World of X

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Whatever you do

von kay

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Schon seit über einer Stunde sitze ich hier in diesem Flugzeug, schweigend. Manchmal ertönt hinter und vor mir das Lachen einiger Kinder, die diesen Flug voller Neugierde erleben, doch ich sitze wie versteinert da, als könnte ich mich nicht bewegen. Ich wage einen Blick nach rechts. Sie sitzt neben mir und starrt ins Leere. Doch ihr Blick scheint irgendwie konzentriert, so, als denke sie über etwas angestrengt nach. Aber plötzlich scheint sie meinen Blick zu spüren, denn sie dreht ihren Kopf und schaut mich an. Kein Lächeln liegt auf ihren Lippen, sie sieht mich nur lange an und wendet sich dann wieder ab.

Ich konzentriere mich auf das Fenster. Obwohl es nicht sehr viel zu sehen gibt. Die Wolkendecke ist sehr dicht, und man kann die darunter liegende Landschaft nur erahnen.

Ich gebe es auf.

Das Weiss der Wolken hebt meine Stimmung sowieso nicht.

Also lasse ich meinen Blick durch das Flugzeug schweifen.

In der gleichen Reihe, nur durch einen Gang getrennt, sitzt ein älteres Ehepaar und ein anderer, nicht zu ihnen gehörender Mann. Ich schätze ihn auf Mitte 40.

Schon vorher ist mir aufgefallen, dass mir der Mann immer wieder mitleidige Blicke zuwirft.

Er denkt wahrscheinlich, dass ich mit ihr verheiratet bin, und wir gerade gestritten haben, schiesst es mir durch den Kopf.

So unrecht hat er gar nicht, denke ich dann. Nur bin ich nicht mit ihr verheiratet.

Leider.

In dieser Situation wird mir auf einmal schmerzlich bewusst, wie gerne ich es doch wäre. Sogar jetzt, in diesem Moment, in dem sie unübersehbar wütend auf mich ist. Auch ich bin – scheinbar – wütend auf sie, doch herrschen meine Gefühle für sie tief in meinem Innern vor.

Meine unausgesprochene Liebe zu ihr, meine Sehnsucht, meine Träume.

Wie gern würde ich sie jetzt, nach unserem Streit, in den Arm nehmen, mich bei ihr entschuldigen und sie bitten, mir zu verzeihen.

Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende gesponnen habe, fällt mir ein, dass ich mich wirklich entschuldigen könnte. Nur dürfte ich sie dabei nicht in den Arm nehmen.

Doch ich weiss nicht, ob ich es schaffe, über meinen Schatten zu springen. Noch immer bin ich der Meinung, dass ich Recht habe.

Tief in mir drin schreit mich eine Stimme an: Du elender Sturkopf! Willst du sie ganz verlieren?

Ich besinne mich.

Erst jetzt wird mir wirklich klar, was meine Gefühle bedeuten, was sie schon immer bedeutet haben:

Ich liebe sie.

Ich wollte es nur nie wahrhaben, ich habe es verdrängt, habe es verdrängt, weil ich damit nicht klar gekommen bin. Doch jetzt bin ich mir sicher; ich liebe sie und ich werde alles tun, damit sie nicht mehr wütend ist.



Langsam drehe ich meinen Kopf und werfe ihr abermals einen Blick zu. Wieder scheint sie meinen Blick zu spüren, denn sie schaut mir in die Augen. Sie will sich schon abwenden, doch ich halte sie davon ab.

-„Scully?“

Sie gibt ein leises, fast desinteressiertes „Hmm?!“ von sich.

-„Scully.. ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe vorhin überreagiert. Es tut mir Leid. Ich bin ein Idiot!“

Ich lächle sie entschuldigend an und hoffe, dass sie mir verzeiht.

Einen Moment bleibt sie still, doch dann räuspert sie sich und meint:

-„Ja, Mulder, Sie haben Recht.“

Ich schaue sie fragend an: „Womit?“

-„Sie sind ein Idiot!“

Ich weiss nicht, ob ich erleichtert oder bedrückt sein soll. Sie hat mir nicht eindeutig gesagt, ob sie mir verzeiht. Also warte ich darauf, dass sie etwas hinzufügt, aber sie bleibt stumm.

Die Stewardess kommt vorbei und fragt, ob wir noch etwas trinken wollen.

Scully wirft ein Blick auf ihr noch fast volles Wasserglas und verneint. Ich tue es ihr gleich.

Sobald die Stewardess wieder verschwunden ist, wage ich noch einen, einen letzten Versuch.

-„Scully, es tut mir wirklich Leid. Bitte glauben Sie mir.“

Und wieder schweigt sie.

Ich seufze und schaue nochmals aus dem Fenster. Es hatte ja sowieso keinen Sinn. Wenn sie sauer war, dann war sie sauer.

Doch plötzlich fühle ich eine Hand, ihre Hand, auf meiner. Sie drückt meine Hand, und ich suche ihren Blick. Sie lächelt mich an.

Sanft erwidere ich den Druck, und unsere Hände verhaken sich ineinander. Scheinen sich nicht mehr loslassen zu wollen.

Ich sage kein Wort. Worte wären überflüssig.



Der Captain meldet sich über Lautsprecher und verkündet, dass wir das Ziel in etwa einer halben Stunde erreichen würden. Ich höre Scully seufzen und sehe, wie sie sich zurücklehnt, wohl mit dem Wunsch, noch ein wenig schlafen zu können.

Und tatsächlich höre ich schon nach wenigen Minuten, dass sie gleichmässig atmet und stelle somit fest, dass sie eingeschlafen ist.

Es gibt einen leichten Ruck und ihr Kopf sinkt auf meine Schultern, Scully aber schläft tief und fest. Ich geniesse das Gefühl, das ihre Nähe in mir auslöst.

Schliesslich schließe auch ich die Augen und nicke kurze Zeit später ebenfalls ein.





***

Ich werde durch die Stimme des Captains wieder geweckt. Müde lausche ich seinen Worten und erfahre, dass wir in zwei Minuten landen werden.

Ich schaue zu Scully herüber, die immer noch tief und fest zu schlafen scheint. Sie sieht so wunderschön aus, wenn sie schläft.

Ich bringe es fast nicht übers Herz, sie aufzuwecken.

Aber ich muss.

Leise flüstere ich ihr ins Ohr:

-„Scully, aufwachen! Wir sind da!“

Nichts tut sich.

Ich zögere einen Moment, bevor ich ihr mit meiner freien Hand sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht streiche und den Satz ein wenig lauter wiederhole. Während ich darauf warte, dass sie aufwacht, fahre ich zärtlich mit meinen Fingern ihre Gesichtszüge nach. Immer wieder sage ich ihren Namen.

Plötzlich merke ich, dass sie mich anlächelt. Die Augen hält sie geschlossen, aber sie lächelt mich an.

-„Danke, dass Sie mich geweckt haben.“

Jetzt öffnet sie ihre Augen und ich nehme sofort meine Hand weg. Verlegen frage ich:

-„Haben Sie gut geschlafen?“

Scullys Miene wechselt sich plötzlich und nimmt einen ernsteren Ausdruck an. Sie nickt.

-„Ja, habe ich.“

Ich bin augenblicklich nicht mehr sicher. Sie ist mir doch nicht mehr böse, oder?

Vorsichtig frage ich nach.

-„Scully, Sie sind doch nicht mehr sauer auf mich, oder?“

Jetzt lächelt sie wieder.

-„Nein, ich bin Ihnen nicht mehr böse, Mulder. Wie könnte ich auch.“

Den letzten Satz sagt sie leise, sie flüstert ihn beinahe. Wahrscheinlich hätte ich ihn nicht hören sollen. Ich aber bin froh, dass ich so gute Ohren habe.



***



Mit einem Ruck setzt die Maschine auf. Wir sind gelandet. Ein Raunen geht durch die Menge, dann klatschen alle.

Scully und ich verlassen die Maschine und nehmen unser Gepäck. Wir haben beide nicht viel. Nur jeweils einen kleinen Koffer. Schliesslich sollen wir ja nicht lange bleiben.

Nur bis dieser Fall abgeschlossen ist.

Es ist schon relativ spät, als wir mit einem Taxi zu unserem Hotel fahren. Es sind zwei Einzelzimmer gemietet.

Angenehm überrascht stelle ich fest, dass diese auf dem gleichen Stock und sogar nebeneinander liegen. Scully jedoch scheint sich nicht grossartig darum zu kümmern.

Nachdem wir abgemacht haben, wo und wann wir uns wieder treffen, verschwinden wir beide in unsere Zimmer um zuerst einmal auszupacken.

Ich erledige das notdürftig. Ordnung war noch nie meine Stärke und ich fühle mich in einem kreativen Chaos wohl.

Danach werfe ich mich auf das Bett und schliesse die Augen. Ich bin wirklich müde.

Ich frage mich, ob es in diesem Hotel auch ein Restaurant gibt.

Laufen mag ich eigentlich nicht mehr. Aber ich freue mich auf das Essen, das Essen mit Scully.



***



Wir hatten Glück. Im Hotel gibt es doch ein Restaurant. Die Tische sind alle Nischentische. Jeder einzelne ist durch ein Podest mit Pflanzen und Dekorationen vom anderen getrennt. Ich frage mich, ob das wirklich nötig ist. Aber auf der anderen Seite bin ich auch froh darüber. So haben alle ihre Ruhe.

Wir sitzen jetzt eben an unserem Tisch, beide die Karten vor sich. Ich bestelle mir ein einfaches Mahl aus Kartoffeln, Gemüse und etwas Fleisch.

Sie tut es mir gleich und ich wundere mich nicht. Unsere Geschmäcker sind, auf Essen bezogen, nicht sehr verschieden.

Als das Essen bestellt ist, schweigen wir uns an. Es ist komisch, plötzlich scheinen wir nicht zu wissen, was wir reden sollen.

Das Essen kommt und wir essen ohne ein Wort. Auch als wir fertig sind, ist mir immer noch kein Gesprächsthema eingefallen.

Also spiele ich mit meinem Messer, spüre aber irgendwann Scullys Blick auf mir und schaue ihr in die Augen.

-„Mulder, ich hätte da eine Frage. Es ist eine etwas persönliche Frage, und ist sie völlig widersinnig, dann bitte ich Sie, sie zu vergessen. Aber ich möchte trotzdem, dass Sie mir ehrlich antworten.“

Ich schaue sie fragend an. Was mochte jetzt kommen?

Sie scheint zu schlucken, bevor sie mir wieder in die Augen sieht.

„Mulder, haben Sie sich in mich verliebt?“

!! Das trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. Sieht man mir das wirklich so leicht an? Außerdem war die Frage doch schon sehr direkt und mit solchem Mut hätte ich nicht gerechnet.

Aber es bleibt eine Frage und ich muss wohl oder übel antworten. Aber wie? Soll ich mit der Tür ins Haus fallen und ihr die Wahrheit sagen? Oder soll ich meine Gefühle weiter verstecken und schamlos lügen? Ich entscheide mich für Variante eins. Aber was passiert, wenn ich es ihr gestehe?

Ich hole tief Luft. Da muss ich durch. Erwartungsvoll durchbohrt mich ihr Blick, bis ich schliesslich ergeben nicke.

-„Ja“ ,erwidere ich leise, „ja, Sie haben Recht. Ich liebe Sie.“

Gespannt beobachte ich ihren Gesichtsausdruck. War sie überrascht? Hatte sie das erwartet?

Doch sie scheint ganz sachlich.

-„Wie lange schon?“

Auch mit dieser Frage habe ich sicher nicht gerechnet. Automatisch gebe ich Antwort.

-„Schon immer. Schon vom ersten Moment an, als ich Sie gesehen habe.“

Sie schaut mich nur an und schweigt.

Meine Hoffnungen sinken und sind langsam aber sicher verschwunden.

Ich schaue auf meinen Teller und mache mir Sorgen. Sorgen wegen unserer gemeinsamen Arbeit. Nie würde es mehr so sein wie früher.

Ich schrecke hoch, als ich sie plötzlich lachen höre. Es ist ein freies Lachen. Fast ein Aufatmen. All diese höre ich in meiner Furcht nicht.

Ich schaue sie nur unsicher an. Was ist jetzt los? Lacht sie mich jetzt auch noch aus? Sie prustet und drückt die Serviette an ihren Mund. Dann wird sie wieder ernst.

-„Ach Mulder, wir sind so blöd.“

Ich kapiere nicht. Sie lächelt scheu.

-„Mulder, verstehst du denn nicht?“

Jetzt komme ich überhaupt nicht mehr draus. Erstens: Wieso duzt sie mich plötzlich? Und zweitens: Was soll ich verstehen?

Also schüttle ich den Kopf.

-„Mulder.“ Sie nimmt meine Hände in die ihren.

-„Mir geht es genau wie dir. Ich liebe dich auch.“

Sie streicht sich verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelt wieder.

Ich starre sie noch immer an. Meine Gehirnfunktionen scheinen ausgesetzt zu haben. Doch langsam beginnt der Satz zu wirken.

Sie liebt mich, sie liebt mich! schießt es mir durch den Kopf. Mir wird fast schwindelig.

-„Wie lange schon?“ ,frage ich sie und bin mir nicht bewusst, dass sie mir die exakt gleiche Frage erst vor ein paar Minuten gestellt hat. Sie jedoch scheint es zu merken, aber sie antwortet ganz einfach:

-„Schon immer. Vom zweiten Moment an – im ersten hast du mir unmissverständlich klar gemacht, dass ich gerade nicht sehr gelegen komme – also schon vom zweiten Moment an, als ich dich gesehen habe, wusste ich, du bist mein Traummann. Aber ich hatte Angst dir meine Gefühle zu gestehen, ich hatte einfach Angst, dich zu verlieren. Doch heute im Flugzeug wurde mir plötzlich klar, dass es so nicht weitergehen kann. Und deshalb habe ich alles gesetzt, auf dich gesetzt und dich gefragt. Hättest du mit ,Nein‘ geantwortet, hätte ich dir wohl nie mehr in die Augen schauen können.“

Ich schaue sie an, nicht wissend, was ich darauf erwidern soll. Ich weiss nur, es ist das Schönste, was ich je gehört habe.

-„Scully.“

Jetzt kann ich mich nicht mehr beherrschen und beuge mich über den Tisch, ziehe sie an mich und küsse sie.

Vorsichtig, fast scheu, treffen sich unsere Lippen, und wir versinken in diesem ersten richtigen Kuss.

Es scheint, als würde die Zeit stehen bleiben, doch ein leises Räuspern holt uns zurück in die Wirklichkeit.

Der Kellner steht vor dem Tisch und fragt verlegen, ob wir noch etwas wünschen. Wir verneinen und ich verlange die Rechnung.

Mit unseren leeren Tellern verschwindet er in Richtung Küche.

Sobald er weg ist, schaut mich Scully fragend an.

-„Und was hast du jetzt vor?“

-„Keine Ahnung. Es ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass du dabei bist.“

Ich lächle sie an.

Scully lächelt zurück und meint dann ernst:

-„Ich werde dabei sein, egal was du vorhast. Für immer und ewig.“


Ende
So, das wars! Ja, ich weiss, es ist etwas kurz, aber ich war ja auf eine Kurzgeschichte aus! :-)

Egal; Feedback ist immer nötig, ob kurz oder lang! *g*
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