World of X

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Workin‘ Overtime

von Spooky

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Washington, D.C.



"Scully, verraten Sie mir, was Skinner von Ihnen wollte? Haben wir irgend jemandem auf die Zehen getreten?" Mulder beäugte skeptisch den Stapel Akten, den seine Partnerin auf dem Arm trug.

Mit einem lauten Knall landeten die Hefter auf seinem Schreibtisch und Mulders Blick fiel auf die medizinischen Fachausdrücke, mit denen das Deckblatt des ersten Ordners überzogen war.

"Ihre neue Einschlaflektüre?", fragte Mulder absichtlich provokant und erntete Scullys berühmten Blick.



"Wieso habe ich das Gefühl, dass diese Akten ganz allein für Sie bestimmt sind, Scully?"



"Keine Ahnung. Weil Sie sich in der Medizin so gut auskennen, wie ein Schwein beim Tanzen?" Ihr Partner grinste und machte es sich in seinem Stuhl so bequem wie möglich.



"Es geht um eine weitgreifende Neuentwicklung im Bereich der Pathologie. Skinner möchte, dass ich an diesem Kongress teilnehme und beurteile, inwiefern auch das FBI davon seinen Nutzen haben könnte."



"Und ich gehe mal davon aus, dass dieses Schnippelkünstlertreffen nicht hier in D.C. stattfindet, oder?" Mulder zog einen kleinen gelben Umschlag unter dem Stapel hervor, der offensichtlich ein Flugticket enthielt. Scully lächele schuldbewusst.



"Key West? Sie machen Urlaub in Key West und dazu noch auf Staatskosten, Scully?"



"Ich mache dort keinen Urlaub, ok? Das habe ich Ihnen doch gerade erklärt, Mulder. Das FBI erwartet einen Bericht von mir und sobald ich den habe, werde ich mich auch wieder auf den Rückweg machen. Das Seminar dauert vier Tage. Zwei sind für eine Praxisphase angesetzt, also bin ich in einer Woche wieder da."

Zum ersten Mal seit seine Partnerin das Büro betreten hatte, fiel Mulder auf, dass sie anders als sonst gekleidet war. Anstatt des sonst so professionellen Outfits, umspielten an diesem Morgen Jeans und ein enges Shirt Ihren Körper.



"Scully, hat Ihre Reinigung derzeit geschlossen?"



"Was? Wieso?"



"Na ja. Irgendwie drängt sich mir der Verdacht auf, dass wir heute kein Team sein werden." Seine Partnerin blickte ihn fragend an und verstand wenige Sekunden später, als sie bemerkte, dass Mulders Blick bewusst über ihren Körper glitt.



"Ach, ja. Stimmt. Skinner hat mir für heute auch schon frei gegeben. Ich brauche Zeit, um mich in die Unterlagen für das Seminar einarbeiten zu können", erklärte Scully lächelnd.



"Oh, wie aufmerksam von Skinner. Und, ähm, hat er auch an mich gedacht?" Sein Blick fiel auf den Stapel Akten, der vor dem dazugehörigen Ablageschrank lag und der sich in seiner Größe nur unwesentlich von der seiner Partnerin unterschied.



"Mulder, es - ich weiß nicht- Skinner hat nichts in der Richtung gesagt. Es tut mir leid, aber...." Der Rest ihrer Entschuldigung ging unter im Klopfen, das von der Tür aus den Raum erfüllte.



"Ja, bitte?" Mulders Stimme klang in diesem Moment wesentlich gereizter, als er vorgehabt hatte.

Eine streng nach Vorschriften gekleidete ältere Dame, bewaffnet mit einer Aktentasche und Haarknoten betrat das Büro im Keller des FBI Gebäudes.



"Ma‘ame? Können wir Ihnen helfen?" Mulders Blick glitt zwischen Scully und dieser wildfremden Frau fragend hin und her.



"Allerdings. Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich nicht Ma‘ame nennen würden, Agent Mulder. Mein Name ist Agent Fullbright. Ich arbeite beim Finanzministerium und wir überprüfen in diesem Quartal die einzelnen Abteilungen des FBI. Fahrtkosten, Spesenabrechnungen, alles was mit Ihren Fällen im letzen Jahr zu tun hatte. Wir werden eine lückenlose Auflistung erstellen. Ich stehe Ihnen dabei in den nächsten Tagen zur Verfügung."

Mulder wunderte sich, dass es manchmal immer noch schlimmer kommen konnte, als man es für möglich hielt.



"Eine lückenlose Aufstellung?"



"Genau das, Agent Mulder. Frisch ans Werk. Morgenstund‘ hat Gold im Mund."



Scully konnte sich ihr Lächeln, das gefährlich in ein Grinsen überzugehen drohte, kaum noch verbergen. Irgendwie schien dies nicht Mulders Tag zu sein, geschweige denn seine Woche.

Auf der einen Seite plagte sie ihr schlechtes Gewissen angesichts dessen, dass sie ihren Partner mit all der Arbeit und nun noch mit dieser unangenehmen Überprüfung zurückließ, aber auf der anderen Seite war es genau das, was ihr Bestreben erhöhte möglichst schnell aus diesem Keller herauszukommen. Wenn sie eines hasste, dann waren das Jahresabschlüsse und Prüfungen durch das Finanzministerium. Sie packte ihre Akten in einen kleine leeren Karton und versuchte so schnell wie möglich Mulders flehenden Blicken auszuweichen.



"Agent Fullbright, haben Sie einen Moment Geduld bitte. Ich muss kurz noch mit meiner Partnerin sprechen." Am Fahrstuhl holte er Scully gerade noch ein und stellte einen Fuß zwischen die Tür des Aufzugs.



"Scully. Bitte, tun Sie mir das nicht an. Sie haben doch gehört, was diese Person vor hat. Eine Woche mit dieser Frau und ich bin reif für die Einweisung in eine psychiatrische Anstalt. Die ersten Anzeichen spüre ich jetzt bereits."



"Mulder! Wenn Skinner mich nicht auf dieses Seminar schicken würde, dann würde ich das auch jetzt mit Ihnen durchstehen, aber ich kann nicht. Sie schaffen das schon. Keine Panik. Bei unseren Motels, in die Sie mich schleifen und mit Ihrer Vorliebe für das Autofahren, anstatt zu fliegen, würde ich mir keine Sorgen machen. Es tut mir wirklich leid, Mulder, ok?"

Ihr Partner verdrehte die Augen und nahm seinen Fuß ohne weiteren Kommentar aus der Tür, die sich mit einem leisen Schmatzen schlossen. Scully hasste es, wenn er sich wie ein kleiner, trotziger Schuljunge benahm, aber auf der anderen Seite zauberte es ihr auch ein kleines Lächeln aufs Gesicht.

Als Dana Scully das FBI-Gebäude verließ und nach einem Taxi Ausschau hielt, regnete es in Strömen und ihr Blick glitt gegen den verdunkelten Himmel. Wenigstens würde das Wetter in Florida mit Sicherheit um Längen besser sein. Scully fuhr heim und vertiefte sich in die Akten, um am nächsten Morgen für das Seminar und die auf sie zukommende Woche startklar zu sein.



Key West, einen Tag später



"Kann ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein, Miss?" Der Page stellte die Koffer vor das Bett und lächelte freundlich.

"Nein, nein. Alles bestens. Vielen Dank." Scully bedankte sich mit einem Trinkgeld und ließ sich auf das große einladende Bett fallen, sobald sie allein im Zimmer war.

Genussvoll schloss sie die Augen und lauschte einen Moment lang den Wellen, die seicht an den Strand schlugen. Ein besseres Hotel hätte man gar nicht für sie buchen können. Es war sauber, hatte eine traumhafte Lage und bot jeden erdenklichen Luxus, den sie sonst in ihren Unterkünften, die ihr Partner für gewöhnlich besorgte, vermisste. Scully ertappte sich dabei zu denken, dass es von Zeit zu Zeit gar nicht schlecht war, mal ohne Mulder für das FBI unterwegs zu sein, schob diese Gedanken aber sofort wieder beiseite. Schließlich war ihr Partner gerade dazu verdammt sein Innenleben vor dieser Frau auszubreiten, sich für jeden Schritt des vergangenen Jahres zu rechtfertigen und so wie diese Frau ausgesehen hatte, konnte Scully sich es auch so vorstellen, dass dies Mulder mit Sicherheit keinerlei Freude bereiten würde.

Sie genoss noch für einen weiteren Moment die wundervollen Klänge des Meeres und richtete sich dann auf, um noch einmal die Unterlagen durchzugehen.



Zur selben Zeit in Washington



"Agent Mulder, wollen Sie andeuten, dass Sie sich nicht mehr genau daran erinnern und auch keine Belege oder Quittungen mehr über diese Aufstellung hier haben?", fragte Agent Fullbright nun schon zum dritten Mal in anderen Worten, während Mulder mittlerweile nahe der Verzweiflung in seinen Unterlagen wühlte.

Vielleicht waren Scullys Kommentare bezüglich seiner Ordnung manchmal gar nicht so falsch.



"Agent Mulder!"

"Ja, doch, Ma‘ame. - Agent Fullbright. Ich tue mein Bestes und ich werde es finden, ok. Einen kleinen Moment bitte."

Das Klingeln des Telefons brachte die gewünschte Unterbrechung und Mulder dankte Gott dafür.



"Mulder."

"Mulder, ich bin´s. Bitte, entschuldigen Sie, dass ich störe, aber ich glaube, ich habe einen Teil meiner Unterlagen im Büro vergessen, kann das sein?" Mulder deutete Agent Fullbright an einen Moment zu warten und verließ sein Büro.

"Gott, Scully, ich danke Ihnen."

"Ist es so schlimm, Mulder?"

"Schlimmer, Scully! Viel Schlimmer! Vor einem Exekutionskommando hätte ich größere Chancen!" Scully schmunzelte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Es tut mir leid, ich musste zu diesem Seminar."

"Oh, das ist ok. Ich kriege das schon hin. Ich fürchte nur bei dieser Frau wirkt mein Charme leider nicht besonders, Scully."

"Sie versuchen sie mit Ihrem Charme einzuwickeln, Mulder? Viel Glück. Aber zurück zu meinen Akten. Liegen sie im Büro?"

"Ja, Sie haben sie wohl hier vergessen. Ist es wichtig? Ich kann sie Ihnen zufaxen."

"Und das würden Sie machen? Es sind an die 20 Seiten."

"Alles, was mich davon abhält, mich länger als nötig mit dieser Frau auseinandersetzen zu müssen, kommt mir sehr gelegen. Geben Sie mir die Adresse und Sie haben Ihre Unterlagen in einer Stunde!"

"Danke! Sie sind ein Schatz! Ich muss jetzt, ok? Und danke, noch mal."

"Gern geschehen. Ach, Scully?"

"Ja?"

"Passen Sie gut auf sich auf, ja?"

"Versprochen." Dana schmunzelte und legte den Hörer zurück auf die Gabel. Manchmal konnte Mulder wirklich süß und lieb sein.



Key West/ Florida



"Wir brauchen einen Arzt hier. Einen Arzt, schnell!!!!". Der panische Hilferuf riss Scully aus ihren Gedanken über Mulders letzten Satz und ließ sie in die Lobby eilen.

Umringt von einer kleinen Menschansammlung, lag ein Teenager bewusstlos auf dem Boden.

"Lassen Sie mich durch. Ich bin Ärztin", erklärte Scully, sich den Weg durch die Menschen bahnend und kniete sich neben den jungen Mann, um seine Vitalwerte zu prüfen.

Nach wenigen Sekunden der Reanimation regte sich dieser und schlug die Augen auf.

"Ganz ruhig. Sie waren für einige Sekunden bewusstlos. Ich vermute einen Kreislaufzusammenbruch. Der Krankenwagen ist schon unterwegs. Können Sie mir Ihren Namen sagen?"

Der junge Mann lächelte und richtete sich etwas auf.

"Darryl. Darryl Banks. Machen Sie sich keine Sorgen. Das ist nicht das erste Mal, dass ich so umkippe und es wird auch nicht das letzte Mal bleiben. Ich habe kein so tolles Herz, wissen Sie, Doc, aber es ist wirklich nicht nötig, dass ich in ein Krankenhaus gehe, ok?"

"Darryl, Sie hatten keinen Puls und keine Atmung, als ich sie reanimierte. Ich bin Ärztin und es wäre sehr fahrlässig, wenn ich Sie nicht zur Kontrolle in ein Krankenhaus einweisen würde.

Außerdem hätte ich dann für den Rest des Tages keine Ruhe. Also, bitte tun Sie mir den Gefallen, ja?"

Der junge Mann lächelte ergeben und begleitete Scully in das nächste Krankenhaus. Nach einer gründlichen Untersuchung konnte er es gegen Spätnachmittag verlassen und unterschrieb am Empfang seinen Entlassungsschein.

"He. Geht es Ihnen gut?". Er blickte sich um und sah Scully verwundert an.

"Was machen Sie denn noch hier?"

"Na ja, in der Regel mache ich mir eben so meine Gedanken über Menschen, die ich in ein Krankenhaus einliefere. Wie geht es Ihnen, Darryl?"

"Es geht mir gut. Danke, dass ist sehr nett von Ihnen. Es ist eben die alte Sache. Meine Herzklappen funktionieren nicht so, wie sie sollten und na ja, genau das befördert mich von Zeit zu Zeit auf den Boden der Tatsachen. Im wahrsten Sinne des Wortes." Darryl schmunzelte, doch angesichts seiner Nüchternheit war Scully eher weniger zum Lachen zu Mute.

"Es gibt Möglichkeiten der Behandlung dagegen, Darryl."

"Ja, ich weiß. Und was schlagen Sie vor, Doc? Dass ich mich in ein Krankenhausbett lege und auf eines der seltenen Spenderherzen warte, während die Welt und mein Leben an mir vorüberziehen? Ich werde genau dies tun, wenn es schlimmer wird, was früh genug geschehen wird, aber im Moment möchte ich auch mein Leben genießen."

Scully nickte und reichte dem Jungen die Hand.

"Passen Sie auf sich auf, Darryl, ok?"

"Mach ich und danke, Doktor...."

"Scully."

"Danke, Doktor Scully."



Als Scully wieder ihr Hotelzimmer betrat, waren es noch genau zwei Stunden bis zur Seminarveranstaltung am Abend. Zeit genug für eine Dusche. Die vergessenen Unterlagen, die Mulder gefaxt hatte, hatte das Hotel bereits auf ihr Zimmer bringen lassen. Vielleicht hatte sie noch einen Moment um sich darin zu vertiefen.



Sechs Stunden später, kurz nach Mitternacht



Müde und erschlagen, aber auch aufgekratzt und begeistert von den Ausführungen auf diesem Seminartreffen, schloss Scully die Hoteltür hinter sich und fiel auf das Bett, als im selben Moment das Telefon klingelte.

"Scully."

"Scully, ich bin´s, Mulder. Ich brauche Ihre Hilfe."

"Jetzt? Haben Sie mal auf die Uhr geschaut!"

"Ja, habe ich. Ich sitze noch immer in diesem Büro hier und suche verzweifelt nach einer Kostenabrechnung. Und glauben Sie mir, Fullbright hat keinen Sinn für Humor, Scully!"

"Oh, das tut mir leid. Was brauchen Sie?"

"Ich kann den Stronton–Fall nicht finden." Das Klopfen an Scullys Hotelzimmertür und die Stimme im Hintergrund ließen Mulder aufhorchen.

"Scully? Haben Sie mich verstanden? Was, was treiben Sie da eigentlich gerade?"

"Na ja, auch wenn es Sie nichts angeht, was ich nachts um Mitternacht in meinem Hotelzimmer treibe, Mulder, ich komme gerade von diesem Seminar, habe mir noch ein Mineralwasser bestellt, was der Page mir soeben gebracht hat und entledige mich jetzt gerade meiner Sachen, um dann gleich schlafen zu können."

"Oh Gott, Scully. Genau das brauche ich jetzt. Die Phantasie, wie sich meine Partnerin langsam auszieht." Scully lachte und schüttelte ihren Kopf.

"Mulder, Sie sind unverbesserlich! Interessiert es Sie noch, wo Sie die Akte finden?"

"Die was? – Ach so, ja. Die Akte. Natürlich. Sie wissen, wo sie ist?"

"Sie finden sie im Schrank unter dem Spiegel. Ich hab sie in der letzten Woche benutzt und wohl vergessen zurückzulegen, sorry."

"Danke. Sie retten mein Leben, Scully!"

"Gern geschehen. Danke übrigens für die Akten, die Sie mir gefaxt haben."

"Und? Lohnt sich das Seminar?"

"Hm, ja, ich bin begeistert. Nein, im Ernst, es ist genial!"

"Freut mich, dass wenigstens einer von uns Spaß hat."

"Kommen Sie, Mulder. Ich hab mich schon entschuldigt. Was kann ich noch anstellen, dass Sie nicht mehr die beleidigte Leberwurst spielen?"

"Gehen Sie mit mir essen. Am Samstag, wenn Sie wieder in der Stadt sind!"

"Ist das ein Date, Agent Mulder?"

"Wenn Sie das so ansehen wollen, Agent Scully!" Dana lachte am anderen Ende der Leitung und ihr Lachen schickte ein seltsames Kribbeln durch Mulders Bauch.

"Scully?"

"Ja, ich wüsste nicht, was ich lieber tun würde, Mulder."

"Ist es Ihnen um 20.00 Uhr recht?"

"Hmm, ok. Holen Sie mich ab?"

"Punkt 20. 00 Uhr werde ich da sein."

"Schön. Mulder, ich sollte besser jetzt schlafen, sonst kriege ich morgen nichts mit. Sie haben die Praxisphase vorverlegt und da muss ich fit sein."

"Ok, dann will ich Sie auch nicht mehr aufhalten. Schlafen Sie gut, Scully und träumen Sie schön!"

"Gute Nacht, Mulder."



Mulder drückte auf den Ausknopf seines Handys und lächelte zufrieden. Die Aussicht den Samstag Abend mit Scully zu verbringen, ließ sein Herz schneller schlagen. Eigentlich war es doch gar nicht so schwer gewesen sie zu fragen. Er kramte die Akte hervor, die er gesucht hatte, nahm den Zettel heraus, den er für den nächsten Morgen brauchte und schaltete das Licht aus, bevor er ging.



Key West, am nächsten Morgen



Nach einem reichhaltigen Frühstück auf der Terrasse des Hotels, machte Scully sich auf den Weg zum Seminar. Nach den Ausführungen des vergangenen Abends war sie gespannt, was auf sie zukam. Diese Methode war bahnbrechend und sie ermöglichte viel schnelleres Arbeiten. Schon am zweiten Tag war sie sicher, dass dies auch eine Anschaffung für das FBI war, wenn die Methode so in der Praxis durchführbar wäre.

An diesem Tag würden erste praktische Erfahrungen mit der neuen Methode auf dem Plan stehen und Scully konnte es kaum erwarten.

Gegen Mittag suchte sie sich im Autopsieraum eine geeigneten Platz unter ihren anderen Kollegen und wartet gespannt bis der Professor mit seinen Ausführungen begann.

"Guten Morgen, liebe Kollegen und Kolleginnen. Ich möchte Sie alle heute recht herzlich begrüßen. Ich habe mir erlaubt, Sie in Zweierteams einzuteilen, denn wie Sie es sicher noch von der Uni kennen, herrscht auch hier akuter Leichenmangel". Ein unterdrücktes Lachen erhallte in dem alten Gebäude und Scully erschauderte leicht, obwohl sie an solche Späße durchaus gewöhnt war.

"Sie haben mit Ihrem Partner insgesamt vier Stunden Zeit für die Autopsie. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Spaß!"

Scully klatschte wie die anderen und erfuhr wenige Sekunden später mit wem sie an diesem Tag zusammenarbeiten würde.

"Hallo, meine Name ist Russ Taylor. Sie haben die zweite rote Karte, was? Dann sind wir für heute Partner, Miss...?"

"Doktor Scully."

"Freut mich."

"Sind Sie nicht mit dem Professor hier?"

"Sie haben eine scharfe Beobachtungsgabe, Doc!" Scully schmunzelte.

"Ja, Sie haben Recht. Ich bin sein Assistent."

"Wow, dann habe ich ja Glück und sozusagen einen Experten an meiner Seite." Russ Taylor lächelte verschmitzt und richtete seinen Blick zu seinem Chef, der abermals das Wort ergriff.

"Wenn Sie alle sich für einen Moment an diesem Tisch versammeln könnten. Ich denke, für den Anfang wäre es klug, wenn wir Ihnen allen den Einstieg an diesem Objekt zeigen werden. Danach können Sie in Ihren Teams weiterarbeiten. Doktor Scully und Doktor Taylor werden mir dabei sicherlich zur Hand gehen, nicht wahr?"

Professor Stout schlug das Tuch zurück, dass den toten Körper bislang bedeckt hatte und ich nächsten Moment entglitt Scully das Skalpell ihren Händen und ihr Magen machte eine Kehrtwende um 180° Grad.

Vor ihnen auf dem Autopsietisch lag der tote Körper von Darryl Banks, der junge Mann, dem sie am Vortag noch in der Hotellobby das Leben gerettet hatte.

"Doktor Scully, geht es Ihnen gut? Was halten Sie davon, wenn Sie uns den ersten Schnitt demonstrieren würde oder sozusagen den ersten Schnitt probieren würden?". Der Professor nickte aufmunternd und der Rest der Kollegen klatschte sogar anerkennend.

Scully hob das Skalpell wieder vom Boden auf und ihr Herz raste. Das Blut zischte in ihren Ohren und ihre Hände zitterten mehr, als es ihr lieb war.

Geh wie ein Profi an die Sache heran, Dana. Er ist tot. Er ist einer von vielen Leichen, die du schon obduziert hast, schärfte sie sich unermüdlich ein, doch innerlich hatte sie das Gefühl, als würde ihre Kehle immer enger, als sie die Spitze des Schneidwerkes auf seinen Brustkorb setzte. Innerlich hatte sie das Bild des Jungen vor Augen, der ihr mitteilte, dass er sein Leben so lange genießen wollte, wie es ging, der eben aus diesem Grund gestern nicht im Krankenhaus geblieben war, hörte seine Stimme und sein Lachen.

"Doktor Scully? Alles in Ordnung?"

Scully hörte den Professor nur wie von weitem und schaltete alles andere um sich aus, als ihr Skalpell durch das Fleisch des Oberkörpers glitt und eine feine blutige Linie hinterließ.

Stück für Stück, Stunde und Stunde untersuchten sie mehr von diesem Körper, nahmen ihn Stück für Stück auseinander und alles im Namen der Wissenschaft.



Was hatte Darryl getötet? Das Herz? Er hatte noch Scherze darüber gemacht am Vortag, aber immerhin hatte das Krankenhaus ihn auch entlassen, also konnte es nicht dermaßen akut gewesen sein.

Und Scullys Vermutung bestätigte sich, nachdem sie am Herzen mit der Autopsie angekommen waren. Es zeigte deutliche Anzeichen der Krankheit, aber es war nicht die Todesursache. Sicher nicht.

"Doktor Taylor, gibt es zu diesen Menschen hier die Totenscheine? "

"Totenscheine? Nein, Doktor Scully. Diese Menschen haben sich alle zu ihren Lebzeiten bereiterklärt im Falle ihres Todes ihren Körper der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Wir haben Zugang zu diesen Datenbanken und somit immer Nachschub, wenn Sie wissen, was ich meine. Außerdem wurden die Leichen von den örtlichen Behörden nach der Leichenschau freigegeben. Und was macht es schon, wenn wir wissen, wen wir hier vor uns haben? Ich meine, sie dienen der Wissenschaft, das ist doch sehr lobenswert und wir sollten dankbar sein, denn sonst hätten wir jetzt keine so günstigen Demonstrationsobjekte." Taylor lächelte und Scully versuchte das Bild von Darryl aus ihrem Kopf zu verbannen, wie er sie angelächelte hatte, bei ihrer Verabschiedung.

"Sehen Sie sich mal das Blut an, Doktor Taylor. Kommt Ihnen das nicht auch merkwürdig vor? Es ist fast so dick wie Geleeso dick."

"Oh, das. Das liegt an der neuen Gefriermethode, die der Professor anwendet. Sie bringt das Blut dazu zu verdicken. Es ist ganz normal. Und außerdem. Wir sind ja nicht hier um seine Todesursache zu bestimmen, sondern dieses kleine Wunderwerk zu testen, nicht wahr?" Grinsend hielt er eines der Instrumente hoch und Scully nickte. Anscheinend machte es keinen Sinn sich mit diesem Propheten der Wissenschaft näher zu beschäftigen.
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