kinn. Er zwang sie den Mund zu öffnen und leuchtete mit seiner kleinen Taschenlampe in ihren Mundraum. „Mhm. Vermeiden Sie es besser vorerst sprechen zu wollen und ich werde Stacy etwas bringen lassen, das die Schwellung in Ihrem Rachen mindern wird.“
Scully nickte und schloss ihre Augen für einen Moment. Als sie sie wieder öffnete, glitt ihr Blick zu Mulder, der immer noch an ihrer Bettkante saß, dann sah sie wieder den Arzt an.
„Ihr Mann ist nicht von Ihrer Seite gewichen. Und ich schätze Mal, dass er das auch nicht tun wird, solange Sie hier sind. Wer kann es ihm verdenken.“ Der Arzt lächelte breit. „Ich habe ihm mein Einverständnis eingeräumt, er hätte wohl mehr Tumult verursacht, wenn wir versucht hätten ihn von Ihnen fern zu halten.“
Scullys Blick glitt wieder zu Mulder. *Mein Mann?* Er sah sie ernst, aber auch unendlich liebevoll an.
„Haben Sie sich wieder erbrochen?“ fragte der Arzt weiter, als er die Schale auf dem kleinen Schrank bemerkte.
„Ja.“ antwortete Mulder und klang besorgt. Scully bemerkte eine tiefe Falte quer über seiner Stirn.
„Hrm, ich werde frühestens in drei Stunden Ihre Blutergebnisse haben. Wie ist es im Augenblick, Mrs. Scully? Ist die Übelkeit erträglich? Ich würde gern auf die Ergebnisse warten, um dann zu entscheiden, wie wir Sie am Besten weiter behandeln.“
Scully nickte vorsichtig und schloss einen kurzen Moment ihre Augen. Sofort festigte sich Mulders Berührung, die sich an ihre Schulter verlagert hatte. Abwesend stellte sie fest, dass er sie immer noch streichelte.
„In Ordnung. Ihr Mann soll einfach Alarm geben, wenn Sie etwas brauchen sollten.“
„Werde ich.“ sagte Mulder mit dunkler Stimme und Scully sah ihn wieder an. Er hatte seinen Blick immer noch auf sie gerichtet. *Besorgt. Er sieht besorgt aus.* dachte Scully und fühlte sich unendlich müde.
„Ruhen Sie sich aus, Mrs. Scully. Und Sie sollten das ebenfalls tun.“ wandte der Arzt sich nun an Mulder.
„Ich werde da sein.“ flüsterte Mulder und küsste sanft ihre Lippen. Nachdem der Arzt das Zimmer verlassen hatte, stand er von ihrem Bett auf. „Soll ich dir etwas bringen? Möchtest du was trinken?“
Scully versuchte ein Kopfschütteln, ließ es aber, als der Raum nach zwei Seitwärtsbewegungen anfing sich zu drehen.
„Ich bin hier, wenn du mich brauchst Scully.“ flüsterte Mulder und deutete auf den Stuhl. „Ich hab versprochen ganz friedlich zu sein, wenn ich bleiben darf.“ Er lächelte unglücklich, zog den Stuhl näher an ihre Bettseite und setzte sich, sie weiter ansehend.
Scully schloss ihre Augen. *Er ist da.* Ihre Atmung ging ruhig und das beständige Piepen lullte sie nach und nach in den Schlaf.

Unbekannte Zeit, irgendein Krankenhaus

Scully hörte dumpfe Stimmen um sich herum, die sie aus ihrem Schlaf holten, aber sie fühlte sich so matt und erschöpft, dass sie einfach liegen blieb, wie sie war.
„Entfernen Sie den Tropf mit den Schmerzmitteln, Stacy.“ *Doktor... egal...*
„Aber, warum? Was geht hier vor? Das braucht sie doch noch, oder?“ *Mulder.*
„Mr. Mulder, mir liegen die Blutergebnisse Ihrer Frau vor und es ist leider nötig, den Tropf zu entfernen. Ich bin mir sicher, dass Sie mir gleich zustimmen werden.“
„Da bin ich aber gespannt. Sie hatte so starke Schmerzen, dass sie kaum bewegt werden konnte und jetzt wollen Sie ihr die Schmerzmittel vorenthalten?!“
„Ja. Wir werden Ihre Frau genauestens beobachten, glauben Sie mir. Die Kochsalzlösung bleibt dran, Stacy. Mr. Mulder, beruhigen Sie sich und lassen Sie Stacy arbeiten.“
„A...Aber...warum? Erklären Sie es mir!“ *Aufgeregt... Reg dich nicht auf Mulder. Mir geht es gut.*
„Ihre Frau ist schwanger.“ *Schwanger...*
„Schwanger?“ *Nicht aufregen Mulder. Der Doktor tut das Richtige. Starke Schmerzmittel sind schädigend für... Oh, Gott... Schwanger...* „Wie sollte das möglich sein? Sind Sie übergeschnappt? Da muss eine Verwechslung vorliegen! Meine Frau...“
„Es handelt sich NICHT um eine Verwechslung. Beruhigen Sie sich, Mr. Mulder.“
„Meine Frau ist unfruchtbar.“ *Schwanger...*
„Beruhigen Sie sich, oder ich werde Sie aus diesem Zimmer entfernen lassen. Glauben Sie, dass Ihre Toberei Ihrer Frau hilft?“
„Schwanger...“ flüsterte Mulder jetzt. *Schwanger...* dachte Scully. „Scully... Gott, Scully...“ Sie spürte, wie er ihre Hand nahm. *Mulder. Schwanger.*
Scully öffnete ihre Augen. Sie sah Mulder vor sich, wie er zu ihr gebeugt stand und ihre Hand hielt, aber fassungslos den Arzt anstarrte.
„Richtig. Und darum müssen wir die starken Schmerzmittel absetzen und sehen, ob und wie wir die Behandlung fortsetzen.“ sprach der Doktor ruhig weiter und sah Scully an.
Mulder nickte und sah dann ebenfalls zu Scully. Sein Blick verband sich mit ihrem. „Scully...“ flüsterte er erstickt und kam näher.
Scully drehte ihre Hand, die in seiner lag, und ließ ihre Finger zwischen seine gleiten. Jetzt erst bemerkte sie, dass ihre Handgelenke bandagiert waren. Sie fühlte seine Finger, die ihre sanft umschlossen und bewegte ihre Lippen. *Beruhige dich.* flehte sie ihn an und sah wie er nickte.
Mulder setzte sich zu Scully auf die Bettkante und mit seiner freien Hand strich er über ihren Haaransatz. Er beugte sich über sie und Scully spürte seinen sanften Kuss auf ihrer Stirn.
„Rufen Sie mich, wenn sich eine Änderung ergibt. Ansonsten müssen wir jetzt einfach abwarten.“ sagte der Doktor und Mulder nickte, sein Blick weiterhin mit ihrem verbunden.
„Leid...es tut mir Leid...“ flüsterte er mit rauer Stimme und beugte sich wieder zu ihr hinunter.
Scully holte tief Luft und ließ sie nur langsam aus. „Bleib...mi...r...“ hauchte sie rau und gebrochen.
„Sicher. Ich bin bei dir. Und ich bleibe.“ Er küsste ihre Stirn, auf der sich kalter Schweiß sammelte.
Scully hob mühsam ihren anderen Arm und umfasste Mulders Nacken. „Scully...“ murmelte er und drückte seinen Kopf in die Kuhle an ihrem Hals.
„...hie...r“ hauchte sie aus.
Mulder drückte sich weiter an sie und Scully schloss ihre Augen. Tränen rannen an ihren Schläfen herab und sie begann zu zittern. Mulder schob sich wieder hoch und sah auf sie herunter. In seinen Augen las sie das pure Elend.
Scully blinzelte und weitere Tränen liefen.
Ihre Sicht verschwamm und Mulder beugte sich vor und küsste zärtlich ihre Tränen weg. Er löste seine beiden Hände und legte sie um Scullys Kopf. Sie spürte, wie seine Daumen links und rechts an ihren Schläfen seine Lippen unterstützten.
Das Zittern, das ihren Körper ergriffen hatte, nahm zu und Scully schloss ihre Augen, sie atmete langsam aus und spürte dann Mulders Lippen auf ihren. „Ich liebe dich.“ flüsterte er erstickt und küsste sie wieder und wieder und wieder, unendlich sanft. Und sie lag da, zitterte und weinte.


...to be countinued...
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